Protokoll der Sitzung vom 27.09.2017

Wir brauchen hier eine andere Politik. Wir brauchen sie in einer ganz anderen Größenordnung. Dieses Sozialbudget, das Sie hier vorlegen, ist kaum mehr als ein Feigenblatt für eine Landesregierung, von der wir wissen, dass sie bei sinkenden Einnahmen zuerst bei den Sozialausgaben ansetzen würde.

Daran ändert auch nichts, dass der Finanzminister den Kommunen die Hessenkasse anbietet, an der man im Übrigen schön sehen kann, wie diese Landesregierung Politik mit den Kommunen macht. Erst hat der Finanzminister dafür gesorgt, dass die Kommunen unterfinanziert sind, da

mit er den Landeshaushalt entlasten kann. Anschließend hat er die Kommunen in ein sogenanntes Schutzschirmprogramm gedrängt, das im Wesentlichen darin bestand, öffentliche Leistungen zu kürzen und Gebühren zu erhöhen.

Jetzt, wo selbst das nicht reicht, um die Kassenkredite abzubauen, bietet der Finanzminister in einer großzügigen Geste eine Bad Bank für Kommunen an. Diese Bad Bank bräuchten wir aber gar nicht, wenn die Kommunen genügend Geld hätten, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Deswegen ist das nicht die zweitbeste, sondern die zweitschlechteste Lösung kommunaler Finanzprobleme; denn auch hier gilt, dass wir jetzt eine gute Konjunktur mit hohen Steuereinnahmen haben und dass das auch für viele Kommunen gilt – bei Weitem nicht für alle. Aber wehe, die Einnahmen sinken. Dann werden wir sehen, wie die Kommunalaufsicht die Kommunen wieder zwingt, die Axt an dringend notwendige Ausgaben zu legen.

Ich bleibe dabei: Wer eine echte Partnerschaft mit den Kommunen will, der muss sie endlich angemessen finanzieren und bedarfsgerecht ausstatten.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Norbert Schmitt (SPD) und Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Insgesamt bleibt dieser Haushalt angesichts der eingangs genannten Probleme weit unter seinen Möglichkeiten. Zu den drängendsten Fragen unserer Zeit hat diese Landesregierung wenig zu sagen. Da wir diese Debatte nur wenige Tage nach der Bundestagswahl führen, erlauben Sie mir, Herr Schmitt, dass ich sage: Ihr Lob der Großen Koalition hat mich ein bisschen gewundert,

(Norbert Schmitt (SPD): Des sozialdemokratischen Teils!)

wenn ich mir das Wahlergebnis der Parteien anschaue, die die Große Koalition bilden. Da wäre ich mit einem Lob sehr vorsichtig und würde an Ihrer Stelle – verstehen Sie das als wohlgemeinten Rat – eher kleine Brötchen backen.

(Norbert Schmitt (SPD): Nein!)

Aber in Zeiten, in denen viele Menschen Angst vor dem sozialen Abstieg haben, weil die neoliberale Politik, egal welcher Couleur, den Sozialstaat ausgehöhlt und die soziale Sicherheit schwer beschädigt hat, in Zeiten, in denen rechte Hetzer Wahlerfolge erzielen, Stimmungsmache gegen Geflüchtete grassiert, einige die Parolen dieser Hetzer übernehmen, ist ein Politikwechsel für soziale Gerechtigkeit dringender denn je – eine Politik, die Menschen nicht gegeneinander ausspielt, sondern ein gutes Leben für alle hier lebenden Menschen ermöglicht. Was in Hessen notwendig ist, das ist ein solcher Politikwechsel, der auch in der Haushaltspolitik eine entsprechende und notwendige Schwerpunktsetzung betreibt.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öz- türk (fraktionslos))

Das heißt, wir brauchen ein echtes Programm für sozialen Wohnungsbau, um endlich mit der Logik zu brechen, der Markt werde es bei der Wohnungsversorgung schon richten und die notwendigen bezahlbaren Wohnungen im Rhein-Main-Gebiet und in den Universitätsstädten schaffen. Wir brauchen eine aktive Armutsbekämpfung seitens des Landes Hessen und einen landesweiten Aktionsplan gegen Kinderarmut.

