Deswegen bin ich froh, dass wir diesen gemeinsamen Antrag heute auf den Weg bringen. Wir beantragen auch die Abstimmung über diesen Antrag. Gleichzeitig ziehen wir unseren Antrag, Tagesordnungspunkt 57, zurück. Dieser ist in diesen Antrag mit eingegangen; das ist konsequent und folgerichtig.
Deswegen ist es auch wichtig, dass wir heute als Hessischer Landtag ein klares Signal senden; denn auch drei Jahre nach dem Beginn dieses Untersuchungsausschusses gibt es noch jede Menge offene Fragen. Drei Jahre nach dem Beginn dieses Untersuchungsausschusses müssen wir weitere Zeugen vernehmen. Drei Jahre nach dem Beginn dieses Untersuchungsausschusses – vielleicht gelingt es uns ja zum Ende dieser Wahlperiode – sollten wir uns auf ein gemeinsames Verfahren verständigen und darüber, wie wir diesen Untersuchungsausschuss vernünftig zu Ende bringen können. Ich glaube, die Angehörigen haben darauf ein Anrecht, aber auch die Öffentlichkeit sowie wir alle gemeinsam.
Deswegen lassen wir vielleicht zukünftig Presseerklärungen vor Zeugenvernahmen sein und machen keine vorweggenommene Beurteilung; denn noch in jeder Sitzung ist irgendein interessantes Detail herausgekommen, das wir in stundenlangen Vernehmungen erzielt haben. Auch das gebietet der Respekt gegenüber den Kolleginnen und Kollegen, die diese Arbeit seit mehr als drei Jahren im Untersuchungsausschuss machen. Das gilt auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landtagsverwaltung.
Vielleicht dient dieser Antrag heute auch dazu, dass wir an der Stelle ein Stück weiterkommen. Vielleicht gelingt es uns ja auch, einen gemeinsamen Abschlussbericht auf den Weg zu bringen. Das, was in allen anderen deutschen Landtagen und im Deutschen Bundestag möglich war, dass sich alle Fraktionen, angefangen bei der LINKEN und bis hin zur SPD, zur FDP, zu den GRÜNEN und zur CDU, gemeinsam darauf verständigt haben, einen Sachverhalt zu bewerten, stünde, meine ich, auch dem Hessischen Landtag gut an.
Deswegen bricht sich auch keiner einen Zacken aus der Krone, wenn wir eingestehen, dass Fehler gemacht worden sind. Ja, das ist relativ unstrittig. Mir geht es auch nicht darum, Dinge zu vertuschen oder Leute reinzuwaschen; aber wir haben die Pflicht und Schuldigkeit, alles aufzuklä
ren. Deswegen schauen wir einmal, ob dieser Antrag die Initiative dafür ist, dass dieser Ausschuss seine Arbeit ordentlich beenden kann. Wir haben die Verpflichtung, rechtsstaatlich tätig zu werden. Das muss auch die Konsequenz aus diesen Morden sein: Eine solche Mordserie darf in Deutschland nie mehr passieren. Wir tragen alle die Verantwortung dafür, dass die Behörden so aufgestellt sind, dass dies verhindert wird. Hier sind noch viele Fragen offen. Diese müssen geklärt werden, und deswegen bitten wir um Zustimmung zu diesem gemeinsamen Antrag. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich würde mir wünschen, dass wir, wenn wir im Hessischen Landtag über diesen Sachverhalt und über die Aufklärung dieser schlimmen Morde des NSU reden, eher die Gemeinsamkeiten betonen als das Trennende. Ich würde mir mehr Gemeinsamkeiten und das Betonen dieser Gemeinsamkeiten wünschen.
