Wenn ich jetzt zum Entschließungsantrag komme, muss ich sagen, dass ich schon über den ersten Satz arg gestolpert bin und mich gefragt habe, ob er denn überhaupt ernst gemeint sein kann.
Der Landtag stellt fest, dass in Hessen eine flächendeckende und verlässliche Infrastruktur für Integration geschaffen wurde,...
Meine Damen und Herren, hier kann weiß Gott weder von einer flächendeckenden noch von einer verlässlichen Infrastruktur für Integration gesprochen werden.
Es ist zwar richtig, dass Hessen trotz aller Unwägbarkeiten bei den ersten Schritten zur Aufnahme und Integration von Geflüchteten bundesweit eine gute Figur abgegeben hat; das lag aber auch daran, dass die SPD mit im Boot war und
es auf kommunaler Ebene viele Verantwortliche der SPD gegeben hat, die die Dinge ordentlich umgesetzt haben.
(Beifall bei der SPD – Widerspruch des Ministers Tarek Al-Wazir – Gegenruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Doch, Tarek, das ist so!)
Erinnern möchte ich in diesem Zusammenhang daran, dass meine Fraktion bereits vor der sogenannten Flüchtlingswelle auf die Landesregierung zugegangen ist und mit Blick auf den gesellschaftlichen Frieden ihre konstruktive Zusammenarbeit angeboten hat. Dieses gemeinsame Anpacken von Oppositions- und Koalitionsfraktionen in Flüchtlingsfragen hat sich bewährt und bundesweite Beachtung erfahren. Deshalb haben wir nicht verstanden, warum wir beim Aktionsplan II stillschweigend außen vor gelassen worden sind. Meine Damen und Herren, ich versichere Ihnen, dass sich meine Fraktion nach wie vor ihrer Verantwortung bewusst ist und wir uns weiterhin leidenschaftlich dieser Herausforderung stellen.
Es hat in dieser immer noch experimentierenden Regierungskonstellation einige erste Schritte in die richtige Richtung gegeben, z. B. in der Antidiskriminierung und in der Erstellung eines Aktionsplans für Akzeptanz und Vielfalt. Das Grundproblem der hessischen Integrationspolitik seit der „Operation düstere Zukunft“ bleibt aber die über allen Integrationsmaßnahmen schwebende Projektitis. Ich weiß, der Begriff ist etwas schräg, er trifft aber den Nagel auf den Kopf. Glauben Sie mir, es bin nicht nur ich, der dieses Elend so benennt.
Sicher haben auch die Koalitionsfraktionen in dem einen oder anderen Gespräch mit Verbänden und Organisationen schon einmal etwas davon gehört. Hand aufs Herz, meine Damen und Herren der Koalition, ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass diese Organisationen permanent nur uns Sozialdemokraten über die Folgen dieses Elends berichten. Es ist unvorstellbar, dass Sie nichts davon wissen. Nachhaltigkeit kann allein durch befristete Modellprojekte und Mobilisierung und Stärkung des Ehrenamts nicht garantiert werden. Ich will das Ehrenamt nicht kleinreden, es wird gebraucht. Es braucht aber auch einen hauptamtlichen Rückhalt.
Wenn wir uns den integrationspolitischen Herausforderungen ernsthaft stellen wollen und dabei sowohl den Zusammenhalt und das Wohl aller in unserem Land lebenden Menschen als auch unsere Ökonomie berücksichtigen wollen, muss in allererster Linie alles dafür getan werden, um die Regelangebote weiterzuentwickeln, zu stärken und vor allem zu verstetigen. Wer in Sachen Integration mittel- und langfristig positive Veränderungen für die Gesamtgesellschaft bewirken will, muss ein für alle Mal weg von dieser unsäglichen Praxis der Projektitis.
Meine Damen und Herren, es ist bedauerlich, dass es in Hessen sehr wenige Integrationsangebote gibt, die tatsächlich auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sind. Das Besondere daran ist, dass sie fast alle bundesfinanziert sind, wie z. B. die völlig überlastete Migrationsberatung und die Jugendmigrationsdienste, die das Land Hessen keinen einzigen Cent kosten. Das ist bezeichnend.
Wir sind in Hessen von einer Verstetigung der Integrationsangebote noch sehr weit entfernt, wie ich finde. Selbst die notwendige Erweiterung des WIR-Programms hilft uns nicht wirklich weiter. Vielleicht sollten wir auch den Mut aufbringen, die eine oder andere Kampagne oder das eine oder andere Angebot einzustampfen, die nicht wirklich gewinnbringend sind. Ich denke beispielsweise an den Integrationsbeirat der Hessischen Landesregierung, den bisher kein Mensch gebraucht hat. Es tut mir leid für Herrn Hahn, aber so ist das.
Außerdem habe ich bis heute noch nicht verstanden, was die Berufung als Bevollmächtigter für Integration und Antidiskriminierung bedeutet. Vielleicht kann mir das heute einmal jemand erklären, vielleicht auch heute Abend.
