Protokoll der Sitzung vom 28.09.2017

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Attacke!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die FDP hat einen Antrag aus dem Mai zum EEG zu ihrem Setzpunkt in dieser Plenarwoche gemacht. Das macht auch weiter nichts aus, weil es quasi ein zeitloser Klassiker aus dem FDP-Fundus ist, den wir hier schon oft diskutiert haben unter dem Motto, die FDP will die Energiewende stoppen.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das nennt man Kontinuität!)

Nun ist es so, dass ich immer wieder begeistert bin, welche neuen Zielgruppen und Themen die FDP an diesem Thema Windräder so entdeckt. Sie haben gerade lange über die gesellschaftliche Akzeptanz gesprochen, die erreicht werden müsse, und Polizeieinsätze kritisiert. Ich erinnere nur daran, als es um die gesellschaftliche Akzeptanz beim Thema Atomkraftwerke ging, hat Sie das herzlich wenig interessiert, und ich glaube, da waren die Polizeieinsätze ein bisschen heftiger, Herr Lenders. Wenn man aber heute Herrn Rock zuhört, klingt es eher so, als würde er gleich „Blockupy Windkraft“ als Aktionsform starten, oder etwas in der Art. Aber vielleicht sollte ich ihn da nicht auf Ideen bringen.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der LIN- KEN und der SPD – Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Nur, wenn Willi van Ooyen der Geschäftsführer ist!)

Herr Hahn, so unter dem Motto „Meine erste Sitzblockade“ – vielleicht probieren Sie es einmal an einem Windrad aus.

Sie entdecken die gesellschaftliche Akzeptanz und außerparlamentarische Protestformen an dieser Frage. Sie entdecken auch die armen Haushalte,

(René Rock (FDP): Das ist aber nicht neu!)

der Gang in die Opposition hat das offenbar verstärkt. Auch das ist eine Zielgruppe, die der FDP nicht immer so am Herzen lag. Selbst der Wald, der der FDP nicht so viel bedeutet hat, als es um Landebahnen und Autobahnen ging:

(Widerspruch bei der FDP)

Sobald der Wald durch das Windrad gefährdet ist, ruft das die FDP auf den Plan.

Was ich besonders schön finde, ist, dass die FDP beim Thema Artenschutz ganz eigene Kriterien entwickelt hat, wann eine Spezies schützenswert ist und wann sie es nicht ist, Herr Rock. Wenn die bedrohte Tierart dazu dienlich ist, ein Windrad zu verhindern, dann ist es eine sehr schützenswerte Spezies. Wenn es sich hingegen beispielsweise um den gemeinen Kammmolch handelt, der den Bau von Autobahnen verhindert, dann steht dessen Ausrottung aus Sicht der FDP natürlich nichts entgegen.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und bei Ab- geordneten der SPD – Zuruf des Abg. Dr. h.c. Jörg- Uwe Hahn (FDP))

Herr Hahn, man hat den Eindruck, dass die eine oder andere Spezies der FDP mehr oder weniger am Herzen liegt, je nachdem, welchem Bauprojekt sie im Wege stehen.

(René Rock (FDP): Uns liegen die Menschen am Herzen!)

Dabei wird die FDP – und da wird es ein bisschen weniger lustig – immer drastischer und stellt sich immer offener an die Seite von Leugnern des Klimawandels. Als ich den Tweet von Nicola Beer vor einigen Tagen oder Wochen gelesen habe, laut dem das angebliche Auftreten von mehr Extremwetterereignissen Fake-News seien, will ich schon sagen: Fakt ist, dass es wissenschaftlich gut gesichert ist, dass Extremwetterereignisse vermehrt auftreten und dass dies mit dem Klimawandel zu tun hat, und auch, dass sich dieser Trend bei fortschreitender Erderwärmung noch verschärfen dürfte. Daher wäre mein dringender Appell an Sie: Überlegen Sie wirklich, ob Sie sich mit den ganzen Trumpisten und Klimawandelleugnern gemein machen wollen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Die hessische CDU ringt auf offener Bühne mit sich, und an der Seite des grünen Koalitionspartners bekennt man sich zum Ausbau und zu den Klimazielen. Bei Ihrem Landesparteitag im Mai haben Sie ja auf Antrag der Kreisverbände darüber gestritten, ob das EEG begraben und der Windkraftausbau gestoppt werden soll. Hier im Landtag dafür, im Wahlkreis auch schon einmal dagegen – Frau Müller-Klepper sehe ich gerade nicht, Herr Beuth ist hier, auch das sind Mitglieder des außerparlamentarischen Widerstands gegen Windräder in ihren Wahlkreisen. Von da

