Protokoll der Sitzung vom 21.05.2014

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): LINKE schmeißt sich an CDU ran!)

Wenn Sie das so interpretieren wollen, dann interpretieren Sie das gerne so. Ich habe nicht gesagt, dass ich es inhaltlich gut finde. Aber formal ist es auf jeden Fall korrekter als die Doppelspiele, die Sie spielen.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Das ist Verarsche der Bürger.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Gegenruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE): Keine Angst!)

Um eine Zulassung des Genmais 1507 und anderer gentechnisch veränderter Pflanzen auf europäischer Ebene, die zur Zulassung anstehen, noch zu verhindern, brauchen wir eine grundlegende Reform des EU-Zulassungsverfahrens. Eine übereilte Verabschiedung einer mangelhaften Veränderung der Freisetzungsrichtlinie, wie sie der griechische Ratspräsident derzeit plant, muss verhindert werden. Würde diese Freisetzungsrichtlinie verabschiedet, wäre mit der zeitnahen Anbauzulassung einer ganzen Reihe von gentechnisch veränderten Pflanzen in Europa zu rechnen.

Ich will noch sagen: Weder der Wind noch die Bienen, noch die Vögel, noch die anderen Pflanzenteile, die so in der Luft herumschwirren, halten sich an nationale Grenzen. Die machen das nämlich so, wie der Wind weht und wie die Vögel fliegen. Die tragen die Dinge dahin, wo wir sie vielleicht gar nicht haben wollen. Wir können es nicht wirklich begrenzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber dieser Anbau liegt im Interesse der Europäischen Kommission und der Kanzlerin, denn der derzeitige – in Anführungsstrichen – Zulassungsstau auf europäischer Ebene behindert die Verhandlungen mit den USA über TTIP. Um diese Zulassungsverfahren zu verhindern, haben die GRÜNEN und die LINKE gemeinsam – man achte darauf – gestern auf der Bundesebene einen Antrag auf den Weg gebracht. Unter anderem wird darin eine grundlegende Reform des EU-Zulassungsverfahrens für gentechnisch veränderte Pflanzen gefordert, wie dies bereits vom Europaparlament am 5. Juli 2011 und vom Bundesrat im April 2014 gefordert wurde.

Bis die Überarbeitung des Zulassungsverfahrens vollständig umgesetzt ist, wollen wir – also LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – gemeinsam ein Zulassungsmoratorium. Der Königsweg zu einer tatsächlich flächendeckenden und dauerhaften Gentechnikfreiheit des Pflanzenanbaus in Deutschland – also nicht nur auf den hessischen

Staatsdomänen, wie es die Landesregierung anstrebt – führt über die Europäische Union.

Es ist deshalb gut, dass die Kritik am mangelhaften Vorschlag der griechischen Ratspräsidentschaft zur Änderung der Freisetzungsrichtlinie wächst. Es ist eine absurde Situation. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten im Rat und das Europäische Parlament lehnen die Zulassung des Genmais 1507 ab. Auch eine durch mehrere aktuelle Umfragen bestätigte Mehrheit von über 80 % der deutschen Bevölkerung lehnt diese Zulassung ab.

Liebe Herren von der FDP, nochmals: 80 % der Bevölkerung lehnen das ab. Trotzdem hat die Europäische Kommission angekündigt, noch in diesem Jahr zulassen zu wollen und nach ihrer Rechtsauffassung auch zu müssen. Zum wiederholten Male stellt sich die Frage der demokratischen Legitimation solcher Entscheidungen.

Mitverantwortlich für diese Situation sind die Verwirrspiele von CDU, GRÜNEN und SPD. Diese müssen aufhören. Hören Sie auf, in Hessen solche Scheinanträge zu stellen. Nehmen Sie den bekundeten Willen der Menschen in Hessen, in Deutschland und in vielen europäischen Ländern endlich ernst, und ermöglichen Sie eine gentechnikfreie Landwirtschaft. Hören Sie auf, mit dem Handelsabkommen eine Hintertür für den Einsatz von Gentechnik auf den Äckern zu öffnen. Hören Sie auf, die Menschen zu belügen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schott. Noch ein Hinweis: „Verarschen“ ist kein parlamentarischer Ausdruck. Ich möchte Sie bitten, das künftig zu unterlassen. Vielen Dank. – Als Nächste spricht nun Staatsministerin Hinz. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Zunächst einmal eine gute Nachricht: Ich freue mich, dass ich Ihnen mitteilen kann, dass unser Aufnahmeantrag für das Netzwerk gentechnikfreier Regionen bestätigt wurde und Hessen damit das 62. Mitglied im Europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen ist.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) und Timon Gremmels (SPD))

