Protokoll der Sitzung vom 27.09.2017

pen, auch für diejenigen, die Verunglimpfungen ausgesetzt sind.

Deswegen möchte ich noch einige Punkte zum konkreten Handeln in Hessen aufführen. Der Aktionsplan zur Integration von Flüchtlingen umfasst nunmehr 2,9 Milliarden €. Das Landesprogramm WIR verfügt über fast 9 Millionen € und wird in diesem Jahr um eine weitere Million Euro aufgestockt. Wir haben eine aktive Partnerschaft zwischen dem Land, den Kommunen, den freien Trägern sowie den Bürgerinnen und Bürgern. Wir haben darüber hinaus 66 Fachstellen als WIR-Koordinatoren eingerichtet. Es gibt 340 innovative Projekte für eine lokale Kultur des Miteinanders. Es gibt niedrigschwellige Sprachkurse für Erwachsene. Es werden 2,9 Millionen € bereitgestellt für Sprachkurse für Geflüchtete mit Kinderbetreuung.

Wir finanzieren fast 3.000 zertifizierte Lotsen, die im Alltag konkret helfen. Wir haben ein eigenes Modellprojekt für geflüchtete Frauen. Wir haben ein hessisches Kompetenzzentrum für Vielfalt eingerichtet, und wir verfolgen eine intensive Einbürgerungskampagne, um noch mehr dafür zu werben, sich hier zu integrieren.

All das ist nur ein Ausschnitt der vielen guten Maßnahmen, aber es zeigt: Integrationspolitik findet vor Ort statt. Es ist ein mühsames, kleinteiliges Geschäft, aber die Arbeit lohnt sich. Wir wollen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, für die Integration in diesem Land werben und kämpfen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Die hessische Politik zeichnet sich auch durch die Schaffung von Integrationsstrukturen aus. Der bundesweit anerkannte Integrationsmonitor sei hier erwähnt. Wir haben weitere Strukturen geschaffen, z. B. den aufgewerteten Integrationsbeirat und die Integrationskonferenzen, um alle Akteure auf diesem Feld einzubinden. Wir wollen, dass unsere Integrationspolitik weiter betrieben wird und dass es interfraktionell einen Konsens hierüber in diesem Hause gibt. Es gibt keine Alternative zu einer fortschrittlichen Integrationspolitik. Sie ist alternativlos. Nur durch sie wird der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft gewährleistet. Nur durch sie erreichen wir die Integration aller Menschen und ihre Teilhabe an unserer Gesellschaft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ein friedliches Zusammenleben erfordert aber, dass wir uns auch um die anderen Menschen kümmern, die diskriminiert werden. Lassen Sie mich an dieser Stelle die Zielgruppen anführen: Oft werden Menschen wegen ihres Geschlechts, ihres Alters, ihrer Herkunft, ihrer Religion, wegen einer Behinderung oder wegen ihrer sexuellen Orientierung ausgegrenzt. Darauf hat die Landesregierung mit aktiver Antidiskriminierungsarbeit geantwortet. Es gibt einen Aktionsplan für Akzeptanz und Vielfalt mit über 30 Vorhaben. 500.000 € wurden für Veranstaltungen, Projekte und Publikationen zur Verfügung gestellt; außerdem wurden Netzwerke für LSBT*IQ-Geflüchtete geschaffen, und es wird weitere Netzwerke für Antidiskriminierung geben. Für uns gilt: Wir wollen solidarisch zusammenstehen; denn in Hessen darf es keinen Platz für Diskriminierung und Rassismus geben. Die Menschenwürde ist unantastbar. Hessen bleibt tolerant und weltoffen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich bin am Ende meiner Rede angekommen. Frau Präsidentin, gestatten Sie mir, die letzten Sekunden für ein persönliches Anliegen zu nutzen. Lieber Jo Dreiseitel, heute wirst du deine letzte Rede als Staatssekretär halten. Es ist mir ein ganz besonderes, persönliches Anliegen, dir für deine Jahre der Arbeit für Hessen zu danken. Ich glaube, das sage ich für alle hier im Saal: einen ganz herzlichen Dank an dich und deine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Stellvertretend darf ich Bettina Schreiber und Katharina Oster erwähnen. Du und dein Team, ihr habt fantastische, hervorragende Arbeit geleistet – in einer schwierigen Phase, da ungewohnte Wege zu beschreiten waren. Lieber Jo Dreiseitel, du gehst nun in den verdienten Ruhestand, wenn auch nicht ganz freiwillig. Dennoch hast du ihn wahrlich verdient. Herzlichen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Kollege Rock für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Staatssekretär Dreiseitel, auch ich danke Ihnen im Namen meiner Fraktion für Ihre für Hessen geleistete Arbeit. Ich bedauere es sehr, dass Sie gesundheitsbedingt frühzeitig in den Ruhestand gehen müssen, möchte Ihnen aber meinen Respekt und den Respekt meiner Fraktion für Ihre für Hessen geleistete Arbeit bezeugen.

