Protokoll der Sitzung vom 27.09.2017

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Kollege Tipi für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Rock, ich weiß nicht, ob wir Weltmeister sind, aber es ist sicher, dass wir deutscher Meister sind.

(René Rock (FDP): Weltmeister!)

Wer in diesem Land deutscher Meister ist, ist auch Weltmeister – glauben Sie es mir. Integrationspolitik ist und war in guten Händen und wird es auch in Zukunft bleiben; denn Integrationspolitik, lieber Kollege Rock, ist bei uns Chefsache, und das ist gut so.

(Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, schon oft haben wir in diesem Plenum über das Thema Integration diskutiert. Die Bewältigung der Ankunft der vielen Schutzsuchenden in den Jahren 2015 und 2016 wird uns auch in den nächsten Jahren alles abverlangen. Die zentralen Fragestellungen sind also: Wie gelingt Integration? Wie halten wir die Gesellschaft zusammen?

Uns ist bewusst, dass Integration ein wichtiger Schlüssel für den Zusammenhalt der Gesellschaft ist. Ihre Auswirkungen betreffen unsere Gesellschaft und unsere Bevölkerung. Nur gemeinsam können wir die vor uns liegenden Herausforderungen meistern. Politik hat die Aufgabe, die richtigen Weichen zu stellen, um Integration vor Ort bestmöglich zu unterstützen und auch zu fördern.

Als Landesregierung haben wir das früh erkannt und darauf auch entsprechend reagiert. Ein wichtiger Schritt dabei war der Hessische Aktionsplan zur Integration von Flüchtlingen und Bewahrung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Das war bundesweit ein beispielhaftes Paket, das vor allem die unmittelbaren Folgen der Ankunft vieler Flüchtlinge bewältigen sollte. Darauf haben wir uns aber nicht ausgeruht, sondern wir haben mit einem weiteren Baustein, den wir beschlossenen haben, die Integration und die Teilhabe aller dauerhaft in Hessen lebenden Menschen noch stärker in den Fokus gerückt. Unsere Integrationspolitik beruht auf Respekt, Anerkennung und Wertschätzung aller Menschen in Hessen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen die Voraussetzungen dafür schaffen, um das Zusammenleben und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft auch in Zukunft aktiv zu gestalten. Dazu gehören alle Hessinnen und Hessen sowie alle Migrantinnen und Migranten, ganz gleich, ob sie schon länger bei uns leben oder ob sie neu in unser Land gekommen sind.

Dabei ist uns eines ganz besonders wichtig: Jeder, der hier leben und arbeiten will, muss unsere Verfassung, unsere Demokratie und unser Grundgesetz akzeptieren. Nur wer die gemeinsamen Werte als wesentlichen Teil unserer Gesellschaft akzeptiert, kann ein Teil von ihr werden. Darauf müssen wir immer wieder hinweisen. Es ist unsere Auffassung, dass Integration nur so langfristig erfolgreich sein kann.

So umfangreich dieses Thema ist, so umfangreich könnte auch mein Redebeitrag sein. Lieber Herr Rock, wenn ich alles aufzählen wollte, was wir bereits umgesetzt haben oder aktuell umzusetzen planen, würde die Zeit dafür nicht reichen. Aber ich bin mir sicher, unser Staatssekretär wird nachher noch einige Details aufzählen.

Deshalb möchte ich heute nur zwei für mich sehr wichtige Punkte aufgreifen. Neben allen anderen Dingen, die zur Integration gehören, ist die Sprache der wichtigste Schlüssel. Sie ist es, die uns ein erfolgreiches Weiterkommen ermöglicht, sei es in der Schule, in der Ausbildung oder auch im gesellschaftlichen Austausch.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Mit neuen integrationspolitischen Akzenten haben wir beispielsweise die Förderung von niedrigschwelligen Sprachförderkursen für Erwachsene gestärkt. Den alltagsbezogenen Spracherwerb für Flüchtlinge haben wir mit dem Programm „MitSprache – Deutsch4U“ maßgeblich gefördert, inklusive einer Kinderbetreuung, damit insbesondere auch geflüchtete Frauen an den Kursen teilnehmen können.

