Die mangelhafte Arbeit von Schwarz-Grün gegenüber den Kommunen in Hessen soll verklärt werden. Die wirkliche Lage sieht doch ganz anders aus. Diese Verklärung der Landesregierung hat mit der tatsächlichen Lage gar nichts zu tun. Nicht, dass Sie wieder dazwischenrufen, das sehe nur die SPD so: Ernst & Young haben in ihrer Kommunalstudie Ende 2015 die Situation der hessischen Kommunen wie folgt zusammengefasst: „Finanzlage desolat, keine Verbesserung in Sicht, massives Drehen an der Gebührenschraube“. Das ist der objektive Befund.
Die Bertelsmann Stiftung hat vor wenigen Wochen in ihrem „Kommunalen Finanzreport 2017“ festgestellt, dass Hessen zu den bundesdeutschen Krisenregionen der Kommunalfinanzen gehört. Das ist nicht die Auffassung der SPD, sondern das sind zwei Träger, die sich in den letzten Jahren sehr intensiv mit den Kommunalfinanzen auseinandergesetzt haben und vor allem den Bundesvergleich vorgenommen haben.
Meine Damen und Herren, Tatsache ist und bleibt – und da hilft Verklärung nicht –: Seit der Regierungsübernahme der CDU im Jahr 2000 hat sich die finanzielle Situation der hessischen Kommunen massiv verschlechtert. Vor 2000 gehörten die hessischen Kommunen zu denjenigen in Deutschland, die die drittgeringsten Defizite pro Kopf hatten. Mit der Regierungsübernahme durch die CDU verschlechterte sich die Situation faktisch von Jahr zu Jahr. Mittlerweile haben die hessischen Kommunen die dritthöchsten Defizite in Deutschland.
Die hessischen Kommunen wurden unter diesem Trainer oder Manager – das können Sie sich aussuchen – von Spitzenreitern zu Absteigern gemacht. In der Bundesliga wären Sie für diese Leistung schon längst entlassen worden.
Durch die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland hat sich auch in anderen Bundesländern nach 2009 die finanzielle Lage verschlechtert – völlig klar. Aber in Hessen hat sie viel früher eingesetzt, etwa mit dem Jahr 2000/2001, und vor allem ist sie viel stärker nach unten gegangen. Die Ausschläge und die Auswirkungen waren viel größer als in anderen Bundesländern.
Der Städtetag spricht vom Hochschuldenland Hessen bei den Kommunen. Das sind die objektiven Befunde. Der Städtetag hat vorgerechnet, dass Hessens Kommunen in den letzten sechs Jahren einen deutlich stärkeren Schuldenzuwachs hatten als die Kommunen anderer Flächenländer.
Dagegen hat der sogenannte Schutzschirm nichts bewirkt. In vier Ländern haben die Kommunen gegenüber 2011 Schulden abgebaut, nämlich in Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Niedersachsen und Bayern. Mit die schlechteste Entwicklung war in Hessen. Die hessische Fehlentwicklung ist in der Tat bundesweit beispiellos.
Herr Minister, Sie schildern immer, wie toll alles sei. Aber: „HNA“ vom 11.11., Überschrift: „Haushalte wurden nicht genehmigt – Morschen kann nur Pflichtaufgaben finanzieren“.
Ein düsteres Bild zeichnete Bürgermeister Ingo Böhm von der finanziellen Situation der Gemeinde Morschen. Er wolle Parlament und Zuhörern reinen Wein einschenken.
„Wir können nichts investieren“, sagt Böhm. Lediglich kommunale Pflichtaufgaben wie etwa Abwasserbeseitigung und die Feuerwehr könnten erledigt werden.
Um die Forderungen des Landes für 2018 zu erfüllen, müsste z. B. die Grundsteuer um 630 Prozentpunkte auf 1.210 Prozentpunkte erhöht werden.
Herr Minister, ich muss wirklich sagen: Hören Sie auf, die Situation der hessischen Kommunen gutzureden. Die Situation wie in Morschen gibt es auch an anderer Stelle. Das ist die wahre Situation. Gehen Sie einmal wirklich ins Land und reden mit den Bürgermeistern.
Der Minister hat für seine Regierungserklärung die Überschrift gewählt: „Vier gewinnt“. „Vier gewinnt“ ist ein Strategiespiel für Kinder ab sechs Jahren. Ich gehe davon aus, deswegen liegt keine Überforderung der Landesregierung vor, wenn sie sich dieses Spiel ausgesucht hat. Aber wollen wir uns doch einmal die vier Punkte anschauen, ob Sie wirklich vier Steine über- bzw. nebeneinander bekommen.
Das erste Problem fängt doch schon bei dem ersten Stein an, nämlich Ihrem Kommunalen Schutzschirm. Mit dem Kommunalen Schutzschirm fangen Sie nicht einmal die Defizite auf, die zwischen 2010 und 2015 entstanden sind, nämlich 7 Milliarden €. In dieser Zeit, also Ihrer Regierungszeit, wurden 7 Milliarden € an Defiziten bei den Kommunen aufgebaut, und 2,8 Milliarden € werden mit dem Schutzschirm abgebaut. Wissen Sie, wie das auch noch finanziert wird? – Das wissen wir alle. Kollege War
necke hat eine Anfrage gestellt: Entzug von 344 Millionen € pro Jahr. In den Jahren 2011 bis 2015 wurden allein schon 2 Milliarden € dieses 2,8 Milliarden € teuren Schutzschirms von den Kommunen selbst finanziert.
