Protokoll der Sitzung vom 31.08.2017

Es gab ein kriminelles Vorgehen in den Autokonzernen. Ingenieure haben leider viel Zeit und Energie darauf verwendet, durch Betrugssoftware Grenzwerte zu unterlaufen, statt eine umweltfreundliche Technik zu entwickeln. Aber – und das muss man auch sagen – das alles wurde von der Bundesregierung und den Verantwortlichen auch nicht unterbunden – trotz klarer Hinweise. Deswegen trägt natürlich diese Bundesregierung eine Mitverantwortung für die Debatte, die wir jetzt gerade führen, und die Verunsicherung, die herrscht.

(Beifall bei der LINKEN)

Das liegt vielleicht auch daran, dass sich Parteien über hohe Spenden aus der Automobilindustrie freuen, dass wir seit Jahren einen munteren Personalaustausch zwischen Automobilindustrie und staatlichen Aufsehern, zwischen

Politik und Lobby erleben. Das alles hat nichts mit technischen Problemen zu tun. Es kann nur durch eine andere Politik gelöst werden. Dazu brauchen wir kein SoftwareUpdate, sondern eine grundlegende Verkehrswende.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch an die Adresse der FDP sei gesagt: Grenzwerte sind keine unverbindliche Empfehlung, an der man sich orientieren sollte; nein. Jedes Jahr sterben Tausende Menschen durch Schadstoffe, deren Emission vermeidbar wäre. Hier muss sich etwas ändern. Gesundheit und Verbraucherschutz müssen natürlich Vorrang vor den Gewinnen der Konzerne haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Dazu muss die Autoindustrie in die Pflicht genommen werden. Dass die Konzerne damit davonkommen, wirkungslose Software-Updates einzuspielen und verkaufsfördernde Prämien auszuloben, die es als Neuwagenrabatte sowieso gegeben hätte, darf nicht sein.

Ich sage auch: Gerade diejenigen, denen die vielen Arbeitsplätze in der Automobilindustrie am Herzen liegen, müssen doch die Automobilindustrie zum Umsteuern zwingen; denn am Ende sind es auch die Beschäftigten, die den Preis für eine völlig verfehlte Unternehmensstrategie bezahlen.

(Beifall bei der LINKEN – Manfred Pentz (CDU): Am besten mit Planwirtschaft! Das hat immer funktioniert, gell?)

Herr Pentz, ich merke, dass Sie beim „Niveaulimbo“ in Ihrem fraktionsinternen Wettstreit in dieser Woche wieder weit vorn liegen. Die Zwischenrufe sind wieder von einer besonderen Qualität.

(Vizepräsident Wolfgang Greilich übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren, was macht denn die Bundesregierung in dieser Situation? – Sie lässt sich von den Autokonzernen auf der Nase herumtanzen. Auf dem lang erwarteten Dieselgipfel wurden Maßnahmen vereinbart, die einfach lächerlich sind. Diese vereinbarten Maßnahmen werden den Schadstoffausstoß der betroffenen Autos nicht unter die Grenzwerte bringen, das hat auch das Umweltbundesamt mittlerweile festgestellt. Es ist sozusagen amtlich: Der Gipfel war nichts anderes als ein Wahlkampfmanöver der Bundesregierung, er ändert überhaupt nichts.

(Beifall bei der LINKEN)

Stattdessen reden wir jetzt über Fahrverbote, ja oder nein. Das ist für viele natürlich ein Reizwort, und das ist verständlich, weil viele Menschen auf das Auto angewiesen sind. Aus Verbraucherschutzsicht muss klar sein: Es kann nicht sein, dass die Betroffenen jetzt die Zeche für die Autoindustrie zahlen müssen.

Wenn die heutigen Normen am Ende doch nicht eingehalten werden, wird auch die blaue Plakette nichts nutzen.

Bei der Gelegenheit muss man schon mal die Frage stellen: Was macht eigentlich das grün regierte Hessen? Man sieht die Position der GRÜNEN gar nicht so richtig. Die Umweltministerin schimpft ab und zu auf die Autoindustrie, ist bei dem Thema aber ansonsten ziemlich auf Tauchstation gegangen.

