Protokoll der Sitzung vom 31.08.2017

Über die Einführung des Schülertickets wurden hier im Landtag schon mehrere Debatten geführt. Die SPD hat die Einführung des Schülertickets begrüßt. Das ist auch heute noch so. Der Titel der Aktuellen Stunde lautet: „Hessens Schülerinnen und Schüler freuen sich: Schon 250.000 Schülertickets stärken den ÖPNV und machen Mobilität erschwinglich“. Meine Damen und Herren von der CDUFraktion, da muss man etwas Wasser in den Wein gießen. Der Titel hätte eigentlich lauten müssen: Schon 250.000 Schülertickets stärken den ÖPNV und machen Mobilität erschwinglich, aber immer mehr Eltern ärgern sich über die soziale Ungleichheit beim Schülerticket.

(Beifall bei der SPD)

Immer mehr Eltern merken nämlich, dass die bestehende Regelung im Hessischen Schulgesetz die Schülerinnen und Schüler in zwei Gruppen aufteilt: in diejenigen, die mit dem Schülerticket den ÖPNV in Hessen kostenlos nutzen können, und diejenigen, die in die Röhre gucken und leer ausgehen. Ich prophezeie Ihnen – das können Sie meinetwegen weglächeln oder ignorieren –, dass das insbesondere bei Klassenfahrten noch zu heftigen Diskussionen an den Schulen führen wird; denn die einen fahren mit dem erstatteten Schülerticket kostenlos, während die anderen den vollen Fahrpreis bezahlen müssen.

(Beifall bei der SPD)

Die Schüler und Eltern leiden darunter, dass sich die schwarz-grünen Koalitionspartner nicht grün sind, wenn es um das Hessische Schulgesetz geht. Ich kann Ihnen von den Koalitionsparteien nur raten, diesen Ärger ernst zu nehmen.

Meine Damen und Herren, das Schülerticket ist an sich eine gute Sache; denn die Schülerinnen und Schüler, die Jugendlichen sollen langfristig an den ÖPNV gebunden werden. Das gelingt aber nur, wenn der ÖPNV leistungsfähig, attraktiv und vor allen Dingen – ich schaue den Kollegen Rudolph an, wir sind da leidgeplagt – pünktlich ist, insbesondere auch im Rhein-Main-Gebiet.

Der Herr Staatsminister ist am Dienstag in einer Regierungserklärung, deren Schwerpunkt die Flucht vor den Herausforderungen der Gegenwart war

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

denn der Minister teilte uns hauptsächlich seine Gedankengänge dazu mit, was im Jahre 2035 alles so sein könn

te –, auf die Herausforderungen der Gegenwart nur wenig eingegangen. Einer der wenigen Punkte, an denen sich der Minister im Hier und Heute befand, war neben dem Schüler- und Landesticket der Hinweis, dass die Finanzierung der Verbünde bis 2021 gesichert und dass noch nie so viel Geld an die Verbünde geflossen sei. Das stimmt zwar, aber Sie wissen ganz genau, Herr Minister, damit wird lediglich der Status quo gesichert, und Abbestellungen konnten vermieden werden. Mehr ist beim hessischen ÖPNV aber nicht drin. Für spürbare Entlastungen für geplagte Pendler reicht das in den Hauptverkehrszeiten im ÖPNV nicht aus.

Ich formuliere es vorsichtig einmal so: Die Pünktlichkeit, insbesondere der S-Bahnen im Rhein-Main-Gebiet, ist stark ausbaubar. Die S-Bahnen im Rhein-Main-Gebiet zählen nämlich zu den unpünktlichsten in Deutschland.

(Günter Rudolph (SPD): Und teuersten!)

Wer hier neue Kunden gewinnen und den Umstieg auf den ÖPNV voranbringen will, Herr Minister, der muss mit mehr zufrieden sein, als den Status quo abzusichern.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben im ÖPNV gewaltige Herausforderungen zu bewältigen, und zwar jetzt und nicht erst im Jahre 2035. Hier kommen insbesondere auf die Kommunen große Herausforderungen zu. Ich möchte an dieser Stelle meinen Dank an die kommunale Familie richten; denn ohne deren Bereitschaft und Unterstützung wäre das Schülerticket überhaupt nicht möglich gewesen.

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen ein Beispiel aus meiner Heimatstadt Kassel nennen. Hier mussten in den letzten Jahren die Straßenbahnen ersetzt werden. Vom Land gab es dafür kein Geld. Dass das Land Hessen die Kommunen im Stich lässt, sind wir ja schon gewohnt.

(Beifall der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Dass es auch anders geht, zeigen folgende Beispiele. Sachsen fördert die Straßeninfrastruktur mit 31 Millionen €. Baden-Württemberg stellt 60 Millionen € für die Neubeschaffung und die Sanierung von Schienenfahrzeugen zur Verfügung. Niedersachsen gibt über 63 Millionen € für die Anschaffung von Stadtbahnwagen in Hannover aus. Und was macht Hessen? – Da lobt sich der Minister dafür, dass der Status quo gehalten werden konnte. Das ist zu wenig.

(Beifall bei der SPD)

Kollege Frankenberger, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss. – Es ist gut, dass das Schülerticket Akzeptanz findet. Wir werden Ende des Jahres sehen, ob die Kalkulationen aufgegangen sind. Zum Schluss bleibt aber immer noch die Frage: Wann geht man in Hessen die großen Herausforderungen im ÖPNV endlich an? Diese Frage bleibt auch in dieser Woche unbeantwortet.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat die Kollegin Müller, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir lassen uns den Erfolg des Schülertickets weder von der SPDFraktion noch von anderen schlechtreden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Ger- hard Merz (SPD))

Das Schülerticket ist ein voller Erfolg. Kurze Zeit nach dem Verkaufsstart sind schon 250.000 Schülertickets in Hessen verkauft worden. Das ist ein Erfolg, den man zwar erwartet, jetzt aber auch bestätigt bekommen hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich wundere mich ein bisschen darüber, dass Sie schon die ganze Woche darüber lamentieren, dass es keine Regierungserklärung zum Thema Schule gegeben hat, aber jetzt, bei einem originären Schulthema, nämlich dem Schülerticket, wieder lamentieren und sagen, die Debatte habe keinen Neuigkeitswert.

