Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Warnecke, die Hessische Landesregierung macht eine gute, sie macht sogar eine hervorragende Politik und Arbeit für unser Bundesland. Wir fördern, landauf, landab, Kommunen, freie Träger, Institutionen, Kultur, Krankenhäuser, das Ehrenamt und alle anderen wichtigen politischen Bereiche in einem bemerkenswerten Umfang, um unser Bundesland noch weiter voranzubringen.
Es als einen Vorgang der Unsittlichkeit anzusehen, dass Abgeordnete der Nichtregierungsfraktionen das entsprechend öffentlich aufgreifen und positiv darstellen, können wir nicht erkennen. Das gilt, obwohl die Abgeordneten der Opposition im Allgemeinen dem Haushaltsplan des Landes Hessen, der den Bescheiden meistens zugrunde liegt, nicht zugestimmt haben. Da muss jeder mit sich selbst klarkommen.
Die Hessische Landesregierung freut sich über jedes Lob. Lassen Sie mich schließen: Herr Warnecke, Sie loben uns zu Recht.
(Die Fragen 881, 885, 887, 890, 891 und die Ant- worten der Landesregierung sind als Anlage beige- fügt. Die Fragen 876 bis 880, 882 bis 884, 886, 888 und 889 sollen auf Wunsch der Fragestellerinnen und Fragesteller in der nächsten Fragestunde beant- wortet werden.)
Meine Damen und Herren, bevor ich die Regierungserklärung aufrufe, darf ich auf der Tribüne Herrn Dr. Moritz von Wyss, den Leiter der Parlamentsdienste beim Kantonsrat Zürich – er ist dort quasi der Landtagsdirektor –, und Herrn Gyger in seiner Begleitung begrüßen. Herr von Wyss, grüß Gott. Sie informieren sich über die Bildungsangebote des Hessischen Landtags, insbesondere über das Schülerseminar und das Besuchsangebot an Plenartagen. Herzlich willkommen aus der Schweiz hier in Hessen.
Regierungserklärung des Hessischen Kultusministers betreffend „Zum Wohle unserer Schülerinnen und Schüler: Herausforderungen meistern – Bildungsqualität stärken“
Die vereinbarte Redezeit beträgt 20 Minuten pro Fraktion. Die Reihenfolge ist klar: Zunächst spricht die Landesregierung, dann jemand aus der SPD-Fraktion, dann jemand von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, danach jemand von der LINKEN, danach jemand von der FDP-Fraktion und danach jemand von der CDU-Fraktion. Dann redet Frau Kollegin Öztürk, sofern sie das wünscht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir erleben derzeit einen immer rasanteren gesellschaftlichen Wandel: einen Wandel der Arbeitswelt, der Berufsbilder und des Erwerbslebens, aber auch einen Wandel im Familienleben, vor allem weil immer mehr Eltern zu gleichen Teilen arbeiten gehen. Nicht zuletzt tragen die Individualisierung und Pluralisierung von Lebensstilen zu diesem gesamtgesellschaftlichen Prozess bei. Dieser Wandel birgt erhebliche Chancen; denn ohne Wandel gibt es keine Entwicklung und keinen Fortschritt. Dieser Wandel birgt aber auch Risiken, weil er die Anforderung stellt, Qualifikationen und Erfahrungen immer wieder anzupassen. Deswegen verändert sich mit diesem Wandel der Arbeits- und Berufswelt und des gesellschaftlichen Lebens insgesamt in vielen Bereichen auch die Schule.
Was kann und soll Schule also in dieser sich ständig wandelnden Welt leisten? Die Qualifikation eines Menschen in seinem künftigen Arbeitsgebiet entwickeln? Ökonomischberuflich orientierte Kompetenzen vermitteln? Die Schülerinnen und Schüler auf ihren beruflichen Erfolg vorbereiten? – Sicherlich auch. Aber können und dürfen derartige Überlegungen der einzige Maßstab von Schule sein? – Sicherlich nicht.
Meine Damen und Herren, Schule muss ein umfassendes Ziel verfolgen, nämlich eine qualitativ hochwertige Bildung und Ausbildung der Fähigkeiten, der Talente und der Gesamtheit der charakteristischen Eigenschaften eines Menschen. – Das wollen wir als Hessische Landesregierung.
Die bestmögliche Bildung in diesem Sinne erreichen wir für unsere Schülerinnen und Schüler durch die bestmögliche Qualität der Arbeit an und in unseren Schulen.
Meine Damen und Herren, an dieser Stelle möchte ich zunächst einmal Danke sagen. Mein herzlicher Dank gilt jeder Lehrerin, jedem Lehrer, allen Schulleitungsteams und Mitarbeitern der Bildungsverwaltung für ihren täglichen Einsatz und ihr hohes Engagement zum Wohle unserer Schülerinnen und Schüler. Einmal mehr ist der gelungene Start dieses Schuljahres der Beweis für ihre vorbildliche Arbeit.
