Protokoll der Sitzung vom 27.09.2017

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Mit großer Freude habe ich gehört, dass mit dem Haushalt für die Jahre 2018 und 2019, d. h. in den beiden kommenden Jahren, viele viel mehr Geld verdienen und viele viel mehr Geld bekommen sollen. Ich will darauf hinweisen – das lag noch in meiner Verantwortung als stellvertretender Ministerpräsident –, dass der damalige Finanzminister, Thomas Schäfer, der es heute noch ist, die mittelfristige Finanzplanung vorgelegt hat. Wenn man diese mit den Isteinnahmen vergleicht, stellt man fest, dass es in diesen Jahren eine Steigerung um insgesamt 6 Milliarden € gegeben hat. Wenn Sie die Zahlen vergleichen, erkennen Sie, dass das eine Steigerung um 41 % ist.

(Norbert Schmitt (SPD): Das ist nicht schlecht!)

Irgendeiner der Kollegen hat stolz gesagt – ich glaube, es war Kollege Kaufmann –, dass der Kommunale Finanzausgleich um 25 % gestiegen sei. Da sind Sie aber ganz schön knauserig mit den Kommunen umgegangen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Sie selbst haben 41 % Mehreinnahmen. Die Kommunen bekommen aber nur 25 %.

Ich will mit diesem Beispiel etwas deutlich machen. Es hinkt. Das weiß auch ich. Das müssen Sie mir gar nicht erklären. Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dieser Zahlendreherei, mit der Sie derzeit meinen öffentlich auftreten zu müssen, werden Sie den Wahlkampf nicht gewinnen können. Das macht uns Freie Demokraten zufrieden. Aber es ist halt eine Verballhornung der Bürgerinnen und Bürger. Es ist eine Verballhornung der kommunalen Mandatsträger. Das regt uns dann doch schon ein bisschen auf.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Sie haben 6 Milliarden € mehr, als Sie selbst eingeplant haben. – Ihr müsst das mit der Choreografie noch einmal üben. Das mit Herrn Rudolph eben war nicht so gut. Das hat ein bisschen aufgesetzt ausgesehen. Ich glaube, das war es auch.

(Zurufe von der SPD)

Wenn man 6 Milliarden € mehr hat und dann behauptet, das hätte etwas mit Eigenleistung und seriösem Wirtschaften zu tun, dann überhöht man sich doch sehr stark. Man überhöht sich sehr stark.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Oder er nennt sich „Eier legende Wollmilchsau“!)

Ich kann den Kollegen der Sozialdemokraten mitteilen, dass ich mich an der Debatte eben mit gutem Zuhören beteiligt habe. Ich glaube, es war nicht Frau Nahles, die uns das Geschenk der 6 Milliarden € gemacht hat. Man kann dazu stehen, wie man will. Ein bisschen war es auch Herr Draghi. Ein bisschen war es auch die Weltwirtschaft. Insbesondere war es aber auch die sehr gute Struktur der deutschen und auch der hessischen Wirtschaft.

(Beifall bei der FDP)

Da gibt es auf der einen Seite die großen DAX-Unternehmen. Auf der anderen Seite gibt es die kleinen Mittelständler, die Hidden Champions, die Sie in jedem Stadtteil unseres Hessenlandes begrüßen können. Das alles hat dazu geführt, dass die Steuereinnahmen so erheblich hochgegangen sind. Sie reden davon, das sei die vernünftige Finanzpolitik gewesen. Vor dem Fall kommt immer der Hochmut. Da geht es gerade um die Abteilung Hochmut.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Lassen Sie mich auf die Kommunen zu sprechen kommen. Das ist eine beachtliche Geschichte. Ich will noch einmal daran erinnern, dass es die Regierung war, die von Roland Koch geleitet wurde und in der ich auch gewesen war, die dem Landtag vorgeschlagen hat, dass die 350 Millionen €, die kommunales Geld im Länderfinanzausgleich sind, auch von den Kommunen zu zahlen sind. Ich will daran erinnern, mit welchem Aufschrei man durch die Landschaft gewandert ist.