(Allgemeiner Beifall)

Jetzt möchte ich mich mit dem Entschließungsantrag und mit der Bilanz Ihrer Arbeit beschäftigen. Es wird vielleicht ein bisschen kontroverser, aber das ist eben die Aufgabe einer Opposition. Das kann ich Ihnen an der Stelle leider nicht ersparen.

Die Integrationspolitik ist eine Herzensangelegenheit der Freien Demokraten im Hessischen Landtag. Ich glaube, das weiß jeder, der hier sitzt. Jörg-Uwe Hahn hat als stellvertretender Ministerpräsident und erster Integrationsminister des Landes Hessen den Startschuss für die Integrationspolitik gegeben und viele wichtige Initiativen vorangebracht. Die Integration ist eine Herzensangelegenheit der Freien Demokraten. Darum werde ich mich natürlich mit dem auseinandersetzen, was die neue Koalition in diesem Bereich getan hat.

Sie haben keine gute Bilanz vorzuweisen. Sie haben zuerst einmal den Stellenwert der Integration herabgesetzt. Sie ist nicht mehr die Aufgabe eines Ministers, sondern jetzt eines Staatssekretärs. Die GRÜNEN, denen ich gerne einräume, dass ihnen das Thema wichtig ist, haben es an ein CDUMinisterium abgegeben. Die CDU, das wissen wir aus unseren Koalitionszeiten, sieht in der Integration nicht ihre Hauptaufgabe und widmet ihr nicht höchstes politisches Engagement. Daher haben Sie das Thema leider ein Stück weit aus den Augen verloren.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Was meine ich damit? Es geht nicht allein um Antidiskriminierung, es geht nicht allein um Flüchtlinge, sondern es

geht um eine Entwicklung, die in unserem Lande jahrzehntelang im Gange war. Wir mussten dann feststellen: Es gibt eine verfestigte Integrationsproblematik. Insbesondere in den Städten zeichnet sich an bestimmten Stellen eine verfestigte Integrationsproblematik ab.

Wir wollten diese Themen aufgreifen, und zwar strukturiert, und den Entwicklungen langfristig entgegenwirken. Wir wollten die Gesellschaft zusammenhalten. Die Zielgruppe, um die wir uns kümmern wollten, waren vor allem die Menschen, die seit vielen Jahren hier leben und aus unserer Sicht trotzdem noch keine ausreichende Chancengerechtigkeit erfahren und in unserem Land nicht hinreichend integriert sind. Das ist die Zielgruppe, mit der wir uns auseinandergesetzt haben.

Sie haben dieses Programm und seine Ideen verbreitert, wenn man es positiv formulieren will. Ich sage, Sie haben das eigentliche Ziel aus den Augen verloren, indem Sie die Integrationsarbeit auf das Thema Flüchtlinge konzentriert haben. Das ist auch von dem neuen Staatssekretär zu erwarten, der vor allem das Thema Antidiskriminierung immer wieder in den Fokus gestellt hat. Ich habe daher nicht die Hoffnung, dass es an der Stelle künftig besser wird. Wir sind der Auffassung, dass Integrationspolitik eine zentrale Aufgabe des Landes ist und dass hier deutlich mehr fokussiert werden muss.

Ich will Ihnen unsere Vorstellungen vor dem Hintergrund Ihres Antrags vortragen, den Sie uns vorgelegt haben. Der grüne Vorredner hat große Worte für große weltpolitische, bundespolitische und allgemein gesellschaftliche Themen gefunden, und er hat seine Ausführungen mit Symbolen geschmückt. Er ist aber nur wenig an den realen Themen hier in Hessen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Es zeichnet diese Landesregierung aus, dass sie nicht mehr in der Lage ist, die Realitäten in Hessen wahrzunehmen. Sie redet vielmehr über Stellen statt über Menschen, sie redet nicht über Probleme, sondern über Sachverhalte aus irgendwelchen Berichten.

Wir haben in unseren Städten eine problematische Situation; diese sollte gelöst werden. Das steht bei Ihnen aber nicht mehr im Fokus. Das lässt sich auch leicht daran sehen, dass Sie seit fast eineinhalb Jahren die Einberufung einer wichtigen Integrationskonferenz vor sich herschieben und dass Sie bis heute noch keinen eigenen Integrationsplan – und zwar nicht nur einen Flüchtlingsintegrationsplan – vorgestellt haben. Sie arbeiten anscheinend nicht schnell genug. Die Legislaturperiode ist in einem Jahr um. Sie hatten vier Jahre Zeit, die Integrationsideen umzusetzen, die Sie haben. Bis heute liegt Ihr Integrationsplan aber nicht vor.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben die erste Integrationskonferenz abgesagt und auch zur nächsten Konferenz nicht eingeladen, obwohl Sie längst hätten einladen müssen. Sie legen jetzt einen Doppelhaushalt vor, aber Sie haben noch keine Idee, wie Sie die Integrationspolitik in den nächsten zwei Jahren gestalten wollen. Ohne einen Plan können Sie aber eigentlich kein Geld in den Haushalt einstellen. Das heißt, höchstwahrscheinlich ist in den nächsten zwei Jahren eine Entwicklung in der Integrationspolitik gar nicht möglich, weil Sie nicht in der Lage waren, innerhalb von vier Jahren