Aber auch für dieses neue Schuljahr lautet die zentrale Frage: Wie können wir unsere Schulen und Lehrkräfte so unterstützen, dass sie ihr Leistungsvermögen voll zum Einsatz bringen können? Wir möchten unsere Kinder und Jugendlichen zu mündigen, eigenständig denkenden und sozial handelnden Erwachsenen heranbilden. Das bedeutet, dass sich die Qualität jeder schulischen Arbeit – der Einzelschule sowie jeder einzelnen Lehrerin und jedes einzelnen Lehrers – daran auszurichten hat.
Meine Damen und Herren, diese Parameter können Sie auch in allen Bereichen unserer Bildungspolitik als Leitideen wiederfinden. Die Bildungspolitik dieser Regierung und der sie tragenden Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird von zwei Leitgedanken geprägt:
Zweitens geht es um Innovation und Weiterentwicklung überall dort, wo es sinnvoll und notwendig ist.
Die Novellierung des Hessischen Schulgesetzes, das zu diesem Schuljahr in Kraft getreten ist, verfolgt deshalb drei wesentliche Gedanken im Hinblick auf die Qualitätssicherung und -entwicklung an unseren Schulen. Ich habe sie schon bei ihrer Verabschiedung im Mai verkündet. Ich betone sie aber heute gerne noch einmal, da sie die Grundlage unseres Handelns bilden.
Das ist erstens die Stärkung der Wahlfreiheit und Chancengerechtigkeit im hessischen Bildungssystem.
Wir haben verschiedene Maßnahmenpakete geschnürt, mit deren Hilfe wir die großen Themen des gesellschaftlichen Wandels im Bereich der Bildung erfolgreich gestalten. Wir setzen hinsichtlich unserer Qualitätsoffensive bei Fortbildung und Beratung nicht auf die einzelnen Lehrkräfte im Sinne von Einzelkämpfern, sondern möglichst auf ganze Kollegien. Wir konzentrieren uns mit ihr auf die großen Themen der Bildungspolitik wie Integration, Inklusion, Medienbildung, Lesen, Schreiben, Rechnen – die Basiskompetenzen – und Ganztagsbildung und berufliche Bildung.
Gemeinsam mit der Hessischen Lehrkräfteakademie und den Staatlichen Schulämtern entwickeln wir abgestimmte, passgenaue Veranstaltungen, um die neuen Herausforderungen anzugehen.
Schulen können sich mit ihrem speziellen Fortbildungsbzw. Beratungsbedarf direkt an ihr zuständiges Staatliches Schulamt wenden. Sie erhalten dort durch die neu eingerichteten, multithematischen Teams eine entsprechende Unterstützung – von den Bedarfen der Schule aus gedacht und systematisch gesteuert. So werden z. B. Angebote zum sprachsensiblen Fachunterricht wie auch zur Demokratieund Werteerziehung ausgebaut werden.
Wir werden eine groß angelegte Initiative zur Fortbildung aller Lehrkräfte im Bereich der digitalen Bildung mit dem Ziel umsetzen, unsere Schülerinnen und Schüler auf die Anforderungen in der Arbeitswelt von morgen vorzubereiten.
Für eine verbesserte Diagnosefähigkeit unserer Lehrkräfte hat das Land zudem Projektbüros eingerichtet, die sie bei der Umsetzung und Optimierung der individuellen Förderung ihrer Schülerinnen und Schüler beratend unterstützen.
Aber auch die Anforderungen an die Schulleiterinnen und -leiter haben sich in den vergangenen Jahren sowohl im administrativen als auch im pädagogischen Bereich signifikant gewandelt. Deswegen wollen wir Lehrkräfte bereits vor der Übernahme dieses verantwortungsvollen Amtes noch besser vorbereiten und fördern, als es bislang der Fall war.
Dafür haben wir eine neue Qualifizierung von Schulleiterinnen und -leitern entwickelt. Die Ergebnisse der Evaluation aus dem Pilotprojekt, das im letzten Schuljahr durchgeführt wurde, haben die Tragfähigkeit und hohe Qualität unseres neuen Konzepts bestätigt. Das und die große Nachfrage – rund 500 Lehrkräfte haben ihr Interesse an einer zukünftigen Teilnahme bekundet – bestärken uns in unserem Vorhaben, dieses Konzept nunmehr in ganz Hessen einzuführen. Erstmals wird es damit in Hessen eine systematische Führungskräfteentwicklung für angehende Schulleiterinnen und -leiter geben. Damit qualifizieren wir nicht nur noch besser, sondern wir sorgen auch dafür, dass uns im Rahmen der Schulleiterstellenbesetzung künftig eine große Auswahl an qualifizierten Bewerberinnen und Bewerbern zur Verfügung stehen wird.
