Protokoll der Sitzung vom 26.09.2017

Nachdem wir in den letzten zwei Jahren mit unseren Intensivklassen, den Intensivkursen und an den Schulen für Erwachsene über 40.000 Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger beschult haben, heißt es nun, diese sukzessive in die Regelklassen zu überführen. Nur um diesen Übergang zu unterstützen, haben wir allein 200 Stellen zusätzlich bereitgestellt. Hier gilt es ebenfalls, Qualität an die erste Stelle zu setzen.

Aus diesem Grunde haben wir als ein wesentliches Qualitätsmerkmal im vergangenen Jahr das in Hessen bereits sehr erfolgreich etablierte Deutsche Sprachdiplom auf die beruflichen Schulen ausgeweitet, woran auch über 700 hessische InteA-Schülerinnen und -Schüler teilgenommen haben – eine gute Ergänzung zu der mündlichen Frage, die wir vorhin hatten. Dieser Wert – diese 700 Schülerinnen und Schüler, die die Prüfung für das Deutsche Sprachdiplom gemacht haben – ist ein bundesweiter Spitzenwert. Da sind die anderen Bundesländer auf dem Weg, uns zu folgen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Sprachdiplom ermöglicht nicht nur Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern bessere berufliche Chancen, sondern bietet auch potenziellen Arbeitgebern und Ausbildern valide Sprachstandsinformationen. Deshalb wollen wir es in diesem Schuljahr noch stärker ausbauen.

Außerdem werden wir in diesem Schuljahr bei der Sprachförderung einmal mehr gezielt auf unsere Kleinsten schauen. Fast die Hälfte der null- bis sechsjährigen Kinder in Hessen hat mittlerweile einen Migrationshintergrund. Über 10.000 Kinder pro Schuljahr nehmen deshalb das Angebot der freiwilligen Vorlaufkurse wahr. Diese Zahl wird weiter steigen, und deswegen werden wir dieses Angebot auch weiter ausbauen.

Eine der möglichen Anschlussmaßnahmen an die Vorlaufkurse, „Deutsch & PC“ – das ist eine Förderung während des Regelunterrichts durch sprachintensiven Deutsch- und Mathematikunterricht in Kleingruppen vom ersten Schuljahr an –, werden wir auf mindestens 100 Grundschulen ausweiten. Durch alle diese Maßnahmen wollen wir das Ziel erreichen, dass möglichst alle Kinder „von Anfang an mitreden“ können.

Mit dem Sozialindex haben wir in der aktuellen Legislaturperiode 540 Stellen, davon 141 für die reinen Grundschulen, eingerichtet, um Schulen, die unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen arbeiten, gezielt zu unterstützen.

Ein weiteres Erfolgsmodell, das wir in den kommenden Jahren kontinuierlich ausbauen werden, sind die seit 2007

durchgeführten zentralen und schulbezogenen Osterferiencamps. Damit unterstützen wir die Jugendlichen, die bisher in der Schule weniger erfolgreich waren, in dem Ziel, ihre Versetzung oder ihren Hauptschulabschluss zu erreichen. Wir stärken damit ihr Selbstbewusstsein und ihre Lernmotivation und geben ihnen gute Lernstrategien zur Entfaltung ihrer Fähigkeiten an die Hand. In den zurückliegenden zehn Jahren haben bereits mehr als 2.200 Schülerinnen und Schüler von diesem Angebot profitiert, und das mit einer durchschnittlichen Versetzungsquote von 80 %.

Meine Damen und Herren, das ist ein Erfolgsformat,

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und wir wollen es zugunsten des Schulerfolgs von zugewanderten Kindern und Jugendlichen weiter ausdehnen.

Die Hessische Landesregierung setzt außerdem – das wissen Sie – im Ganztagsbereich einen Schwerpunkt ihrer Arbeit und sieht in dessen bedarfsgerechtem Ausbau einen Schlüssel für eine qualitätsorientierte Entwicklung des Schulsystems, von der unsere Kinder und Eltern dauerhaft profitieren werden. Dabei ist der Pakt für den Nachmittag, den wir im Schuljahr 2015/2016 gestartet haben, das umfangreichste Ausbauprogramm für den Ganztag, das es je in Hessen gab.

Im vergangenen Schuljahr sind 65 neue Paktschulen hinzugekommen, und in diesem Schuljahr werden 46 weitere Schulen den Pakt umsetzen. Aktuell nehmen 167 Schulen und 21 der 33 Schulträger, also zwei Drittel aller Schulträger, teil. Dafür erhalten die 167 Paktschulen rund 390 Stellen. Insgesamt werden in diesem Schuljahr die mehr als 600 Grundschulen und verbundenen Grundschulen im Ganztagsprogramm des Landes einschließlich der Schulen im Pakt für den Nachmittag rund 1.000 Stellen erhalten.