Ich habe das Gefühl, man will sich nicht so recht festlegen, ob man jetzt auf der Kretschmann-Linie ist – oder auf der Bouffier-Linie; das ist ja eine Linie, die beiden waren an der Inszenierung des erfolglosen Dieselgipfels beteiligt – oder ob man die doch sehr scharfe Kritik der grünen Bundestagsfraktion teilt, der ich mich in weiten Teilen anschließen kann.

(Zuruf von der CDU: Der Bundestagsfraktion oder der Kritik?)

Klar ist: Bereits vor Bekanntwerden des Abgasskandals wusste die Umweltministerin, dass auch die Euro-6-DieselPkw den Grenzwert nicht einhalten, wie aus einer Kleinen Anfrage aus dem Jahr 2015 hervorgeht. Aber statt wirksame Maßnahmen gegen die Stickoxidbelastungen zu ergreifen – z. B. Luftreinhaltepläne –, lassen Sie sich lieber von der Deutschen Umwelthilfe verklagen. Bei der EU wird lieber eine Fristverlängerung beantragt, statt für die Einhaltung der Grenzwerte zu sorgen.

Hier fehlen die Maßnahmen der schwarz-grünen Landesregierung. Am Ende wird auch kein Software-Update und keine blaue Plakette helfen, sondern hier muss etwas passieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wir brauchen eine Verkehrswende. Die Möglichkeit, Autos von der Straße zu holen, gibt es, indem man den öffentlichen Personennahverkehr ausbaut und die deutlichen Preissteigerungen verhindert. Wir brauchen einen umlagefinanzierten Nulltarif für Busse und Bahnen. Durch einen Ausbau des Angebots kann man auch den Menschen in ländlichen Gebieten ermöglichen, das Auto stehen zu lassen. Das wäre Mobilität für alle bei weniger Belastung.

Deshalb noch einmal: In der jetzigen Situation helfen keine Software-Updates, sondern wir brauchen eine grundlegende Verkehrswende. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Wissler. – Als Nächster hat sich für die Fraktion der CDU Herr Kollege Caspar gemeldet. Bitte sehr. Sie haben das Wort.

(Manfred Pentz (CDU): Uli, jetzt sagst du mal, was Sache ist!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die FDP hat heute eine Aktuelle Stunde beantragt, die sich mit der Thematik „Fahrverbote für Diesel“ beschäftigt. Deswegen am Anfang unsere klare Aussage: Wir sind gegen Fahrverbote für Diesel. Warum? – Weil die Debatte etwas komplizierter ist, als sie manchmal in den Medien dargestellt wird.

Die Debatte hat im Wesentlichen mit Gesundheitsschutz zu tun. Der ist uns außerordentlich wichtig. Gesundheitsschutz bedeutet, dass wir alles dafür tun müssen, dass die Bevölkerung möglichst wenige Schadstoffe einatmet.

(Beifall bei der CDU)

Als Erstes müssen wir feststellen – das ist sehr erfreulich, damit die Menschen hier gut und gerne leben können –,

dass die Luftqualität in den großen deutschen Städten so gut ist wie seit 120 Jahren nicht. Das ist ein Erfolg einer Menge an Maßnahmen. Insbesondere in den letzten Jahrzehnten ist es gelungen, die Schadstoffe drastisch abzusenken und damit die Luftqualität in den Städten zu verbessern.

Gleichwohl hat die EU – das ist meiner Ansicht nach richtig – sehr strenge Werte angelegt und gesagt: Um jegliche gesundheitliche Schädigung auszuschließen, muss alles getan werden, damit diese niedrigen Werte erreicht werden. – Wir konnten sie in den letzten Jahren bei fast allen Schadstoffen erreichen – denken Sie an die Feinstaubdebatte in den letzten Jahren –, nur im Bereich der Stickoxide noch nicht. Deswegen muss man sich mit den Ursachen beschäftigen.

Es hat sehr viel damit zu tun, dass Verkehre auf bestimmte Achsen konzentriert worden sind, was unter dem Gesichtspunkt, dass man weite Bereiche entlastet, durchaus gut ist, was meiner Ansicht nach aber zu wenig Rücksicht auf die Menschen nimmt, die an den Hauptverkehrstraßen leben; denn sie haben dadurch eine Schadstoffbelastung bekommen, die teilweise über den Grenzwerten liegt.