Unsere Qualitätsoffensive richtet sich darüber hinaus in besonderem Maße an die Grundschulen. Die Grundschule ist als erste Schulform prägend für den weiteren Bildungsweg der Kinder und nimmt eine Vielfalt unterschiedlichster Begabungen auf. Entsprechend vielfältig sind die Aufgaben unserer Grundschullehrkräfte, und entsprechend bedeutungsvoll ist die Aufgabe der Grundschule insgesamt. Hessen setzt daher auf die Expertise der Grundschullehrkräfte, unter anderem in unserem neu geschaffenen Praxisbeirat, der das Ziel hat, unsere Grundschulen noch besser zu unterstützen und, soweit es möglich ist, zu entlasten.
Meine Damen und Herren, vor elf Tagen habe ich auf meiner Pressekonferenz spezielle Maßnahmen für die Grundschulen vorgestellt. Gerne betone ich heute noch einmal die zukunftsweisenden und auf die Entlastung unserer Grundschulen ausgerichteten Maßnahmen aus diesem Paket.
Für die unterrichtsbegleitende Unterstützung unserer Lehrerinnen und Lehrer schaffen wir 700 neue Stellen für sozialpädagogische Fachkräfte. Davon werden 400 bereits zum 1. Februar 2018 den Grundschulen zur Verfügung gestellt. Die weiteren 300 Stellen sind dann ab 1. August 2018 für die Unterstützung und Entlastung der Lehrkräfte an weiterführenden Schulen vorgesehen. Weiterhin nehmen wir bei den Konrektorenstellen eine Besoldungserhöhung vor, wovon insgesamt über 900 Lehrkräfte profitieren.
Meine Damen und Herren, es geht nicht nur ums Geld. An den Grundschulen mit einer Größe zwischen 80 und 180 Schülerinnen und Schülern schaffen wir jetzt zum ersten Mal überhaupt Konrektorenstellen zur Entlastung. Für eine umfassende und zielorientierte Unterstützungsleistung mit klarem Fokus auf unseren Grundschulen richten wir in den vier Kooperationsverbünden der Staatlichen Schulämter insgesamt 24 zusätzliche Stellen für Schulberater und Schulpsychologen ein. Darüber hinaus werden wir bewährte Maßnahmen wie die anlassbezogene schulpsychologische Beratung in den Grundschulen ausbauen und durch zusätzliche Angebote aus den Bereichen Fortbildung, Beratung und Schulevaluation ergänzen. Wir werden die finanziellen Mittel für das bislang schon erfolgreich gelaufene Programm zur Fortbildung und Beratung von Schulleiterinnen und -leitern hinsichtlich der Steuerung von Schulentwicklung ab dem kommenden Jahr verdoppeln. Davon werden künftig 140 Schulen jährlich profitieren.
Wir unterstützen die Professionalisierung unserer Lehrkräfte durch Fortbildungsangebote zur Vermittlung der elementaren Kulturtechniken, also in den zentralen Bereichen Lesen, Schreiben und Rechnen. Speziell für die Vermittlung und Herausbildung von Rechtschreibkompetenz stellen wir seit diesem Schuljahr interessierten Grundschulen erstmalig einen Grundwortschatz zur Verfügung.
Mit seiner Hilfe werden wir zukünftig die Förderung, Begleitung und Unterstützung unserer Schülerinnen und Schüler über ihre gesamte Bildungsbiografie in den Blick nehmen, und zwar in einem ganz zentralen Aspekt – bildet doch die Rechtschreibkompetenz eine wesentliche Grundlage für den Erwerb der Bildungssprache Deutsch. Ihre Beherrschung ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Schullaufbahn, für eine gelingende Integration und damit für ein gelungenes Leben in unserer Gesellschaft.
Für die Schülerinnen und Schüler, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, haben allein seit Januar 2016 über 4.000 Lehrkräfte im aktiven und im Vorbereitungsdienst die Basisqualifizierung Deutsch als Zweitsprache durchlaufen. Bis Februar 2018 werden wir über 500 Lehrkräften den Erwerb der kompletten Fakultas Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache ermöglicht haben.
Meine Damen und Herren, eines ist uns klar: Im Bereich der Sprachförderung werden die Herausforderungen nicht geringer werden. Aber wir nehmen sie an.
Nachdem wir in den letzten zwei Jahren mit unseren Intensivklassen, den Intensivkursen und an den Schulen für Erwachsene über 40.000 Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger beschult haben, heißt es nun, diese sukzessive in die Regelklassen zu überführen. Nur um diesen Übergang zu unterstützen, haben wir allein 200 Stellen zusätzlich bereitgestellt. Hier gilt es ebenfalls, Qualität an die erste Stelle zu setzen.