Protokoll der Sitzung vom 29.08.2017

Herr Boddenberg, es ist vor allem für ein hessisches Unternehmen ein Riesenproblem, dass die Europäische Union diese Pakete zusammengeschnürt hat. Aber wir müssen auch klar sagen: Sollte es nicht gelingen, den Diesel in den Fahrzeugflotten zu etablieren, dann werden Unternehmen wie Opel immense Strafzahlungen zu leisten haben, weil sie es im Flottenverbund nicht hinbekommen. Das ist einer der Gründe, warum sich General Motors damit beschäftigt hat: Ist der Diesel, ist die Fahrzeugindustrie in Europa zukünftig noch ein Geschäftsmodell, das man wirtschaftlich betreiben kann, oder ist sie keines mehr? – General Motors ist nach vielen Überlegungen zu dem Schluss gekommen: Mit dem, was die Europäische Union da vorhat, muss Schluss sein.

Herr Boddenberg, dann lassen Sie uns gemeinsam dafür kämpfen, dass aus Europa nicht solch ein Unfug kommt, der eine Schlüsselbranche in Deutschland kaputt macht. Wenn die Deutsche Umwelthilfe, die Aufträge nicht nur von Toyota, sondern auch vom Land Hessen bekommt, solche Generalangriffe auf die deutsche Automobilindustrie, auf den Diesel fährt, dann gefährden wir Tausende von Arbeitsplätzen, und dann kann man nur die Bundesregierung auffordern, dem etwas entgegenzusetzen. Herr Boddenberg, dann haben Sie uns sofort an der Seite. Das müsste die Antwort sein. Lassen Sie uns gemeinsam nach Brüssel marschieren, und lassen Sie nicht zu, dass man diese Arbeitsplätze kaputt macht.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Verbote einer Technologie sind genauso falsch wie staatliche Quoten für Elektroautos. Beides führt am Ende in eine technologische Sackgasse. Das hat Ihnen auch der Kollege Caspar versucht zu sagen, auch wenn der Widerspruch nicht ganz so deutlich wurde.

Elektroautos sind heute keinesfalls die saubere, umweltfreundliche Alternative. Auch Elektroautos produzieren Feinstaub, auch Elektroautos bringen einen Rucksack an CO2-Emissionen mit. Erst ab einer Fahrleistung von 80.000 km wird die CO2-Bilanz batteriebetriebener Fahrzeuge besser; das haben Ihnen die Kollegen schon gesagt. Aber allein bei der Gewinnung der Seltenen Erden, der Rohstoffe, die wir für die Batterietechnologie brauchen, wenn wir uns einmal anschauen, in welchen Ländern und unter welchen Rahmenbedingungen das passiert, kann man wirklich sagen: Elektromobilität mag bei bestimmten Verkehrsträgern sinnvoll sein, aber sie ist mit Sicherheit nicht der Weisheit letzter Schluss.

(Beifall bei der FDP – Vizepräsident Dr. Ulrich Wil- ken übernimmt den Vorsitz.)

Deswegen ist solch ein Schwarz-Weiß-Denken bei Weitem nicht richtig. Wir können heute nicht sagen, wie die Mobilität in den nächsten Jahrzehnten aussehen wird. Aber wir wissen schon heute, dass der Wettbewerb um die beste Technologie begonnen hat. Dazu gehört die Elektromobilität, dazu gehören aber auch neue Antriebstechnologien, wie z. B. die Brennstoffzelle oder ganz neue Kraftstoffe.

Meine Damen und Herren, auch in Zukunft sind wir elementar auf eine funktionierende Straßenverkehrsinfrastruktur angewiesen. Jeden Tag beißen Zehntausende Pendler entnervt ins Lenkrad, weil sich Bauarbeiten verzögern. Herr Al-Wazir, Sie haben viel zu verschulden, aber nicht die Bundesbaustellen von Hessen Mobil. Trotzdem darf

man sicherlich darauf hinweisen, dass diese Landesregierung die finanziellen Mittel, die in Berlin zur Verfügung gestanden hätten, noch nicht einmal ganz abgerufen hat. Ich weiß nicht, ob sich der bayerische Verkehrsminister oder der Bayerische Ministerpräsident bei Ihnen schon einmal für das Geld bedankt hat, das er jetzt verbauen darf.

Meine Damen und Herren, es ist leider Gottes ein Stück weit Ideologie. Den Menschen, die jeden Tag hier im Stau stehen, die jeden Tag nach Frankfurt rein- und rausfahren, werden Sie nicht mit einer „Zu Fuß gehen“-Kampagne wirklich eine Lösung anbieten können. Wer von Melsungen nach Kassel muss, um dort seiner Arbeit nachzugehen, dem werden Sie nicht mit einem Radschnellweg helfen können, Herr Al-Wazir.

(Günter Rudolph (SPD): Der kann die Regiotram nutzen!)

Der kann dann die Regiotram nutzen. Die hat zumindest einmal Verkehrsminister Dieter Posch gemacht.

