Jan Schalauske

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Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! 2 Millionen ehrenamtlich tätige Menschen in Hessen verdienen unser aller Respekt und Anerkennung. Unser Dank und unsere Anerkennung gelten den unzähligen Menschen, die sich in Vereinen, Verbänden und Initiativen ehrenamtlich für das Gemeinwohl und für das Gemeinwesen engagieren.
Da wir vorhin über die Pluralität in unserer Gesellschaft gesprochen haben, finde ich es wichtig, noch einmal zu betonen, dass eine Pluralität auch im ehrenamtlichen Engagement vorhanden ist, dass dieses groß und vielfältig sein kann. Es reicht vom Engagement in den Sportvereinen und in der freiwilligen Feuerwehr über das Engagement in Sozialverbänden, Gewerkschaften, Eine-Welt-Läden und Umweltgruppen bis zum Engagement als Flüchtlingshelfer, in antifaschistischen Initiativen und in der Bildungsarbeit. Ihnen allen – ich sage ausdrücklich: allen – gehören unser Dank und unsere Anerkennung.
Aber bei dem Thema Ehrenamt gibt es auch eine andere Seite. Seit Jahren zieht sich der Staat aus der öffentlichen Daseinsvorsorge zurück und überträgt die Aufgaben dem Ehrenamt. Ich finde, das zunehmende und natürlich auch unterstützenswerte ehrenamtliche Engagement darf nicht dazu missbraucht werden, öffentliche Aufgaben auf die Schultern der Ehrenamtlichen abzuwälzen. Auch das haben sie nicht verdient.
Nun fürchtet die SPD die Einführung eines Ehrenamts erster und zweiter Klasse durch die CDU. Da schon der Begriff „Klasse“ fällt: Ich finde es ganz gut, dass sich die SPD den Klassenbegriff wieder aneignen will; der ist ihnen irgendwann einmal verloren gegangen.
Ich glaube, der Begriff ist an der Stelle nicht richtig verwendet. Aber zur Vollständigkeit gehört es, zu sagen: Es gibt diesen Klassencharakter im Ehrenamt – natürlich nicht in dem Sinne, wie ich den Begriff verstehen würde. Es bedarf nämlich keiner gründlicheren Auseinandersetzung damit, um festzustellen, dass es im Lande Hessen 2 Millionen ehrenamtlich Tätige gibt. Das schreibt die CDU auch in ihrer Presseerklärung.
Deswegen ist es auch wichtig, auf diese Zahlen hinzuweisen. Noch einmal: Wie viele von ihnen besitzen Ihrer Meinung nach die Ehrenamts-Card, die unter Roland Koch eingeführt wurde?
Diese Zahlen haben übrigens auch nichts mit einer Neiddebatte zu tun. Man muss sich die Zahlen einmal anschauen. Wenn man sich die Zahlen auf der Homepage dieser Ehrenamts-Card anschaut, stellt man fest, dass lediglich 15.000 ehrenamtlich tätige Hessinnen und Hessen diese Karte bekommen. Bei 2 Millionen Ehrenamtlichen und
15.000 Karten kann es demnach nur so sein, dass 0,75 % aller Ehrenamtlichen von dieser Card profitieren – oder, wie auch immer Sie es rechnen möchten, jeder 133. Damit ist völlig klar: Diese Ehrenamts-Card schafft tatsächlich ein Ehrenamt erster und zweiter Klasse; sie ist Ausdruck eines Klassencharakters im Ehrenamt – um das einmal so zu formulieren.
Wer kann die hessische Ehrenamts-Card überhaupt bekommen? Man muss sich mindestens fünf Stunden die Woche freiwillig ehrenamtlich engagieren, und man muss es bei der Stadt und beim Landkreis beantragen. Es gibt zahlreiche zusätzliche Kriterien, und viele ehrenamtlich Tätige fallen da heraus. Die Vergünstigungen müssen zum Teil von den Kommunen getragen werden. Da wiederum hängt es davon ab, ob die Kommunen überhaupt die finanziellen Mittel haben, um diese Vergünstigungen zu gewährleisten.
Daher ist es völlig klar: Diese Ehrenamts-Card erreicht bislang nur einen Bruchteil der ehrenamtlich Tätigen in Hessen. Ich glaube, der Vorstoß des Hessischen Ministerpräsidenten und CDU-Spitzenkandidaten Volker Bouffier war leider weniger ein Vorstoß, der dazu geeignet ist, zum Zusammenhalt der Gesellschaft beizutragen, sondern er war eher der bescheidene Versuch, ein wenig erfolgreiches Modell zu retten. Zur Unterstützung aller ehrenamtlich Tätigen scheint das Ehrenamts-Card-Modell nicht geeignet zu sein; das müssen Sie doch eingestehen.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Natürlich begrüßen wir es ausdrücklich, wenn weitere Personen hessenweit kostenlos oder kostengünstig Bus und Bahn fahren können. Der öffentliche Nahverkehr gehört aus sozialen und ökologischen Gründen massiv gefördert.
Würden alle 2 Millionen Ehrenamtlichen in den Genuss eines solchen Tickets kommen, wären wir fast schon bei unserem Vorschlag eines Nulltarifs. Herr Pentz, das ist die Richtung, in die es gehen muss.
Zum Schluss: Über das Hessenticket für Ehrenamtliche haben wir leider schon in der letzten Woche diskutiert. Ich hatte gehofft, die CDU würde die heutige Aktuelle Stunde nutzen, um einen anderen Vorschlag ihres Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im Landtag zur Diskussion zu stellen, nämlich die Einführung eines Feiertags der Demokratie. Volker Bouffier hatte die Idee, die Landtagswahl auf einen Mittwoch zu legen und diesen dann zum Feiertag zu erklären.
Dieser Vorschlag überzeugt nicht. Wir hätten einen anderen Vorschlag: Wer wirklich einen Feiertag der Demokratie haben möchte, sollte, um unsere sozialstaatliche Landesverfassung zu würdigen, den 1. Dezember, den Tag unserer Hessischen Verfassung, die in einer Volksabstimmung von den Menschen demokratisch beschlossen wurde und die weitgehende sozialstaatliche und friedenspolitische Bestimmungen enthält, zu einem staatlichen Feiertag in Hessen machen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde der CDU heißt heute: „Hessen weiterhin entschieden im Kampf gegen Steuerkriminalität“. Ich finde, das ist ein kurioser Titel.
In den Medien war zu lesen, dass das Finanzministerium sich endlich auch mit dem letzten der vier Steuerfahnder geeinigt hat, der zwangspsychiatrisiert und aus dem Dienst entfernt wurde, weil auch er der Meinung war, die Hessische Landesregierung behindere die Arbeit der Steuerfahndung. Auch wenn es nun eine Einigung gibt, bleibt diese Affäre ein ganz dunkler Fleck in der Geschichte des Landes Hessen, meine Damen und Herren.
Insofern stellt sich schon die Frage, wofür diese Landesregierung „weiterhin entschieden“ kämpft. Bisher haben Sie sich kaum über Symbolpolitik hinaus für den Kampf gegen Steuerkriminalität eingesetzt. Ich denke an die Steuer-CDs, die in der Vergangenheit regelmäßig andere Bundesländer ankaufen durften. Ich will das auch noch einmal ganz klar sagen: Steuervermeidung und Steuerhinterziehung sind Straftatbestände und keine Kavaliersdelikte.
Konzerne und Vermögende begehen damit Diebstahl am Gemeinwohl und am Gemeinwesen. Die öffentliche Hand verliert jährlich durch Steuerbetrug mehr als 30 Milliarden €, so die Schätzung der Deutschen Steuer-Gewerkschaft. Deswegen ist der Kampf gegen Steuerkriminalität zu wichtig, als dass man ihn auf Symbolpolitik beschränkt.
Ich will es auch anerkennen, im Wahljahr hat die CDU das Thema Steuergerechtigkeit entdeckt. Unserer Forderung nach mehr Steuerfahndern und Betriebsprüfern, die wir immer wieder in die Haushaltsberatungen eingebracht haben, sind Sie nach vielen Jahren endlich mit dem Haushalt nachgekommen. Allerdings haben Sie gleichzeitig den Ausbau der Ausbildungskapazitäten verschlafen, was, wie ich hörte, in Rotenburg mittlerweile erhebliche Probleme bei der Unterbringung der Anwärterinnen und Anwärter bereitet.
Auch die angeblich zusätzlichen Stellen für Steuerfahnder, die Sie jetzt erwähnen, sind ein alter Hut. Oder habe ich den Nachtragshaushalt, in dem Sie wirklich zusätzliche Stellen schaffen, verpasst? – All das, was Sie uns hier und heute präsentieren, ist doch längst beschlossen. Beim Blick in den Haushaltsplan wird deutlich, dass es sich offensichtlich nicht um zusätzliche Stellen handelt, sondern lediglich um die Hebung und Umwidmung anderer Stellen.
Die Steuerverwaltung wird also nicht entlastet, sondern die Überlastung lediglich anders verteilt. Sosehr es mich freut, dass die Steuerfahndung gerade in den Bereichen gestärkt
wird, wo der Personalbedarf am größten ist, interessiert mich auch, welche Stellen und deren Aufgaben dann wegfallen.
Infolge des Brexits, das erwähnen Sie hier immer wieder, wollen Sie zahlreiche Banken an den Finanzplatz Frankfurt locken. Insofern ist es natürlich gut und richtig, wenn Sie dann endlich einige Spitzenkräfte einstellen, um Großverfahren am Finanzplatz Frankfurt zu führen. Warum sind das aber keine zusätzlichen Stellen, meine Damen und Herren?
Hessen braucht eine starke Finanzverwaltung. Dazu gehören sicherlich auch diese und in Zukunft weitere Spitzenkräfte in Großverfahren, aber eben auch genügend Stellen in allen Ämtern. Es geht hier um 50 Stellen. Zum anderen darf man aber annehmen, dass auch diese Stellen über kurz oder lang deutlich mehr Geld bringen, als sie kosten werden.
Kurzum: Bisher ist Ihr Beitrag in dieser Legislaturperiode im Kampf um Steuergerechtigkeit, 50 Stellen zu heben. Dabei hatten Sie zu Beginn der Legislaturperiode angekündigt, viel mehr zu tun. Das ist auch genannt worden, z. B. bei der Grunderwerbsteuer. Da hört man immer nur, dass sich etwas tun soll, erreicht hat man bislang gar nichts. Noch immer sind die sogenannten Share Deals mehr als nur ein Ärgernis für ehrliche Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.
Bei der Digitalsteuer kommt man nicht voran. Weiter können große Konzerne wie Apple, Google oder Facebook ihre Steuern nahe null drücken. Vor zehn Jahren, auch daran muss erinnert werden, am 15. September 2008, beantragte die Bank Lehman Brothers Insolvenz. Es war der Beginn einer tiefen Krise des Finanzmarktkapitalismus, die bis heute nicht überwunden ist, aber folgenschwere soziale Probleme nach sich gezogen hat. Gab es zunächst Rufe nach Regulierung, liefen die Geschäfte dann doch weiter, als wäre nichts passiert.
Ich meine, ein Finanzminister, der sich ernsthaft den Kampf gegen Steuerkriminalität auf die Fahnen schreiben will, der an einem der wichtigsten Finanzplätze Europas tätig ist, sollte nicht 50 weitere Stellen in der Steuerfahndung als großen Wurf verkaufen, sondern sich mit aller Kraft für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, einer Strafsteuer für Steuervermeidung in Steueroasen, für ein Ende der Steuerflucht öffentlicher Landesunternehmen wie Fraport in Steueroasen einsetzen.
Für den Kampf für Steuergerechtigkeit braucht es viel mehr als warme Worte und schöne Bilder. Ein glaubwürdiger Einsatz für Steuerehrlichkeit und Steuergerechtigkeit sieht jedenfalls anders aus.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In den letzten Jahren hat der Hessische Landtag den Landesschuldenbericht ohne Aussprache zur Kenntnis genommen. Der Bericht zählte wohl eher zum Pflichtprogramm als zum Gegenstand großer politischer Kontroversen. Viele von Ihnen sind Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte länger als ich im Hessischen Landtag und können das aus ihrer Sicht beurteilen.
Ich bin der Meinung, dass sich diese pflichtgemäße Kenntnisnahme ändern muss und dass wir auch hier im Hessischen Landtag darüber diskutieren müssen, ob Derivate ein angemessenes Instrument sind, ob die hier diskutierten Zinssicherungsstrategien sinnvolle Instrumente sind und ob es sinnvoll ist, Steuergeld dafür zu verwenden.
Unabhängig von medialer Berichterstattung gibt es gewichtige Stimmen aus der Wissenschaft und der Fachwelt, die die Sinnhaftigkeit des Einsatzes solcher Instrumente bezweifeln. Es ist also an der Zeit, sich damit auseinanderzusetzen und für noch mehr Transparenz zu sorgen.
In Pressekonferenzen und auch in der vergangenen Sitzung des Haushaltsausschusses hat sich Finanzminister Dr. Schäfer in Reaktion auf die mediale Berichterstattung sehr ausführlich mit der Thematik auseinandergesetzt und auf Fragen geantwortet. Er hat sich zudem viel Mühe gegeben, den Eindruck zu erwecken, dass mit der Schuldenverwaltung in Hessen alles in bester Ordnung sei.
Ein Teil dieses Bildes war die Darstellung: Es könnte sein, dass ein paar der Derivategeschäfte 2011 vielleicht nicht optimal gelaufen sind, aber eigentlich kann man jetzt noch nicht beurteilen, ob überhaupt ein Schaden entstanden ist. – Mit dieser Darstellung will ich mich schwerpunktmäßig auseinandersetzen.
Der hessische Finanzminister ist immer um ein gutes Bild bemüht. Wir denken an die Eier legende Wollmilchsau. Mit Kängurus hat er es nicht so, wie wir gestern gemerkt haben.
Nun hat er das Bild der Zinsversicherung entdeckt. Herr Finanzminister, Sie behaupten, das Land hätte unter Ihrer Verantwortung 2011 entschieden, historisch niedrige Zinsen für Jahre zu sichern, ja, die Landesschulden zu versichern. Sie hätten eine Art Versicherung abgeschlossen. Mit Verlaub, diese Darstellung halte ich für falsch.
Die Forward Payer Swaps, die Sie abgeschlossen haben, sind keine Versicherung. Sie haben schlicht das Risiko steigender Zinsen gegen das Risiko sinkender Zinsen ge
tauscht. Das ist ungefähr so – ich möchte in den Bildern des Finanzministers bleiben, der immer das Bild eines Häuslebauers bemüht –, als hätten Sie mit ihrem Nachbarn eine Wette abgeschlossen. Er zahlt Ihren Schaden, wenn es brennt. Sie zahlen im Gegenzug seinen Schaden, wenn der Sturm sein Haus beschädigt.
Herr Dr. Schäfer, ich hoffe doch, dass Sie sich als Hausbesitzer auf ein solches Geschäft nicht eingelassen hätten; denn ein solches Geschäft ist eine Wette. Für uns bleibt es dabei, dass Zinsderivate keine Versicherung sind, sondern eine Wette.
Das zweite Argument, mit dem Sie das Parlament – ich will es parlamentarisch ausdrücken – zu überzeugen versuchen, ist, dass niemand in die Zukunft schauen könne und man sich schließlich nur daran gehalten habe, was damals alle so gedacht und geglaubt hätten, nämlich dass die Zinsen historisch niedrig seien.
An dieser Stelle ein Einschub: Wenn Sie behaupten, Sie wollten sich das vermeintlich historisch niedrige Zinstief und das niedrige Zinsniveau sichern, warum gibt es dann ein einseitiges Kündigungsrecht für die Banken? Das ist doch eine einseitige Verlagerung des Risikos auf das Land. Das ist doch vor allem für die Banken ein gutes Geschäft.
Zum Thema „historisches Zinstief“ haben die Berichte des Landesrechnungshofes – – An dieser Stelle gilt mein Dank natürlich dem Präsidenten sowie den Kolleginnen und Kollegen des Landesrechnungshofes. Ich glaube übrigens, der beste Dank wäre, sich intensiver mit dem zu beschäftigen, was sie analysieren. Sie haben nämlich einen Bericht geschrieben, den 60. Landesschuldenbericht, der viel mehr Aufmerksamkeit des gesamten Parlaments verdient hätte. Im Ausblick auf das Jahr 2011 heißt es:
Die letzten Jahre erreichten immer ein „historisch niedriges Zinsniveau“. Somit bleibt auch ein Forward Payer Swap bei einem zum Abschlusszeitpunkt günstigen Zinsniveau spekulativ – tatsächlich sind die Zinsen in den letzten Jahren tendenziell weiter gesunken.
Das ist nicht die Analyse der LINKEN, sondern des Rechnungshofs: „spekulativ“. Auf die Möglichkeit weiter sinkender Zinsen wurde also explizit hingewiesen.
Noch deutlicher wird der Rechnungshof der Freien und Hansestadt Hamburg, der in seinem Jahresbericht 2016 schreibt:
Wie schon im Vorjahr weist der Rechnungshof darauf hin, dass sich durch Derivategeschäfte nur Geld sparen lässt, wenn man dauerhaft „schlauer ist als der (Finanz-)Markt“. Der Rechnungshof geht davon aus, dass dies weder gelingen kann noch eine „Wette“ darauf sinnvoll ist.
Das heißt also, nicht nur DIE LINKE, sondern auch der Rechnungshof Hamburg halten Derivategeschäfte für eine Wette und eben nicht für eine Versicherung.
Geld lässt sich damit langfristig überhaupt nicht sparen. Im Gegenteil, die Gefahr ist groß, dass das Land hier viel Geld
verliert. Nun sind wir beim dritten Punkt Ihrer Argumentation, beim wirtschaftlichen Ergebnis ihrer Geschäfte.
Im Landesschuldenausschuss, im Haushaltsausschuss und auch auf den Pressekonferenzen sind immer wieder Grafiken gezeigt worden, anhand derer Sie sagen, dass sich der Einsatz von Derivaten für das Land in der Vergangenheit wirtschaftlich gut entwickelt und gerechnet hätte. Wie Sie aber auf diese Zahlen kommen, welche Zinssätze hier galten, welche Zinssätze als Vergleich angenommen wurden, weisen Sie nicht aus. Das finde ich a) nicht nachvollziehbar und b) auch wenig transparent.
Ich sage meinetwegen gleich auch noch etwas dazu. – Erst einmal will ich aber ein bisschen etwas zu dem erläutern, mit dem ich mich hier schwerpunktmäßig auseinandersetzen möchte, nämlich dazu, wo der Schaden durch die Derivategeschäfte bereits jetzt dem Land Hessen entstanden ist. Hier verweise ich auf den 63. Bericht des Landesschuldenausschusses. Demnach hat eine Reihe von sogenannten Forward-Geschäften über Kredite im Volumen von über 1 Milliarde € Mehrkosten von 375 Millionen € verursacht. Diese Rechnung scheint ja unstrittig zu sein. So habe ich auch die Darstellung des Finanzministers verstanden. Es geht nur um Details.
375 Millionen € sind schon eine ziemlich hohe Versicherungsprämie, meine Damen und Herren.
Die entscheidende Frage ist: Kann man diese denn über die Laufzeit der Geschäfte kompensieren? Ist das nur eine Momentaufnahme? – Ich glaube das nicht; denn es geht hier um ein Geschäft mit Festzinsen. Bei einem Forward – der Kollege Schmitt hat auch schon darauf hingewiesen – gehen Sie einen Vertrag mit einer Bank ein, der einen Zinssatz in der Zukunft garantiert.
Die Wette war hier also nicht, dass feste Zinsen günstiger als variable seien, sondern die Wette war, dass feste Zinsen 2013 höher sein würden als 2011. Mit anderen Worten: 2013 hätten Sie für 40 Jahre niedrigere Zinsen bekommen. Dieser Schaden ist schon eingetreten. Diese 375 Millionen € sind futsch.
Aber damit nicht genug: Wie ich bereits sagte, war das nur ein Beispiel, das der Hessische Rechnungshof dankenswerterweise errechnet hat. Von diesen Geschäften sind ja noch viel mehr gemacht worden. Und dabei haben Sie nicht nur auf die Zinsentwicklung in ein, zwei Jahren spekuliert. Nein, ein Teil der Geschäfte aus dem Jahr 2011 wird erst nächstes Jahr überhaupt anlaufen. Und damit sind wir dann noch gut dran; denn ursprünglich wollten Sie auf die Zinsen bis 2021 spekulieren. Wir reden von Laufzeiten von 40 Jahren.
Da Sie, Herr Dr. Schäfer, uns die Zahlen über die 2011 abgeschlossenen Forwards nicht im Einzelnen zur Verfügung gestellt haben, haben wir noch einmal in die alten Schuldenberichte geschaut. Dort findet sich z. B. im Bericht von 2011 auf Seite 64 eine repräsentative Auswahl der Forward-Geschäfte. Wenn man sich diese Zinssätze anschaut und sie mit den Zinssätzen zum Zeitpunkt des Anlaufens der Kredite vergleicht, kommen wir schon jetzt auf einen Schaden von weiteren 400 Millionen €. Da sind wir bereits bei über 700 Millionen €. Rechnet man das auf die gesamte
sogenannte Versicherungs- und Sicherungsstrategie hoch, ist man nicht mehr nur bei 375 Millionen €, sondern bei Hunderten von Millionen, vielleicht sogar im Milliardenbereich.
Deswegen fordere ich hier, weil ich es im Ausschuss verzweifelt getan habe, noch einmal: Herr Finanzminister Schäfer, legen Sie die Geschäfte offen. Und wenn Sie unseren Zahlen nicht glauben, dann sollte es für Sie ja kein Problem sein, selbst Zahlen vorzulegen. Die Öffentlichkeit hat das Recht darauf, diese Geschäfte zu kennen. Wir wollen sie kennen, damit wir wissen, was für ein Verlust dem Lande Hessen durch die Zinsderivate entstanden ist.
Ich komme zum Schluss. – Es bleibt dabei: Sie haben gewettet, und Sie haben leider schon beim Start zum Teil verloren. Möglicherweise sind durch einen Teil dieser Geschäfte bereits jetzt Milliarden in den Sand gesetzt worden. Ich finde, dass mit diesen Geschäften Schluss sein muss. Wir brauchen vollstmögliche Transparenz. Für die dringend notwendige Aufklärung sollte der Landtag alle Mittel, die er zur Verfügung hat, in Erwägung ziehen. DIE LINKE wird das tun – in dieser oder dann in der nächsten Legislaturperiode.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In welcher Form das Land Hessen als öffentliches Gemeinwesen, als öffentliche Rechtskörperschaft mit Steuergeld an den Finanzmärkten agiert, welche Rolle das Finanzministerium dabei spielt, das ist in diesen Tagen Gegenstand der öffentlichen Debatte gewesen. Ich finde, das war zu Recht der Fall. Darüber werden wir auch noch im Laufe der Plenarwoche zu reden haben.
Heute geht es nicht um Zinsen. Es geht auch nicht um Zinssicherungsgeschäfte. Vielmehr geht es heute um die Frage, ob das Land Hessen Steuergelder renditeorientiert am Kapitalmarkt anlegen sollte. Schon auf den ersten Blick wird ein Stück weit deutlich, wie kurios dieses Unterfangen ist. Auf der einen Seite hat das Land Hessen Schulden. Auf der anderen Seite nehmen wir Steuergelder, um diese für die Alterssicherung der Beamtinnen und Beamten am Kapitalmarkt anzulegen.
Jetzt gibt es aber eine Schwierigkeit. Sie verfolgen mit diesem Gesetzentwurf nämlich mehrere Ziele, die sich aus unserer Sicht widersprechen. Sie wollen einerseits sichere und vor allem gewinnbringende Geldanlagen in Millionenund Milliardenhöhe. Andererseits wollen Sie gleichzeitig das Etikett „nachhaltig“ darauf kleben.
Zu diesem Thema – wir haben das auch in der Anhörung und an anderen Stellen diskutiert – ist mir eine Episode aus einem Buch eingefallen, von der ich hier berichten möchte. Ich möchte eine Episode aus dem Buch „Das Känguru-Manifest“ des Autors Marc-Uwe Kling beisteuern.
Der Hauptcharakter, ein Känguru, ein ziemlich subversives, aufmüpfiges Kerlchen, geht in eine Bank und möchte 1 Million anlegen. Das Känguru hat natürlich verstanden, dass Geld nicht arbeitet, sondern am Ende immer noch Menschen arbeiten. So erklärt es dem Bankberater kühl: Ich möchte mein Portfolio, meine Finanzanlagen so haben wie mein Steak. – Der Bankberater sagt verdutzt: Ach so, well done. – Dann sagt das Känguru: Nein, nicht well done. Ich möchte es blutig. – So erklärt das Känguru dem völlig verdatterten Bankberater: je größer die Ausbeutung, umso größer die Rendite.
An dieser Stelle sind wir beim Kernproblem von angeblich nachhaltigen Finanzprodukten. Wirklich nachhaltige Finanzprodukte gibt es nämlich nicht. Das gilt leider auch für die Frage der Versorgungsrücklage. Im Finanzmarktkapitalismus ist und bleibt das Streben nach Profit das oberste
Prinzip. Um den Renditeinteressen von großen und mächtigen Finanzinvestoren gerecht zu werden, werden Unternehmen aufgekauft und zulasten der Beschäftigten restrukturiert, Immobilien aufgekauft, entmietet und in hochpreisige Eigentumswohnungen umgewandelt. Das Ganze nennen die Fachleute dann „Betongold“.
Ich will jetzt gar nicht viel über das zehnte Jahr der Pleite der Lehman-Bank berichten und uns daran erinnern, welche zerstörerische Dynamik diesem Wirtschaftssystem innewohnt.
Fondsmanager wollen uns erklären, man könnte im Rahmen eines solchen Systems sehr gewinnbringend und ganz ohne schlechtes Gewissen anlegen. – Nein, meine Damen und Herren, da sollten wir uns nichts vormachen. Die Strategie, die Sie vorschlagen, ist nicht nachhaltig, sondern das ist Greenwashing und sonst gar nichts.
Das will ich auch belegen. Unsere Fraktion hat vor einiger Zeit die Landesregierung befragt. Die Regierung musste daraufhin einräumen: Hessen ist an Banken beteiligt, die auch an der Finanzierung der sogenannten Dakota-Pipeline mitgewirkt haben. Diese Pipeline gefährdet das Trinkwasser in den USA. Dennoch gelten die beteiligten Banken als nachhaltig. Immerhin flog VW aufgrund des Dieselskandals aus dem Nachhaltigkeitsindex, allerdings nur mit dem unangenehmen Nebeneffekt von Verlusten. Daran soll an dieser Stelle erinnert werden.
In der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage zu der angeblich so nachhaltigen Investmentstrategie der Versorgungsrücklage heißt es:
Eine „absolut“ weiße Weste wird nicht gefordert, da dies in der Praxis zwangsläufig zum Ausschluss ganzer Wirtschaftszweige führen müsste. Die Unternehmen, in die das Sondervermögen investiert, sind aber im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Unternehmenskultur gegenüber anderen Akteuren ihrer Branche mindestens überdurchschnittlich aufgestellt.
Aha, „mindestens überdurchschnittlich“. Meine Damen und Herren, ein bisschen blutig ist aber immer noch blutig.
Entweder schraubt man die Kriterien so herauf, dass man mit Steuergeldern an den Finanzmärkten agiert und eine weiße Weste hat, oder aber man hat damit zwangsläufig eine niedrigere Rendite und lässt es besser.
Mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf sollen die Geschäfte sogar noch ausgeweitet und zukünftig noch mehr Steuergeld in Aktien und Immobilien gesteckt werden. Für die Fraktion DIE LINKE bleibt es dabei: Uns fehlt das Verständnis dafür. Steuergeld ist nach unserer Auffassung am besten in öffentlichen Investitionen angelegt, aber nicht am Kapitalmarkt.
Es ist und bleibt nicht zu begreifen, warum in Hessen Schulen marode sind, Lehrerstellen fehlen, die Energiewende ausbleibt und der öffentliche Wohnungsbau seiner Aufgabe nicht gerecht wird, wir aber gleichzeitig mit Millionen- und perspektivisch mit Milliardenbeträgen an den Kapitalmarkt gehen. Ich finde, wir sollten die Alterssicherung der Beamtinnen und Beamten auf solide Füße stellen. In Deutschland haben wir dafür ein sehr gutes, sinnvolles
und stabiles System, nämlich die gesetzliche Rente. Ich weiß, Schwarz-Grün möchte lieber in die Richtung einer kapitalgedeckten Rentenversicherung. Davon halte ich aber nichts.
Eines der großen Probleme unserer gesetzlichen Rentenversicherung ist, dass leider einige Gruppen ausgenommen sind, darunter auch die Beamtinnen und Beamten. Ich finde, statt die Pensionen der Beamtinnen und Beamten dem Risiko der Kapitalmärkte auszusetzen – das haben die nämlich gar nicht verdient –, sollten wir alle Beamtinnen und Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen. Das wird sicherlich nicht von heute auf morgen gehen. Für viele braucht es eine Übergangsregelung. Natürlich darf niemand schlechter gestellt werden. Langfristig profitieren aber alle davon.
Ebenso würden alle davon profitieren, wenn wir öffentliches Geld in öffentliche Investitionen und nicht in den Kapitalmarkt stecken würden.
Eines ist am Ende klar: Die Beamtinnen und Beamten leisten tagtäglich für das Land eine wichtige, eine hervorragende Arbeit. Das Land ist verpflichtet, die Pensionen der Beamtinnen und Beamten zu bezahlen. Das sind Leistungen, die sie sich erworben haben. Um dieses Ziel zu erreichen, bringt der Gang an die Kapitalmärkte nichts; darauf haben die Kollegen von SPD und FDP hingewiesen. Im Gegenteil, ich halte diesen Weg für falsch. Deswegen lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wer über eine sozial-ökologische Verkehrswende für Hessen spricht, darf über die grundsätzliche Kluft zwischen Stadt und Land nicht schweigen. Wer in Aktuellen Stunden wortgewaltig über Stauprobleme in Hessen spricht, darf die ungleichzeitige Entwicklung in Stadt und Land nicht vergessen.
Zwischen dem Ballungsraum Rhein-Main und den ländlichen Regionen in Hessen wächst die Kluft. In den großen Städten steigen die Einwohnerzahlen rapide, und die Mieten explodieren, während im ländlichen Raum die Bevölkerung zurückgeht und der Leerstand weiter zunimmt. In den großen Städten platzen Busse und Bahnen aus allen Nähten, während auf dem Land an vielen Orten kein Bus mehr fährt.
Für viele Menschen sind das niedrige Lohnniveau und die fehlenden Arbeitsplätze die wichtigsten Gründe dafür, ländliche Räume zu verlassen. So verdienen Hessinnen und Hessen etwa im Werra-Meißner-Kreis deutlich weniger als in Frankfurt. Durch diesen Wegzug entsteht ein Teufelskreis: Weniger Menschen bedeuten einen Rückgang an Infrastrukturangeboten, an Kaufkraft und an regionalem Entwicklungspotenzial.
Die im ländlichen Raum im Vergleich zu großen Städten ohnehin weiten Wege zu Ärzten, zu Schulen, zu Behörden und zu Einrichtungen des täglichen Bedarfs werden immer länger. Auf einen Anschluss an die digitale Infrastruktur muss man warten, warten und warten. Angebote für eine echte öffentliche Mobilität im ländlichen Raum fehlen. Meine Damen und Herren, dieses Auseinanderdriften von Stadt und Land muss ein Ende haben. Mit diesen Problemen muss sich die Landespolitik beschäftigen.
Obwohl ländliche Regionen mehr als 80 % der Fläche Hessens ausmachen, obwohl mehr als die Hälfte der Bevölkerung im ländlichen Raum lebt: Die schwarz-grüne Regierung hat die Probleme auf dem Land erst kurz vor der Wahl entdeckt.
Anfang des Jahres gab es eine groß angelegte PR-Offensive, um von der eigenen Untätigkeit abzulenken. Doch: Was war in den letzten Jahren geschehen?
Unter den CDU-geführten Landesregierungen wurden die Kommunen in Hessen zu einer brutalen Kürzungspolitik gezwungen; die kommunale Selbstverwaltung wurde immer weiter eingeschränkt. Die Politik von sehr wenig Zuckerbrot und sehr viel Peitsche traf insbesondere die Kommunen im ländlichen Raum, in denen der öffentliche Nahverkehr ausgedünnt und Schwimmbäder, Krankenhäuser und öffentliche Einrichtungen geschlossen wurden. Aus Notwehr – aufgrund der finanziell schwierigen Situation – kam manche Kommune sogar auf die absurde Idee, eine Pferdesteuer einzuführen. Fakt ist: Die Sparpolitik der Landesregierungen hat den Kommunen im Allgemeinen, aber insbesondere den Kommunen im ländlichen Raum, enorm geschadet.
Jetzt lassen Sie sich dafür feiern, dass Sie ein paar wenige Arbeitsplätze der Finanzverwaltung in den ländlichen Raum verlegen oder die Gründung einer Akademie in Angriff nehmen. Das alles hilft aber wenig, wenn zuvor in der Fläche Gerichte der Sparwut zum Opfer gefallen sind oder Forstämter zusammengelegt worden sind. Im Gerichtswesen wurden 1.250 Stellen abgebaut und 26 Standorte geschlossen. CDU-geführte Landesregierungen – wie Sie es drehen und wenden wollen – haben dem ländlichen Raum durch diesen Arbeitsplatzabbau enorm geschadet.
Diese Tatenlosigkeit hat im ländlichen Raum gewaltige Verkehrsprobleme geschaffen. Doch was macht die Landesregierung? – Sie verfährt frei nach dem Motto – das haben wir vorhin schon diskutiert –: Ländlicher Raum ist in Hessen dort, wo – weil der öffentliche Nahverkehr kaputtgespart worden ist – Bürgerbusse und Mitfahrbänke eingesetzt werden. – Es ist und bleibt so, dass Bürgerbusse einen attraktiven Nahverkehr, der eine echte Alternative zum Auto darstellt, nicht ersetzen können.
Im Übrigen – weil es noch nicht angesprochen wurde –: Das größte Verkehrsinfrastrukturprojekt CDU-geführter Landesregierungen im ländlichen Raum dürfte – wenn man die Kosten als Maßstab nimmt – leider die verkehrsberuhigte Zone des Flughafens Kassel-Calden sein. Dieser bringt zwar kaum einen Menschen von A nach B, dafür aber die Gemeinde Calden an den Rand des Ruins.
Für uns bleibt es dabei: Was die Menschen im ländlichen Raum wirklich brauchen, sind keine kurzen Wege zu Billigfliegern, sondern schnelle Datenleitungen, vernünftig in Schuss gehaltene Straßen und vor allem ein öffentlicher Personennahverkehr, der eine bezahlbare, bequeme und klimafreundliche Alternative zum Auto ist.
Statt über Akademien und Fachzentren zu reden, muss die Bus- und Schieneninfrastruktur erhalten und ausgebaut werden. Der ÖPNV muss attraktiv getaktet werden. Wir brauchen bezahlbare Preise, und wir brauchen gut bezahltes Fahrpersonal.
Natürlich brauchen wir auch eine echte Reaktivierung von stillgelegten Bahnstrecken, statt sie nur kurz vor der Wahl anzukündigen. Auch die Förderung von Rad- und Fußwegen muss in Angriff genommen werden. All das sind Bausteine für eine sozial-ökologische Verkehrswende im Land; und diese ist eben auch für die Städte nützlich. All das, Aktivitäten in diese Richtung, lassen Sie jedoch vermissen. Es gilt das Auseinanderdriften von Stadt und Land zu verhindern und in ganz Hessen gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen. Aber dazu hat diese Landesregierung leider wenig vorzuweisen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich vorweg bemerken: DIE LINKE begrüßt es ausdrücklich, wenn weitere Personengruppen hessenweit kostengünstiger Bus und Bahn fahren und nutzen können. Denn der öffentliche Nahverkehr gehört – das haben wir hier diskutiert – aus sozialen und ökologischen Gründen massiv gefördert.
Unser Dank und unsere Anerkennung gelten den unzähligen Menschen, die sich in Vereinen, Verbänden und Initiativen ehrenamtlich für das Allgemeinwohl und das Gemeinwesen engagieren. Das Spektrum ehrenamtlichen Engagements ist groß und vielfältig. Das reicht vom Einsatz im Sportverein und bei der freiwilligen Feuerwehr über die Aktiven in den Sozialverbänden und den Gewerkschaften, in den Hartz-IV-Hilfegruppen, in den Eine-Welt-Läden, in
den Umweltgruppen, bei den Flüchtlingshelfern bis hin zum Einsatz in den antifaschistischen Initiativen und bei der Bildungsarbeit.
Ich sage das ausdrücklich: Ihnen allen gehören unser Dank und unsere Anerkennung.
Aber es gibt beim Thema Ehrenamt auch eine andere Seite. Seit Jahren zieht sich der Staat von den Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge zurück und überträgt sie dem Ehrenamt. Ich sage: Das zunehmende und unterstützenswerte ehrenamtliche Engagement darf nicht dazu missbraucht werden, öffentliche Aufgaben auf die Schultern der Ehrenamtlichen abzuwälzen.
Nun reden wir also darüber, dass alle Inhaber einer Ehrenamts-Card analog zum Schülerticket und zum Landesticket ein Hessenticket für den öffentlichen Personennahverkehr bekommen sollen. Dagegen haben wir nichts. Je mehr Menschen es haben, umso besser ist es.
Aber werfen wir einmal einen Blick auf die Zahlen. Die CDU-Fraktion schreibt in ihrer Pressemitteilung, es gebe rund 2 Millionen Bürgerinnen und Bürger, die sich in Hessen ehrenamtlich engagierten. Ich habe versucht, das Spektrum aufzuzeigen.
Was meinen Sie: Wie viele sollen davon in den Genuss des Hessentickets kommen? – Schaut man auf die Homepage der Hessen-Card, sieht man, dass es lediglich 15.000 ehrenamtlich tätige Hessen sein sollen, die eine solche Karte dann ihr Eigen nennen könnten. Es gibt 2 Millionen Ehrenamtliche, und es soll 15.000 Hessentickets geben. Demnach könnten 0,75 % aller in Hessen ehrenamtlich Tätigen von dem Hessenticket profitieren. Das ist jeder 133.
Diese Zahlen zeigen, dass diese Initiative leider nicht mehr als ein kleiner Trippelschritt in die richtige Richtung ist. Wahrscheinlich ist das sogar vielmehr der verzweifelte Versuch, die Ehrenamts-Card noch zu retten. Ich frage Sie: Warum profitieren nicht alle ehrenamtlich Aktiven von den Vergünstigungen des Hessentickets?
Würden alle Ehrenamtlichen von einem solchen Ticket profitieren, wären wir auf den Weg hin zu einer sozialökologischen Verkehrswende. Wir wären hinsichtlich unseres Ziels, der Nulltarif für alle, einen ganz schönen Schritt vorangekommen.