Wir brauchen angesichts von Verkehrschaos und Klimakatastrophen eine Verkehrswende, die ihren Namen wirklich

verdient, in Form eines Ausbaus des ÖPNV und des Schienenverkehrs, wovon alle profitieren. Wir brauchen Initiativen für niedrigere Fahrpreise. Wir müssen die Idee eines Nulltarifs im ÖPNV weiterdenken, in den Ballungszentren wie im ländlichen Raum.

Außerdem gibt es im Landeshaushalt nichts zu der Frage, wie die Infrastruktur in Hessen für das 21. Jahrhundert fit gemacht werden soll, wie wir eine ökologisch verträgliche Energieversorgung schaffen oder wie der überfällige Breitbandausbau so bewerkstelligt wird, dass alle Menschen Zugang zum Breitband haben, egal, wo sie leben.

Wir müssen dringend investieren in unsere Kitas, Schulen und Hochschulen und in unsere öffentliche Infrastruktur, und wir brauchen, wenn wir hier von Steuergerechtigkeit sprechen, endlich eine Initiative des Landes Hessen für eine gerechtere Besteuerung der Reichen und Vermögenden in diesem Land, damit sich die starken Schultern endlich wieder stärker an der Finanzierung unseres Gemeinwesens beteiligen.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öz- türk (fraktionslos))

Die Einstellung von weiteren Betriebsprüfern ist richtig. Das hat auch DIE LINKE schon lange gefordert. Aber was wir darüber hinaus brauchen, das ist ein Steuersystem – unter anderem durch die Wiedereinführung der Vermögensteuer –, das gerechter gestaltet wird, sodass wir endlich Mittel haben, die direkt dem Landeshaushalt zugutekämen, damit noch viel mehr Investitionen möglich wären.

Sie aber machen das Gegenteil. Dieser Finanzminister plant mit Mindereinnahmen, und zwar nicht, weil Sie damit rechnen, dass die Konjunktur einbrechen könnte. Nun gut, ein bisschen scheinen Sie damit zu rechnen, wenn ich mir die Rede des Finanzministers richtig angehört habe. Aber eigentlich planen Sie mit diesen Mindereinnahmen, weil Sie schlicht die nächsten Steuergeschenke der zukünftigen Bundesregierung für Reiche und Vermögende einplanen. Die in dieser Finanzplanung veranschlagten Mindereinnahmen sind nichts anderes als die Drohung, weitere Steuergeschenke für Reiche zu verteilen. Das, meine Damen und Herren, ist alles andere als eine gerechte Politik.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öz- türk (fraktionslos))

In diesen schwierigen Zeiten brauchen wir in Hessen keinen Stillstand. Wir brauchen keine schwarz-grüne Kuschelstimmung, kein „Weiter so“, sondern wir brauchen einen grundsätzlichen Politikwechsel, eine gerechtere Besteuerung von Superreichen, um ein soziales, ökologisches und gerechtes Hessen zu schaffen, und das muss sich auch in einer anderen Haushaltspolitik wiederfinden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei der LINKEN – Beifall der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos) – Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Vielen Dank, Kollege Schalauske. – Das Wort hat Herr Abg. Dr. Jörg-Uwe Hahn, FDP-Fraktion.

(Marius Weiß (SPD): „Ich schließe mich Herrn Schalauske an“!)

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mit einem vergifteten Lob beginnen. Herr Finanzminister, eines kann man Ihnen zubilligen: Mit dem Doppelhaushalt für die Jahre 2018/2019 liegen Sie voll in der Kontinuität der Haushalte, die Sie in dieser Legislaturperiode vorgelegt haben.

(Beifall bei der FDP)

Sie liegen voll in der Kontinuität, dass Sie Ihre Arbeit allein auf Mehreinnahmen fußen, auf Mehrausgaben und auf Stellenaufwuchs.

