Welche Aufgaben hat die Politik an dieser Stelle? – Dieses Arbeitsfeld braucht mehr Aufmerksamkeit. Damit haben wir heute schon einmal angefangen. Aber das allein reicht natürlich nicht. Der Beruf braucht eine umfassende Aufwertung. Neben der besseren Bezahlung – eine Maßnahme ist der Pflegemindestlohn – ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen unabdingbar. Mehr Personal ist der Schlüssel für mehr Nachwuchs. Ich weiß, dass sich die Katze an dieser Stelle in den Schwanz beißt. Das ist klar. Aber es muss einen Betreuungsschlüssel geben, der so ist, dass diejenigen, die ein Interesse an diesem Beruf haben, auch das Vertrauen haben können, dass sie in diesem wirklich arbeiten und alt werden können und dass sie keinen Beruf ergreifen, der sie selbst in die Krankheit und Altersarmut führt.
Wir brauchen einen Personalschlüssel von einer Pflegekraft auf zwei Bewohnerinnen; und nachts müssen mindestens zwei Pflegekräfte im Wohnbereich anwesend sein. Auch die ambulante Pflege braucht Entlastung. Die Hessische Landesregierung ist an dieser Stelle aufgefordert, die Umsetzung des Pflegestärkungsgesetzes II nicht bis ins Jahr 2020 hinauszuschieben, sondern schnell bessere Vorgaben für die Entlastung des Personals zu machen. Die Wissenschaftler Greß und Stegmüller von der Hochschule Fulda haben im Jahr 2016 in einem Gutachten Kriterien für
ein tragfähiges Personalbemessungssystem in der stationären Altenpflege formuliert. Das heißt, was wir brauchen, ist schon klar ausformuliert worden. Unter anderem müsste die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben überprüft, gegebenenfalls sanktioniert werden. Zudem müssten sie bundesweit einheitlich sein und bei den Pflegesatzverhandlungen berücksichtigt werden. Zur kurzfristigen Entlastung soll aus dem Pflegevorsorgefonds ein Personalfonds werden, der bundesweit 38.000 Stellen pro Jahr finanzieren könnte. So weit die Fuldaer Wissenschaftler. Die Pflege braucht eine bessere finanzielle Ausstattung und weniger Markt.
An dieser Stelle möchte ich am Ende deutlich sagen, und das ist dann mein letzter Satz: Wir brauchen keinen Markt, der aus dem ohnehin engen Getriebe noch Geld herauszieht. Wir brauchen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Qualität; damit haben wir sie auch für die zu Pflegenden und deren Angehörigen. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Schott, ich bin etwas überrascht über Ihre Rede, die Sie hier vorgetragen haben. Herr Minister, wir hatten vor einigen Monaten im Rahmen einer Regierungserklärung eine Fachkräftedebatte. Damals hatte ich kritisiert, dass nicht sehr viel Neues dabei war. Aber einiges hat der Minister schon genannt, was sowohl die Bundes- als auch Landesregierung für die Fachkräftegewinnung im Altenpflegebereich unternehmen. Festzustellen, es gebe sowohl auf Bundes- als auch Landesebene keine Initiativen, ist also falsch.
Vor allem sind die Träger der Einrichtungen überall unterwegs, um für den Altenpflegebereich Fachkräfte zu gewinnen. Daher kann ich Ihnen in Bezug darauf, dass hier nichts passieren würde, unter keinen Umständen zustimmen, sondern es wird ununterbrochen die Diskussion geführt, was man alles tun kann. Dazu gibt es unterschiedliche Ansätze; ich glaube, wir haben hierzu im Ministerium auch einen runden Tisch gehabt; ununterbrochen gibt es hierzu zwischen der Politik, den Trägern, den Betroffenen und den Gewerkschaften einen Austausch. Wir haben auch die Schulen besser finanziert. Wer daher also sagt, es würde nichts passieren, hat ein Stück weit eine Wahrnehmung, die ich nicht nachvollziehen kann. Frau Schott, es passiert schon sehr viel.
In keinem Gesundheitsberuf ist der Zuwachs an Auszubildenden so hoch wie bei den Pflegekräften. Das ist auch gut so, weil kein Bundesland den Bedarf so gut erfasst hat wie Hessen mit seinem Monitoring, das seit vielen Jahren läuft und wo man genau gesehen hat, wie denn der Ergänzungsbedarf ist. Natürlich wissen wir aufgrund der Zahlen, dass dieser gigantisch ist. Wir wissen, dass wir ein großes Problem haben. Daher rühren auch diese Anstrengungen. Dass bislang nichts passiert sei, kann ich auf gar keinen Fall so stehen lassen; denn faktisch stimmt es einfach nicht. Als Opposition kann man die Fakten nicht einfach verdrängen, sondern die Situation ist so, wie sie ist.