Dann kam das Urteil zu Alsfeld, mit dem wir gelernt haben, dass der Kommunale Finanzausgleich, so wie wir ihn bisher berechnet haben, nämlich eine Quote von der Steuerverbundmasse zu nehmen, nicht richtig ist. Dann haben Sie mit Ihrer Mehrheit hier einen neuen Kommunalen Finanzausgleich verabschiedet. Sie haben dabei ganz bewusst darauf verzichtet, dass es irgendwann einmal eine Bezahlung des Bedarfs zu 100 % gibt. Sie haben nämlich das Thüringer Modell genommen. Da haben Sie zwischen 70 % und 100 % gewählt. Damit ist sogar für einen Juris

ten ausgeschlossen – lieber Kollege Kaufmann, vielen Dank für den Hinweis –, dass man einen Bedarf abdecken kann, der über dem Durchschnitt von 100 % liegt.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Dann haben Sie gemerkt: Das gibt Krach. – Da kamen Ihre eigenen kommunalen Mandatsträger. Aus vielen Gesprächen weiß ich, dass es auch welche aus der CDU-Landtagsfraktion waren.

Dann haben Sie noch zusätzliche Töpfe geschaffen. Der eine heißt Zukunftsfonds. Der andere heißt Investitionsfonds. Der dritte heißt das, und der vierte heißt das.

Damit haben Sie sich eigentlich von dem Prinzip des Kommunalen Finanzausgleichs, wie ihn der Staatsgerichtshof vorgeschrieben hat, verabschiedet. Sie haben wieder das alte genommen.

Herr Dr. Schäfer, ich hoffe, es ist Ihnen wenigstens aufgefallen, dass Sie in Ihrer Rede genau wieder auf den alten Kommunalen Finanzausgleich und seine Strukturen zurückgekommen sind. Sie haben nicht mehr vom Bedarf gesprochen,

(Norbert Schmitt (SPD): Genau!)

sondern Sie haben davon gesprochen, dass die Kommunen an den Höhen und Tiefen der Einnahmen des Landes Hessen teilhaben sollen. Das ist genau die Quotenregelung hinsichtlich der Verbundmasse. Das ist nicht die Bedarfsorientierung, die der Staatsgerichtshof haben will.

(Beifall bei der FDP)

Ich will nur darauf hinweisen, dass Sie das bisher on top legen. Blöd sind wir alle nicht; das haben wir schon gemerkt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich wette einen hohen Einsatz: Spätestens nach der nächsten Landtagswahl wird dieses „on top“ wieder abgebaut werden. Das werden wir z. B. bei den Kindergartengebühren und beim Thema Hessenkasse bemerken.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Das schauen wir uns einmal an!)

Ich prognostiziere von hier aus, dass es so kommen wird. Dann merkt man nämlich auf einmal, wie Ihre Denkweise ist. Ihre Denkweise ist: Wir wollen mit vielen kleinen Wahlgeschenken irgendwie über die Landtagswahl kommen. Dann muss Kassensturz gemacht werden. – Das ist vollkommen klar, egal wer an der Regierung ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann nur jedem wünschen, der in der Regierungsverantwortung ist: Bitte, bitte, wirtschaftliche Konjunktur, bleib so gut. Ansonsten werden wir ein riesiges Problem haben, mit den ganzen Dingen umzugehen, die Sie aufgebaut haben. – Das war nicht zynisch gemeint, sondern es war todernst gemeint.

(Beifall bei der FDP)

Zu den Kindergartengebühren. Sie wissen, wir haben einen anderen Ansatz. Darüber kann man sprechen. Wir werden darüber inhaltlich streiten. René Rock wird das mit großer Vehemenz als Fraktionsvorsitzender und als Fachsprecher tun. Wir sagen: Vor Geschenken muss das Thema Qualität auf die Tagesordnung. Wir haben derzeit leider eine mangelnde Qualität in vielen unserer Kindergärten. Sie wissen, schon seit eineinhalb Jahren ist die frühkindliche Bildung

einer unserer Schwerpunkte – das werden wir in den nächsten zwölf Monaten noch verstärkter und fokussierter sehen. Wir finden gut, dass ein kleiner Teil des Landesgeldes – der Rest ist schon wieder kommunales Geld – zusätzlich in die frühkindliche Bildung gesteckt werden soll. Wir meinen, es müsse in Qualität gesteckt werden und nicht in die Reduzierung der Gebühren, die die Eltern zahlen.