Zusätzlich zu den bestehenden 33 WIR-Koordinationsstellen, die das Integrationsmanagement vor Ort aktiv gestalten, sorgen 33 neue WIR-Fallmanagerinnen und Fallmanager für die Integration von Flüchtlingen. Dies alles ist Teil unseres Landesprogramms WIR, mit dem die Integrationspolitik vor Ort nachhaltig gestärkt und gleichzeitig die Arbeit der Träger und Kommunen unterstützt werden sollen. Aber auch Respekt untereinander ist uns ein wichtiges Anliegen; denn gegenseitiges Verständnis und Toleranz sind Grundpfeiler unserer Gesellschaft. Wenn Rücksichtslosigkeit, Gewaltbereitschaft und Enthemmungen weiter zuneh

men, wenn immer mehr Hass gesät wird, dann bricht unsere Gesellschaft auseinander.

Wir leben heute schon in einer Welt, in der Extremisten – sowohl religiöse Extremisten als auch Extremisten von rechts und links – versuchen, unsere freiheitliche Gesellschaft zu unterlaufen. Liebe Freunde, das darf uns nicht gleichgültig sein, und das ist es uns auch nicht.

Mit der Kampagne des Respekts haben wir deshalb einen besonderen Schwerpunkt auf dieses Thema gelegt. Respekt ist nämlich die Grundlage für ein friedliches und erfolgreiches Zusammenleben, für ein Miteinander in der Gesellschaft. Ein Mehr an Respekt bereichert unser Leben.

(Manfred Pentz (CDU): So ist es!)

Respektlosigkeit setzt hingegen nicht nur dem Einzelnen, sondern dem gesellschaftlichen Klima insgesamt zu. Diskriminierung, egal in welchen Bereichen, extremistische Positionen, die sich gegen Teile der Bevölkerung richten, gilt es daher zu verhindern. Letztendlich sind wir alle gefragt.

Meine Damen und Herren, es ist unsere gemeinsame und verantwortungsvolle Aufgabe, jeden Tag aufs Neue und mit ganzer Kraft für Art. 1 unserer Hessischen Verfassung einzutreten. Unerlässlich ist dabei, dass sich alle an die Grundlagen unserer Verfassung und an die Grundsätze unseres Rechtsstaats als wesentliche Verabredung unserer Gesellschaft halten. Dies gilt für viele Lebensbereiche: für Jung und Alt, einheimisch und zugezogen, im Straßenverkehr und an unseren Schulen, liebe Freunde. Dafür stehen wir, und dafür kämpfen wir.

Wir kämpfen entschieden gegen jegliche Art des Extremismus, gegen Rassismus und gegen jede andere Form der Diskriminierung. Deshalb haben wir schon im Jahr 2015 eine Antidiskriminierungsstelle eingerichtet. Dazu wurden Beratungs-, Aufklärungs- und Präventionsangebote etabliert mit dem Ziel, Diskriminierung vorzubeugen und Benachteiligungen zu verhindern. Dafür hat sich auch der ausscheidende Staatssekretär Jo Dreiseitel stets eingesetzt und starkgemacht. Er hat in den vergangenen Jahren im Interesse unseres Landes viel erreicht und bewirkt, liebe Freunde. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal herzlich bei ihm bedanken.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Vize- präsidentin Ursula Hammann übernimmt den Vor- sitz.)

Lieber Jo, vielen herzlichen Dank für alles, was du getan hast, für deine ausgezeichnete Arbeit. Ich wünsche dir alles Gute in Zukunft und Gottes Segen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, Staatssekretär Dreiseitel hat gemeinsam mit der Landesregierung deutlich gemacht: Nur wenn der gesellschaftliche Zusammenhalt gewahrt bleibt, Integration gelingt und Diskriminierung verhindert wird, können wir unsere Zukunft erfolgreich gestalten. Davon profitieren nicht nur die Menschen, die neu zu uns gekommen sind und hier Zuflucht gefunden haben, sondern davon profitieren wir alle. Wir wissen natürlich, dass wir unsere Gesellschaft nicht überfordern dürfen. Die Anstrengungen der letzten Monate und Jahre waren immens. Viele Ehrenamtliche haben einen wichtigen Beitrag geleistet, oh

ne den wir nicht so weit gekommen wären, wie wir es heute sind. Dafür gilt mein und unser aller herzlicher Dank. Deshalb steht die Hessische Landesregierung nicht nur für die Solidarität mit Verfolgten, die unseren Schutz brauchen, sondern auch für die konsequente Rückführung derer, die kein Bleiberecht haben.

Wir brauchen funktionierende Regeln, die eine Rückkehr sicherstellen und die konsequent angewendet werden. Diese beiden Punkte gehören gleichermaßen dazu, um den Zusammenhalt der Gesellschaft nicht zu gefährden. Es sind zwei Seiten einer Medaille. Das muss uns stets bewusst sein. Uns ist aber auch bewusst, dass wir in unseren Anstrengungen für eine gelingende Integration nicht nachlassen dürfen. Diese Aufgabe wird uns noch über Jahre, wenn nicht sogar über Jahrzehnte beschäftigen. Mit der Ernennung eines Staatssekretärs im Ministerium für Soziales und Integration und seiner Berufung als Bevollmächtigter für Integration und Antidiskriminierung tragen wir dieser Aufgabe Rechnung.