Wie ist die Gesamtsituation in der Altenpflege? – Wir haben uns hier schon sehr intensiv zu anderen Punkten unterhalten. Durch die Bundesregierung gibt es jetzt eine Ausweitung der Leistungen; und eine Ausweitung der Leistungen erfordert mehr Personal. Wir haben jetzt im Ausbildungsbereich durch die Veränderung der Ausbildungsverordnung eine besondere Situation, die dazu führen wird, dass es auf dem Ausbildungsmarkt zumindest zeitweise, weil es eine Umstellung der Ausbildung gibt, weniger Pflegekräfte geben wird. Daher ist das auch eine Frage, die man sich stellen kann: Ist es grundsätzlich klug, in so einer Drucksituation die Ausbildung umzustellen? – Denn man hat überlegt, was das für den Zugang von Altenpflegekräften auf den Markt tatsächlich bedeutet.
Aber auch das sind Fragen, die man sich hätte stellen können – ich habe in Bezug auf diese Entscheidung eine sehr differenzierte Sichtweise –: Ist es tatsächlich so, dass man verschiedene Berufsbilder einfach zusammenschieben kann ohne eine signifikante Ausweitung der Ausbildungszeit? Kann man damit die Qualität der Ausbildung überhaupt halten? – Das sind alles Fragen, deren Antworten sich erst in einigen Jahren finden werden, und es wird dazu führen, dass es zu einem geringeren Zugang von Pflegekräften auf den Arbeitsmarkt kommt.
Jetzt will ich aber einmal vom System weg; DIE LINKE redet ja immer gern über das System und darüber, wie es organisiert ist. Ich möchte jetzt zu den Familien kommen – auch Sie haben in Ihrem Antrag das Thema der Ambulanz aufgegriffen –, denn der Großteil der Pflegeleistungen in unserem Land wird von den Familien erbracht. Der überwiegende Teil der Pflegeleistungen wird – das finde ich gut – von den Familien in unserem Land erbracht, trotz hoher Berufstätigkeit in den Familien und hoher Anforderungen in allen möglichen Lebensbereichen. Das ist eine besondere Leistung in unserem Land, die zwar nicht zu 100 % von den Familien erbracht wird, denn diese bekommen Unterstützungsleistungen; ambulante Dienste unterstützen sie, sonst könnten sie das nicht stemmen. Aber je mehr wir als Gesetzgeber und als Staat reglementierend eingreifen, umso schwieriger wird es für die Familien, passende Lösungen auf den Weg zu bringen, und umso schwieriger wird die Situation.
Jeder im Raum hat wahrscheinlich Familienangehörige, die genau in dieser Situation sind, die versuchen, Lösungen auf den Weg zu bringen, damit die Großmutter oder die Mutter zu Hause im Familienverbund verbleiben kann; denn die Leute wollen nicht in die Einrichtung. Auch dafür brauchen wir Personal. Wenn wir für all das Personal brauchen, wir aber hohe, verbindliche Personalschlüssel festlegen, obwohl wir wissen, dass das Personal nicht zur Verfügung steht, stellt sich die Frage: Was bedeutet das am Ende?
Das ist eine Ideologie nach dem Motto: Ich ignoriere die Fakten und die Zahlen, setze Regeln fest und glaube, dass ich mit dem Gesetz die Realität verändern kann. – Das geht nicht.
Sie können noch den einen oder anderen Vorschlag hinzufügen. Die Landesregierung wird ihn sicherlich prüfen. Vielleicht kann man noch mehr Fachkräfte gewinnen. Wir müssen mehr Fachkräfte gewinnen.
Wenn man sich aber die Fakten anschaut, vor denen unser Arbeitsmarkt steht, dann stellen wir fest, dass wir zu wenige Altenpfleger haben. Wir haben zu wenige Erzieher, wir haben zu wenige Grundschullehrer, wir haben zu wenige Polizisten. Die Industrie hat zu wenige Facharbeiter. Wenn Sie als Antwort auf diese Situation lediglich sagen: „Wir müssen die Personalstandards erhöhen“, dann frage ich Sie, wie das funktionieren soll. Wir müssen in der Altenpflege auch überlegen, wie wir den Menschen mehr Zeit für die Pflege ermöglichen können, wie die Dokumentation automatisiert werden kann, wie wir die Pflegenden unterstützen können, damit sie körperliche Arbeit besser bewältigen können. Wir müssen versuchen, auch Zuwanderung in diesen Arbeitsmarkt zu organisieren; denn wir brauchen Arbeitskräfte. Wir haben ganz viele Aufgaben. Aber mit noch mehr Regeln das System starrer zu machen, wird nicht dazu führen, die flexiblen Lösungen, die die Familien vor Ort brauchen, hinzubekommen. Wir brauchen andere Lösungen.