Jetzt gehen Sie aber den anderen Weg. Ich habe das Gefühl – ich merke das sogar in meiner eigenen Heimat –, dass noch keiner wirklich richtig weiß, was das finanziell für die Kommunen bedeutet. Wir kennen die Eckdaten: Sie erhalten für sechs Stunden 136?

(Norbert Schmitt (SPD): 136 €!)

136 €. – Das wissen wir. Mehr wissen wir nicht. Wir wissen nicht, ob Sie sagen werden, diese 136 € bekommt die Stadt aber nur, wenn sie keine Kindergartengebühren mehr für sechs Stunden erhebt.

(Norbert Schmitt (SPD): Ja!)

Ich empfehle Ihnen, wenn Sie von Selbstverwaltung und kommunaler Selbstverwaltung sprechen, diese Bedingungen nicht zu verknüpfen,

(Dr. Walter Arnold (CDU): Doch!)

sondern es dann jedem zu geben. Wenn die Kommune A damit die Kindergartengebühren reduzieren will oder diese bei sechs Stunden auf null setzen will, dann soll sie es tun. Wenn aber die Kommune B sagt: „Wir möchten das in Qualität umsetzen“, dann soll sie das auch tun können. Das ist ein liberaler Vorschlag. Das ist ein Vorschlag, wie man Kommunen selbstständig handeln lassen kann. Dafür werden wir intensivst werben.

(Beifall bei der FDP)

Wir werden aber eine Verunsicherung bekommen. Das fängt doch schon an. Es melden sich schon Väter und Mütter bei der Sozialdezernentin der Stadt Bad Vilbel und fragen: Was ist denn? Ich habe acht Stunden. Wir brauchen auch die acht Stunden. – Oder aber: Wir wollen die acht Stunden. Wie macht ihr das denn? Macht ihr jetzt einen Dreisatz? Oder macht ihr das irgendwie anders?

Ich höre, dass es z. B. in Gießen schon Überlegungen gibt, dass man bei mehr als sechs Stunden dann noch einmal kräftig zulangt – so nach dem Motto: „Das sind die Wohlhabenderen. Sie können einmal ein bisschen zur Finanzierung der Kommune beitragen.“ – Das alles wollen Sie mit diesem unausgegorenen Modell machen. Ich habe das Gefühl, dass man irgendwann an einem Montag in der Rosselstraße, nachdem irgendein Vortrag von irgendeinem Demoskopen Sie doch sehr ernüchtert hat, gemerkt hat: Wir müssen da etwas tun. Das ist ein Thema, das die Menschen interessiert. – Dann sind Sie einen Tag später vor die Presse gegangen. Wir haben das in der Sondersitzung erlebt.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist doch keine nachhaltige Politik von CDU und GRÜNEN, sondern das geht nach dem Motto: Wir haben noch ein bisschen Geld in der Kasse; also geben wir es einmal aus, damit wir die Wahl gewinnen.

Genauso ist es bei dem Thema Hessenkasse. Ja, es ist vernünftig, dass im dritten Schritt – bei dem ersten Schritt war die FDP dabei gewesen – eine Lösung dafür gefunden wird, wie man mit den hohen Kassenkrediten umgeht. Nur,

meine sehr verehrten Damen und Herren, es darf doch nicht die Kommune belohnt werden – ich weiß nicht, ob das jetzt rügenswert ist; wenn ja, nehme ich die Rüge an –, die auf Teufel komm raus Geld ausgegeben hat und Schulden gemacht hat, und die Kommune, die ordentlich gewirtschaftet hat, hat Pech. Lieber Herr Präsident, Sie können das sogar – deshalb schaue ich René Rock an – auf Ihre Heimatkommune zurückführen. Ihr habt euch in Seligenstadt ordentlich benommen, ihr habt eine vernünftige Haushaltsführung gehabt und die Rodgauer nicht. Jetzt muss Seligenstadt nach dem bisher bekannten Modell zweimal – zweimal – für Rodgau bezahlen. Das kann doch wohl nicht richtig sein.

(Beifall bei der FDP)

Das ist die Ungerechtigkeit pur. Warum GRÜNE und Christdemokraten da mitmachen, ist uns allen ein vollkommenes Rätsel.

(Gerhard Merz (SPD): Sie meinen, hier geht es um Seligenstadt?)