her, glaube ich, ist es bei der CDU nicht so, dass man unbedingt hinter der Energiewende steht.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich will zum Thema EEG noch einmal deutlich sagen, dass es zunächst einmal eine Erfolgsgeschichte ist. Man muss sich schon die Frage stellen, wo wir denn heute ohne diese Regelung stünden. Das EEG war Vorbild für andere Länder. Hermann Scheer hat einmal gesagt, das EEG sei das erste Energiegesetz gewesen, das gegen die Energiekonzerne durchgesetzt worden sei. Hätten wir das EEG nicht gehabt, wäre es vollkommen unmöglich gewesen, dass die erneuerbaren Energien heute einen Anteil von round about 30 % ausmachen. Die großen Atom- und Kohlekonzerne hätten das systematisch verhindert. Sie haben systematisch versucht, die Energiewende zu blockieren. Da hat das EEG eine wichtige Rolle gespielt, auch wenn wir in der Ausgestaltung immer Kritikpunkte hatten, gerade hinsichtlich der sozialen Gestaltung und Ausgewogenheit.

Leider muss man sagen, dass das EEG in den letzten Jahren von der Großen Koalition mehrmals verschlechtert wurde. Jetzt ist in dem Antrag wieder die Rede davon, dass Windkraft ein Preistreiber sei. Frau Kollegin Dorn hat es schon gesagt: Es ist ein großer Unsinn; wenn man sich anschaut, was an Milliardensubventionen in die Atom- und die Kohlekraft geflossen ist, dann muss man sagen, dass die erneuerbaren Energien die günstigsten sind. Sie helfen eben auch, die Kosten im Zaum zu halten; denn Sie können sich doch nicht einfach hierhin stellen und so tun, als gäbe es die Folgeschäden nicht und als verursachten Kohle und Atom keine Folgeschäden.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Die Folgekosten werden auf die Allgemeinheit umgelegt, und deshalb, finde ich, muss man dem Mythos der angeblich teuren erneuerbaren Energien schon entgegenwirken.

Natürlich sehen wir, dass die Strompreise ein soziales Problem sind. Auch wenn jetzt eine minimale Senkung der Umlage für 2018 vorhergesagt wird: Die Preistreiber der EEG-Umlage müssen daher auf den Prüfstand, aber ohne das ganze System infrage zu stellen. Die unberechtigten Privilegien für die Industrie müssen beendet werden – das wäre für uns ein Punkt, genau wie die Rabatte bei der Ökosteuer, Netzentgelte, Emissionshandel.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Es kann natürlich nicht sein, dass die kleinen Endverbraucher die Rabatte für die Großverbraucher mit bezahlen, die überhaupt keinen Anreiz haben, Energie zu sparen. Deswegen sind die ganzen Ausnahmen bei der EEG-Umlage größtenteils abzuschaffen und machen auch die soziale Schieflage aus.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn es der FDP wirklich darum ginge, den Strompreis zu bändigen: Sie wissen, wir sind schon seit Langem dafür, wieder eine effektive staatliche Preisaufsicht über das Endkundengeschäft einzurichten. So kann man nämlich verhindern, dass Strom- und Gasanbieter bei Verbrauchern und Verbraucherinnen Sonderprofite abkassieren. Damit könn

te man dafür sorgen, dass die Strompreise bezahlbar bleiben.

(Beifall des Abg. Stephan Grüger (SPD))

Vielen Dank, Stephan. – In Hessen aber sind die Probleme ganz andere als die von der FDP angezeigten. Wir scheitern an den selbst gesteckten Klimazielen, und die sind jetzt nicht so überambitioniert, um es einmal vorsichtig zu sagen. Wir alle haben uns über Donald Trumps Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen echauffiert. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir selbst meilenweit davon entfernt sind, es zu erfüllen. Dazu trägt die Bundesregierung zu großen Teilen bei, aber eben auch die Landesregierung.