Ich bin froh, dass wir am Ende dieses Prozesses einen gemeinsamen Antrag von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP hinbekommen haben. Ich glaube, dass es aufgrund dieser Morde unsere gemeinsame Verpflichtung ist – Herr Kollege Rudolph hat das vorhin anklingen lassen –, dass wir diesen Sachverhalt lückenlos aufklären, so gut wie dies der Hessische Landtag machen kann. Das sollte unsere Aufgabe sein. Das sind wir sowohl den Opfern als auch den Hinterbliebenen schuldig. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich will noch etwas sagen, was vielleicht manchmal aus dem Blick gerät, aber das sollte man betonen: Der Ausschuss ist vom Hessischen Landtag doch eingerichtet worden, diese Sachverhalte aufzuklären. Jetzt klären wir auf. Wir befinden uns in der Aufklärung dieses Prozesses. Dazu haben wir eine Fülle von Akten; dazu vernehmen wir eine Fülle von Zeugen. Am Ende dieses Prozesses werden wir uns hinsetzen und die Ergebnisse bewerten, nicht zwischendurch oder am Anfang. Vielleicht sollten wir uns alle daran halten, dass die Bewertung dieser Sachverhalte am Ende dieses Untersuchungsausschusses stattfindet.
Worum geht es? – Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sprechen gerade über neue Hinweise, die der NSU-Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags in seiner Sitzung am 15. September gewonnen hat. Die Zeugin Corryna G. hat vor dem Ausschuss auf Befragung des Kollegen Bellino erklärt, dass sie während des offenen Vollzugs in
der JVA Baunatal mehrfach das Internetcafé von Halit Yozgat in der Holländischen Straße in Kassel besucht hat. Sie hat weiterhin erklärt, dass eine Mitinhaftierte ihr dieses Internetcafé empfohlen hat.
Das ist in der Tat eine neue Information, die wir vorher nicht hatten. Das war bisher nicht bekannt. Also ist doch der Untersuchungsausschuss jetzt in der Pflicht, diesen Hinweisen nachzugehen und alles zu unternehmen, um diesen Sachverhalt aufzuklären. Das ist doch eine Selbstverständlichkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Es ist eine Selbstverständlichkeit, und es ist im Übrigen Auftrag des Untersuchungsausschusses. Der Landtag hat uns bei der Einsetzung den Auftrag erteilt, umfassend aufzuklären. Dazu gehört, dass wir neuen Erkenntnissen nachgehen und neue Erkenntnisse an die Ermittlungsbehörden weitergeben.
Der Ausschussvorsitzende hat dies mit Schreiben vom 21.09.2017 auch schon getan, nachdem der Generalbundesanwalt über den „Wiesbadener Kurier“ erklärt hat, dass er auf neue Informationen des hessischen Untersuchungsausschusses wartet, um diese zu sichten und zu bewerten. Ich zitiere aus dem Schreiben des Kollegen Honka an die Staatsanwaltschaft:
Frau Görtz will durch eine Mitgefangene namens „Sonja“ auf das Internetcafé aufmerksam gemacht worden sein. Diese Mitgefangene habe sie bei den Besuchen dort begleitet. Der Ausschuss beabsichtigt, die ehemalige Gefangene namens „Sonja“ zu vernehmen, und hat die Landesregierung gebeten, deren Anschrift im Wege der Amtshilfe zu ermitteln.
Noch einmal: Der Untersuchungsausschuss hat den Auftrag, umfassend aufzuklären. Deswegen kann es doch nicht wirklich einen Streit darüber geben, den neuen Erkenntnissen aus der Zeugenvernehmung sehr sorgfältig nachzugehen und die zuständigen Ermittlungsbehörden über die neuen Erkenntnisse zu informieren.
