Protokoll der Sitzung vom 21.11.2017

(Beifall bei der SPD)

Wichtig ist, dass alles, was wir jetzt neu regeln, nicht zu weiteren Kostensteigerungen beim Bau führen wird. Jede Änderung der technischen Baubestimmungen – aktuell gibt es allein 120 DIN-Normen und Europäische Normen für das Bauen – und auch die Regelungen zur Nutzfläche machen das Bauen immer teurer. Unabhängig von den Grundstückskosten halten Fachleute eine Senkung der Erstellungskosten um bis zu 15 % für möglich.

Positiv bewerten wir schon jetzt, dass Sie sich in vielen Teilen mehr an die Musterbauordnung anlehnen werden. Es ist wichtig, dass Bauvorhaben nicht in jedem Bundesland anders geregelt werden. Da muss mehr harmonisiert werden, um z. B. serielles Bauen zu erleichtern.

Auch die Möglichkeit, Büros in Wohnraum umzuwandeln und wieder zurück, wenn es benötigt wird, ist positiv zu bewerten, auch wenn viele Bürogebäude vermutlich eher

aus Gründen der Immobilienspekulation in Frankfurt leer stehen. Aber einen Versuch ist es immerhin wert.

Auch die Errichtung der Gebäude in Holzbauweise begrüßen wir. Das wird aber sicherlich nicht der landesweite Renner werden. Es wird den Wohnungsnotstand nur punktuell abmildern.

Wenn man mit den Vertreterinnen und Vertretern der Fachverbände spricht, sind es immer dieselben Themen, die sie bewegen. Es gibt zu starre Auflagen, die die Nachverdichtung im Bestand erschweren. Man kann geringere Grenzabstände mit Gestaltungssatzungen und Abstandsflächensatzungen auf kommunaler Ebene regeln. Das wird aber sehr selten gemacht. Da sollte man mit der Bauordnung schon entsprechende Lockerungen ermöglichen und damit auch die historischen Strukturen in den Ortskernen stärken.

Ein zweites heißes Thema sind die Stellplatzsatzungen. Sie sind ein enormer Kostentreiber beim Bauen. Ob und wie die Kommunen Stellplatzsatzungen erlassen, ist unterschiedlich und hängt davon ab, wie gut eine Kommune mit dem ÖPNV erschlossen und wie urban sie ist. Das hängt auch von der Bevölkerungsstruktur und dem Mobilitätsverhalten der Bürger ab.

Brauchen wir daher eigentlich in der Hessischen Bauordnung so ausführliche Vorgaben? Selbst Großstädte wie Hamburg verzichten schon ganz auf Stellplatzsatzungen. Wir meinen, das muss nicht sein.

(Beifall bei der SPD)

Wir begrüßen, dass Sie für Dachaufstockungen explizit auf neue Stellplätze verzichten wollen. Das wird natürlich die Nachverdichtung erleichtern. Kfz-Stellplätze sollen durch Fahrradabstellplätze ersetzt werden können. Für die GRÜNEN ist das wohl ein Quantensprung für den Radverkehr. Das kann man dem von Ihnen vorgeschalteten Werbeblock für die Novelle der Hessischen Bauordnung entnehmen.

Leider wiehert hier der Amtsschimmel wieder besonders laut. Für einen Autostellplatz sollen vier Fahrradstellplätze geschaffen werden. Ich frage jetzt: Hat derjenige, der kein eigenes Auto hat, wirklich vier Fahrräder? – Solche Regelungen sind zum Glück nur Kannbestimmungen. Das kennen wir auch aus anderen Gesetzen. Sie gehören doch eher nach Absurdistan. Da wäre weniger wirklich besser gewesen.

Vor allem treibt die Dauer der Baugenehmigungsverfahren viele Bauherren um. Da Zeit Geld ist, macht das das Bauen teurer. Als man seinerzeit die Dreimonatsfrist für die Genehmigungsverfahren mit § 57 Hessische Bauordnung, also das Vereinfachte Baugenehmigungsverfahren, eingeführt hat, hat das wirklich erstmals zu einer schnelleren Bearbeitung geführt.