(Zurufe von der SPD)

Die Punkte, die Sie angesprochen haben, Herr Frankenberger, haben nämlich etwas mit Bildungsgerechtigkeit zu tun. Das Schülerticket schafft Bildungsgerechtigkeit – ganz im Gegensatz zu dem, was Sie sagen.

(Marjana Schott (DIE LINKE): Nein, das tut es wirklich nicht!)

Vorher war es so – und es ist auch jetzt noch so –, dass Schülerinnen und Schüler bis Klasse 10 ab einer Entfernung von 3 km die Schulwegekosten erstattet bekommen haben. In den Grundschulen wurden die Kosten ab einer Entfernung von 2 km erstattet. Daran hat sich nichts geändert. Für die Oberstufen musste jeder sein Ticket selbst bezahlen, außer er war so bedürftig, dass die Landkreise die Kosten erstattet haben.

Jetzt ist es so, dass sich alle für 365 € ein Schülerticket für ein Jahr für Fahrten in ganz Hessen leisten können. Das heißt, dass die Auswahl des Schulstandorts nicht mehr vom Geldbeutel der Eltern abhängt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich möchte Sie auch gern ein bisschen updaten. Die Kollegin Wissler hat nämlich in der Debatte zur Mobilität erzählt, dass der Ansatz für die Mobilität bei Hartz-IV-Empfängern 26 € beträgt. Das war vielleicht vor zehn Jahren so. Aktuell beträgt er 34,70 €. Das kommt dem Betrag ziemlich nahe, der für das Schülerticket ausgegeben werden muss.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Das Schülerticket hat natürlich auch noch andere Vorteile. Wir haben das hier alles schon erörtert, aber ich will es noch einmal kurz zusammenfassen. Nicht nur die Schülerinnen und Schüler sind mobil, sondern auch die Auszubildenden können in ganz Hessen für 365 € im Jahr fahren.

Das gilt auch für die, die einen Freiwilligendienst leisten. Das Problem war bisher, dass diejenigen, die freiwilligen Wehrdienst leisten, das Ticket ersetzt bekamen, aber die, die den Bundesfreiwilligendienst leisten, teure Fahrkarten kaufen mussten. Für die zuletzt Genannten ist es eine enorme Entlastung, dass sie jetzt weniger für ihre Fahrkarten zahlen müssen und mehr Leistung bekommen. Auch die Eltern zahlen künftig weniger.

(Marjana Schott (DIE LINKE): Das stimmt so nicht!)

Fragen Sie die Eltern doch einmal, wie viel sie im Monat dadurch sparen, dass man jetzt das Schülerticket kaufen kann und mehr Leistung bekommt. Davon können Sie mich nicht abbringen; denn ich kann Ihnen zehn Beispiele nennen – –

(Marjana Schott (DIE LINKE): Im Werra-MeißnerKreis gab es vorher ein preiswerteres Ticket!)

Aber das galt nur für den Landkreis. – Die Organisation der Klassenfahrten wird künftig viel einfacher, weil viel mehr Schüler diese Tickets haben und die Klassenlehrer die Ausflüge viel einfacher organisieren können.

Ich nehme als Beispiel Nordhessen. In ganz Nordhessen sind 58.000 Schülertickets ausgegeben worden; ungefähr 12.000 davon sind verkauft worden. Vorher waren es 6.000. Im Landkreis Waldeck-Frankenberg sind 7.900 Schülertickets kostenlos ausgegeben worden; 1.600 sind verkauft worden. Vorher sind nur 550 verkauft worden. Das zeigt doch, dass man damit auf einen Bedarf eingeht. Noch dazu hat die Reaktivierung der Kurhessenbahn, die wir betrieben haben, dazu beigetragen, dass der ÖPNV von den Schülerinnen und Schülern rege genutzt wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Außerdem ist das Schülerinnen- und Schülerticket für die Auszubildenden und die Freiwilligendienstler ein Betrag zum Klimaschutz. Wir haben heute all die Meldungen über die Katastrophen in den USA und in Indien gelesen. Das ist nicht nur ein bestimmtes Wetter, sondern das ist eine Klimaveränderung. Wir müssen alle Maßnahmen ergreifen, um die Klimaveränderungen zu verhindern.

Deswegen sind die 20 Millionen € für das Schülerticket gut investiertes Geld. Das Schülerinnen- und Schülerticket ist ein Erfolg, und ich bin der CDU dankbar, dass wir es heute noch einmal würdigen konnten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank. – Als Nächste spricht Kollegin Faulhaber, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ja, das Schülerticket ist ein Schritt in die richtige Richtung. Für viele, aber nicht für alle, haben sich die Kosten für eine Fahrtkarte im ÖPNV verringert. Auch dass man in der Freizeit mit dieser Karte fahren kann, ist für viele gut – aber nicht für alle.

Einer Entlastung für Familien werden wir immer zustimmen. Wenn jetzt 250.000 Schülertickets genutzt werden, stärkt das den ÖPNV. Auch dagegen würden wir nie etwas sagen. Aber 31 € sind auch ein guter Preis, wie man feststellt, wenn man das mit den üblichen Preisen im ÖPNV, besonders im Rhein-Main-Gebiet, vergleicht.