Wir müssen von dieser Denkweise der letzten 20 Jahre wegkommen. Jetzt zu sagen: „Der Gesetzgeber macht einen Standard und erhöht den Mindestlohn, dann löst sich das Problem“, das wird keine Lösung sein. In Zukunft wird es faktisch so sein, dass wir in allen Berufsfeldern eine Konkurrenz um Menschen haben. Dann kann man nicht die einfachen Antworten geben, die man im letzten Jahrhundert gegeben hat.
Darum glaube ich, dass wir stärker auf die Initiativen und Ideen der Träger bauen müssen. Wir haben eine große Kritik zum Heimgesetz gehört, dass zu viel eingeschränkt werde und flexible Lösungen nicht zugelassen würden. Das ist ein Kritikpunkt gewesen, das haben auch die Träger vorgetragen. Da könnte man sicherlich auch mit uns gemeinsam sagen: Herr Minister, da müssten wir ein bisschen mehr Vertrauen in die Träger haben und ein bisschen weniger Unterstellungen, dass all diejenigen, die in diesem Bereich arbeiten, Böses im Sinn haben und die älteren Menschen, die gepflegt werden müssen, geschädigt werden.
Wir brauchen ein gewisses Vertrauen des Staates in die Familien, damit das vernünftig organisiert wird. Ich glaube schon – damit will ich auch zum Ende kommen –, dass Ihr Antrag die Fakten ausblendet, die Situation vor Ort in den Familien ausblendet und Antworten gibt, die nicht mehr funktionieren werden.
Darum kann ich Sie nur bitten – Sie wissen, dass mir die Sozialpolitik am Herzen liegt –: Wir müssen gemeinsam versuchen, Lösungen zu finden. – Sie können natürlich das, was ich sage, aufs Einfachste diskreditieren. Sie können ganz leicht sagen: Herrn Rock sind die alten Menschen
egal, ihm ist die Qualität egal. – Wir müssen aber versuchen, vor dem Hintergrund, dass nicht mehr Personal zur Verfügung stehen wird, weil es das in Zukunft nicht geben wird, in der Altenpflege und in all diesen Berufsfeldern Möglichkeiten zu bieten, um effektiver und besser arbeiten zu können.
Darum meine Bitte an alle hier Vertretenen: Versuchen Sie, sich von diesen einfachen Lösungen zu lösen, einfach ein Gesetz zu machen, etwas hineinzuschreiben und zu hoffen, dass die Heimaufsicht nicht so genau hinsieht. Wenn Sie die Platzzahl reduzieren, indem Sie die Standards festschreiben, für die es kein Personal gibt, dann ist das nicht die Lösung, die den Menschen, die wirklich einen Platz benötigen, hilft.
Diese Frage müssen Sie sich beantworten. Ich glaube schon, dass die meisten Menschen erkennen werden, dass in einer absolut kritischen Situation erst einmal Hilfe wichtig ist. Hilfe ist wichtig, damit das System Familie weiterlaufen kann, dass man sich für seine Familienmitglieder einsetzen kann. Wenn die Menschen in eine Einrichtung kommen, weil sie einen Platz benötigen, und keinen bekommen, weil der Betreuungsschlüssel erhöht worden ist, dann haben Sie den Menschen auch nicht geholfen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir werden alle älter, das Krankheitsrisiko steigt, und auch die Zahl der Pflegebedürftigen steigt. Analog steigt auch die Zahl der offenen Stellen für Pflegekräfte. In der Altenpflege wurden 2010 bereits 4.900 Altenpflegerinnen und Altenpfleger gesucht. Die Nachfrage ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen.
Im Jahr 2015 gab es 12.472 Menschen in der Altenpflege. In der Hochrechnung benötigen wir 2035 19.784 Altenpflegerinnen und -pfleger – so der prognostizierte Bedarf des in der vergangenen Woche veröffentlichten Hessischen Pflegemonitors. Meine Damen und Herren, hessenweit bedeutet das, dass wir einen Erweiterungsbedarf von 7.276 Personen haben, das sind ganze 58 %.