Der künftige Staatssekretär, Kollege Kai Klose, wird, wie ich finde, Akzente setzen und zugleich an die erfolgreiche Arbeit seines Vorgängers Jo Dreiseitel anknüpfen. Da bin ich ganz sicher, liebe Freunde. Integration muss immer wieder neu gedacht, aber auch gelebt werden. Unsere Aufgabe ist es, die Arbeit klug weiterzuführen und engagiert voranzugehen. Dafür steht die Hessische Landesregierung.

Liebe Frau Präsidentin, vielleicht lassen Sie noch zwei Sätze zu. – Ich möchte auch ein paar Sätze zu dem Ausgang der letzten Bundestagswahl sagen. Liebe Freunde, wir haben in Zukunft alle die Pflicht und Verantwortung, dass das demokratische Wahlverhalten in diesem Land aufrechterhalten wird. Ich bitte Sie, dafür gemeinsam zu kämpfen. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Tipi. – Als nächster Redner spricht nun Herr Kollege Di Benedetto von der Fraktion der SPD. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Titel des heutigen Antrags lautet:

Integration und Antidiskriminierungspolitik in Hessen erfolgreich weiterentwickeln

Ich denke, das ist auch bitter nötig.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und der FDP)

Herr Bocklet, ich glaube, Sie haben recht, wenn Sie davon sprechen, dass eine in die Zukunft gerichtete Integrationspolitik „alternativlos“ ist. Das Problem ist, dass dies in den letzten Jahren in Hessen so nicht passiert ist.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Eigentlich hätte die schwarz-grüne Landesregierung gleich zu Beginn dieser Legislaturperiode mit der Umsetzung der Handlungsempfehlungen der Enquetekommission „Migration und Integration“ loslegen müssen, wie es auch schon der Kollege Rock gesagt hat. Immer wieder habe ich mich gefragt, ob die schwarz-grüne Koalition überhaupt daran

denkt, dass es in der letzten Legislaturperiode eine solche Kommission gegeben hat, übrigens auch auf Initiative meiner Fraktion.

(René Rock (FDP): So ist es!)

Diese Kommission legte bereits im Sommer 2013 nach 31 aufschlussreichen Sitzungen eine umfassende Bestandsaufnahme von den Lebenssituationen von Menschen mit Migrationshintergrund vor und machte Vorschläge, wie sich die hessische Integrationspolitik künftig weiterentwickeln sollte. Lassen Sie mich nur einen Satz aus dem Abschlussbericht zitieren:

Die Enquetekommission blieb jedoch nicht bei der Analyse des Phänomens Migration und Integration stehen, sondern formulierte auch konkrete Handlungsanleitungen für Landes- und Kommunalpolitik und entwickelte Konzepte, wie Potenziale erfolgreicher erkannt, gefördert und nutzbar gemacht werden können.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, seit dem Bestehen unseres Bundeslandes hat es nie eine so gut durchdachte Handlungsvorlage für ein wichtiges Politikfeld gegeben wie die der besagten Kommission. Erwähnt sei auch, dass seit über vier Jahren ein Abschlussbericht vorliegt, der weitestgehend einvernehmlich beschlossen worden ist. Das ist bei einem komplexen und strittigen Thema wie der Integration nicht unerheblich.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Eine bessere Steilvorlage kann eine Landesregierung, gerade zu Beginn einer Legislaturperiode, gar nicht haben. Deshalb fragen wir uns, warum die schwarz-grüne Koalition nicht gleich die Ärmel hochgekrempelt hat. Wo bleibt die Umsetzung der Ergebnisse der Enquetekommission?

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Anstatt umzusetzen, setzte die schwarz-grüne Landesregierung erst ein Jahr nach ihrem Amtsantritt eine Integrationskonferenz ein, die einen Integrationsplan erarbeiten sollte – Kollege Rock hat es gesagt –, auf den auch ich später zurückkommen muss. Was ist das für ein Vorgehen, wenn ein fertiger Plan vorliegt?

Wenn ich jetzt zum Entschließungsantrag komme, muss ich sagen, dass ich schon über den ersten Satz arg gestolpert bin und mich gefragt habe, ob er denn überhaupt ernst gemeint sein kann.