Herr Gremmels, trotzdem ist es doch gut, dass wir den Antrag gestellt haben und jetzt aufgenommen wurden. Das Hauptziel des Netzwerkes ist es, im europäischen Rechtsrahmen die Möglichkeit zu verankern, rechtsverbindlich gentechnikfreie Gebiete einzurichten. Ich verspreche Ihnen, wir werden uns mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dafür auch einsetzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unser Beitritt soll als gutes Beispiel dienen und ein Signal der Unterstützung sein für die heimische Landwirtschaft, an unsere Nachbarregionen sowie an die Öffentlichkeit. Wir nehmen die Bedenken, aber auch die Wünsche der Bevölkerung ernst. Wir wollen, dass gentechnikfreie Lebensmittel möglich sind, ausgewählt, verkauft und verzehrt

werden können. Das ist die Hauptstoßrichtung dieses Aufnahmeantrags und auch die Politik der Landesregierung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Herr Lotz, natürlich ist es richtig, dass seit 2008 in Hessen keine gentechnisch veränderten Pflanzen mehr angebaut werden; in Deutschland sind gegenwärtig keine zulässig. Trotzdem, das merken wir doch anhand der Diskussion und der Entscheidungen, die vorbereitet werden, gerade in Brüssel: Weite Teile der globalen Industrie setzen weiterhin auf einen zunehmenden Einsatz von Gentechnik. Ein aktuelles Beispiel ist die Zulassung der insektenresistenten Maislinie 1507, die nach unserem jetzigen Kenntnisstand unmittelbar bevorsteht. Zahlreiche weitere Zulassungsanträge zum Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen stehen zur Entscheidung an.

Vor diesem Hintergrund ist es besonders wichtig, dass sich die Hessische Landesregierung dafür einsetzt, dass der hessische Status quo, also kein Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen, so bleibt. Wir wollen auch künftig keine gentechnisch veränderten Organismen in Hessen haben. Solche Pflanzen sollen nicht angebaut werden. Das ist nicht nur eine symbolische, sondern auch eine rechtliche Frage, der wir uns entsprechend widmen werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Herr Lotz, es ist schon vergnüglich, dass Sie sich wundern – –

(Zuruf von der FDP)

Es ist ganz schön, dass wir die Plakette haben. – Sie und die Abgeordneten der LINKEN wundern sich, warum eigentlich das Opt-out-Verfahren diskutiert wird. Die Haltung und Position nicht nur der GRÜNEN, sondern auch der Hessischen Landesregierung war da klar: Wir wollten auf europäischer Ebene ein Verbot und kein Zulassungsverfahren. Weil sich aber die Bundesregierung nicht einig war, gab es seitens Deutschlands in der entscheidenden Sitzung des Europäischen Rates eine Enthaltung. Nur deshalb müssen wir auf die andere Ebene gehen und überhaupt über eine Opt-out-Regelung nachdenken.

Da das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, ist es jetzt wichtig, dass wir eine gute Opt-out-Regelung bekommen, bei der wir nicht erst die Unternehmen fragen müssen, ob es ihnen genehm ist, dass wir auf gentechnisch manipulierte Pflanzen verzichten. Vielmehr müssen wir das entscheiden und mit der Europäischen Union gemeinsam durchsetzen können, und zwar auf einem einfachen unbürokratischen Weg. Das ist es, was wir im Bundesrat auch von Hessens Seite aus durchgesetzt haben. Diesen Weg werden wir weitergehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Herr Lenders, es ist überhaupt nicht ersichtlich, welche Vorteile sich für die heimische Produktion aus dem Einsatz gentechnisch veränderter Organismen ergeben sollten. Das ist weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll. Hinsichtlich des ökologischen Bereichs kann ich Ihnen sagen, dass z. B. für die Bekämpfung des bedeutendsten Maisschädlings, den Maiszünsler, eine ganze Reihe Möglichkeiten besteht. Das reicht von der Wahl der Fruchtfolge über

Maßnahmen der Bodenbearbeitung bis hin zum Einsatz entsprechender besserer Pflanzenschutzmittel.

Selbst der Hessische Bauernverband will keinen Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen. Der Generalsekretär hat das in einem Interview am 12. Februar 2014 noch einmal erklärt. Er sagte:

Der Hessische Bauernverband lehnt den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen aus mehreren Gründen ab: wegen der mangelnden Verbraucherakzeptanz, der unkalkulierbaren Risiken für Anbauer und des unzureichenden Nutzens.

Deswegen ist unsere Politik im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher, aber eben auch im Sinne der Landwirtschaft. Ich unterstütze ausdrücklich diesen Wunsch.