Meine Damen und Herren, wir haben so viele Probleme. Aus eigenen Mitteln hat das Land zu all den Wohltaten, die Sie hier schon verkündet haben, rund 340.000 € in diese Zukunftsfelder hineingesteckt, die Sie am Anfang Ihrer Rede skizziert haben. Davon sind 300.000 € für ein Projekt, das der Vorgänger von Herrn Al-Wazir, Herr Posch, angestoßen hat. Diese Bilanz ist nach solch einer Rede eher peinlich. Mobilität 4.0 ist nicht nur ein technisches Thema, es ist auch eine Geisteshaltung. Es setzt eine Einstellung voraus, neue Dinge auszuprobieren, Verkehrspolitik nicht ideologisch zu betreiben, auch nicht vorher wissen zu wollen, was am Ende der Entwicklung steht. Es mag sein, dass Schwarz-Grün halbwegs geräuschlos regiert. Aber für die Menschen in Hessen ist dies eher eine Friedhofsstille. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Danke, Herr Lenders. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN erteile ich Frau Müller das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Da in den letzten Reden wieder so viel von Problemen gesprochen worden ist, ist es an der Zeit, jetzt wieder einmal von Lösungen zu reden und auf den Ausgangspunkt der Regierungserklärung des Verkehrsministers zurückzukommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Günter Rudolph (SPD): Den Minister zu loben! Das kam ein bisschen zu kurz!)

Genau, Herr Rudolph.

Hessen ist Vorreiter für eine zukunftsfähige Mobilität. Bei dieser Mobilität der Zukunft werden die Wahlfreiheit der Verkehrsmittel, ein hohes Maß an Mobilität und der Klimaschutz zusammengebracht. Damit schaffen wir mehr Lebensqualität, mehr Mobilität und weniger Verkehr, und das in einem Transitland wie Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Und das mit einem grünen Verkehrsminister, der in dieser Regierung mit der CDU die Richtung geändert hat, was FDP-Minister anscheinend nicht geschafft haben, wie Herr Lenders gerade ausgeführt hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir haben einen Plan, und wir arbeiten kontinuierlich daran, dass dieser umgesetzt wird. Was ich bisher gehört habe, ist kein Konzept. Von Herrn Schäfer-Gümbel wurden fünf Minuten Staumeldungen vorgelesen. Er hätte die von NRW vorlesen können; dann hätte er über eine halbe Stunde gebraucht, weil NRW Stauland Nummer eins ist.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Günter Rudolph (SPD): Die GRÜNEN freuen sich, dass woanders der Stau noch größer ist!)

Ihr Konzept ist: „Darfs ein bisschen mehr sein?“ 3.000 Busse gibt es, die sollen sofort ersetzt werden. Nachhaltig wäre das in keinem Fall, wenn wir sofort alle Busse verschrotten und dafür E-Busse anschaffen würden. Zudem gibt es kaum E-Busse, und es ist auch nicht so einfach, die Busse auszutauschen. Wenn Sie sich mit dem Thema beschäftigt hätten, wüssten Sie, dass die Linienführung genau berechnet werden muss, dass man nicht alle Busse überall einsetzen kann. Einfach etwas zu fordern ohne Ahnung ist noch kein Konzept.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Zur FDP. Herr Lenders, ich war angenehm überrascht, dass Sie nicht gleich wieder gewettert haben, was mit der A 44, der A 49, der A 66 oder sonst irgendwelchen Straßen ist, sondern sich jetzt auf das autonome Fahren fokussiert haben. Aber außer dem autonomen Fahren habe ich, ehrlich gesagt, nicht viel gehört. Wenn das Ihre einzige Vision ist und Sie sich nicht um die Probleme im Moment kümmern, dann helfen Sie den Menschen vor Ort auch nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir brauchen eine Verkehrswende; denn die Energiewende ist nötig. Außer der FDP und Herrn Trump bestreitet das niemand mehr. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, brauchen wir gerade im Verkehrssektor eine andere Mobilitätspolitik. Mit einem „Weiter so“ werden die weltweit beschlossenen Nachhaltigkeitsziele nicht umgesetzt werden können; das ist allen klar. Die Diskussion um den Diesel verstärkt die Diskussion allenfalls, ist aber nicht der Auslöser dafür. Ob es Einfahrverbote geben wird oder nicht – keiner will sie –, wird nicht davon abhängen, was Herr Schulz an einem Tag und Frau Hendricks an dem anderen Tag sagt. Da sehe ich auch nicht, welche Lösungen er hat, um die Grenzwerte von Stickoxid einzuhalten. Die Grenzwerte sind keine grüne Erfindung, wie ich in der Presseerklärung von Herrn Lenders lesen konnte. Die Grenzwerte sind auf EU-Ebene festgelegt worden. Sie einfach in einem gleitenden Sinkflug zu ändern wird nicht funktionieren, Herr Lenders.

(René Rock (FDP): Die Grenzwerte sind nicht vom Himmel gefallen, die sind nicht gottgegeben!)