Für Sonderbauten soll es aber nach wie vor keine Fristen geben. Das soll auch für die neue Hessische Bauordnung gelten. Das ist verständlich, wenn es um große Bauvorhaben, wie z. B. Krankenhäuser oder Flughäfen, geht. Allerdings werden Sie nicht die Gunst der Stunde nutzen, um die überlange Liste der sogenannten Sonderbauten zu entrümpeln und auf einige wenige wirklich außergewöhnliche Gebäude zu beschränken. Die meisten sind eigentlich nur normale Funktionsgebäude.

Abgesehen von den echten Sonderbauten sollten Sie die dreimonatige Bearbeitungsfrist oder wenigstens überhaupt

eine Bearbeitungsfrist einführen. Das würde das Bauen wirklich beschleunigen.

(Beifall bei der SPD)

So banal es klingt – das gilt im Übrigen auch und vor allem für die Vollständigkeitsprüfung der Antragsunterlagen. Unterhalten Sie sich einmal mit Architekten: Überraschend häufig werden erst spät oder gar kurz vor Ende der Dreimonatsfrist Unterlagen nachgefordert, was automatisch zu einer Fristverlängerung führt. Auch hier fehlt ganz dringend eine Regelung.

(Beifall bei der SPD)

Sonst führt auch die durchaus sinnvolle Einführung des elektronischen Bauverfahrens, das Sie eben als Meilenstein bezeichnet haben, zu keiner weiteren Beschleunigung.

Barrierefreiheit ist ein wirklich schwieriges Thema, da hier verschiedene Interessen aufeinanderprallen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat hierzu z. B. ganz andere Vorstellungen als Architektenverbände. Was dem einen zu wenig ist, ist dem anderen zu viel. Grundsätzlich müssen wir in jedem Fall mehr barrierefreien Wohnraum schaffen. Das gibt im Übrigen auch schon die UN-Behindertenrechtskonvention vor. Auf der anderen Seite dürfen Regelungen auch nicht unlogisch und starr sein.

Wir sind gespannt auf die weiteren Beratungen zu der Novelle und hoffen, dass es uns gelingt, einen echten Fortschritt und nicht nur Fortschrittchen zu erzielen. Das können wir uns bei dem derzeitigen Mangel an bezahlbarem Wohnraum nicht leisten. In Ihrem Entwurf haben Sie zwar einige, aber leider bei weitem nicht alle Chancen, die die Novelle der HBO geboten hätte, genutzt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Danke, Frau Barth. – Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Lenders gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Frau Barth, wollen wir doch einfach fair bleiben, was die Bauordnung in Hessen anbelangt. Daran haben mittlerweile sehr viele ihren Anteil – sagen wir es jetzt einmal so –: Das sind sozialdemokratische Minister, Minister der FDP, Minister der CDU, jetzt auch ein Minister der GRÜNEN. Nur weil jetzt mehr Paragrafen hineinkommen, heißt das noch lange nicht, dass es nicht auch irgendwo eine Entrümpelung gäbe. Man sollte es also nicht rein quantitativ betrachten – so fair sollte man schon miteinander umgehen.

Die Hessische Bauordnung ist sehr komplex gemacht worden. Ich glaube, wenn wir sie als Freie Demokraten noch einmal neu machen dürften, dann gäbe es bei uns eine Bauordnung, die bundesweit einheitlich gilt. Wir haben einen Anhaltspunkt: Das ist die Musterbauordnung des Bundes. Es gibt hier zumindest ein paar Punkte, von denen man sagen kann, dass sich die Landesregierung an dieser Musterbauordnung orientiert hat.

Das ist der Brandschutz bei Holzbauten. Meine Damen und Herren, das ist nicht schlecht, aber aus unserer Sicht noch ein Stück zu wenig. – Jetzt hätten Sie klatschen dürfen.