Im Übrigen setzen wir uns damit für den Erhalt der biologischen Vielfalt ein. Wir werden morgen den internationalen Tag der Biodiversität haben. Wir wissen etwas aus anderen Ländern – z. B. aus Ländern aus Afrika –, in denen gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden. Da sind 80 % der entwickelten gentechnisch veränderten Pflanzen herbizidresistent. Das heißt, sie ermöglichen dann den Einsatz sogenannter Totalherbizide. Das sind Totalgifte.

Was entsteht dann? Es entstehen Landschaften, in denen nichts mehr wächst, in denen nichts mehr fliegt und in denen nichts mehr krabbelt. Dort findet inzwischen schon wieder ein Umdenken statt, und zwar nicht nur wegen der Frage der biologischen Vielfalt, sondern weil die Bauern vom patentierten Saatgut abhängig werden. Denn sie dürfen das nicht mehr selbst züchten. Sie sind dann von wenigen großen Konzernen abhängig, die auf Kosten der Landwirte ihren Reibach machen. Auch aus diesem Grund wird das in der heimischen Landwirtschaft abgelehnt. Ich sage: zu Recht aus gutem Grund.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich hatte in der jüngsten Zeit eine Debatte um die Frage: Wie halten wir es mit McDonald’s? Sie wissen alle: Man kann McDonald’s mögen oder nicht. Es kann jemand hingehen oder nicht. Das ist ganz in das Belieben der Konsumenten gestellt. Das ist gar keine Frage.

(Clemens Reif (CDU): Das Eis ist ganz gut!)

Wenn man als zuständige Ministerin in der Landesregierung Gentechnikfreiheit ernst nimmt und sieht, dass McDonald’s die Selbstverpflichtung aufkündigt und keine Zulieferer mehr sucht, die gentechnisch veränderte Futtermittel nicht verwenden dürfen, dann muss ich ganz klar sagen, dann ist ein solches Unternehmen für die Hessische Landesregierung kein Partner mehr, was Sponsoringverträge angeht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich glaube, auch das ist ein Signal an die Verbraucherinnen und Verbraucher, dass wir das ernst meinen. Dass McDonald’s diese jahrelange Praxis angeblich aus wirtschaftlichen Gründen aufgibt, finde ich schon einigermaßen merkwürdig, muss ich sagen. Denn es geht um 1 Cent pro Burger oder pro einem Chicken McNugget. Ich glaube, das wäre wirtschaftlich tragbar.

Das Argument, man finde keine Landwirte, würde sich sofort ins Gegenteil verkehren, wenn solche Betriebe langfristige Lieferverträge mit den Landwirten abschließen würden, die dann auch garantiert gentechnikfreie Tierfuttermittel benutzen. Wir hätten damit einen Kreislauf von sozusagen gentechnikfreier Landwirtschaft. Wir hätten dann sinnvolle qualitätsorientierte Produktion und gentechnikfreien Verzehr.

Ich werde McDonald’s natürlich das Gespräch anbieten. Ich hoffe, dass wir da noch einmal zu einer Änderung der Geschäftspolitik kommen werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Eines ist aber auch wichtig. Das Stichwort Eiweißstrategie ist in der Debatte schon gefallen. Wir müssen es den Landwirten in Hessen ermöglichen, gentechnikfreie Pflanzen und gentechnikfreies Tierfutter anzubauen. Deswegen ist in unserem Öko-Aktionsplan die Eiweißstrategie fest verankert. Wir wollen den Anbau der Sojabohnen in Hessen und in Deutschland fördern. Wir wollen aber auch verstärkt den Einsatz einheimischer Leguminosen fördern.

Dann sind die Landwirte nicht unbedingt darauf angewiesen, importiertes Futtermittel einzukaufen und zu verfüttern, bei dem wir nicht wissen, ob es gentechnikfrei ist oder ob es verunreinigt ist. Weil man hier nicht genügend angebaut hat, muss man das dann verfüttern.

Insofern wird auch hier die Kette rund, indem wir sagen: Wir unterstützen Gentechnikfreiheit in Hessen. Was die Landesflächen angeht, werden wir den gentechnikfreien Anbau beschließen. Das wird dann nicht nur für die Staatsdomänen gelten, sondern soll für die Landesflächen insgesamt so sein.

Deswegen können wir wirklich guten Mutes sagen: Wir, die Mitglieder der Hessischen Landesregierung, führen das Wort Gentechnikfreiheit nicht nur im Munde, sondern wir handeln in diesem Sinne. Wir werden da, wo wir die Möglichkeiten haben, rechtlich Vorsorge treffen. Wir werden alles ausschöpfen, was möglich ist. In diesem Sinne bin ich für den Antrag und für die Debatte sehr dankbar. – Danke schön.