Protokoll der Sitzung vom 22.11.2017

Mit „wir“ meine ich uns alle, weil sowohl die Kommune als auch das Land Hessen und der Bund mit im Boot sind. Das müssen wir einfach einmal feststellen. Dann ist da noch die Entscheidung: Was mache ich damit? Gehe ich jetzt in einen bestimmten Bereich des Opferschutzes hinein und sage: „Da muss ich mehr nacharbeiten“, oder schaue ich mir die gesamte Fläche an, und schaue ich, wie diese Teile eigentlich aufgestellt sind und wie viel Eigenverantwortung in diesen Bereichen vorhanden sein muss? – Ich gehöre zu den Leuten, die sagen: Wir müssen uns das insgesamt anschauen. Ich gehöre nicht zu denen, die sagen: Es muss dort aber punktuell nachgearbeitet werden. – Das kann eigentlich nicht unsere Aufgabe sein, sondern das muss die Aufgabe der Träger sein, die vor Ort arbeiten. Wir stellen bereits jetzt eine ganze Menge Mittel zur Verfügung, mehr als jemals zuvor, um genau diese Aufgabe zu bewältigen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Insofern muss ich hierzu nicht mehr sehr viel sagen. Nach dem heutigen Tag muss ich aber noch eines feststellen, weil heute Morgen mehrmals – ich weiß nicht, wie häufig dies der Fall war – die kommunale Familie genannt wurde: Die kommunale Familie im Verbund mit dem Land Hessen funktioniert in diesem Bereich besonders gut. – Auch das muss man einmal feststellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Förster-Heldmann. – Die nächste Wortmeldung kommt vom Kollegen Dr. Wilken. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gehöre nun auch zu einer Generation, die sich daran erinnern kann, wie die Welt in den Siebzigerjahren ausgesehen hat. Wenn ich mich erinnere, in welcher Situation wir damals waren, was den Opferschutz und die Begleitung vor Gericht anbelangt, dann kann ich nur feststellen – ich glaube, das tun wir einhellig –: Da sind wir ein ganz schönes Stück vorangekommen.

Das ist dank vieler geschehen, vor allem dank der ehrenamtlich Tätigen. Mein erster Dank gilt all diesen Menschen – zumeist sind es Frauen –, die dafür gesorgt haben, dass unsere Gesellschaft auf diesem Feld eine sehr viel sozialere und gerechtere geworden ist.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Auch wir schätzen das so ein, dass in der akribischen Beantwortung dieser Großen Anfrage eindrucksvoll deutlich wird, dass Hessen gut aufgestellt ist. Das will ich in aller

Deutlichkeit sagen, vielleicht zum Erstaunen des einen oder anderen hier im Hause.

(Hartmut Honka (CDU): Stimmt! – Heiterkeit)

Auch das ist zum geringsten Teil in der Verantwortung dieses Hauses oder in der Verantwortung dieser Landesregierungen geschehen. Es ist vor allen Dingen den Opferschutzinitiativen zu verdanken und – die Vorrednerinnen haben hierauf hingewiesen – der Frauenbewegung, den Frauenhäusern usw. usf.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Damit komme ich zu dem einzigen Wermutstropfen – auch von anderen wurde es schon angesprochenen –, den leider auch die Beantwortung dieser Großen Anfrage deutlich macht: Der beste Opferschutz – Herr Heinz, da sind wir einer Meinung – ist eben, keine Opfer zu haben. Damit sind wir im Bereich der Prävention, und ich sage hierzu einmal ganz vorsichtig: Da ist in Hessen noch Luft nach oben,