(Heiterkeit – Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, das elektronische Bauverfahren freizugeben, ist eine Grundvoraussetzung, um die Chancen der Digitalisierung im Bausektor wirklich nutzen zu können. Nur wenn die Bauaufsicht auch die digitalen Planungen akzeptiert und bearbeiten kann, kann die Digitalisierung auch im Bausektor greifen. Es geht also nicht darum, Papier überflüssig zu machen, um es bequemer zu haben. Das ist nur ein Nebeneffekt. Meine Damen und Herren, wenn die gesamte Prozesskette – angefangen von der Grundlagenermittlung und Vorplanung bis hin zur Vergabe der Bauausführung und der Baustellenorganisation – mit digitalen Instrumenten erfolgen soll, dann ist es zwingend notwendig, dass auch die Genehmigungsplanung als Teil der Kette digital erfolgen kann.

Die Digitalisierung beim Bauen hat großes Potenzial, das Bauen effektiver, schneller und günstiger zu machen. Meine Damen und Herren, mit 3-D als Planungsinstrument lassen sich architektonische Aspekte und realistische Raumgestaltungen viel besser darstellen und umsetzen. Digitale Planungstools führen zu einer besseren Kostenübersicht, auch im Hinblick auf Betriebskosten und Unterhalt. So können Daten zu Lebenszyklen und dergleichen mit einberechnet werden. Digitale Bauplanung macht individuelle Lösungen leichter. Ich glaube, das ist ein gutes Beispiel dafür, dass man uns dann die digitale Welt ein Stückchen näherbringt. Daher ist das durchaus etwas, was wir zur Kenntnis genommen haben und was wir auch richtig finden.

Wenn man sich allein einmal den Flughafen BER in Berlin anschaut: Hier wurden für Millionenbeträge Rolltreppen geliefert, die am Ende 20 cm zu kurz waren. Meine Damen und Herren, so etwas hätte es mit einem digitalen Planungsinstrument wahrscheinlich nicht gegeben. Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie man weiterkommen kann.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich habe es eben gesagt: Gerade was den Holzbau anbelangt, haben wir andere Ansätze. Herr Staatsminister, ich glaube, dass man auch einmal darüber nachdenken kann, ob das Bauen mit Holz nicht auch in anderen Geschosshöhen möglich ist. Berlin macht das jetzt an anderer Stelle einmal vorbildlich vor. Wir könnten über fünf oder sechs Etagen nachdenken. Holzbauten sind keine Blockhäuser. Moderner Holzbau sieht ganz anders aus. Das hat auch den Charme, dass Holz ein heimisches Produkt ist und dass wir sozusagen den Baustoff direkt vor der Haustür haben. Ich glaube auch, dass wir, gerade was die Innenstadtverdichtung anbelangt, viel mehr über Holz nachdenken sollten. Es wundert mich ein bisschen, dass hier ausgerechnet ein grüner Minister nicht stärker und mutiger vorangegangen ist; denn wenn wir CO2 binden wollen, geht das vor allem mit Holz – dann aber auch nur, wenn man es beim Bauen nachhaltig einsetzt.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat allerdings aus unserer Sicht auch versäumt, die drängenden Probleme, was den Wohnungsmarkt anbelangt, mit der Hessischen Bauordnung ein Stück weit anzugehen. Über 500.000 Wohnungen fehlen. In jedem Jahr brauchen wir 37.000 neue Wohnungen. Trotzdem geht die Zahl der Baugenehmigungen für neue Wohnungen in diesem Jahr zurück. Jetzt könnte man sagen: Herr Al-Wazir, die Scheune

brennt lichterloh, und Sie verwenden einen Gartenschlauch und versuchen, hier den Brand zu löschen. Es wird nicht reichen, das mit dem umzusetzen, was Sie hier in der Bauordnung an Bürokratieabbau versucht haben.