Dabei bleibt – das möchte ich an dieser Stelle noch einmal betonen – der Pakt für den Nachmittag ein freiwilliges Angebot. Wir zwingen niemanden zu etwas,

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

sondern wir ermöglichen Wahlfreiheit und schaffen Optionen für unsere Eltern. Denn nicht überall im Land wünschen sie für ihre Kinder in gleich hohem Maße einen ganztägigen Verbleib in den Schulen.

Meine Damen und Herren, seien wir ehrlich: Schule kann nicht alles leisten. Natürlich tragen die Eltern weiterhin in ganz wesentlichem Maße zur Bildung und Erziehung ihrer Kinder bei. Wir sehen deshalb in der Unterstützung der Familie und durch die Familie eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Schullaufbahn unserer Kinder, ohne dabei die Gesellschaft aus ihrer Verantwortung zu entlassen. Ganz im Sinne unseres Grundwerts der Solidarität wollen wir deshalb die Unterstützung schaffen, die Eltern vor Ort brauchen, um der Verantwortung für ihre Kinder gerecht werden zu können.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, selbstverständlich werden wir in Hessen auch den Weg der Inklusion weitergehen. Aber Qualität braucht auch hier ihre Zeit. Von daher stehe ich für eine Inklusion mit Augenmaß. Die Bewahrung des Bewährten und eine behutsame Weiterentwicklung – das gilt

auch für den Weg, den wir mit der Einführung der inklusiven Schulbündnisse beschritten haben.

Wir erhalten dadurch unsere hohe Expertise in allen acht Förderschwerpunkten. Die Förderschulen stellen nach wie vor ein attraktives Bildungsangebot dar und sind zum Erhalt von sonderpädagogischem Know-how unerlässlich. Sie sind für viele Schülerinnen und Schüler der geeignete Förderort und werden von vielen Eltern als die für ihre Kinder geeignete Schule aktiv gewählt.

Gleichzeitig schaffen wir neue Möglichkeiten für die inklusive Beschulung, ohne die Schulen und die Schulträger zu überfordern. Dazu haben wir die inklusiven Schulbündnisse ins Leben gerufen und im neuen Schulgesetz verankert, und wir haben in diesem Schuljahr rund 200 Stellen mehr zum Ausbau des inklusiven Unterrichts zur Verfügung gestellt.

Meine Damen und Herren, nein, wir betreiben keine Inklusion mit der Brechstange. Wie so oft liegt auch hier der richtige Weg in der Mitte.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Inklusion mit Augenmaß, so viel Inklusion wie möglich, so viel Differenzierung wie nötig, Qualität vor Quantität und das Kindeswohl sowie die Wahlfreiheit der Eltern – das sind auch hier unsere zentralen Prämissen.

Rund 33.000 Schülerinnen und Schüler erfahren zudem eine sonderpädagogische Beratung und Förderung an allgemeinen Schulen in Form von vorbeugenden Maßnahmen, ohne dass ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt wird. Diese Förderung, die dazu führt, dass die Schülerinnen und Schüler an der allgemeinen Schule bleiben können, ist eine herausragende Leistung der Lehrkräfte der Beratungs- und Förderzentren und derjenigen der allgemeinen Schulen in Hessen. Sie sichern Hessen im Bereich der präventiven Maßnahmen einen Spitzenplatz im Vergleich der Bundesländer.

„Prävention vor Feststellung“ ist seit Jahren eine mit großem Ressourceneinsatz unterstützte hessische Maxime. Das Wohl des einzelnen Kindes ist uns auch hier die Richtschnur bei allen Entscheidungen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, diese Beispiele verdeutlichen, dass diese Landesregierung nicht nur ihrer sozialpolitischen Verantwortung gerecht wird, sondern ebenso ihrer zentralen bildungspolitischen Leitlinie, der Qualitätssicherung. Wir werden diesen Weg der Qualitätssicherung und -entwicklung an unseren Schulen konsequent fortsetzen.

Dafür bedarf es natürlich weiterhin einer verlässlichen Ressourcenausstattung, um die Rahmenbedingungen für diesen stetigen Qualitätsentwicklungsprozess sicherzustellen, und die gewährleisten wir bereits mit unserer 105-prozentigen Lehrerversorgung. Schauen Sie sich im Vergleich dazu beispielsweise unser nördliches Nachbarland Niedersachsen an. Dort heißt es im Amtsblatt des Kultusministeriums:

Die Werte zur Unterrichtsversorgung an den … öffentlichen allgemeinbildenden Schulen im Schuljahr 2016/2017 konnten stabil gehalten werden.