Meine Damen und Herren der Koalition, Ihr Entschließungsantrag hätte Sinn gemacht, wenn Sie darin wenigstens auf den offensichtlich geheim gehaltenen Integrationsplan eingegangen wären, auf den dieses Haus schon lange wartet, wie auch Herr Rock es schon gesagt hat. Für mich ist es unvorstellbar, dass dieser Plan in diesem Zusammenhang mit keiner Silbe erwähnt worden ist, egal in welchem Tresor oder in welcher Schublade er nun liegen möge.
Eigentlich ist es eine Schande, wenn man bedenkt, dass viele engagierte Menschen mit großer Ernsthaftigkeit und Hoffnung an dieser Vorlage gearbeitet haben, die der Landesregierung bereits seit zwei Jahren vorliegt. Wir sind sehr gespannt, ob die Anregungen derjenigen, die in der Integrationskonferenz mitgewirkt haben, tatsächlich angenommen werden oder ob Sie eine weichgespülte Fassung vorlegen werden.
Der von Ihnen vorzulegende Plan muss sich an den Ergebnissen der Enquetekommission der 18. Wahlperiode messen lassen. Ich habe große Zweifel, das will ich ganz offen aussprechen, ob Ihre Vorlage diese Erwartungen erfüllen wird. Jedenfalls haben Sie viel Zeit verschwendet. Sie hätten nur die Ergebnisse der Enquetekommission umsetzen müssen. Wir könnten heute schon viel weiter sein. Eine Legislaturperiode verschwendete Zeit – meine Damen und Herren, was soll das?
Der Landtag stellt fest, dass in Hessen eine flächendeckende und verlässliche Infrastruktur für Integration geschaffen wurde,...
Frau Präsidentin, ich komme gleich zum Schluss. – Meine Damen und Herren, ich vermag diese Infrastruktur nicht zu erkennen und meine Fraktion auch nicht. Ich hätte noch das eine oder andere zu sagen.
Ich möchte aber die Gelegenheit abschließend nicht versäumen, um Ihnen, sehr geehrter Herr Staatssekretär Dreiseitel, von ganzem Herzen in meinem Namen, aber auch im Namen meiner Fraktion für die sehr gute Zusammenar
beit zu danken. Wir wünschen Ihnen von Herzen viel Gesundheit und eine gute Zeit nach diesem Mandat. Wir würden uns freuen, wenn wir uns wieder über den Weg laufen. Ihnen alles Gute, Herr Dreiseitel.
Ich komme zum Schluss. – Herr Klose, ich biete Ihnen eine konstruktive Zusammenarbeit an, in der Hoffnung, dass Sie sich in Ihrem neuen Haus auch besser durchsetzen können. Ich biete Ihnen die Zusammenarbeit meiner Fraktion an. Sie können sicher sein, dass wir mit Ihnen ernsthaft über die Zukunft dieses Landes debattieren werden. – Vielen herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Di Benedetto. – Herr Kollege Bocklet, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, hat sich für eine Kurzintervention zu Wort gemeldet. Zwei Minuten Redezeit.
Bestimmte Sachen sind vorherzuahnen. Meine Rede war in der Tat angesichts der gesellschaftlichen Situation eine andere, nämlich auf die Frage ausgerichtet, welche Linie wir in diesem Haus verfolgen und welche Haltung die Landesregierung hat. Ich wollte es Ihnen ersparen, mühsam jeden einzelnen Punkt vorzutragen, den wir haben.
Dicht bedruckt geht es über vier Seiten um Integrationspolitik. Dann gibt es noch drei weitere Seiten zur Antidiskriminierungspolitik. Das kann ich hier vortragen, dafür brauche ich aber allein zehn Minuten.
Wir geben dieses Papier vielleicht wirklich einmal zu Protokoll, damit sich die Opposition wenigstens die Mühe macht, sich damit auseinanderzusetzen, was in den letzten vier Jahren unter anderem von Jo Dreiseitel geleistet worden ist.
Natürlich ist Integrationspolitik nicht nur das, was im Sozialministerium abgebildet wird. Integrationspolitik ist auch das, was als Arbeitsmarktpolitik, als Sprachförderung in den Kindergärten, an Ganztagsschulen, als Sozialindex
und vieles andere mehr gemacht wird. All das trägt dazu bei, dass Integration gelingt. Es ist heute nicht die Stunde. Wir können Ihnen aber gerne die Erfolge aufzählen, die wir in der Querschnittspolitik erzielt haben, die Millionen von Euro, die wir in die Sprachförderung von Kindergärten gesteckt haben. Es gibt noch vieles andere mehr. Sie sehen es einfach nicht. Das ist Ihr Problem.
Zum Schluss, ich habe nicht so lange Zeit: Lieber Herr Kollege Di Benedetto, ich habe mir in einem anderen Zusammenhang die Haushaltsänderungsanträge der SPDFraktion für den Einzelplan 08, Soziales, angesehen. Ich finde für die Haushaltsjahre 2015 und 2016 nicht einen einzigen Antrag zur Integrationspolitik. Das ist die Wahrheit, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der CDU – Zuruf der Abg. Sabine Wasch- ke (SPD))
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Wir haben eine klare Haltung, die habe ich dargestellt. Wir haben eine Fülle von Maßnahmen außerhalb des Sozialministeriums und eine Fülle von Maßnahmen im Sozialministerium. Diese Integrationspolitik war gut, ist gut und wird noch besser werden. – Ich danke Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren.