Protokoll der Sitzung vom 28.09.2017

Der bezahlbare Wohnraum ist doch nicht knapp, weil so viele Flüchtlinge gekommen sind, sondern weil der soziale Wohnungsbau faktisch eingestellt wurde. Nicht die Flüchtlinge sind schuld, sondern die, die den Wohnraum leer stehen lassen, die damit spekulieren und viel zu hohe Mieten verlangen.

(Beifall bei der LINKEN – Manfred Pentz (CDU): Das sieht Frau Wagenknecht anders!)

Es gibt einen Verteilungskampf. Aber der darf doch nicht zwischen denen geführt werden, die ohnehin fast nichts besitzen, sondern zwischen oben und unten. Da das reichste Geschwisterpaar dieser Republik 1 Milliarde € allein an Dividenden pro Jahr bekommt, da wir zulassen, dass Amazon kaum Steuern zahlt, und da wir keine Vermögensteuer haben, kann man doch nicht ernsthaft darüber diskutieren, ob Asylbewerber zu viel Geld bekommen.

(Beifall bei der LINKEN – Manfred Pentz (CDU): Frau Wagenknecht sieht das aber anders!)

Wir wollen nicht, dass sich die Menschen um die Brotkrumen streiten. Wir wollen die Fragen stellen, wo das Brot geblieben ist und wem die Bäckerei gehört. Unsere Parteivorsitzende, Katja Kipping, sagt es so: Man sollte nach oben schauen, statt nach unten zu treten.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öz- türk (fraktionslos))

Ich komme zum Schluss meiner Rede. Ich warne davor, zu glauben, die AfD werde sich selbst entlarven, und das Problem werde sich von alleine lösen. Die Gefahr von rechts lässt sich nicht ignorieren. Das bekommen als Erste all jene zu spüren, die nicht ins rechte Weltbild passen.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Das sind die Muslime, die Juden, die Migranten und die Flüchtlinge. Sie sind die ersten Opfer dieser Stimmung.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öz- türk (fraktionslos))

Es gibt bundesweit einen Wahlkreis, in dem die AfD unter 5 % geblieben ist. Das ist Münster in Westfahlen. In Münster haben vor einigen Monaten 10.000 Menschen gegen einen Auftritt von Frauke Petry demonstriert.

Frau Kollegin, Sie müssen wirklich langsam zum Schluss Ihrer Rede kommen.

Ich komme zu meinen letzten Sätzen. – Das zeigt: Rechte und Nazis bekämpft man am besten durch breite gesellschaftliche Mobilisierungen. Das heißt, wir werden in den nächsten Jahren eine laute und konsequente Opposition von links machen. Mit uns wird die AfD eine entschiedene Gegnerin haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Kollegin Wissler, vielen Dank. – Das Wort hat Herr Abg. René Rock. Er ist Fraktionsvorsitzender der FDP und kommt aus Seligenstadt.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir weiterhin diese Diskussion so führen, wenn wir weiterhin einer Partei, die nicht einmal im Hessischen Landtag sitzt, so viel Platz einräumen, dann machen wir das Geschäft derer, die wir hier eigentlich nicht sehen wollen.

(Beifall der Abg. Wolfgang Greilich und Jürgen Lenders (FDP) sowie bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Frau Wissler, 5,8 Millionen Menschen in Deutschland haben diese Partei gewählt. Es sind in Deutschland nicht plötzlich 5,8 Millionen Rechtsradikale aus dem Nichts gekommen. 5,8 Millionen Menschen in Deutschland haben der Großen Koalition, die in Berlin regiert hat, die rote Karte gezeigt. Die Große Koalition in Berlin wurde abgewählt. Es hat noch nicht jeder verstanden, was diese Botschaft bedeutet.

Wir müssen uns eines klarmachen: In einer Demokratie gibt es einen einzigen Tag der Wahrheit. An dem wird nicht gelogen. Da kann nicht jeder die Wahrheit uminterpretieren. Das ist der Wahltag. Am Wahltag sagen die Bür

gerinnen und Bürger unseres Landes, was sie über die Politik denken. An diesem Wahltag haben die deutschen Wählerinnen und Wähler eine klare Botschaft gesprochen.

Jetzt kann man versuchen, um sich nicht mit seinen eigenen Wählern beschäftigen zu müssen, dieses Ergebnis im Nachgang umzuinterpretieren. Das wird uns aber nicht weiterbringen.

(Beifall der Abg. Wolfgang Greilich und Jürgen Lenders (FDP))

Deutschland ist ökonomisch stabil. Wenn man Menschen anderer europäischer Länder fragt, dann sagen die: Ihr habt eigentlich gar keine Probleme. – Trotzdem ist unsere Gesellschaft an einem Punkt, den wir in Deutschland noch nicht erlebt haben. Es gibt tiefe Gräben in unserer Gesellschaft. Es gibt starke Anfeindungen.

Liebe Kollegin Wissler, wenn Sie Steine auf AfD-Politiker werfen, dann machen Sie deren Geschäft. Sie machen damit nicht das Geschäft der Demokratie. Das ist so.

(Beifall der Abg. Wolfgang Greilich und Jürgen Lenders (FDP) – Hermann Schaus (DIE LINKE): Wir werfen keine Steine!)

Sie müssen sich zur Gewaltfreiheit bekennen. Sie müssen sich ausdrücklich distanzieren von – –

(Zuruf)

Ich sage Ihnen, wie ich es sehe. – Ich sehe es so: Wenn wir diese Partei nicht souverän und inhaltlich stellen, machen wir deren Geschäft. Wenn man sich im Deutschen Bundestag mit nichts anderem als mit der Frage beschäftigt, ob ein Rentner aus einer Fraktion den Bundestag ein paar Minuten lang eröffnen kann, wenn ein souveräner Politiker wie Herr Lammert sich überlegt, ob es ein Gesetz geben muss, um solche Dinge zu regeln, dann räumen wir dieser Partei einen Stellenwert ein, den sie in unserer Politik nicht hat.

(Beifall der Abg. Wolfgang Greilich und Jürgen Lenders (FDP) sowie bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Solange wir das machen, haben wir nicht verstanden, wie wir uns gegen diese Menschen wehren können.

Natürlich will ich nicht, dass die AfD in den Hessischen Landtag mit einem zweistelligen Ergebnis einzieht. Natürlich wissen wir, dass eine schwarz-grüne Regierung eine Reflexionsfläche für deren Art Politik darstellt. Deswegen werden wir klug beraten sein, wenn wir in einem Jahr über Inhalte und nicht über Gefühle, Emotionen und anderes reden. Mit Inhalten kann man die AfD aufhalten.

(Beifall der Abg. Wolfgang Greilich und Jürgen Lenders (FDP) sowie bei Abgeordneten der SPD)

Warum hat die AfD kein Rentenkonzept? Der wohlhabende Millionär aus dem Hochtaunus, der AfD wählt, und vielleicht der Mensch aus dem Frankfurter Stadtteil, der sich abgehängt fühlt, wählen momentan die gleiche Partei. Aber diese Partei kann für diese Menschen nicht die gleichen politischen Vorschläge machen. Sie haben kein Rentenkonzept, weil sie einfach keines liefern können. Denn die Interessen liegen da in der Partei völlig auseinander. Darin liegt unsere Chance, diese Partei zu stellen.

(Beifall bei der FDP)

Wenn wir weiter suggerieren, alle anderen bekämen Angst, oder man würde etwas erreichen, wenn man AfD wählt: Nein, man erreicht nichts, wenn man AfD wählt; man erreicht Protest. Wir müssen die Lehren aus der deutschen Geschichte ziehen, dass wir eine handlungsfähige Demokratie repräsentieren müssen. Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern zeigen, dass die Stimmen für die AfD keine Stimmen sind, die unser demokratisches System aus dem Gleichgewicht bringen können. Darum müssen alle demokratischen Parteien daran arbeiten, deutlich zu machen, dass wir handlungsfähig sind, dass Demokratie handlungsfähig ist und dass uns das, was jetzt bei der Wahl passiert ist, nicht aus dem Gleichgewicht bringt. – Wir werden sie stellen. Wir werden sie entzaubern. Dadurch wird auch die AfD auf den Stellenwert zurückgedrängt werden, den sie verdient. Sie wird dann möglicherweise nicht in dieses Parlament einziehen, was unser größtes Ziel ist.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hören Sie auf, diese Partei zu überhöhen. Diese Partei lebt davon. Ihr Urmythos ist, dass sie von den etablierten Parteien angefeindet wird, weil sie etwas anderes ist. Sie lebt davon, dass wir in einer Art über sie reden, als würde sie etwas bedeuten. Nein, sie haben keine Inhalte. Sie werden dieses Land nicht voranbringen. Sie haben keine Idee, wie es besser geht. Sie leben nur davon, eine Erregungskultur in diesem Land auszunutzen. Sie leben davon, Emotionen zu schüren. Jeder, der in diese emotionale Debatte einsteigt, wird deren Geschäft machen. Sie leben von gezielten Provokationen und stellen die Uhr danach, wie wir alle darauf reagieren werden. Vielleicht müssen wir einfach einmal sagen, das ist Quatsch, es ist rational Quatsch, obwohl es uns wirklich ins Mark trifft, was dort gesagt wird. Wir sollten vielleicht nicht auf die Hufe treten und deren Geschäft machen, sondern wir sollten rational sagen, wo deren Versäumnisse sind und was sie nicht liefern können. Wenn wir das Führungspersonal der AfD anschauen, dann muss man wirklich vor keinem von ihnen Angst haben. Das sind Leute, die nur mit den Emotionen der Menschen spielen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Liebe Freunde von der Linkspartei, gerade Sie müssten die Partei sein, die das Thema AfD am stärksten hinterfragt. Wenn Sie heute diese Partei angreifen und sie aus den Wählerwanderungen genau wissen, dass – relativ gesehen – keine Partei mehr Stimmen an die AfD abgegeben hat als Sie, dann müssen Sie sich doch selbst hinterfragen – mit Ihrem Politikstil, und wie Sie auftreten –, was dazu geführt hat. Das waren doch zum Großteil einmal Ihre Wähler, die jetzt diese Partei wählen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Die kommen aus der CDU!)

Das waren doch Ihre Wähler. Das waren nicht die Wähler von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und nicht die Wähler der Freien Demokraten; es waren Ihre Wähler.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da müssen Sie sich doch fragen, ob nicht die Art, wie Sie arbeiten, diese Partei sogar noch stärkt.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Hermann Schaus und Janine Wissler (DIE LINKE))

Wir brauchen in unserem Land eine Verantwortungskultur.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Wir brauchen einen ordentlichen Umgang miteinander. Wir brauchen eine ordentliche, respektvolle politische Debatte, und wir brauchen keine Stärkung der Ränder in unserem Land. Wir brauchen eine stärkere Mitte. Das ist anständige, rationale und transparente Politik. Das wird die Populisten in unserem Land aufhalten; denn die Wählerinnen und Wähler sind viel klüger, als wir glauben. Die Wählerinnen und Wähler haben eine Regierung und nicht eine Gesellschaft abgewählt. Sie haben nicht die Demokratie abgewählt. Sie haben den Stillstand, den Mehltau in Deutschland abgewählt. Darum lasst uns Deutschland voranbringen. Dann fallen auch die rechten und linken Demagogen hinten herunter,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Was soll das denn?)

und wir haben ein starkes, in der Mitte regiertes Land.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Hermann Schaus (DIE LINKE): Ist das die neue Strategie der FDP?)

Vielen Dank, Kollege Rock. – Kollege Boddenberg, bitte sehr.