Natürlich muss weiterhin untersucht werden, ob der NSU bei der Vorbereitung des Mordes an Halit Yozgat möglicherweise von Mitgliedern der rechtsradikalen Szene in Nordhessen oder in Thüringen unterstützt worden ist. Der Ausschuss beschäftigt sich gerade bei vielen Zeugenbefragungen mit der Frage der Vernetzung der rechtsradikalen Szene. Wir fragen immer nach der Zusammenarbeit der Rechtsradikalen aus Thüringen, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Es ist doch in allen Zeugenvernehmungen immer so, wenn wir mit solchen Personen zu tun haben, dass nach der Hooliganszene, nach der Vernetzung mit der Fußballhooliganszene in Dortmund, nach der Vernetzung mit der Rockerszene in Kassel gefragt wird, und danach, ob es Bezüge zum Braunen Haus in Jena gab – da wo sich die Mitglieder des NSU getroffen haben –, ob es Bezüge zum Reichshof gibt, usw.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Fragen werden doch immer wieder gestellt. Wir sollten diesem Prozess nachgehen und müssen diese Fragen aufklären. Das ist der Auftrag dieses Untersuchungsausschusses.
Natürlich werden wir den zuständigen Ermittlungsbehörden Akten und Protokolle zur Verfügung stellen, um die Sachverhalte aufzuklären. Auch darüber sollte meiner Mei
nung nach kein Streit bestehen. Der Ausschussvorsitzende hat dies gegenüber dem Generalbundesanwalt auch schon erklärt. Ich zitiere noch einmal aus dem Schreiben des Vorsitzenden:
Das Vernehmungsprotokoll werde ich Ihnen umgehend nach Fertigstellung zusenden. Vorab erhalten Sie einen Protokollauszug des nicht öffentlichen Teils der Sitzung, aus dem sich die Erörterung der Verfahrensfragen ergibt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind schon daran. Es wird alles unternommen, damit die Informationen weitergegeben werden. Wir haben es auch in dem gemeinsamen Antrag hinterlegt, wenn es weitere Erkenntnisse und Aktenbestände gibt, die der Generalbundesanwalt für seine Aufklärungsarbeit benötigt, dass diese Akten natürlich von der Landesregierung zur Verfügung gestellt werden. Auch darüber kann es doch keinen Streit geben.
Natürlich werden wir die ehemalige Mitgefangene von Corryna G., eine gewisse Sonja, als Zeugin vor den Untersuchungsausschuss laden. Das ist auch eine Selbstverständlichkeit, über die es keinen Streit geben soll. Die Obleute des Untersuchungsausschusses haben gestern schon zusammengesessen und sich über diese Frage ausgetauscht. Der Ausschussvorsitzende hat die Landesregierung bereits gebeten, die Anschrift im Wege der Amtshilfe zu ermitteln.
Eine wichtige Frage ist auch immer noch, ob es neben den Angeklagten im NSU-Prozess in München weitere Unterstützer oder eine Unterstützerszene gegeben hat. Im Mordfall Halit Yozgat stellt sich die Frage, ob Dritte für oder sogar im Auftrag von Böhnhardt, Mundlos oder Zschäpe den Tatort ausgekundschaftet oder Hinweise gegeben haben. Diese Fragen haben wir doch sicherlich schon alle für die Zeugenvernehmung auf unserem Zettel. Das werden wir alles im Untersuchungsausschuss nachzufragen haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es muss aber auch klar sein – das will ich am Ende betonen –: Wir haben einen Untersuchungsauftrag des Hessischen Landtags übertragen bekommen. Die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den NSU und das Unterstützungsumfeld liegen allein in der Hand des Generalbundesanwalts. Deshalb ist es wichtig, dass alle neuen Informationen auch dorthin weitergeleitet werden.
Der NSU-Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags, das betonen wir immer wieder, ist kein Ausschuss wie jeder andere. Diesem Anspruch sollten wir auch weiterhin gerecht werden und unsere Arbeit intensiv, sachorientiert und sehr konzentriert fortsetzen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße auf der Besuchertribüne Pfarrer Volker Drewes, Pfarrer der Zirkus- und Schaustellerseelsorge, der heute Morgen die Andacht im Landtag gehalten hat. Herzlichen Dank und herzlich willkommen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Am vergangenen Freitag, dem 15. September, ist im Untersuchungsausschuss etwas passiert, was wir alle noch nicht so richtig bewerten können. Es könnte sein, es ist eine Bombe geplatzt. Es könnte auch sein, es ist falscher Alarm.