In der Begründung beziehen Sie sich dann auf das Schülerticket und das Landesticket. Aber auch da gibt es noch einige Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Natürlich stellt das Schülerticket eine Verbesserung der Mobilität dar. Das ist zu begrüßen.
Allerdings bleiben wir bei der Kritik, die auch vom Landeselternbeirat geäußert wird. Denn es gibt nicht hinnehmbare Ungerechtigkeiten. Manchen Schülerinnen und Schülern wird das Ticket komplett erstattet, anderen nicht.
Es bleibt auch dabei: Gerade für Familien mit mehreren Kindern sind die 31 € pro Monat noch immer eine erhebliche Belastung. Um Bildungshürden zu vermeiden und ech
te Chancengleichheit zu gewährleisten, muss die Beförderung für alle Schülerinnen und Schüler kostenlos sein.
Ich komme jetzt zum Landesticket, auf das sich die CDU hier bezogen hat. Da gibt es eine weitere Ungerechtigkeit. Im Juli 2018 haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universitätsklinik in Frankfurt am Main dagegen protestiert, dass sie, anders als die Ärztinnen und Ärzte, kein Landesticket erhalten haben.
Wir finden, es ist eine schreiende Ungerechtigkeit, dass etwa 1.000 Ärztinnen und Ärzte sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Klinik ein Landesticket erhalten haben, jedoch ausgerechnet die etwa 3.500 Klinikbeschäftigten, die deutlich schlechter bezahlten Pflege- und Reinigungskräfte sowie das Küchenpersonal leer ausgehen.
Das Gleiche gilt für die Beschäftigten der Studentenwerke. Ich finde, es muss endlich Schluss damit sein, dass es Landesbedienstete erster und zweiter Klasse gibt. Das Landesticket muss es für alle geben.
Abschließend sage ich: Das Hessenticket ist ein Trippelschritt in die richtige Richtung. Beim Schüler- und beim Landesticket gilt es, Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Damit Mobilität aber wirklich für alle möglich ist und wir zu der Idee kommen, deren Zeit gekommen ist, müssen wir dafür sorgen, dass alle Menschen, unabhängig davon, ob sie jung oder alt sind oder ob sie ein niedriges Einkommen haben, Busse und Bahnen endlich besser nutzen können. Mobilität unabhängig vom Geldbeutel ist der Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe. Lassen Sie uns endlich aus sozialen wie ökologischen Gründen Konzepte zur Einführung eines generellen Nulltarifs für alle Hessinnen und Hessen in Angriff nehmen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! 2005 hat die CDU-geführte Landesregierung unter Roland Koch im Rahmen der sogenannten Leo-I- und Leo-II-Geschäfte erst 54 landeseigene Immobilien im großen Stil verkauft, um sie dann wieder zurückzumieten.
In der letzten Sitzung des Haushaltsausschusses haben wir uns mit zwei Berichtsanträgen – einem Antrag der FDP, einem Antrag der SPD – zu den Kosten dieser Sale-and-Lease-back-Geschäfte im Rahmen der Veräußerung von Landesimmobilien beschäftigt. 13 Jahre später ist es an der Zeit, eine vorläufige Bilanz dieser Geschäfte zu ziehen. Deswegen war es auch richtig, das im Haushaltsausschuss zu besprechen.
Finanzminister Dr. Schäfer hat sich allerdings im Ausschuss ein Stück weit um die Frage gewunden, ob diese Geschäfte aus heutiger Sicht für das Land überhaupt wirtschaftlich gewesen seien. Der Finanzminister hat lediglich erklärt, dass die Methodik, mit der diese Frage damals beurteilt wurde, aus heutiger Sicht nicht falsch sei. Mit anderen Worten: Sie selbst trauen sich heute nicht mehr, klar zu sagen, ob Leo I und II dem Land wirtschaftliche Vorteile gebracht haben. Ich sage Ihnen: welch ein Offenbarungseid. Die Wahrheit ist: Diese Privatisierungsgeschäfte schaden dem Land bis heute und sind ein Fass ohne Boden.
Beispielhaft für dieses Desaster ist das Gebäude im Wiesbadener Behördenzentrum, in dem sich das Sozialministerium befand. In den Unterlagen zum Verkauf, die damals vorgelegt wurden, findet sich eine klare Formulierung. Ich zitiere aus Drucks. 16/4603:
Der Vermieter ist zur Instandhaltung und Instandsetzung (einschließlich Wartung sowie erforderliche Ersetzung/Erneuerung) der Mietsache an Dach und Fach auf seine Kosten verpflichtet.
Für jeden Mieter ist das doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit; dennoch war es natürlich schön, dass das in der Drucksache so noch einmal deutlich aufgeführt wurde. Das Problem ist nur: Mittlerweile veranlasst das Land hier als Mieterin selbst Maßnahmen, und zwar nicht zu knapp. Denn wie in der „Allgemeinen Zeitung“ nachzulesen war, ist das Gebäude des Ministeriums – ich zitiere –:
weil nichts mehr investiert wurde, in schlechtem Zustand. Im Sommer herrscht Bullenhitze. Im Winter
müssen mehr als 1.000 elektrische Heizlüfter eingesetzt werden, um Zimmertemperatur zu erreichen.
Das Gebäude steht mittlerweile leer und wird energetisch saniert. Aber von wem? – Vom Land. Ich sage Ihnen: Solche Mieter kann man sich als Vermieter nur wünschen. Wer zieht denn schon aus einem Gebäude aus, das er einem erst verkauft, dann zurückmietet und bei dem er dann noch auf eigene Kosten umfangreiche Sanierungsmaßnahmen vornimmt? Das ist ja ein schönes Geschäft für den Vermieter.
Wir werden also scheibchenweise erfahren, wie teuer Leo I und II das Land Hessen tatsächlich zu stehen kommen werden. Doch eines ist klar: Schon vor dem Verkauf wurde das Geschäft mit Annahmen schöngerechnet, die nicht haltbar waren. Das Schlimme ist: Noch nicht einmal eine Ausstiegsklausel haben Sie vereinbart. Dann behaupten Sie hier im Plenum allen Ernstes immer wieder, dass die Privaten alles besser können als der Staat. Was für ein Trugschluss.
Bei einem gebe ich Ihnen aber recht, denn das können private Unternehmen wirklich besser: Rendite für ihre Aktionäre zu erwirtschaften. Im Fall von Leo I und II werden diese Profite auch noch direkt aus Steuermitteln finanziert. Was für eine Tragödie.
Leo I und II waren von Anfang an allein darauf ausgerichtet, kurzfristig und kurzsichtig Geld in die Kassen des Landes zu spülen, damit Steuergeschenke auf Bundesebene in Hessen keine noch größeren Haushaltslöcher reißen und die Schuldenberge, die Sie angehäuft haben, nicht noch weiter anwachsen. Niemals, aber auch wirklich niemals waren diese Geschäfte darauf angelegt, langfristig sparsam mit öffentlichen Mitteln umzugehen. – Meine Damen und Herren, das ist die Wahrheit.
Bis heute belasten die Folgen dieser Privatisierungspolitik der ehemaligen Koch-Regierung die hessische Bevölkerung und das Land Hessen. Ja, Ihr Privatisierungswahn ging so weit, dass Sie sogar unser Universitätsklinikum Gießen und Marburg zu einem Dumpingpreis an einen Aktienkonzern verschleudert haben.
Dann haben Sie Ende letzten Jahres Roland Koch sogar noch mit der Wilhelm-Leuschner-Medaille ausgezeichnet. Ich finde, dafür sollten Sie sich schämen.
Dem Auftrag, Schaden vom Lande Hessen abzuwenden, ist Roland Koch nachweislich nicht nachgekommen.
Aber eine Medaille hat er sich redlich verdient: Die AlfredDregger-Medaille haben Sie ihm zu Recht verliehen.
Ich finde, die Menschen in Hessen haben das Recht, auf Euro und Cent zu erfahren, wie teuer Leo I und II unter den heute bekannten Umständen wirklich waren.
Für uns jedenfalls bleibt es dabei: Privatisierung ist Diebstahl öffentlichen Eigentums.
Ein für alle Mal muss Schluss sein mit windigen Spekulationsgeschäften zugunsten von Privatkonzernen und zulasten der Bürgerinnen und Bürger. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit Blick auf die Landtagswahl im Oktober – wenn ich jetzt die einleitenden Redebeiträge des Finanzministers und des Fraktionsvorsitzenden der CDU Revue passieren lasse, stelle ich fest, das war anscheinend auch Ihr Ziel bzw. der Zweck der Debatte; aber dann kann man das natürlich durchaus tun – nutzt man hier die Gelegenheit, um darüber zu sprechen, welche finanz- und haushaltspolitischen Vorstellungen die verschiedenen Fraktionen im Haus in der Vergangenheit hatten, in der Gegenwart haben und in der Zukunft haben werden.
Die Finanzplanung der Landesregierung für die Jahre 2018 bis 2022 sieht unter anderem vor, dass das Land Hessen Schulden abbaut. Das ist ein Punkt, auf den Sie besonders stolz sind, den Sie öffentlich immer wieder hervorheben. Ich bin in diesem Zusammenhang dem Kollegen Schmitt sehr dankbar, dass er noch einmal deutlich gemacht hat, dass die CDU-geführten Landesregierungen die Verdopplung der Schulden des Landes Hessen zu verantworten haben. Das ist eine Tatsache, der Sie sich in der Debatte stellen müssen.
Natürlich ist auch der Feststellung zuzustimmen, dass der Abbau von 200 Millionen € Altschulden Jahr für Jahr nicht mehr sein kann als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Es ergibt keinen Unterschied, ob man, wie die FDP errechnet, mehr als 200 Jahre bräuchte, um die Schulden des Landes Hessen abzubauen, oder, wie die SPD errechnet, mehr als 100 Jahre. Am Ende zeigt es, dass das, was Sie machen, nicht mehr als Symbolpolitik ist, für die Sie sich ungerechtfertigterweise feiern lassen.
Aus unserer Sicht – da gibt es, glaube ich, die größeren Kontroversen – ist das eigentliche Problem, dass Sie den Menschen diesen minimalen Schuldenabbau als einen ganz großen Erfolg einer nachhaltigen und generationengerechten Finanzpolitik verkaufen. Das Problem ist, dass diese Finanzpolitik weder generationengerecht noch nachhaltig ist.
Um diesen Aspekt nicht zu verlieren: Es zeigt sich im Übrigen gerade in Zeiten einer guten Konjunktur – die Vorredner haben darauf hingewiesen, wie enorm sich die finanziellen Spielräume des Landes Hessen erhöht haben –, wie schädlich die Schuldenbremse eigentlich ist; denn sie führt dazu, dass dringend anstehende öffentliche Aufgaben nicht finanziert oder notwendige Investitionen in eine immer weiter verfallende öffentliche Infrastruktur unterlassen werden.
Jetzt hat der Finanzminister davon gesprochen, dass die mittelfristige Finanzplanung ein Ergebnis der ernsthaften Bemühungen um eine strukturelle Konsolidierung ist, die die CDU-geführten Landesregierungen in den letzten Jahren unternommen haben.
Was ist „strukturelle Konsolidierung“ eigentlich für ein Euphemismus? Was bedeutet strukturelle Konsolidierung? – Das bedeutet: sparen auf Kosten der Landesbeschäftigten, Streichung von sozialen Ausgaben, Sozialabbau, Kürzung und Drangsalierung der Kommunen. Das alles ist sogenannte strukturelle Konsolidierung. Ich finde, dieser Begriff ist nichts anderes als ein Euphemismus.
Wenn wir jetzt darüber reden, in welche Richtung sich das Land Hessen weiterentwickeln soll – das sollte auch Gegenstand einer mittelfristigen Finanzplanung sein –, müssen wir auch über den Investitionsstau im Lande Hessen reden.
Vor fast genau einem Jahr hatten wir im Hessischen Landtag eine Debatte über den Antrag der Fraktion DIE LINKE, Drucks. 19/4942, mit dem offensiven Titel: „‚Einstürzende Schulbauten‘: marode Schulen mithilfe des Landes sanieren, Kommunalinvestitionsprogramm II reicht nicht aus“.
Damals erklärte der geschätzte Kollege Hahn, dass er es für eine Unverschämtheit halte, dass wir einen solch offensiven Titel gewählt hätten.
Ich sage es einmal so: Sie haben uns beschimpft, wir würden in einer anderen Realität leben.
Ich weiß nicht, ob auch Sie die Pressemeldungen der letzten Woche verfolgt haben. Vor wenigen Tagen gab es die Meldung, dass in Neukirchen tatsächlich eine Schule einsturzgefährdet sei
und dass an der Paul-Julius-von-Reuter-Schule in Kassel ein Trakt gesperrt worden sei, weil die Decken nicht mehr tragen. Geschätzter Herr Kollege Hahn, blenden Sie nicht vielleicht einen Teil der Realität aus, oder sind Sie endlich willens, wahrzunehmen, dass es in Hessen tatsächlich Schulbauten gibt, die nicht nur sanierungsbedürftig, sondern mittlerweile in so einem gefährlichen Zustand sind,
dass sie nicht mehr genutzt werden können? Würden Sie das zur Kenntnis nehmen?
Gut, dann ist es umso wichtiger. – Vielleicht sollte die Landesregierung zur Kenntnis nehmen, dass es alles andere als nachhaltig und generationengerecht ist, wenn man auf der einen Seite ankündigt, in den nächsten Jahren Schulden in einem minimalen Umfange zu tilgen, auf der anderen Seite aber nicht einmal willens und in der Lage ist, den Sanierungsbedarf an hessischen Schulen überhaupt erst einmal festzustellen und zu erheben.
Wenn jetzt der Finanzminister verkündet, die Investitionen würden angeblich in historische Höhen steigen, ist das nichts weiter als eine Nebelkerze. Denn Sie sagen, die Investitionen würden ab 2018 deutlich ansteigen, verschweigen aber, dass im Jahr 2017 so wenig Geld für Investitionen ausgegeben wurde wie seit Jahren nicht mehr.
Über 280 Millionen € für Investitionen wurden 2017 nicht ausgegeben. Das ist doch ein ernsthaftes Problem, über das wir reden müssen.
Das hat im Wesentlichen zwei Gründe: Zum einen können sich Baufirmen im Moment natürlich vor Aufträgen nicht mehr retten, übrigens auch, weil die öffentliche Hand jahrelang nicht genügend investiert hat und erst jetzt ein Umdenken stattfindet. Zum anderen sind die öffentlichen Verwaltungen nicht mehr in der Lage, die geplanten und notwendigen Maßnahmen zeitnah umzusetzen, weil sie finanziell nicht in die Lage versetzt worden sind, auch dies personell abzubilden. Wenn dann in der mittelfristigen Finanzplanung höhere Investitionen stehen, bleibt doch die Frage, ob diese Zahlen überhaupt das Papier wert sind, auf dem sie stehen, ob dieses Geld überhaupt sinnvoll ausgegeben werden wird und ob Maßnahmen in Angriff genommen werden, um diese Problematiken wirklich anzugehen.
Es bleibt dabei: Diese Landesregierungen haben, unter der Verantwortung der CDU, zum Teil in Zusammenarbeit mit FDP oder GRÜNEN, die öffentliche Infrastruktur im Lande Hessen erst verfallen lassen und die Verwaltungen über viele Jahre kaputtgespart. Jetzt planen Sie mit Mitteln, deren Ausgabe überhaupt nicht realistisch absehbar ist. Was wir in Hessen also brauchen, sind keine schönen Zahlen in Bezug auf die Finanzplanung, die diese Regierung vielleicht oder vielleicht auch nicht umsetzen wird, sondern wir brauchen über die nächsten Jahre einen wirklichen Schwerpunkt in milliardenschwere Investitionen in die Bereiche Bildung, Wohnen, ÖPNV, Nahverkehr, Krankenhäuser und Kommunen.
Was Sie allerdings machen – daher ist der Vorwurf berechtigt, dass Sie sich mit fremden Federn schmückten –, ist: Sie legen lediglich kleine Investitionsprogramme des Landes auf, die Bundesprogramme in kleinerem Maßstab ergänzen. Damit erheben Sie die Probleme im Land nicht einmal und lösen sie schon gar nicht auf.
Wir brauchen also Investitionen in Schulbauten; wir brauchen ein landesweites Sanierungsprogramm, das seinen Namen endlich verdient. Auch müssen wir damit Schluss machen, was Sie immer wieder behaupten, dass es ja eigentlich die Aufgabe der Kommunen sei. Ich finde: Solange die Kommunen finanziell nicht in die Lage versetzt werden, dieser Aufgabe gerecht zu werden, braucht es ein landesweites Schulsanierungsprogramm.
Auch in der Wohnungspolitik ist, wenn Sie auch meinen, dazu Rekordzahlen zu vermelden – aber auch die kommen größtenteils vom Bund –, nicht abzusehen, wie Sie es schaffen wollen, diesen Trend umzukehren, dass sich die Anzahl der Sozialwohnungen in Hessen mehr als halbiert hat, dass selbst unter Schwarz-Grün fast 29.000 Wohnungen aus der Sozialbindung herausgefallen sind. Davon ist in dieser mittelfristigen Finanzplanung wenig zu merken.
Absurd wird es aber, darüber müssen wir zum Ende noch kurz reden, wenn der Finanzminister Globalpositionen von fast 2 Milliarden € in den Haushalt bzw. in die mittelfristige Finanzplanung ab 2020 mit hineinschreibt. Sie haben gesagt: Ja, es könnte um die Absicherung von Haushaltsrisiken gehen. Es könnte auch die Zukunftsoffenheit dieser mittelfristigen Finanzplanung ein Grund dafür sein, falls sich die Mehrheiten ändern. – Daher frage ich Sie: Steht nicht auch zu befürchten, dass Sie noch mit weiteren umfangreichen Steuersenkungen rechnen, mit Steuersenkungen wie in der Vergangenheit, die insbesondere diejenigen begünstigen, die ohnehin schon ein hohes Einkommen haben? Mich würde das nicht überraschen.
Oder, wenn man es noch einmal anders zuspitzen will: Haben Sie keine Ideen für die Politik der nächsten fünf Jahre, sodass Sie jetzt Ihre Schwerpunkte mit einer mittelfristigen Finanzplanung abbilden könnten? – Beides fände ich doch sehr besorgniserregend.
Mit dieser Finanzplanung haben Sie noch einmal dokumentiert: In Hessen sind Schulen mitunter marode und werden heutigen Anforderungen nicht gerecht. Bezahlbare Wohnungen werden knapp. Investitionen in Krankenhäuser, in den ÖPNV und in Kommunen werden unterlassen, aber Sie feiern sich unaufhörlich für eine schwarze Null, die die Schuldensituation im Lande Hessen überhaupt nicht verändert. Es ist gut, dass Sie dies hier noch einmal deutlich gemacht haben.
Mein letzter Satz. – Wir hoffen, dass dies viele Menschen mitbekommen haben und sich im Oktober entsprechend entscheiden. Für uns bleibt klar, wer in diesem Land wirklich die politische Richtung verändern will. Wer mehr Investitionen in unser Gemeinwesen möchte, muss in dieser Gesellschaft auch die Menschen mit hohem Einkommen,
mit großem Vermögen gerechter an der Finanzierung öffentlicher Aufgaben beteiligen. Deswegen ist es auch wichtig, im Hessischen Landtag für eine gerechtere Besteuerung der Reichen und Vermögenden zu kämpfen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte mich mit einer kurzen Vorbemerkung der Kritik des Kollegen Schmitt und der Kritik des Dr. h.c. Hahn anschließen. Die Art und Weise, wie mit dem Thema umgegangen wurde, entspricht, finde ich, nicht unbedingt einem kollegialen Umgang.
Es gab eine Pressekonferenz, die eigentlich nur wenige Minuten vor der Beiratssitzung stattfand. Dort wurden die wesentlichen Vorschläge für die Neuregelung öffentlich präsentiert. Danach wurde das Gremium, das auch zukünftig mit diesen Fragen konfrontiert werden wird, aus zweiter Hand informiert. Ich finde, das ist kein ordentliches Verfahren.
Ich will zu Beginn noch einmal sagen: Natürlich ist es richtig, Überlegungen anzustellen und Maßnahmen zu entwickeln, die dafür Sorge tragen, dass die Pensionen für die Beamtinnen und Beamten des Landes Hessen künftig gezahlt werden können. Dazu ist man gegenüber den Beamtinnen und Beamten verpflichtet, die sich ihre Pension mit ihrer tagtäglichen guten Arbeit für das Land Hessen und für die Bürgerinnen und Bürger mehr als verdienen.
Worüber man aber reden kann, ist, auf welchem Weg wir dieses Ziel verfolgen. Wir haben heute hier einen Gesetzentwurf vorliegen, mit dem das Sondervermögen, dessen Ziel es war, eine Rücklage zu bilden, um die Pensionszahlungen zukünftig zu gewährleisten, in einen dauerhaft bestehenden Kapitalstock umgewandelt werden. Es geht um einen dauerhaft bestehenden Kapitalstock. Das ist im Kern die Neuregelung, die Sie vorschlagen.
Ich finde, man muss über diesen Weg diskutieren. Ich finde das durchaus diskussionswürdig. Denn in letzter Instanz handelt es sich doch um die Umwidmung der Mittel, die für die Beamtinnen und Beamten mit der klaren Zielvorgabe vorgesehen sind, die Pensionen zu bezahlen. Sie sollen jetzt in einen Kapitalstock umgewandelt werden. Das soll so eingerichtet werden. Wenn man sich die Zeitläufe anschaut, kann man meinen, das soll eigentlich für die Ewigkeit sein.
Bei der Einrichtung eines Kapitalstocks mit Geldern der öffentlichen Hand bestehen Fragen, mit denen wir uns sehr ernsthaft auseinandersetzen müssen. Da geht es z. B. um die Fragen, wie das Geld eigentlich angelegt werden soll und wie die Risikodiversifikation aussieht. Man bewegt sich auf einmal in der Sprache der Finanzmarktprodukte.
Wie sieht das mit der angestrebten Rendite aus? – Dr. h.c. Hahn hat seine Vorstellungen dazu hier schon zum Besten gegeben. Wie sieht es mit dem Investitionsverhalten unter ethischen, sozialen und ökologischen Aspekten aus? – Auf einmal ist die öffentliche Hand dabei, sich mit solchen Fragen zu beschäftigen.
In der Begründung des Gesetzentwurfs schreiben Sie, dass Sie, nachdem Sie sich bereits für eine nachhaltige Aktienanlage entschieden haben, nun auch eine nachhaltige Vermögensanlage in Angriff nehmen wollen. Da könnte man sagen, es sei grundsätzlich zu begrüßen, dass Fragen der Nachhaltigkeit da eine Rolle spielen sollen. Wenn man dann aber in die Details geht, entstehen ganz große Probleme. Darüber möchte ich heute reden.
In der Antwort auf eine Kleine Anfrage meines geschätzten Vorgängers Willi van Ooyen vom März 2017 haben Sie geschrieben, dass aufgrund Ihrer Nachhaltigkeitskriterien beispielsweise „Hersteller kontroverser Waffen“ ausgeschlossen sind. Sie schreiben, es seien auch Unternehmen ausgeschlossen, „die sich besonders schwere Verstöße gegen die Nachhaltigkeitsgrundsätze der Vereinten Nationen, die sogenannten ‚UN Global Compact Principles‘, haben zuschulden kommen lassen“. In der Begründung des Gesetzentwurfs schreiben Sie, dass es darum gehen muss, einen „weitgehenden Ausschluss von Unternehmen“ anzustreben, „deren Geschäftsmodell auf die Gewinnung fossiler Brennstoffe gerichtet ist“.
Jetzt könnte man sagen, es sei grundsätzlich gut, dass Sie sich solcher Fragen der Nachhaltigkeit angenommen haben und nicht nur einseitig auf die Rendite schauen. Aber schauen wir uns doch einmal die Formulierungen genau an: „kontroverse Waffen“, „besonders schwere Verstöße“, „weitgehender Ausschluss“. Was bedeutet das denn im Klartext? – Das bedeutet, dass es völlig in Ordnung ist, die Mittel für die Pensionen der Beamtinnen und Beamten in Anlagen mit Waffen zu stecken. Sind Kleinwaffen und Panzer in Ordnung? – Denn das sind keine „kontroversen Waffen“. Was ist denn mit Unternehmen, deren Geschäftsmodell nicht auf die Gewinnung fossiler Brennstoffe gerichtet ist, die aber trotzdem mit fossilen Brennstoffen ihr Geld verdienen?
Herr Dr. h.c. Hahn, Sie sagen, es sei im Sinne der Beamtinnen und Beamten, auf die Rendite, die Rendite, die Rendite zu schauen. Ich sage Ihnen: Ich kenne viele Beamtinnen und Beamte, die nicht wollen, dass mit dem Geld, mit dem sie später einmal eine ordentliche Pension erhalten sollen, Spekulationen betrieben werden. Sie wollen nicht,
dass es in Waffenproduktion und in klimaproblematischen Bereichen angelegt wird.
Ich kenne viele Beamtinnen und Beamte, denen es nicht nur darum geht, Rendite um jeden Preis zu erzielen.
Ich will ein weiteres Beispiel nennen. In der gleichen Antwort auf die Kleine Anfrage führen Sie auch aus, dass Aktien der Banken gehalten werden, die zu dem damaligen Zeitpunkt an dem hoch umstrittenen Projekt der DakotaPipeline durch Kreditvergaben beteiligt waren. Das zeigt doch: Die Nachhaltigkeitsregelungen, die Sie sich selbst anlegen, greifen doch deutlich zu kurz. Deswegen wäre es das Mindeste, diese Regelungen zu verschärfen und wenigstens das Wort „kontrovers“ bei den Waffen und die Worte „besonders schwer“ herauszustreichen, damit in Zukunft gewährleistet wird, dass die Mittel zur Gewährleistung der Pensionsansprüche der Beamtinnen und Beamten nicht in diese hoch problematischen Geschäfte investiert werden.
Herr Finanzminister Dr. Thomas Schäfer hat eine sehr grundlegende Einleitung in das Thema dieses Gesetzentwurfs gemacht. Ich habe sozusagen über die Ausführungsbestimmungen eines späteren Gesetzes gesprochen. Ich finde, man muss noch einmal die grundsätzliche Frage angehen, ob sich die öffentliche Hand überhaupt als Finanzinvestor betätigen soll, um später Pensionen bezahlen zu können.
Herr Kollege Schmitt hat schon darauf hingewiesen, dass mit diesem Verfahren nur ein Bruchteil der Summe erwirtschaftet werden wird, die später anfallen wird. Das heißt, der von Ihnen eingeschlagene Weg, den Sie sehr intensiv dargestellt haben, löst nur einen ganz kleinen Teil des Problems. Deswegen stellt sich doch genau im Sinne der Generationengerechtigkeit die Frage, ob man nicht schon heute die finanzielle Grundlage für die Versorgungsleistungen der Beamtinnen und Beamten schaffen müsste und ob es nicht im Sinne der Generationengerechtigkeit wäre, heute zu schauen, wie wir diese Versorgungsleistungen finanzieren können.
Für mich gehört dazu auch, darüber zu reden, dass unsere Gesellschaft nicht nur älter, sondern auch reicher geworden ist. Das heißt, wir müssen die Frage stellen, wie wir über eine gerechtere Besteuerung die Pensionsansprüche der Beamtinnen und Beamten bedienen können.
Ich bin auf die Anhörung und auf das gespannt, was uns die Anzuhörenden kritisch mitgeben werden. Wir werden diese Fragen dann hier weiterhin diskutieren.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Man kann das jetzt nicht so stehen lassen. Herr Dr. h.c. Hahn, Sie haben doch eben mit Ihrer Kurzintervention nur bewiesen, dass Sie meinen Ausführungen nicht zugehört haben.
Ich habe Ihnen eben zugehört. Es war nicht besonders leicht zu ertragen, aber ich habe es getan. Vielleicht können Sie ja auch die Größe zeigen, mir zuzuhören.
Wir haben über die Frage diskutiert, wie das Geld, das eigentlich für die Pensionen der Beamtinnen und Beamten gedacht ist, angelegt wird. Ich habe darauf hingewiesen, dass der Nachhaltigkeitsansatz der Hessischen Landesregierung, den ich durchaus auch gewürdigt habe, Probleme aufwirft, weil er mit seinen Kriterien bestimmte problematische Bereiche nicht ausschließt. Ich habe da von Waffen gesprochen, die nicht ausgeschlossen werden. Es werden „kontroverse Waffen“ ausgeschlossen – das ist in Ordnung. Da geht es um Landminen, Streubomben – ich finde, das ist eine Selbstverständlichkeit. Gleichwohl wird aber nicht ausgeschlossen, dass auch in Bereiche investiert wird, die mit anderen Waffen zu tun haben. Ich habe darauf hingewiesen, dass die Formulierungen „weitgehend“ und „schwere Verstöße“ Ausnahmen zulassen. Ich habe am Ende die Frage aufgeworfen, ob es überhaupt die Aufgabe des Landes Hessen ist, einen Kapitalstock zu bilden und sich mit solchen Fragen zu beschäftigen, oder ob nicht andere Wege der Finanzierung der berechtigten Pensionsansprüche der Beamtinnen und Beamten möglich sind.
