Dann gibt es aber kritische Punkte; die sind von den Kollegen hier schon angesprochen worden. Erstens bleiben Kinder aus benachteiligten Familien weiterhin benachteiligt, weil diese sich nicht ohne Weiteres 31 € im Monat dafür leisten können.
Frau Müller, da das hier ein bisschen unklar zu sein scheint, möchte ich das einmal ausführen – offensichtlich können Sie sich das nicht vorstellen –: Inzwischen sind 15 bis 20 % der Menschen in unserem Land arm oder von Armut bedroht. Sie reden selbst immer über Kinderarmut. Aber Kinder, die arm sind, kommen aus armen Haushalten, vor allem aus Haushalten mit alleinerziehenden Müttern oder mit Eltern, die im Niedriglohnsektor beschäftigt sind – vielleicht sogar im Jobcenter auf die Höhe der Grundsicherung aufstocken müssen – oder Harz IV beziehen.
Einem Hartz-IV-leistungsberechtigten Erwachsenen stehen nicht 34 €, sondern 25,77 € für Mobilität zu. Einem Jugendlichen von ungefähr 15 Jahren stehen knapp 15 € zu. Ich halte zweimal die Woche eine Hartz-IV-Sprechstunde ab. Sie können sich leicht ausrechnen, dass 16 € für das Schülerticket fehlen. Die müssen dann von der Grundsicherung bezahlt werden, gehen also vom Geld für Essen und Miete ab. Wenn für mehrere Kinder ein Ticket gekauft werden muss, ist das gar nicht mehr zu machen.
Was Ihnen wenig erscheint, weil Sie alle in gesicherten Verhältnissen leben, bedeutet für viele Familien eine große finanzielle Belastung. Das sollte man vielleicht einmal ein bisschen zur Kenntnis nehmen.
Das ist der Grund, warum DIE LINKE eine kostenfreie Schülerbeförderung fordert: Unserer Meinung nach gehört es zur Lehrmittelfreiheit, dass Schüler in die Schule kommen können, ohne dass Familien finanziell belastet werden – auch nicht durch 31 €.
Zweitens wurde in einigen Städten die Fahrt zur Schule teurer. Frau Wissler hat es hier schon ausgeführt: Für denjenigen, der nur zur Schule fahren will und überhaupt nicht an einer hessenweiten Fahrt interessiert ist, wird es in vielen Fällen teurer. In Hanau z. B. beträgt die Teuerung 65 €. Hanau ist kein Einzelfall; das kam auch in anderen Landkreisen vor.
Wenn Sie sagen, Schülerfahrten würden dann billiger, lassen Sie aus, dass es Schüler gibt, die innerhalb diesseits der 2- oder 3-km-Grenze wohnen und vielleicht zu Fuß gehen müssen, weil sie sich das Schülerticket nicht leisten können. Die können dann an keiner Schülerfahrt mehr teilnehmen. Oder wie soll ich das verstehen? Das alles ist also ziemlich unausgegoren.
Dann entsteht eine Ungleichheit in der Fahrtkostenerstattung durch den Schulträger. Das hat Frau Wissler ebenfalls
Es bleibt also eine Ungleichheit, von der die Schüler betroffen sind, die nicht mehr der Schulpflicht unterliegen, also die 9. oder die 10. Klasse besuchen. Oberstufenschüler müssen die Kosten für die Fahrt zur Schule immer selbst bezahlen.
Ich fasse zusammen: Wir finden recht unterschiedliche Verhältnisse vor. Es gibt Kinder, die durch ganz Hessen fahren können, und es gibt andere, die sich diese Mobilität nicht leisten können. Ich finde, das ist, wenn wir über Bildungsgerechtigkeit sprechen, eine Sache, an der sich dringend etwas ändern muss.
Es kann wirklich nicht sein, dass es für manche Familien ein Bildungshindernis darstellt, zur Schule zu kommen. Das will ich nur noch einmal sagen. Wenn es bei dem Jobticket für Landesbedienstete funktioniert, warum funktioniert es nicht bei einem solchen Ticket für Schülerinnen und Schüler? Die Idee eines Schülertickets ist also gut, aber auf jeden Fall deutlich verbesserungswürdig. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube, dass das Schülerticket und auch das Jobticket uns nicht nur in dieser Aktuellen Stunde beschäftigen, sondern dass wir uns auf Anregung von CDU und GRÜNEN hier wahrscheinlich noch oft mit diesem Thema auseinandersetzen dürfen; denn das ist schließlich eine „Riesenerfolgsgeschichte“.
Schauen wir uns beides zusammen an – Kollege Frankenberger hat von einer „Zweiklassengesellschaft“ gesprochen –: Ich würde sagen, es ist sogar eine Dreiklassengesellschaft; denn, Kollege Frankenberger, mit dem Jobticket haben wir die Situation, dass der Direktor des Gymnasiums künftig kostenlos fährt, während der Fünftklässler 365 € zahlen muss. Insofern haben wir sogar noch eine dritte Klasse eingerichtet. Das ist schon ein sehr schiefes Bild.
Wer sich das Schülerticket genau anschaut, merkt auch, dass der eigentliche Sponsor der ganzen Geschichte nicht das Land ist, sondern dass die eigentlichen Sponsoren die Schulträger, nämlich die Landkreise und die kreisfreien Städte, sind.
Meine Damen und Herren, oft genug wollten wir von der Landesregierung eine Prognose bekommen, wie teuer es insgesamt wird. Bisher haben wir immer noch nichts dazu erfahren – nur dass es eine große Erfolgsstory ist. Aber wenn es wirklich eine solch große Erfolgsstory ist, kann man durchaus in Zweifel ziehen, dass man mit den eingestellten 20 Millionen € hinkommt.
