Protokoll der Sitzung vom 28.09.2017

(Holger Bellino (CDU): Soll ich den Ältestenrat einberufen?)

Meine Damen und Herren, Tagesordnungspunkt 18:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zum Staatsvertrag über die gemeinsame Einrichtung für Hochschulzulassung – Drucks. 19/5264 zu Drucks. 19/4815 –

Berichterstatter ist Kollege Grumbach. Bitte sehr, du hast das Wort.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Kunst empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der SPD und der LINKEN bei Stimmenthaltung der FDP, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung unverändert anzunehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Berichterstatter. – Ich eröffne die Aussprache. Frau Kollegin Dr. Sommer hat sich zu Wort gemeldet. Bitte sehr, Daniela.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch hier geht es um die besten Köpfe in Hessen, die es zu halten gilt. Deswegen möchte ich hier aus dem Ausschuss für Wissenschaft und Kunst berichten, der in seiner 34. Sitzung eine Anhörung zur Studienplatzvergabe durchgeführt hat. Das war sehr interessant und auch spannend. Die kritischen Aspekte, die wir schon in der ersten Lesung skizziert haben, haben sich verschärft. Sinnvoll ist das Dialogorientierte Serviceverfahren – ich nenne es jetzt in der Abkürzung nur DoSV – lediglich bei der Anbindung von Einfachstudiengängen. Der Vorteil ist hier ganz klar die Koordinierung und Transparenz.

Dennoch wird das DoSV kritisch bewertet. Neben den vielen technischen Problemen – damit möchte ich mich heute gar nicht beschäftigen, denn das haben wir schon in der ersten Lesung gemacht – haben die Hochschulen Bauchschmerzen bei der Anbindung. Das System ist nämlich nicht sinnvoll bei offenen Studiengängen oder dort, wo kein großer Überhang von Bewerbern ist oder wo es um spezialisierte oder interdisziplinäre Studiengänge geht. Diese sind oft nicht vergleichbar. Das Risiko, das dabei besteht, haben die Hochschulen ausführlich geschildert. Es werden nämlich weniger Bewerber an die hessischen Hochschulen kommen – so die Bewertung unserer hessischen Hochschulen. Die Anhörung hat ganz klar einen Zielkonflikt herauskristallisiert, und zwar dass die HSPZahlen eventuell nicht erfüllt werden können. Meine Damen und Herren, ich finde, das muss uns zu denken geben.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ich möchte bezüglich der Zahlen ein Zitat von Frau Kanzlerin Prof. Dr. Brühl von der Goethe-Universität aufgreifen. Sie sagt nämlich:

Wir fragen uns, ob wir unter den veränderten Rahmenbedingungen diese Zahl erreichen können … Wenn wir Studierwillige haben und uns in Hessen als Bildungsland verstehen, sollten wir versuchen, die Studierinteressierten nach Hessen zu bekommen, statt sie im regionalen Umkreis an andere Bundesländer zu verlieren.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sind uns da einig: Wir wollen die Studierenden aus Hessen nicht verlieren. Die Landesregierung sollte daher Sorge dafür tragen, die nachteiligen Auswirkungen der zentralen Datenbank zu beseitigen, sodass die HSP-Zahlen erreicht werden können; denn Studierende sollen nicht abwandern.

Die hessischen Hochschulen wünschen sich deswegen eine gewisse Garantie dafür, dass Probleme bezüglich der Einhaltung der HSP-Zahlen nicht zulasten der Hochschulen ausgelegt werden. Hier geht es wirklich um große finanzielle Mittel. Herr Minister Rhein, wie stehen Sie dazu? Was ist mit dem Delta, das entstehen könnte? Was ist mit den finanziellen Aspekten, wenn die HSP-Zahlen nicht erreicht werden?

(Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was hat das mit dem Dialogorientierten Serviceverfahren zu tun?)