Wenn wir schon beim Brennen sind, dann frage ich Sie einmal: Was ist denn mit den Sachverständigen? Wäre es nicht klug gewesen, auch den Brandschutzsachverständigen mehr Spielräume zu geben? Die Lösung, die wir hier in Hessen fahren, reicht wohl allein nicht aus. Wir werden hier von unserer Seite aus Alternativen in die Beratungen mit einbringen.

(Beifall bei der FDP)

Dass Sie die Ladesäulen für Elektroautos jetzt baugenehmigungsfrei machen – ja, das kann man machen. Ich glaube, dass Sie vor allem in den Bereichen, die grünen Vorstellungen entsprechen, Bürokratie abgebaut haben. Aber in vielen anderen Bereichen, was Abstandsregelungen und dergleichen anbelangt, sind Sie zu kurz gesprungen. Ich glaube, dass Sie hier deutlich mutiger hätten voranschreiten können.

Meine Damen und Herren, nicht zuletzt ist auch das genehmigungsfreie Bauen, z. B. beim seriellen Bauen, etwas gewesen, wo wir schneller hätten vorankommen können, was Neubauten anbelangt. Wir wissen, dass das ein sehr komplexes Thema ist. Wir würden es nicht in Bausch und Bogen ablehnen. Aber wir freuen uns auf die Beratungen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Danke, Herr Lenders. – Für die Fraktion DIE LINKE hat sich ihre Vorsitzende, Frau Wissler, zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In Frankfurt, aber auch in anderen Städten haben wir einen eklatanten Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Das ist ein Problem, das sich äußert durch steigende Mieten und durch eine Verdrängung aus den Innenstädten. Dem muss dringend Abhilfe geschaffen werden. Deswegen brauchen wir dringend Bauprogramme und vor allem mehr bezahlbaren Wohnraum.

(Beifall bei der LINKEN)

Dabei kann die Bauordnung natürlich nur in einem sehr begrenzten Rahmen Abhilfe schaffen. Wichtiger ist, dass frei werdende und frei stehende Flächen endlich sinnvoll genutzt werden, dass nicht das nächste Bürohochhaus in Frankfurt gebaut wird, sondern dass endlich diese Flächen dafür genutzt werden, um beispielsweise für den sozialen Wohnungsbau Flächen zu schaffen.

Das vorneweg. Das sind alles Fragen, die mithilfe der Bauordnung nur sehr begrenzt geregelt werden können, die gleichwohl in diesem Kontext stehen.

Nun speziell zur HBO. Es ist zu begrüßen, dass die Definition von Barrierefreiheit angeglichen werden soll. Damit wird hoffentlich klar, dass einheitliche Standards gelten und dass Barrierefreiheit nicht nur bedeutet, dass es irgendwo eine Rampe gibt. Vielmehr bedeutet das auch, dass man in seiner Wohnung selbstbestimmt leben kann. Dazu

gehört nicht nur die barrierefreie Erreichbarkeit der Wohnung, sondern beispielsweise auch eine ebenerdige Dusche. All das gehört zu einer echten Barrierefreiheit.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir halten es für richtig und gut, dass die Umwidmung von Büroraum zu Wohnraum entkompliziert wird. Bei dem einen haben wir z. B. in Frankfurt einen großen Leerstand, beim anderen einen großen Mangel. Die Herausforderung bleibt natürlich, dass das Leben in Gewerbegebieten lebenswert ist und die Gegend gut angebunden ist. Auch dieser Herausforderung müssen wir uns stellen. Das machen wir nicht über das Baurecht. Das ist aber schon anzumerken, wenn man über den sehr sinnvollen Vorschlag redet, dass man endlich auch Gewerbeimmobilien und Büroräume nutzt, um Wohnraum zu schaffen. Das Wichtigste aber ist, dass wir aufhören, weiter Bürotürme zu bauen. Da viele Büroräume leer stehen, ist es sinnvoll, die Flächen anders zu nutzen.

(Beifall bei der LINKEN – Präsident Norbert Kart- mann übernimmt den Vorsitz.)