Herr Minister Grüttner hat gesagt, es sind mehr. Es sind auch mehr; denn zusätzlich kommt der Ersatzbedarf für diejenigen hinzu, die altersbedingt ausscheiden. Das sind dann noch einmal 5.688. Meine Damen und Herren, das heißt noch einmal 46 % zusätzlich. Das macht deutlich: Eine der wichtigsten Herausforderungen der Zukunft ist es, rechtzeitig Fachkräfte zu gewinnen.
Meine Damen und Herren, das ist nicht neu. Es ist schon fünf nach zwölf, wenn wir uns jetzt diese Prognosen vor Augen führen. Ziel ist für uns alle, eine gute, patientengerechte, aber auch effiziente gesundheitliche Versorgung zu gewährleisten. Dazu braucht es eben gutes Personal.
Herr Rock, Sie haben die Anstrengungen schon genannt, sie reichen aber nicht aus. Wir müssen die Ausbildung forcieren, wir müssen sie vor allen Dingen attraktiv machen, so wie auch die Rahmenbedingungen.
Während an den Krankenpflegeschulen ein Personalschlüssel bzw. Betreuungsschlüssel von 1 : 15 besteht, obwohl es da auch Ausnahmegenehmigungen gibt und Pflegepädagogen fehlen, ist die Situation an den Altenpflegeschulen eine ganz andere. Auf eine halbe Lehrerstelle kommen 30 Auszubildende, d. h., ein Pflegelehrer hat eine Kohorte von 60 Schülern – also ein Betreuungsschlüssel von 1 : 60. Hinzu kommt, dass es zu wenige Pflegepädagogen gibt und sie wenig verdienen. – Hier könnte man nachsteuern. Vielleicht wäre es endlich an der Zeit, die Rahmenbedingungen zu verbessern.
In der Pressemitteilung zum Hessischen Pflegemonitor gehen Sie, Herr Minister Grüttner, auf die Nachfrage nach Pflegekräften, insbesondere in der Altenpflege, ein und auch darauf, dass die Nachfrage schneller steige als die Absolventenzahl und dass die Anstrengungen im Ausbildungsbereich nicht mithalten könnten. – Ja, das ist so, deswegen müssen wir auf jeden Fall mehr tun.
Gleichzeitig schreiben Sie in Ihrem Antrag, den wir jetzt noch vorgelegt bekommen haben, aber auch in der Antwort auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion zur gesundheitlichen Versorgung, dass Sie keine Maßnahmen ergreifen könnten, dass es primär Aufgabe der Arbeitgeber sei, mitverantwortlich seien Jobcenter und Arbeitsverwaltung. Ihre Verantwortung sei die Subventionierung der Altenpflegeschulen. Sie führen aus, dass Sie die Schulgeldpauschale erhöht hätten.
Meine Damen und Herren, das ist leider zu wenig. Die Schulgeldpauschale ist immer noch nicht auskömmlich und löst auch den Fachkräftemangel nicht.
DIE LINKE fordert in ihrem Antrag, neben dem Mindestpflegelohn, der aufgestockt werden soll, die Verbesserung der Ausstattung der Ausbildungseinrichtungen und eine Verbesserung der Personalbemessung.
Für die SPD-Landtagsfraktion sind Mindestpersonalstandards schon immer als definierter Personalschlüssel wichtig, um eine gute Pflege auszuüben, aber auch um Überforderung und vor allen Dingen Verstöße zu vermeiden.
Ich glaube, die Berichterstattung von RTL über ein Altenheim hat gezeigt, dass es diese Verstöße gibt. Diese müssen frühzeitig erkannt und entsprechend sanktioniert werden. Sicher aber ist, dass ganz viele Altenpflegerinnen und Altenpfleger gute Arbeit leisten. Deswegen auch noch einmal von meiner Seite herzlichen Dank an alle diejenigen, die diese wertvolle Arbeit leisten.
Nicht wegzudiskutieren ist aber, dass das Leistungsspektrum in den Gesundheitseinrichtungen gestiegen ist, während die Personalausstattung nicht mit erweitert worden ist. Krankenund Altenpfleger beklagen Personalmangel, Überlastung, schlechte Arbeitsbedingungen, schlechte Bezahlung. Hier geht es eben darum, zu schauen, wie Abhilfe geschaffen werden kann. Es braucht Gesetze, die Pflegefachkräfte vor dauerhafter Überlastung, vor Unfällen und Berufskrankheiten schützen – so fordert es die Praxis. Wir
brauchen vor allen Dingen verbesserte Arbeitsbedingungen und die Reduzierung des bürokratischen Aufwands in der Pflege.