Na ja, ganz viel.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Wenn die Studierenden durch das Dialogorientierte Serviceverfahren nicht mehr den Weg an die Hochschulen finden und die Hochschulen die Zahlen der Studierenden, die sie mit der Landesregierung vereinbart haben, nicht erfüllen können, gibt es für diese Studierenden, die dann nicht vorhanden sind, auch nicht das nötige Geld.

(Zuruf des Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Wo wir beim Punkt der Finanzierung sind: Es geht nicht nur um die HSP-Zahlen, sondern auch um das System selbst. Die Finanzierung ist bis 2020 zugesagt. Aber was

folgt danach? Mit welchen Mitteln soll die Finanzierung zukünftig hinterlegt werden? – Das sind unsere Fragen.

Außerdem bleiben nach wie vor das streitige Thema der Einschränkung der freien Berufswahl sowie die kritische Limitierung der Ortswünsche und die Frage, ob das nicht als eine Begrenzung der Zulassung, als Zulassungsbeschränkung, verstanden werden könnte. Damit wird sich Karlsruhe beschäftigen. Wir werden sehen, wie Karlsruhe urteilt.

Offen ist auch, wie und mit wem Sie, Herr Minister Rhein, die Rechtsverordnung, die Sie als Möglichkeit dargestellt haben, ausgestalten. Vielleicht können Sie gleich noch einmal etwas dazu sagen. Werden die Hochschulen eingebunden? Wie sieht es mit der Bandbreitenregelung aus, also mit der Bestimmung der Normwerte, die die curriculare Aufnahmekapazität regelt? Bleibt es dabei, dass nicht zulassungsbeschränkte Studiengänge einbezogen werden können? Bleibt es also bei dem Können, oder wird das zum Zwang? Das ist unsere Frage. Das ist die Sorge der Hochschulen, die wir ernst nehmen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Fazit ist auf jeden Fall: Die technischen Probleme überwiegen immer noch, obwohl es schon seit fünf Jahren eingeführt ist. Selbst die Zahlen der vergangenen fünf Jahre des Dialogorientierten Serviceverfahrens zeigen, dass Probleme nicht behoben wurden. Der Anteil der nicht besetzten Studienplätze ist von 4,8 auf 6,3 % in ganz Deutschland gestiegen statt gesunken. Hinzu kommt – wie eben bereits erwähnt –, dass eventuell noch weniger Studierende den Weg an hessische Hochschulen finden, und die damit verbundene finanzielle Problematik nebst der ungewissen Finanzierung durch das Land ab 2020 und den Einschränkungen, die das System, bezogen auf Berufswahl und Ortswünsche, mit sich bringt.

Wir als SPD sehen den Staatsvertrag sehr kritisch. Darin sind viele ungeklärte Aspekte enthalten. Deswegen können wir diesem auch nicht zustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Daniel May, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass wir heute über diesen Punkt eine Debatte im Landtag führen, ist schon ein bisschen seltsam. Vor allen Dingen ist das auch eine Seltenheit. Diesen Staatsvertrag müssen schließlich noch 15 weitere Länder ratifizieren. Wenn man einmal schaut, wo eine Debatte darüber geführt worden ist, dann findet man kein anderes Land, in dem es eine Debatte darüber im Plenum gegeben hat. Meistens wurde das ohne Aussprache beraten. Meistens gab es auch keine Gegenstimmen. Das aber nur so einmal am Rande.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Soll das jetzt beeindrucken?)

Wenn man sich die Beweggründe der anderen Landtage anschauen möchte, dann muss man sich Ausschussprotokolle anschauen. Ich habe Ihnen etwas mitgebracht, um zu verdeutlichen, warum diese Aussprache hier eine Selten

heit ist. Im Protokoll der Sitzung des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Brandenburgischen Landtags am 25. Mai 2016 heißt es:

Ministerin Frau Dr. Münch

von der SPD –

führt aus, dass der Staatsvertrag ausgehandelt sei, und dieser diene der Anpassung der gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung. … Der Stand des Verfahrens sei so, dass am 17. Mai 2016 die Regierungschefs der Länder diesen neuen Staatsvertrag unterzeichnet hätten, und aktuell überführten alle Bundesländer den Staatsvertrag durch Zustimmungsgesetze in jeweiliges Landesrecht. … Es sei tatsächlich so, wie bereits schon hervorgehoben, dass inhaltlich nichts mehr geändert werden könne.