Das ist schon ein weites Feld, das ich gerade aufgezogen habe. Auf der einen Seite könnte es für die Aufklärung der Mordserie behilflich sein, auf der anderen Seite könnte es sein, wir regen uns über etwas auf, was eine Nebensächlichkeit ist. Das müssen wir herausfinden.
Deswegen bin ich sehr dankbar, dass die Obleute am Ende der Ausschusssitzung am 15. September zusammen gesprochen – teilweise gemeinsam, teilweise in Grüppchen – und gesagt haben: Das müssen wir weiterverfolgen. Es kann sein, dass etwas ganz Besonderes ausgesagt worden ist. Wie kommen wir an diese Informationen? – Wir haben einen Weg gefunden, und diesen Weg haben wir gestern – Herr Kollege Frömmrich hat darauf hingewiesen – in einem Obleutegespräch in Bahnen gelenkt. Ich unterstelle, dass die notwendigen Beschlüsse in der Sondersitzung des Untersuchungsausschusses am morgigen Mittag auch getroffen werden.
In meiner Zeit als Justizminister bin ich für die Landesregierung der Erste gewesen, der in Kassel war und sich dort entschuldigt hat, dass wir als Politik, die Verwaltung und die Behörden nicht in der Lage gewesen sind, Halit Yozgat das Leben zu retten, ihn zu schützen. Das haben wir nicht geschafft.
Dazu haben wir uns alle, jeder in seiner Rolle, bekannt und entschuldigt. Eine Teilmenge, die mich immer wieder zum Grübeln bringt, ist die Frage, wer eigentlich wie die jeweiligen Tatorte vorbereitet hat.
Wie hat eigentlich wer bestimmt, welches der nächste Tatort ist? Wie hat eigentlich wer den Tätern – wir wissen heute, wer das ist – zur Seite gestanden – oder auch nicht? Ist das alles zufällig passiert – oder auch nicht?
Nun haben wir immerhin – die Hauptangeklagte in dem OLG-Verfahren in München war nicht clever genug – eine Tatortskizze von Kassel in den Akten. Mit „wir“ meine ich nicht unseren Untersuchungsausschuss, sondern das ist in den Strafakten beim OLG in München. Vielleicht haben wir sie sogar auch in unseren Akten; bei den Kilometern von Ordnern ist das für mich etwas unübersichtlich geworden. Das ist aber auch vollkommen nebensächlich. Jedenfalls gibt es in den Akten eine Tatortskizze von Kassel, und die ist gar nicht so schlecht. Es könnte ja sein – ich will nur den Kolleginnen und Kollegen erklären, was uns dazu veranlasst, das Thema heute überhaupt zu diskutieren –, dass die Zeugin G. diese Skizze gefertigt hat.
Es könnte sein. Wir haben ja ein bisschen versucht – unter korrekter Auslegung der Verfahrensregeln, die wir im Untersuchungsausschuss zu beachten haben –, sie dazu zu bewegen, eine Skizze zu fertigen. Das hat sie leider nicht getan. Deshalb müssen wir jetzt weitersuchen. Hat die Freigängerin aus Baunatal ihre Telefonkarten wirklich zufällig in dem Café Yozgat gekauft? Auch das kann ja sein. Aber es muss nicht sein, es kann auch ganz anders sein. Daher haben wir jetzt noch eine neue Runde zu drehen. Möglicherweise kann der Untersuchungsausschuss im Bereich der Vorbereitung der Tatorte – hier: Vorbereitung des Tatortes in Kassel – weitere Erklärungen an das Licht der Öffentlichkeit bringen.