(Beifall bei der LINKEN)

Da bekleckert sich Hessen wahrlich nicht mit Ruhm. Die im schwarz-grünen Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen reichen nicht aus, um das Zwei-Grad-Ziel zu realisieren, von 1,5 Grad ganz zu schweigen. Wir sind mit der Energiewende wirklich nicht so weit, als dass man jetzt über ein Bremsen nachdenken könnte, um den Zubau zu deckeln und darüber zu reden, die Energiewende müsse verlangsamt werden. Das Gegenteil ist der Fall. Wenn wir die Klimaschutzziele erreichen wollen, wenn wir einen vollständigen Umstieg auf die erneuerbaren Energien haben wollen, dann muss die Energiewende beschleunigt und darf nicht ausgebremst werden.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz sollte dahin gehend optimiert werden, dass es den Zubau der Nutzung erneuerbarer Energien weiter bei einer sozial gerechten Verteilung der Lasten beschleunigt.

Klar ist: Das geht nicht mit den Fossilen der alten Energieriesen und den Fossilen der FDP. Es geht hier um nichts Geringeres als um die Rettung des Planeten, denn es geht um die Frage des Klimawandels. Da merkt man, dass auch die geringsten Maßnahmen auf erbitterten Widerstand treffen. Wenn es darum geht, dass Interessen der Wirtschaft tangiert sind, werden die Widerstände schnell unüberwindbar.

Wer den Klimawandel aufhalten will, der darf nicht versuchen, sich die Logik des Kapitalismus über Zertifikatehandel und anderes zu eigen zu machen. Um die Klimaziele zu erreichen, also auch die Ziele, die in Paris festgelegt wurden, müssen nun einmal einige der gewinnträchtigsten Konzerne des Planeten gezwungen werden, den Großteil der nachgewiesenen fossilen Brennstoffe im Boden zu lassen.

(Beifall der Abg. Hermann Schaus und Marjana Schott (DIE LINKE))

Naomi Klein hat einmal so schön gesagt: Wir werden uns entscheiden müssen: Wollen wir das Klima retten oder den Kapitalismus? – Wir sind da ganz klar für Ersteres. Der Klimawandel muss Vorrang haben.

Ich komme zum Schluss meiner Rede und möchte, lieber Timon Gremmels, ein paar Worte zu Ihnen sagen. Ich möchte mich für die Zusammenarbeit bedanken. Wir haben auf vielen Podien gemeinsam gesessen. Wir haben eigentlich relativ wenig miteinander gestritten, weil wir wirklich sehr viel in eine Richtung argumentiert haben.

(Timon Gremmels (SPD): Bei diesem Thema!)

Okay, aber zu anderen Themen waren wir auch nicht auf so vielen Podien. – Erst haben wir gegen das Atomkraftwerk Biblis gestritten. Dann haben wir uns zusammen im Untersuchungsausschuss mit den teuren Folgekosten der Atomkraftnutzung auseinandergesetzt.

Ich finde wirklich, du bist ein glaubwürdiger und engagierter Kämpfer für die Energiewende. Deshalb wünsche ich dir alles Gute für deine Arbeit in Berlin. Ich hoffe, dass du die Ideen von Hermann Scheer im Bundestag stärker machst. Da hoffe ich auf dich. Daher wünsche ich dir von Herzen alles Gute für Berlin. Für dich persönlich wünsche ich das natürlich auch.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Frau Wissler, danke. – Für die Landesregierung spricht nun Staatsminister Al-Wazir.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will meine Rede zu diesen Anträgen zum ErneuerbareEnergien-Gesetz und zur Energiewende im Allgemeinen und in Hessen im Besonderen damit beginnen, dass ich noch einmal betone, dass die Energiewende eine der größten Aufgaben unserer Zeit ist.

Manchmal wird zu Recht kritisiert, dass wir nur über den Strom reden. Ich will an dieser Stelle ausdrücklich sagen: Die Energiewende beinhaltet nicht nur den Strom, sondern sie beinhaltet auch die Wärme und, der schwierigste Teil, die Mobilität. Das heißt nicht, dass wir beim Strom nicht mehr weitermachen müssen. Aber natürlich darf man die anderen Bereiche auch nicht vergessen.

Warum ist die Energiewende eine der größten Aufgaben unserer Zeit? – Vom Erfolg der Energiewende hängt ab, ob wir die Erwärmung der Erdatmosphäre in den Griff bekommen. Da geht es nicht um ein paar Striche auf dem Thermometer. Vielmehr geht es dabei um die Existenz der Küstenländer. Es geht um Fluchtbewegungen, die weit über das hinausgehen würden, was wir heute erleben.

Der Internationale Währungsfonds veröffentlicht seine Expertisen nicht passend zur Tagesordnung des Hessischen Landtags. Der Internationale Währungsfonds ist weder eine Vorfeldorganisation der Hessischen Landesregierung noch etwa der GRÜNEN.