Weiter heißt es:

Die Abgeordnete Vandré (DIE LINKE) stimme vollkommen zu, dass es heute keine Möglichkeit mehr geben würde, grundlegende Änderungen dazu vorzunehmen bzw. überhaupt im Text die kleinste Formulierung abzuändern.

Insofern ist das in anderen Landtagen nicht so debattiert worden. Deshalb wäre es durchaus möglich gewesen, im Hessischen Landtag einfach darüber hinwegzugehen.

Nun haben wir das aber anders entschieden. Außerdem haben wir dem Wunsch der Opposition zugestimmt, eine Anhörung durchzuführen. Was da vorgetragen wurde, ist nicht immer in sich logisch schlüssig gewesen. Es wird auch nicht dadurch logisch schlüssig, Frau Dr. Sommer, dass Sie das hier wiederholen. Ich kann nicht erkennen, weshalb die Möglichkeit der Landesregierung, Hochschulen dazu zu verpflichten, am Dialogorientierten Serviceverfahren teilzunehmen, irgendwann in der Zukunft dafür verantwortlich sein soll, dass bis jetzt irgendwelche Zielzahlen nicht erreicht sein könnten. Das ergibt keinen Sinn. Das macht objektiv keinen Sinn.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Genau das ist das, was wir heute bereden.

Sie haben die Vizepräsidentin der Universität Frankfurt am Main, Frau Prof. Brühl, erwähnt. In der ersten Lesung haben Sie auf eine Kleine Anfrage von Ihnen hingewiesen, in der Sie nach Erfahrungen mit dem Dialogorientierten Serviceverfahren gefragt haben. Dazu hat sich unter anderem die Goethe-Universität gemeldet, die das als sehr positiv bewertet. Auch die Universität Marburg bewertet das positiv. Insofern kann ich nicht erkennen, dass die Möglichkeit, dass man irgendwann dieses Verfahren einsetzt, dazu führen soll, dass irgendwer nicht nach Hessen kommt. Das verstehe ich nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Daher halte ich das für ein ziemlich schwaches Argument, dem Gesetzentwurf heute nicht zuzustimmen. Beim Dialogorientierten Serviceverfahren hat es am Anfang gerumpelt. Das ist so. Deswegen haben wir auch nicht in das Gesetz hineingeschrieben, dass wir das für alle verpflichtend und sofort machen. Vielmehr wird sorgfältig abgewogen. Vom Ziel her muss das aber doch etwas sein, was auch Ihnen sympathisch ist.

Wir machen die Studienplatzvergabe für die Studierwilligen einfacher, schneller und komfortabler. Es sollte uns doch alle einen, dass wir die Verfahren schneller machen wollen, dass wir knappe Studienplätze nur einmal vergeben und dass keine Studienplätze frei bleiben. Das muss uns doch einen. Das ist doch eine gute Sache. Daher verstehe ich nicht, dass Sie das nicht wollen. Wenn das funktioniert, dann sollten wir das doch auch in Hessen tun.

Das ist der einzige Punkt, den wir landesgesetzlich auszugestalten haben. Frau Wissler wird sich gleich wieder in Grundsätzlichkeiten flüchten, nämlich dass im Prinzip jeder Medizin studieren können sollte.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wir haben einen Ärztemangel!)

Das ist im Prinzip auch kein schlechter Ansatz.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Finde ich auch!)

Wir haben in der Tat zu wenige Medizinstudienplätze. Das liegt aber nicht an diesem Land; denn das Land Hessen bildet mit drei Medizinfakultäten weit überdurchschnittlich aus.