einen eigenen Integrationsplan zu entwickeln und vorzulegen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Die großen Worte von Herrn Bocklet: bloß nicht zum Thema reden, bloß nicht zu dem reden, worum es hier eigentlich geht. Sie wollen bloß nicht mit den eigenen Leistungen konfrontiert werden. Sie legen hier einen Antrag vor, in dem es bei fünf Punkten um Flüchtlinge geht und bei zwei Punkten um Antidiskriminierung und Vielfalt. Bei Ihnen ist nicht einmal das eigentliche, langfristige Thema Integration benannt.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Es wäre so einfach für Sie. Ich habe den Abschlussbericht der Enquetekommission „Migration und Integration“ des Hessischen Landtags mitgebracht. Die Abgeordneten des Hessischen Landtags – einige Kollegen sitzen noch hier –

(Gerhard Merz (SPD): Ja!)

haben mehr als drei Jahre mit Fachleuten zusammengesessen und dann Handlungsaufträge in diesen Abschlussbericht geschrieben. Es sind über 100 Vorschläge, von denen man sich vielleicht zehn oder 15 auf die Fahne schreiben könnte. Ich bin da gar nicht anspruchsvoll. Eine Handvoll dieser Vorschläge hätte man sich auf die Fahne schreiben können, um das umzusetzen, was wir gemeinsam beschlossen haben.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie der Abg. Gabriele Faulhaber (DIE LINKE))

Wenn Sie heute sagen, Sie wollten nicht die Politik der Freien Demokraten, der SPD oder von anderen Fraktionen umsetzen, hätten Sie einfach nur die Seite 56 des Berichts aufzuschlagen brauchen. Da steht:

Zusätzliche Handlungsempfehlungen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Dann hätten Sie sich vielleicht an ihre eigenen Ideen erinnert, die Sie hier niedergeschrieben haben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf: Lesen Sie das einmal vor! – Weitere Zurufe von der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Da geht es um zusätzliche Handlungsempfehlungen zu Sprache und Bildung. Da geht es z. B. um „eine kindgerechte Gestaltung des Übergangs von der Kita zur Grundschule“.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ha- ben wir!)

Lieber Herr Minister, jetzt kann ich Sie noch einmal fragen: Was ist qualifizierte Schulvorbereitung? Haben Sie den Abschlussbericht einmal gesehen? Was ist dort im Hinblick auf die Frage, wie die Qualität in Kitas und der Übergang zur Grundschule verbessert werden können, besonders augenfällig? Besonderen Erfolg erzielt man mit der Verbesserung der Sprech- und der Lesefähigkeiten. Insbesondere Migranten profitieren von dieser Verbesserung.

Dieses Programm haben Sie auslaufen lassen. Das haben Sie – wenn wir ehrlich sind – eigentlich beendet, weil es von den Freien Demokraten kam. Es war zwar gut, aber es war halt von uns. Dann haben Sie gesagt: „Nein, das machen wir nicht“, obwohl Sie es selbst einmal gefordert ha

ben, obwohl das Land es evaluiert hat und obwohl es erfolgreich war. Sie tun nicht nur nichts, sondern Sie konterkarieren auch noch die Erfolge der alten Legislaturperiode.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Da kann ich nur sagen: Sie sind Weltmeister der großen Worte. Sie sind Weltmeister darin, die Probleme nicht zu erkennen. Leider ist der Ertrag, den Sie mit Ihrer Politik vor Ort erzielen, absolut überschaubar. Ich bedauere das sehr.

Die Freien Demokraten setzen sich gerne für Trendwenden ein. Wenn die Freien Demokraten in Hessen wieder etwas zu sagen hätten, wäre das eines der Themen, bei dem wir sagen würden: Da wollen wir wieder Innovationstreiber sein; da wollen wir Schrittgeber sein; da wollen wir Integrationskonferenzen durchführen; und da wollen wir eine Verbesserung der problematischen Situation in den Bezirken und in den Städten vorantreiben. – Wir wollen in der Integrationspolitik wieder in die Vorhand kommen. Das wird mit Ihnen nicht gelingen. Sie haben vier Jahre geschlafen. Sie haben in den vier Jahren Rückschritte in der Politik zu verantworten.

Ich werde dem neuen Staatssekretär eine neue Fassung dieses Abschlussberichts geben. Vielleicht liest er einmal nach und schaut sich zumindest an, was die GRÜNEN vorgeschlagen haben. Vielleicht wird in den letzten zwölf Monaten doch noch etwas zuwege gebracht. Hessen könnte es gebrauchen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Kollege Tipi für die CDU-Fraktion.