Gehen wir den jetzt vorliegenden Antrag in inhaltlichen Punkten durch. Punkt 1, Land- und Forstwirtschaft in Hessen sind gentechnikfrei. Das ist kein Verdienst irgendeiner Landesregierung; denn momentan ist nichts zugelassen.
Punkt 2, der Landtag nimmt den Bürgerwillen zur Kenntnis. Zum Bürgerwillen so viel: Fünf von sechs Bürgern lehnen die grüne Gentechnik ab. Also sehen Sie, wie hoch hier die Ablehnung ist. Der Landtag nimmt den Bürgerwillen zur Kenntnis. Es wäre auch noch schöner, wenn dies anders wäre.
(Beifall bei der SPD und der FDP – Günter Rudolph (SPD): Das haben wir aber auch schon erlebt, z. B. bei G 8 und G 9!)
Punkt 3 ist das Bekenntnis: Wir wollen gentechnikfrei bleiben. – Mit diesem Antrag wird das aber nichts; mehr dazu später.
Punkt 4, Beitritt zum Europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen. Die Bundesländer, die dem Netzwerk beitreten, müssen sich entweder im Koalitionsvertrag oder im Parlament gegen Gentechnik auf dem Acker aussprechen. Das würde hiermit heute passieren. Ein Landwirt kann dennoch Gentechnikpflanzen anbauen, solange die Pflanze zugelassen ist.
Hier kommen wir zu Punkt 5. Der weitere Antrag redet lediglich von einer Vorbildfunktion für die hessischen Landwirte. Das hätten CDU und FDP vor einem Jahr genau so formulieren können. Es ändert sich nämlich gar nichts, außer dass das Ministerium nun eine Plakette „Gentechnikfreie Region“ an der Tür hat.
Meine Damen und Herren, grundsätzlich unterstützt die SPD den Beitritt zum Netzwerk gentechnikfreier Regionen.
Wir kritisieren jedoch, Herr Wagner, dass Hessen lediglich die Minimalanforderungen für diesen Beitritt erfüllt. Die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg schreibt eine völlige Gentechnikfreiheit im Pflanzenbau und in der Tierzucht vor. In Nordrhein-Westfalen setzt man sich dafür ein, dass ein Nulltoleranzgebot bei Saatgut, Futter und Lebensmitteln durchgeführt wird, ebenso in Rheinland-Pfalz. Selbst die bayerische Landesregierung findet klarere Worte gegen den kommerziellen Anbau von gentechnischen Pflanzen auf den bayerischen Äckern.
Und in Hessen, was passiert hier? Es heißt: gentechnikfreie Land- und Forstwirtschaft unterstützen. Dieser Antrag ist aus unserer Sicht wachsweich und bewirkt gar nichts. Früher schrieben die GRÜNEN Sätze in ihre Anträge wie:
Die Landesregierung wird deshalb aufgefordert, sich auf Bundes- und EU-Ebene gegen die Anbauzulassung von weiteren neuen gentechnisch veränderten Pflanzen zu stellen.
In den heutigen Anträgen soll die Landesregierung unterstützt werden, eine Eiweißstrategie zu erarbeiten, damit die Landwirte freiwillig auf gentechnisch verändertes Futter verzichten. Wenn ich diesen Antrag mit einem Wort zusammenfassen soll, dann ist er aus meiner Sicht niedlich.
Meine Damen und Herren, in Berlin wird zurzeit die Möglichkeit des Opt-out diskutiert, d. h. der Möglichkeiten, nationale Verbote von Gentechnik auf Äckern auszusprechen, übrigens wieder ein Quantensprung in dieser Diskussion in der CDU in Berlin.
In einer Pressemeldung von gestern fordern die Bundesgrünen ein Verbot von Gentechnik in der gesamten EU. Der grüne Bundestagsabgeordnete Harald Ebner erklärt, es sei „ein Armutszeugnis für die SPD, dass sie jetzt versucht, den komplett zahnlosen Koalitionsantrag als Erfolg zu verkaufen“. Dieses Zitat fällt natürlich hier in Hessen total auf die GRÜNEN zurück.