Die Grenzwerte gibt es aber, und wir leben in einem Rechtsstaat; das hat die FDP auch einmal gewusst. Die Menschen haben ein einklagbares Recht auf eine unver

sehrte Gesundheit. Jedes Jahr sterben weltweit Menschen durch Stickoxide von Dieselabgasen. Da kann man doch nicht die Hände in den Schoß legen, das ignorieren und einfach nichts tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wie gesagt, die Stickoxide sind nur ein Teil des Problems. Das größere Problem ist der CO2-Ausstoß. Da gibt es klar vereinbarte Ziele. In Hessen verursacht der Verkehr über 36 % aller CO2-Emissionen. Das liegt an der Transitfunktion des Landes. Deswegen ist es eine große Herausforderung, umzusteuern und Mobilität mit weniger CO2-Emissionen zu gewährleisten. Daran arbeiten wir. Die Herausforderung haben wir angenommen und uns auf den Weg gemacht – zu mehr Lebensqualität und mehr Mobilität sowie weniger Verkehr und mehr Klimaschutz.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Die Mobilität der Zukunft ist nicht auf nur ein Verkehrsmittel fokussiert. Die Menschen leben bereits jetzt multimodal, insbesondere die jungen Menschen in den Ballungsräumen. Das Handy wird zum Zündschlüssel; das Auto ist ein Baustein in einer Wegekette und wird genutzt, muss aber nicht besessen werden. Auf manchen Wegen fährt man mit dem Auto, auf manchen mit dem Fahrrad. Manche Wege geht man zu Fuß oder nutzt Bus oder Bahn. Dafür optimale Bedingungen zu schaffen, das ist die Aufgabe der Politik; denn die Menschen sind schon viel weiter als der Gesetzgeber. Sie erwarten zu Recht, dass wir die Rahmenbedingungen schaffen, damit diese Multimodalität funktioniert und die Menschen stressfrei von A nach B kommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Daran arbeitet die Landesregierung. Seit der Regierungsübernahme wurden alle Verkehrsmittel konkret in den Blick genommen. Dort, wo Nachholbedarf besteht, wird kontinuierlich daran gearbeitet, aufzuholen.

Es wird Sie verwundern, aber ich fange einmal mit den Straßen an; denn dort gab und gibt es einen Sanierungsstau, wie auch hier oft beklagt wurde. Daran geändert wurde bisher aber nichts. Wir haben das Leitmotiv „Neubau vor Sanierung“ – –

(Jürgen Lenders (FDP): Neubau vor Sanierung? Interessant!)

Das Leitmotiv lautet natürlich: Sanierung vor Neubau und Investitionen in ein ordentliches Straßennetz.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Lenders (FDP): Jetzt haben wir Sie wirklich aus dem Konzept gebracht!)

Ich wollte nur prüfen, ob Sie zuhören. Das hat funktioniert.

(Heiterkeit)

Mit der „Sanierungsoffensive 2016 – 2022“ weiß jeder, welche Straße in den nächsten Jahren wann saniert wird. Die 540 Einzelmaßnahmen werden nach Dringlichkeit abgearbeitet – und nicht nach dem Datum von Landrats- oder Bürgermeisterwahlen.

Die Landesmittel sind kontinuierlich erhöht worden. Das ist ein gutes Signal für den Erhalt der Straßeninfrastruktur und vor allen Dingen für die Substanz der Straßen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Auch bei den Bundesmitteln aus dem Bundesverkehrswegeplan wird nach klaren Kriterien und nach Dringlichkeit gehandelt. Das Land investiert insbesondere in Brücken und in Autobahnknoten. Wenn es manchen zu lange dauert, wie hier suggeriert wird – auch hinsichtlich des Ausbaus der Schieneninfrastruktur –: Die Abteilung „Zaubern“ wurde leider noch nicht besetzt. Wir gewährleisten durch unser Handeln, dass das Bundesstraßennetz weiterhin funktionstüchtig ist. Auch wenn es jetzt zu Einschränkungen kommt, weil überall gebaut wird, kann der Verkehr immerhin weiterlaufen. Die Bergshäuser Brücke musste verengt werden, aber es wurde noch keine einzige Brücke gesperrt. Das gab es in Hessen zum Glück noch nicht.

Zusammengefasst zum Bereich Straße: Auf dem Weg, den die Landesregierung beschritten hat, geht es immer nach Dringlichkeit. Zu sanieren ist immer besser, als neu zu bauen. Das ist nachhaltig und zukunftsweisend, und das ist ein wichtiger Baustein für ein mobiles Hessen.

Die öffentlichen Verkehrsmittel Bus und Bahn sind das Rückgrat der Mobilität. Ohne Busse und Bahnen würde der Verkehr, gerade in den Ballungsräumen, völlig zum Erliegen kommen. Das konnten wir erleben, als bei der Bahn gestreikt wurde. Wenn alle Menschen auf die Straßen drängen, dann kommen auch die, die wirklich darauf angewiesen sind, mit dem Auto zu fahren, nicht weiter. Deswegen bilden die Massentransportmittel Bus und Bahn das Rückgrat der Mobilität.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)