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

nicht nur in der Primärprävention, sondern vor allen Dingen in der Sekundärprävention, d. h., wenn wir also schon einen Straftäter und ein Opfer haben. Wir haben dann leider immer noch viel zu häufig das Problem, dass Opfer – ich beziehe das noch einmal auf Frauen als Opfer ihres häuslichen Umfeldes – nach wie vor ein viel zu geringes Angebot finden in Bezug darauf, an wen sie sich wenden können und wo sie Zuflucht finden. Darin muss ich meiner Vorrednerin nun leider widersprechen: Das, was an Kahlschlag im Bereich der Frauenhäuser und der Frauenberatung usw. passiert ist, ist noch lange nicht wiedergutgemacht; da müssen wir noch nacharbeiten. – Danke sehr.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Wilken. – Als Nächste spricht nun Frau Staatsministerin Kühne-Hörmann. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, alle Vorredner haben es gesagt: Der Opferschutz ist in unserem demokratischen Rechtsstaat eine der wichtigsten Aufgaben, um die wir uns kümmern. Es ist auch darauf hingewiesen worden, dass jeder, der Opfer wird, erhebliche Auswirkungen zu ertragen hat und dass sich die meisten wenig damit beschäftigen, wie groß die Auswirkungen sind und vor allen Dingen wie langfristig diese Auswirkungen am Ende empfunden werden und wirken.

Herr Kollege Dr. Wilken, deshalb ist es richtig: Der Opferschutz hat heute zum Glück eine ganz andere Bedeutung als vor etlichen Jahrzehnten. Deshalb will ich darauf hinweisen, dass Opferschutz und Opferhilfe so wichtig sind und dass wir als Hessische Landesregierung ein breites Spektrum an Maßnahmen zum Opferschutz haben, das ständig erweitert und ausgebaut wird. Die Maßnahmen reichen von der konkreten Hilfestellung im Einzelfall bis hin zu Projekten mit langfristig ausgelegtem präventivem Charakter. Das ergibt sich – alle Vorredner haben es gesagt – auch aus dieser Anfrage, die umfangreich beantwortet wor

den ist. Der Opferschutz ist in Hessen gut aufgestellt. Trotzdem sollte man darin nicht nachlassen.

Es gibt immer wieder neue Phänomene – Herr Kollege Blechschmidt, auch Sie haben es gesagt –, auf die wir treffen. Ich will einen Bereich nennen, der heute noch nicht zur Sprache gekommen ist: die Straftaten im Internet. Wenn wir darüber reden, dass es in den sozialen Medien auch Straftaten gibt, die erhebliche Auswirkungen haben, beispielsweise das Verspotten von Personen im Internet, das zum Teil so „scharf“ war, dass sich Leute das Leben genommen haben, dann stellen wir fest, dass das im sozialen Netz eine neue Dimension ist. Darauf müssen wir neue Antworten finden. Dass heißt, auch in diesen Bereichen gibt es Handlungsbedarf.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich will darauf hinweisen, dass wir Prävention und Opferschutz haben und dass dies organisatorisch miteinander verbunden ist, etwa in den Häusern des Jugendrechts oder bei der Arbeit des Landespräventionsrats. Nebenbei will ich darauf hinweisen, dass wir das Land sind, das am längsten einen Präventionsrat hat. Dieser ist im Justizministerium angesiedelt. Einige Kollegen waren mit dabei, als wir das 25-jährige Jubiläum feiern konnten. Auch im Präventionsrat sind in den vielen Arbeitsgruppen hauptsächlich Ehrenamtliche engagiert; und jedes Mal kommt eine Arbeitsgruppe hinzu, die im Bereich der häuslichen Gewalt nach wie vor einen Schwerpunkt hat.

Die Opfer müssen im Vordergrund stehen, deswegen noch einmal die klare Betonung: Opferschutz geht vor Täterschutz. Darauf müssen wir besonders achten. Wir gewährleisten den Schutz, indem wir die Opferschutzrechte im Rechtsstaat gestärkt haben. Deswegen will ich darauf hinweisen, dass die Stellung der Opfer im Strafprozess gestärkt worden ist und dass es natürlich auch wichtig ist, die Betreuung von Opfern außerhalb des Strafprozesses, also während des gesamten Verfahrens, sicherzustellen.