Herr Dr. h.c. Hahn, was ich allerdings deutlich kritisiert habe, war Ihr Plädoyer dafür, dass vor allem die Frage der Rendite entscheidend ist. Das finde ich völlig falsch.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Judenfeindschaft und Antisemitismus haben in Europa eine schreckliche jahrhundertelange Tradition. Jüdinnen und Juden werden seit mehr als 1.500 Jahren als angebliche Verursacher aller möglichen Fehlentwicklungen ausgrenzt, verfolgt, vertrieben und ermordet.
Im 19. Jahrhundert entstand in Europa die politische Ideologie des Antisemitismus. Dieser Antisemitismus bereitete im 20. Jahrhundert den ideologischen Nährboden für den deutschen Faschismus, der den Massenmord an den europäischen Juden staatlich organisierte und industriell durchführte. Aus diesem großen Menschheitsverbrechen entspringt die besondere Verantwortung, sich konsequent dem Antisemitismus, aber auch allen faschistischen Bestrebungen entgegenzustellen.
Auch heute, mehr als 70 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus durch die Alliierten, ist der Antisemitismus keineswegs überwunden. Nach dem ersten Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus von 2011 sind latent antisemitische Einstellungen und Denkmuster, die sich nicht in Straftaten äußern, in Deutschland in erheblichem Umfang bis in die Mitte der Gesellschaft verankert. So belegen verschiedene Untersuchungen seit vielen Jahren – es ist auch hier und heute gesagt worden – einen Anteil von 20 % der Bevölkerung mit latent antisemitischen Einstellungen.
Die praktischen Konsequenzen des nach wie vor virulenten Antisemitismus lassen sich bedauerlicherweise tagtäglich beobachten. So verzeichneten die Behörden für 2017 – es ist schon gesagt worden – 1.400 antisemitische Straftaten.
Jüdische Einrichtungen in Deutschland müssen auch heute noch von der Polizei geschützt werden. Jüdische Friedhöfe werden regelmäßig von Antisemiten geschändet. Zu den Erkenntnissen des ersten Expertenberichts zählte, dass das rechtsextremistische Lager in Deutschland weiterhin der wichtigste politische Träger eines manifesten Antisemitismus ist. Rund 90 % aller antisemitischen Straftaten werden von Tätern begangen, die dem rechten Spektrum zugeordnet werden.
In der aktuellen Debatte bekommt man mitunter den Eindruck, oder es wird der Eindruck erweckt, Muslime und Migranten seien in der Hauptsache Verursacher von Antisemitismus. Der zweite Expertenbericht, der in diesen Tagen vorgestellt wurde, warnt ausdrücklich davor, die Bedeutung des Rechtsextremismus beim Antisemitismus zu vernachlässigen oder zu verharmlosen.
Wir als Fraktion vertreten die Auffassung, dass Antisemitismus ein Problem der gesamten Gesellschaft ist, unabhängig davon, ob es Alteingesessene oder neu Hinzugekommene sind. Es ist ein Problem der gesamten Gesellschaft, aus deren Mitte der Antisemitismus immer wieder entspringt. Deshalb bedarf es einer nachhaltigen und öffentlichen Thematisierung des Problems Antisemitismus.
Das gilt insbesondere auch in Zeiten, in denen eine im Bundestag vertretene Partei, die sich auch anschickt, in den Hessischen Landtag einzuziehen, davon spricht, die deutsche Erinnerungskultur aufzubrechen, deren Fraktionsvor
sitzender das Holocaustmahnmal in Berlin als ein „Mahnmal der Schande“ bezeichnet, und in denen im Stuttgarter Landtag ein Vertreter einer Partei sitzt, der aufgrund seiner antisemitischen Schriften höchstrichterlich als Holocaustleugner bezeichnet werden darf. Diesen antisemitischen Tendenzen gilt es entschieden entgegenzutreten.
Für DIE LINKE bleibt die Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte und den Ideologien der heutigen extremen Rechten ein entscheidender Punkt im Kampf gegen den Antisemitismus. Projekte, die sich gegen Antisemitismus, Rechtsextremismus und Rassismus richten, müssen dauerhaft finanziell abgesichert werden. Die historischen Erinnerungsorte an den Faschismus müssen erhalten und eine ausreichende finanzielle Ausstattung gesichert werden. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte muss gefördert werden, und natürlich gilt es, das jüdische Leben in Deutschland und in Hessen weiter zu fördern und zu verbreitern. Dazu gehört auch die Unterstützung der entsprechenden kulturellen, akademischen und gesellschaftlichen Einrichtungen.
Natürlich müssen antisemitische Straftaten konsequent geahndet werden.
Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Herr Josef Schuster, hat in diesen Tagen gesagt: „Wir haben uns in Deutschland viel zu gemütlich eingerichtet. Ein bisschen Antisemitismus, ein bisschen Rassismus, ein bisschen Islamfeindlichkeit – ist doch alles nicht so schlimm? Doch, es ist schlimm.“
Da hat der Vorsitzende zweifelsohne recht. Natürlich müssen wir in Hessen Antisemitismus entschieden entgegentreten – ebenso entschieden wie allen anderen ausgrenzenden menschenfeindlichen Einstellungen und Handlungen auch.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wie schon im Vorfeld der Anhörung zum sogenannten Hessenkasse-Gesetz vermutet, wurde der Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen in der Anhörung durchaus an einigen Stellen heftig kritisiert. Einige sehr grundlegende Aspekte lösten bei den Kommunalen Spitzenverbänden – das ist in der Debatte zum Teil bereits genannt worden – nicht gerade Begeisterung aus. Während Sie sich sehr begeisterungsvoll und überschwänglich für Ihren Gesetzentwurf feiern lassen wollten, sah man die Ablösung der kommunalen Kassenkredite, finanziert überwiegend mit kommunalen Mitteln,
mit weniger Begeisterung in dieser Anhörung. Ich persönlich fand das schon ziemlich dreist.
In der Anhörung haben Sie sich also Kritik angehört dafür, dass die Gewerbesteuerumlage, die einmal für einen anderen Zweck erhoben wurde, für die Hessenkasse zweckentfremdet werden soll. Sie haben sich anhören müssen, dass die verschärften Befugnisse der Aufsichtsbehörden bei den Kommunen auf wenig Gegenliebe gestoßen sind und dass auch die Bestrafung von Kommunen, die nicht in der Lage sind, den von Ihnen geforderten Eigenanteil zu erwirtschaften, nicht gerade auf Begeisterung gestoßen ist.
Immerhin haben Sie auch ein bisschen etwas eingestanden. Mit dem vorliegenden Änderungsantrag ermöglichen Sie die Flexibilisierung der kommunalen Finanzierung. Zudem verzichten Sie auf die Erhebung der Gewerbesteuerumlage. Ferner haben Sie den Durchgriff der Aufsichtsbehörden ein wenig abgeschwächt.
Das heißt also, ein paar kleine Punkte der kommunalen Seite haben Sie aufgenommen. Doch diese Änderungen, die ich überwiegend als geringfügig einschätzen würde, ändern nichts daran, dass die Elemente von Gängelung und Drangsalierung der Kommunen in Ihrem Gesetzentwurf weiterhin überwiegen. Ich will Ihnen das auch erläutern.
Herr Dr. h.c. Hahn hat zwar gesagt, man solle jetzt nicht mehr über die Vorgeschichte reden. Gleichwohl möchte ich sagen, dass es befremdlich bleibt, dass die Landesregierung ein Jahr lang für einen Gesetzentwurf trommelt und mit den kommunalen Vertretern über einen Gesetzentwurf redet, den später die Regierungsfraktionen einbringen, der dann erst im Parlament beraten wird. Es gibt also vorher schon eine Roadshow und eine Werbetour. Das sagt etwas aus über Ihr Verständnis vom Hessischen Landtag als gewähltem Parlament.
Da Sie sich hier immer so rühmen, dass Sie so intensive Gespräche mit den kommunalen Vertretern geführt hätten, will ich hier einmal Stimmen zu Wort kommen lassen, die Sie offenbar nicht gehört haben. Auch mich erreichen viele Wortmeldungen von kommunalpolitisch Aktiven, von Ehrenamtlichen, aber auch von hauptamtlichen Bürgermeistern. Da wird gesagt: Wir haben große Sorge bei der Hessenkasse. Wir sollen uns auf Jahrzehnte verpflichten. Was passiert eigentlich in Zeiten, in denen die Steuereinnahmen nicht mehr so sprudeln? Was passiert, wenn wir in eine Situation kommen, in der wir die Mittel für die Eigenfinanzierung der Hessenkasse nicht erwirtschaften können?
Vor allem in diesen Zeiten – und diese Zeiten werden kommen – haben viele die Sorge, dass dieses Gesetz ihnen erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Um den Eigenanteil der Kommunen zu finanzieren, befürchten sie eine weitere Runde des Kürzens und Streichens sozialer Leistungen und/oder den Griff in die Taschen der Bürgerinnen und Bürger über neue Steuer- und Gebührenerhöhungen. Diese Tatsache fürchten viele kommunalpolitisch Aktive. Deren Stimmen scheinen Sie aber nicht gehört zu haben.
In Ihrer Logik ist das aber auch nur konsequent. Schon bei den vorherigen Instrumenten haben Sie auf Gängelung und Drangsalierung gesetzt. Ich erinnere an den Schutzschirm.
Ich möchte noch eine andere Differenz benennen, die hier deutlich zutage getreten ist, auch in dem Beitrag von Herrn Dr. Arnold. Sie vertreten die Auffassung, die Kommunen trügen die Verantwortung für die Verschuldung ihrer Haushalte selbst. Sie seien schuld daran, dass die Kassenkredite in den vergangenen Jahren enorm gewachsen sind. Das sei die Verantwortung der Kommunen.