Er ist ein Stein, den Sie den Kommunen vollständig geklaut und entrissen haben, den Sie jetzt in ihre Reihe stecken wollen. Dies ging einher, das wissen Sie alle, mit erheblichen Leistungseinschränkungen für die Bürger, und es ging einher mit erheblichen Gebührensteigerungen. Auch da können Sie wieder vergleichen: Allein von 2010 bis 2016 wurden die Grundsteuern um 350 Millionen € und die Gebühreneinnahmen um 280 Millionen € erhöht. Am Ende muss der hessische Bürger 630 Millionen € pro Jahr mehr zahlen als noch 2011. Das hat etwas mit dem Schutzschirm und den kommunalen Auflagen zu tun. Das ist in der Tat bundesweit beispiellos.
Meine Damen und Herren, ich komme zu dem zweiten Stein. Da spricht der Minister von einem Steinchen. Ich weiß auch, warum er diese Verniedlichung wählt. Da geht es nämlich um die Investitionen und um die Investitionshilfen des Landes. Seit 2010 wurden die Investitionen der Kommunen in Hessen radikal gekürzt – aber nicht, weil die Kommunen daran Spaß hatten, sondern weil sie kein Geld hatten. Sie fielen von 2,23 Milliarden € 2010 um rund ein Drittel auf 1,47 Milliarden €, also um 760 Millionen €, zurück. 760 Millionen € weniger Investitionen in einem Vergleich von sechs Jahren.
Meine Damen und Herren, Sie können KIP I machen – Kommunalinvestitionsprogramm –, Sie können KIP II machen, Sie können KIP III machen, Sie können sogar ein KIP IV machen. Das ändert nichts daran, dass die Kommunen dauerhaft in die Lage versetzt werden müssen, ihre Investitionen zu finanzieren. Das ist der entscheidende Punkt.
Die Kommunen haben Personal abgebaut. Denn was sollten sie Personal für Planung und Baukontrolle vorhalten, wenn sie gar nicht mehr investieren konnten? Das ist eine ähnliche Situation wie auf Landesebene bei Hessen Mobil. Die haben Leute abgebaut. Deswegen geht es mit den Investitionen überhaupt nicht voran, selbst wenn Geld da ist, und mittlerweile geht es auch in die Preise. Deswegen brauchen wir eine Verstetigung der kommunalen Investitionen. Das ist die entscheidende Frage.
Zudem stecken auch ungeheuer viele Bundesmittel – die übrigens sinnvoller angelegt sind, weil es Direktzuschüsse sind und nicht nur Zinshilfen – in diesen Programmen. Auch damit können Sie sich nicht rühmen, da nehmen Sie viel Geld von der Bundesebene mit. Da schmücken Sie sich einmal mehr mit fremden Federn.
Ich komme zu Ihrem dritten Stein, dem neuen Kommunalen Finanzausgleich. Nüchterne Feststellung: Dieser neue Kommunale Finanzausgleich hat die Situation der hessischen Kommunen nicht verschlechtern – nicht verbessert.
Das war auch nicht schlecht, das war der Versprecher. – Mittelfristig wird der Kommunale Finanzausgleich die Situation der hessischen Kommunen verschlechtern im Vergleich zu dem, was sie zuvor gehabt haben. Sie kaschieren das mit Rechenmodellen; das ist klar. Aber entscheidend ist doch, dass Sie mit Ihren Rechenmodellen die Pflichtaufgaben der hessischen Kommunen um 1 Milliarde € reduzieren. 1 Milliarde € werden gestrichen. Es wird gesagt: Die erkennen wir nicht an. – Das führt dazu, dass die hessischen Kommunen nur 91 % ihrer Pflichtaufgaben ersetzt bekommen. Weil man gemerkt hat, die Kommunen kommen so in arge Nöte, hat man bei den freiwilligen Leistungen gesagt: Wir erkennen 88 % an. – Damit wird klar: Es ist eine Unwucht, das kann nicht stimmen.
Meine Damen und Herren, das werden wir korrigieren, wenn wir regieren. Wir werden dafür sorgen, dass die Pflichtaufgaben in vollem Umfang finanziert werden.
Das ist wichtig. Wir müssen die Unwucht, die zwischen den Pflichtaufgaben und den freiwilligen Leistungen besteht, korrigieren.
Meine Damen und Herren, es ist fast nicht überraschend: Ich komme zu dem vierten Stein, der Hessenkasse. Haben Sie festgestellt, dass der Minister auch nur ein Wort gesagt hat, wie er diese Hessenkasse finanzieren will?
In einer Regierungserklärung zu den Kommunalfinanzen, in der die Hessenkasse als der entscheidende Punkt dargestellt wird, gibt es nicht einen Satz zur Finanzierung dieses Modells. Herr Minister, das ist wirklich skandalös. Dafür sollten Sie sich als Finanzminister schämen. Das ist wirklich ein Hammer.
(Lebhafter Beifall bei der SPD – Manfred Pentz (CDU): Sie sollten sich schämen für eine so armselige Rede! Herr Schmitt, das ist etwas peinlich!)