Es ist schon darauf hingewiesen worden, deswegen will ich das nicht wiederholen, dass die Opferrechtsreformgesetze von Hessen immer begleitet worden sind, so auch das letzte Gesetz. Neu ist jetzt, dass wir in dem dritten Opferrechtsreformgesetz den Schutzstandard für Opfer von Straftaten noch einmal erhöht haben, indem in den Strafprozess die psychosoziale Prozessbegleitung eingeführt worden ist. Besonders schutzbedürftige Opfer können nun beantragen, vor, während und nach der Hauptverhandlung professionell begleitet zu werden.

Das halte ich für einen besonders wichtigen Schritt, deswegen haben wir im laufenden Haushaltsjahr 250.000 € für die psychosoziale Prozessbegleitung zur Verfügung gestellt. Allerdings waren wir in Hessen – das ist auch schon gesagt worden – immer schon dabei, die Zeugenbetreuung zu unterstützen.

Die Zeugenzimmer sind eben genannt worden. Die Zeugenzimmer an den Landgerichten werden alle von Vereinen oder ehrenamtlichen Initiativen betreut. Sie erklären, was in einem solchen Prozess passiert, wie man sich verhalten muss, und wissen, welche Ängste es gibt. Im Nachhinein wollen auch viele Opfer wissen, was aus dem Prozess herausgekommen ist. Auch das wird von den Zeugenberatungen und Initiativen übernommen. Sie erklären den Opfern das Ergebnis, und was mit dem Täter geschehen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht nur im Prozessrecht, auch auf der Ebene des materiellen Strafrechts konnte die Landesregierung entscheidende Impulse setzen, um den Opferschutz zu verbessern. Frau Kollegin Hofmann, Sie haben vorhin das Stalking angesprochen. Im März 2017 ist eine Verschärfung in Kraft getreten, die auf einer Initiative aus Hessen beruht, die 1 : 1 übernommen worden ist.

Die neue Fassung der Strafvorschrift wird noch mehr zum Schutz von Nachstellungen beitragen und verhindern, dass vor allem Frauen zum Opfer werden. Es reicht für die Strafbarkeit jetzt endlich aus, dass die Nachstellung dazu geeignet ist, die Lebensgestaltung des Opfers schwerwiegend zu beeinträchtigen. Es ist nicht mehr erforderlich, dass die Lebensgestaltung des Opfers auch tatsächlich beeinträchtigt wird. Insofern haben wir gerade im Bereich des Stalking mit den Initiativen, die wir aus Hessen gestartet haben, eine Verbesserung erreicht.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will noch darauf hinweisen – darüber freue ich mich sehr –, dass wir schon immer ein bundesweit vorbildliches Netz von professionellen Opferberatungsstellen haben und vor knapp zwei Wochen ein neuer Opferhilfeverein in Fulda gegründet worden ist, der die professionelle Betreuung von Opfern in Zusammenarbeit mit vielen lokalen Partnern weiter voranbringen wird.

Alle Opferhilfevereine erhalten aus dem Haushalt der Justiz jährliche Zuwendungen. Im Jahr 2016 waren das über 700.000 €. Darüber hinaus werben die Vereine Spenden ein und erhalten weitere Zuwendungen aus von den Staatsanwaltschaften und Gerichten verhängten Geldauflagen. Diese Mischfinanzierung hat sich bewährt. Gerade die Geldauflagen erfüllen eine wichtige Funktion im Strafverfahren, die zur Finanzierung der Opferhilfevereine hinzutritt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will noch darauf hinweisen, dass die Förderung der Opferhilfevereine im Doppelhaushalt erneut um 100.000 € erhöht worden ist. Ich will auch darauf hinweisen, dass die Beträge, um die es geht, insgesamt – das steht auch in der Beantwortung dieser Anfrage – einen Ansatz für die Kommunalisierung sozialer Hilfen von jährlich rund 19,2 Millionen € umfassen.