Darüber hinaus ist Kontinuität hinsichtlich dessen vorhanden, dass Sie mit einer Chuzpe, die man fast schon wieder bewundern kann, Gelder, die gar keine originären Landesgelder sind, in Ihre großen Rechnungen mit hineinnehmen, seien es nun Gelder des Bundes oder aus dem Kommunalen Finanzausgleich.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Finanzminister, statt zukunftsgerichtete Investitionen vornehmen zu wollen, wird der von Ihnen für die schwarzgrüne Landesregierung vorgelegte Entwurf des Doppelhaushalts ein unglaubliches Maß der Steuermehreinnahmen verkonsumieren. Sie verkonsumieren sie. Sie legen nur ganz bedingt ein bisschen mehr bei den Investitionen an, und das auch nur für ein einziges Haushaltsjahr. Ihnen fehlt die Schwerpunktsetzung.

(René Rock (FDP): Das ist zufällig das Wahljahr!)

Lieber René Rock, zufälligerweise ist das das Wahljahr. – Es gibt keinerlei Schwerpunktsetzungen. Die Haushaltsrede hat mehr als deutlich gemacht: Stattdessen werden Sie mit der Gießkanne über jedes Ressort hinweggehen und jedem ein bisschen mehr geben. Darfs ein Viertel mehr sein?

(Beifall bei der FDP)

Das ist natürlich keine Haushaltspolitik, die Schwerpunkte setzt. Es ist auch keine strukturierte Haushaltspolitik. Vielmehr ist das eine Haushaltspolitik nach dem Motto: Wir machen jetzt gnadenlos Landtagswahlkampf. – Das haben Sie schon bei der Einbringung des Haushaltsentwurfs geübt.

Wie einige in diesem Raum wissen, bin ich seit 30 Jahren Mitglied des Hessischen Landtags. Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern. Es mag daran liegen, dass ich schon 30 Jahre lang Mitglied des Hessischen Landtags bin. Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass die Vorstellung des Haushaltsentwurfs durch den Finanzminister nach der Vorstellung der Entwürfe der Teilhaushalte durch die Fachressortkollegen vorgenommen wurde. Das ist neu.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD – Norbert Schmitt (SPD): Das ist eine Stilfrage!)

Jedenfalls ist es für mich neu. Sie wissen, ich lobe relativ häufig Ihre Art der Öffentlichkeitsarbeit. Das aber geht zu weit.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Das ist eine Missachtung des Parlaments. Das ist Missachtung der Opposition. Man muss erst einmal überhaupt wissen, um was es geht, und zwar den gesamten Kuchen, be

vor man das dann scheibchenweise oder das eine oder andere Törtchen zur Kenntnis gibt.

(Norbert Schmitt (SPD): Sehr gut! Sehr richtig!)

Das macht man nicht. Sie haben diesen Weg gewählt. Das zeigt mir deutlich, dass der Wahlkampfmodus jedenfalls bei Ihnen auf Los gestellt ist.

Eines verstehe ich überhaupt nicht. Wer um Himmels willen hat Sie beraten? Wo war da Ihre sonst vorhandene Sensibilität? Sie haben sich das Bild der Eier legenden Wollmilchsau zu eigen gemacht.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und bei Abge- ordneten der SPD)

Ich kann das nicht verstehen. Einen Profit haben Sie davon. Sie sind jetzt überall in den Medien. Sie haben mit den Bildchen, die Sie hintereinandergeschnitten haben, einen wirklich beeindruckenden Auftritt in den sozialen Medien. Ich überlege mir immer, wie das mit Ihrer Frisur und der Person in Einklang zu bringen ist, die in diesen Bildchen zu sehen ist. Aber das ist jetzt nebensächlich. Wie kann man sich als Finanzminister, der einen Namen hat und der den Namen zu verlieren hat, „Eier legende Wollmilchsau“ nennen?

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Neben allem Lustigen steht das nämlich dafür, dass man für alles ist. Lieber Thomas Schäfer, wer für alles ist, ist für nichts Konkretes. Vielmehr ist er beliebig.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Der ist halt für alles. Der gibt halt jedem Ressort noch ein Viertel mehr. Das hat die Kontinuität der letzten Haushalte noch übertroffen. Wenn das nicht schon jetzt der Fall ist, ich habe das Gefühl, dass Sie sich noch darüber ärgern werden, dass Ihnen irgendjemand diese Eier legende Wollmilchsau untergeschoben hat und Sie nicht gemerkt haben, dass man mit diesem Bild einmal kurz in die Medien kommt, dass man aber danach relativ lange negativ besetzt ist.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)