Stabil, ja, bei 98 % bei den öffentlichen allgemeinbildenden Schulen. Im Bereich der berufsbildenden Schulen stehen sogar nur 88 % Unterrichtsversorgung unseren 105 % gegenüber.

Meine Damen und Herren, diese 105 % sind unser Markenzeichen, und damit stehen wir nach wie vor im Bundesvergleich einmalig da.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darauf dürfen und wollen wir uns aber nicht ausruhen. Insbesondere der Lehrerversorgung sowie der Stellenbesetzung gilt seit Anfang dieses Jahres unser besonderes Augenmerk. Wie ich Ihnen bereits zu Beginn des Schuljahres erklärt habe, konnten wir aufgrund der allgemeinen Bewerberlage zu Beginn des Schuljahres rund 100 Planstellen an unseren Grundschulen noch nicht dauerhaft besetzen. Aktuell haben wir diese Lücke schon wieder um ein Viertel reduziert, und mittlerweile haben über 200 Personen ihr Interesse an Vertretungsverträgen für einen Einsatz in den Grundschulen bekundet. Dabei handelt es sich um bisher nicht zugelassene Bewerber für das Referendariat im Gymnasial- bzw. im Haupt- und Realschulbereich, also allesamt hoch qualifizierte Menschen mit einer pädagogischen Ausbildung.

Ich bin zuversichtlich, diese Lücke in den nächsten Wochen schließen zu können, spätestens wenn nach den Herbstferien die Referendare, die ihre zweite Staatsprüfung abgeschlossen haben, hinzukommen werden.

Meine Damen und Herren, auch hier werfe ich einen Blick in unsere Nachbarbundesländer. Das können Sie in ganz vielen Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln lesen: Da wird Hessen nie erwähnt, weil Hessen ganz andere Zahlen hat. Im Vergleich zu vielen anderen Bundesländern stehen wir in Hessen großartig da, was die Bewerberlage anbetrifft.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß, Abg. Degen wird gleich wieder die Zahl von 6.000 Lehrkräften ins Spiel bringen, die angeblich ohne entsprechende Ausbildung bzw. Qualifikation unterrichten. Deswegen will ich auch ein paar Worte dazu sagen. Das Erste und Wichtigste ist: Das hat mit der aktuellen Lehrersuche im Grund- und Förderschulbereich überhaupt nichts zu tun.

Die Tatsache, dass ein gewisser Anteil von Personen auch ohne Lehramt im Unterricht eingesetzt wird, ist nichts Neues. Das wird nicht nur in Hessen schon seit Jahren praktiziert. So finden wir beispielsweise bei diesen 6.000 Lehrkräften allein knapp 1.500 Pfarrer und Gemeindereferenten, die, wie es schon immer Usus war, im Dienst der Kirchen an unseren Schulen Religionsunterricht erteilen.

Ich habe selbst Anfang der Achtzigerjahre an einer hessischen Schule bei einem Pfarrer evangelischen Religionsunterricht gehabt, und ich muss sagen: Bei allem, was ich an der SPD-Bildungspolitik dieser Jahre zu kritisieren hatte – das war nicht wenig –, gehörte das nicht dazu.

(Heiterkeit – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Und doch ist etwas aus Ihnen geworden! So schlecht kann es nicht gewesen sein!)

Es ist immer die Frage, ob trotz oder wegen, lieber Herr Schäfer-Gümbel.

Das Gleiche gilt für gestandene Fachwissenschaftler, speziell im Bereich der Naturwissenschaften. – Weil Sie so Freude an meinen persönlichen Erfahrungen haben: Mein eigener Mathematiklehrer war von Hause aus Diplom-Physiker. – Es gilt für Diplom-Sport- und -Musiklehrer, und dass an unseren beruflichen Schulen Berufsträger aus der Praxis wie etwa Handwerksmeister unterrichten und ihr Wissen und ihre Erfahrung aus der Praxis weitergeben, das ist doch sogar gewollt.

Wenn wir diese Leute parallel entsprechend weiterqualifizieren – und das tun wir in Hessen sehr erfolgreich –, dann bleiben wir hier auf einem guten Weg. Es bleibt aber auch dabei, dass wir die Einstellung von Quereinsteigern auf das notwendige Minimum beschränken wollen.

In anderen Bundesländern – das kann ich jetzt der Oppositionsseite nicht ersparen –, vor allem in den von Ihnen regierten, stellt sich die Lage vollkommen anders dar.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Meinen Sie BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN?)

Ich darf Sie auf die Redezeit der Fraktionen hinweisen – mehr nicht.

Danke schön, aber dieses eine Beispiel und ein Schlusswort möchte ich mir doch noch gestatten.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))