Der erste Ansatz muss es sein – Schadstoffe sind immer ein Thema der Konzentration, nur sie ist für den einzelnen Menschen schädlich –, dass wir versuchen, die Konzentration wegzubekommen. Das können wir schaffen, indem wir mehr Ortsumfahrungen bauen, um den Verkehr zu entzerren, oder indem wir in innerstädtischen Lagen Alternativrouten anbieten, damit in Zukunft keine Konzentration mehr auf die wenigen Trassen, wo es dann eine zu hohe Belastung für die Menschen gibt, ermöglicht wird.

Eine weitere Maßnahme, die wir ergreifen, ist: Die Fahrzeuge sollen weniger Schadstoffe ausstoßen. Deswegen hat man ja die Euro-6-Norm gerade beim Diesel eingeführt. Alle neuen Dieselfahrzeuge, die jetzt auf den Markt kommen, haben diese Vorschrift einzuhalten. Sie trägt dazu bei, dass sich die Luftqualität weiter verbessert. Darum ist es wichtig, dass die Menschen gerade heute neue und innovative, schadstoffarme Diesel kaufen. Darum ist ein Fahrverbot für Diesel falsch.

Man muss doch feststellen, dass der Dieselmotor den geringsten Energieverbrauch hat. Das heißt, wir können heute ein gleich schweres Fahrzeug mit einem Dieselantrieb mit weniger Energie bewegen als z. B. ein Fahrzeug mit einem Benzinantrieb oder mit einem Elektroantrieb.

(René Rock (FDP): 20 %!)

Wenn man das weiß und sagt: „Wir wollen den Energieverbrauch reduzieren“, dann wäre es natürlich völlig falsch, ausgerechnet den energieeffizientesten Motor zur Disposition zu stellen. Das wird es mit uns nicht geben.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich hat der Dieselmotor gewisse Nachteile. Insbesondere dass Treibstoffe verbraucht werden, die klimaschädlich sind, ist eine wesentliche Herausforderung, der sich die Wissenschaft auch schon angenommen hat. Sie wissen, dass mittlerweile Treibstoffe entwickelt werden, die von Bakterien oder von Algen produziert werden, um sie so CO2-neutral herzustellen.

Das dauert aber noch eine Zeit, bis es wirtschaftlich ist – technisch ist es möglich. Hier müssen wir sicherlich noch mehr tun, um diese Innovation zu fördern. Aber wir sind

eben noch lange nicht so weit. Deswegen ist der Elektromotor eine wichtige Übergangstechnologie, die wir in den nächsten Jahren sicherlich verstärkt einsetzen müssen, um die Schadstoffbelastung in den Städten zu reduzieren.

Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.

Danke, Herr Präsident. – Insbesondere in den großen Städten ist es deswegen sinnvoll, z. B. den Bus- und Lkw-Verkehr mit Dieseltechnologie erheblich zu reduzieren. Auch dort wird viel getan, wir sind auf einem guten Weg, Fahrverbote aber brauchen wir nicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Caspar. – Für die Landesregierung spricht Frau Staatsministerin Hinz. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Landesregierung will Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen weder in Frankfurt, Darmstadt und Wiesbaden abhängen, sehr geehrte Damen und Herren von der FDP, noch in Gießen, Marburg, Kassel, Limburg, Offenbach, Fulda und Bensheim – auch dort haben wir Überschreitungen der Grenzwerte. Das ist Ihnen vielleicht noch nicht aufgefallen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Die Landesregierung hat das Ziel, Fahrverbote zu vermeiden. Das Problem aber ist, dass es erste gerichtliche Entscheidungen dazu gibt – noch nicht in Hessen, aber in anderen Bundesländern. Warum gibt es diese gerichtlichen Entscheidungen? Nicht, weil die Hessische Landesregierung Fahrverbote haben will oder weil es keine Luftreinhaltepläne in Hessen und in anderen Ländern gäbe, sondern weil die Automobilkonzerne über mehrere Jahre mit den Abschalteinrichtungen von Dieselmotoren getrickst und getäuscht haben. Das ist der Grund.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktions- los))