Dieser Gesamtbetrag, den wir gemeinsam mit dem Sozialministerium bereitstellen, steht für Hilfeleistungen zur Verfügung. Seit 2015 stehen jedes Jahr noch einmal 3,4 Millionen € zusätzlich für Frauenhäuser, Interventionsstellen, Frauenberatung, Notrufe und Schutzambulanzen gegen Kindesmissbrauch zur Verfügung.

Die Aussage, dass im Bereich der Frauenhäuser immer noch nicht der Betrag wieder erreicht wurde, der gekürzt wurde, ist schlicht die Unwahrheit. In diesem Bereich haben wir eine Steigerung um 40 %, sodass mehr zur Verfügung steht als früher. Ich finde, das ist ein Erfolg.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Marjana Schott (DIE LINKE): Frau Ministerin, der Betrag, der notwendig wäre!)

Jeder in diesen Bereich investierte Euro ist ein Euro, der am Ende dazu führt, dass weniger Straftaten passieren, wenn Prävention funktioniert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, deshalb möchte ich zum Schluss all denjenigen danken, die sich in den Opferberatungsstellen und allen Initiativen engagieren. Ich will den vielen Hauptamtlichen, aber auch den zahlreichen Ehrenamtlichen danken. Ich will hinzufügen, dass sich insbesondere aus der Justiz viele Staatsanwälte, Richter, Präsidenten und Rechtspfleger, die damit beruflich zu tun haben, auch ehrenamtlich in dem Opferschutz betätigen. Das ist auch keine Selbstverständlichkeit.

Mein herzlicher Dank gilt all denjenigen, die jeden Tag die praktische Arbeit leisten. Darauf können wir stolz sein. Ich wünsche allen weiterhin viel Erfolg im Sinne der betroffenen Opfer.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind damit am Ende der Debatte.

Ich stelle fest, dass die Antwort auf die Große Anfrage besprochen wurde. Damit wäre die Große Anfrage, Drucks. 19/4969 zu Drucks. 19/4417, erledigt.

Der Antrag der SPD betreffend Opferschutz in Hessen ausbauen, Drucks. 19/5219, soll abgestimmt werden. Dann lasse ich über diesen Antrag abstimmen. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und der FDP. Wer stimmt dagegen? – Dagegen stimmen CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer enthält sich? – Die Fraktion DIE LINKE. Somit ist dieser Antrag abgelehnt worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf:

Große Anfrage der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend nachhaltige Beschaffung in Hessen – Drucks. 19/4981 zu Drucks. 19/4418 –

Die erste Wortmeldung liegt mir von Herrn Kollegen Landau, CDU-Fraktion, vor. Herr Kollege Landau, Sie haben das Wort. Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten.

Sehr geehrte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! In Deutschland werden jedes Jahr 350 Milliarden € durch die öffentliche Hand für Produkte und Dienstleistungen ausgegeben. Dabei entfällt der mit Abstand größte Anteil auf die Kommunen. Das öffentliche Beschaffungswesen macht also einen nicht geringen Teil des Bruttoinlandsproduktes aus. Die öffentliche Hand hat somit auf vielen Gebieten eine echte Marktmacht.

In der Realität bestimmen bei der Auswahl der Wirtschaftsgüter, der Waren und der Dienstleistungen der Preis und die Funktionalität die Kaufentscheidung. Ihre Marktmacht muss die öffentliche Hand aber im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung, nicht nur im Interesse der Umwelt, nutzen. Ihre Vorbildfunktion wurde daher auch wiederholt von den Vereinten Nationen zu Recht angemahnt.

Der Gipfel in Rio de Janeiro hat das Konzept der nachhaltigen Entwicklung bereits 1992 als internationales Leitbild anerkannt.

Öffentliche Behörden und Einrichtungen haben inzwischen auch die rechtlichen Grundlagen, ökologische und soziale Kriterien im Beschaffungsprozess zu berücksichtigen. 2009 wurde das Vergaberecht geändert.