Eben ist auch kurz die Bildungsgerechtigkeit angesprochen worden. Frau Müller, Sie haben gesagt, das Schülerticket sei ein Teil der Bildungsgerechtigkeit, weil man sich seine Schule jetzt aussuchen könne. Ich nenne Ihnen ein Beispiel aus dem Landkreis Fulda: Da haben sich Eltern entschieden – Bildungsfreiheit –, ihre Kinder auf ein Gymnasium zu schicken, das rund 3,5 km entfernt ist. Es gibt aber auch ein Gymnasium in der Nähe; es ist nur 1,7 km entfernt. Diese Eltern werden künftig, wenn sie zwei Kinder haben, rund 300 € mehr zahlen müssen als vorher – von wegen Bildungsgerechtigkeit.
Frau Müller, mit diesem Argument kommen Sie nicht durch. Es mag sein, dass es für einen Großteil der Schülerinnen und Schüler ein deutlich besseres Angebot ist; aber Sie dürfen nicht verschweigen – das gehört zur Ehrlichkeit dazu –, dass es viele gibt, für die es auch teurer wird.
Am Anfang der Debatte haben Sie uns klargemacht – Herr Al-Wazir, weil Sie schon wieder munter werden; das finde ich immer schön –, dass das bisherige Angebot, die Clever Card, erhalten bleibe und dass die Schüler diese ja nutzen könnten, somit müsste es für sie nicht teurer werden. Aber kurz nachdem das Schülerticket eingeführt wurde, hat der RMV eben diese Clever Card als Produkt abgeschafft. Auf diese Idee hätte man einmal kommen können, meine Damen und Herren.
Ich bin einmal gespannt, ob die Prognosen aufgehen, ob es jetzt jeder nutzen wird und der ÖPNV die Erfolgsstory wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN und der CDU, dann müssen Sie auch erklären, wie Sie, gerade im Rhein-Main-Gebiet, diese zusätzliche Nachfrage überhaupt bewältigen wollen. In Anbetracht dieser Infrastruktur, die wir beim ÖPNV haben – Herr Kollege Frankenberger hat es Ihnen gesagt –, können Sie nicht noch mehr Fahrzeuge fahren lassen. Die würden sozusagen Stoßstange an Stoßstange fahren. Die Bahngleise sind schon von vorne bis hinten besetzt. Daher wäre das Geld, wenn man das verbessern will, erst einmal vernünftiger für den Ausbau, für die Qualitätsverbesserung im ÖPNV eingesetzt gewesen – gerade im Ballungsraum. Damit hätten wir wirklich etwas erreichen können, und dann hätten wir auch mehr Menschen dafür begeistern können, auf den ÖPNV umzusteigen.
Meine Damen und Herren, wer noch wissen wollte, welche Erfolgsstory das vor allen Dingen für die CDU ist, der hätte sich heute die Rede vom Kollegen Caspar anhören müssen; denn Herr Kollege Caspar hat sich in der Tat mehr mit den Zwischenrufen des Kollegen Rudolph beschäftigt als mit der Aktuellen Stunde.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, es ist ein Riesenerfolg, dass wir in Hessen seit einem Monat – denn heute ist der 31. August – ein Schülerticketangebot haben, das es den Schülerinnen und Schülern und Auszubildenden erlaubt, mit der Jahreskarte für 1 € am Tag in ganz Hessen unterwegs zu sein. Ich will das noch einmal ausdrücklich sagen: Wenn wir schon jetzt, nach einem Monat, über 250.000 verkaufte und ausgegebene Schülertickets haben, dann ist das ein gutes Zeichen.
So ganz nebenbei: Wir haben innerhalb weniger Monate in der Vorbereitung einen komplett neuen und hessenweit geltenden Tarif geschaffen, einschließlich der Informationskampagne, die dafür da ist, dass die Schülerinnen und Schüler erfahren, was es für ein Angebot gibt, und die von den Verkehrsverbünden gemacht wird, ebenso die Tarifgenehmigung.
Übrigens auch ganz nebenbei: Die Einführung des E-Tickets im NVV und im Landkreis Bergstraße – auch das ist jetzt hessenweit möglich – wird für die Zukunft weitere Angebote ermöglichen. Da bin ich mir ganz sicher. Die Umstellung von Tausenden Bestandsverträgen und der Abschluss von Tausenden Neuverträgen wurden umgesetzt. Das ist eine riesige Leistung, für die ich mich bei den Beteiligten in den Verkehrsunternehmen, bei den Städten und Landkreisen, den lokalen Nahverkehrsorganisationen und den Verkehrsverbünden bedanke.
Ich habe von vielen langjährig im ÖPNV Aktiven gehört, dass es die größte Umstellung seit der Schaffung der Verkehrsverbünde und damit der letzten 20 Jahre war.
Ich will ausdrücklich sagen: Das ist kein Selbstzweck, sondern wir haben für die rund 840.000 Schülerinnen und Schüler sowie für die Auszubildenden in Zukunft den Grundsatz: ein Ticket, ein Land, 1 € am Tag. Es macht den ÖPNV für junge Menschen einfach erfahrbar. Und nun zur Frage: „Was hat die Gegenwart eigentlich mit der Zukunft zu tun?“ Herr Kollege Frankenberger, wer von klein auf lernt, wie das Fahren mit Bussen und Bahnen funktioniert, weiß auch später, wie er mit dem ÖPNV von A nach B kommt.
Ich will etwas hinzufügen, weil hier teilweise einfach Falsches gesagt wird: Aus meiner Sicht ermöglicht es gerade für die Kinder von einkommensschwächeren Familien eine bessere Teilhabe an Klassenausflügen und eine hessenweite Mobilität.