Meine Damen und Herren, warum findet man in diesem zahnlosen Antrag keine klaren Worte? Warum erklärt diese Landesregierung nicht klipp und klar: „Nein, bei uns in Hessen hat die Gentechnik auf den Äckern nichts verloren“?
Herr Al-Wazir, Sie lachen –, weil er, abgesehen von der neuen Plakette für das Umweltministerium, absolut nichts bewegt.
Meine Damen und Herren, die hessische SPD tritt klar für ein gentechnikfreies Hessen ein. Das muss man dann aber auch so rigoros und stringent formulieren. Dann werden
Sie uns bei einem nächsten Antrag oder nach der Diskussion im entsprechenden Ausschuss an Ihrer Seite finden. – Ich bedanke mich.
Vielen Dank, Herr Kollege Lotz. – Als nächste Rednerin spricht Frau Kollegin Schott von der Fraktion DIE LINKE. Bitte schön, Frau Kollegin.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich hatte tatsächlich geglaubt, die FDP habe den Bürger wiederentdeckt, weil wir morgen einen Antrag zu besprechen haben, der unter anderem heißt: „Bürgerinteressen ernst nehmen“. Irgendwie sollten Sie sich einmal einig werden, ob Sie die Bürgerinteressen ernst nehmen wollen oder ob Sie doch lieber denken, es ist ein bisschen doof, wenn die Bürger eine Meinung haben. Erst dann wäre es sinnvoll, hier Anträge zu formulieren. So lange sollten Sie es aber mit diesen merkwürdigen Anträgen lassen.
Aber auch der Antrag der CDU und der GRÜNEN ist einer, den man besser gelassen hätte. Ich kann mich dem nur anschließen. In der letzten Plenarwoche hat sich die Hessische Landesregierung zur Landwirtschaftspolitik erklärt, und die drei substanziellen Punkte aus dem vorliegenden Antrag – Beitritt zum europäischen Netzwerk, Verzicht auf den Anbau und die Eiweißstrategie – wurden von der Ministerin vorgestellt. Jetzt legen die Fraktionen, die diese Regierung tragen, uns einen Antrag vor, dass wir die Regierung auffordern wollen, das zu tun, wovon sie uns letzte Runde erklärt hat, dass sie es tun will. – Das ist ein bisschen Tollhaus, oder?
(Beifall bei der LINKEN – Mathias Wagner (Tau- nus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir finden es eher toll als Haus!)
Wenn Sie das schon toll finden, dann finde ich das für Regierungshandeln ziemlich niedrigschwellig. Das ist ein bisschen arg wenig. Es ist kein Fortschritt, keine Weiterentwicklung der Vorschläge, kein Neuigkeitswert, keine neue Debatte. Was soll damit eigentlich bezweckt werden?
Es ist einzig und allein ein Ablenkungsmanöver; denn die wiederholte Bekundung, dass man in Hessen zumindest auf den landeseigenen Flächen keine Gentechnik möchte, soll davon ablenken, dass die Bundesregierung auf Geheiß der Kanzlerin für den Einsatz von Gentechnik ist. Die Bundesregierung trägt durch ihr Abstimmungsverhalten im Rat der Europäischen Union am 11. Februar dieses Jahres
die Hauptverantwortung dafür, dass der gentechnisch veränderte Mais 1507 überhaupt zur Zulassung ansteht. Die Enthaltung Deutschlands hat eine qualifizierte Mehrheit gegen die Zulassung verhindert. Nun drohen die Zulassung durch die Europäische Kommission und ein möglicher Anbau bereits im kommenden Jahr, auch in Hessen.
Zurzeit findet in den USA die fünfte Verhandlungsrunde zum Transatlantischen Handels- und Investitionsabkommen statt. Wenn die Verhandlungen zu TTIP nicht gestoppt werden, hilft es auch nichts, wenn GRÜNE und CDU ihre eigene Landesregierung bitten, sich dafür einzu
setzen, Hessens Land- und Forstwirtschaft gentechnikfrei zu halten, wie das im vorliegenden Antrag geschieht. Wenn TTIP oder das Handelsabkommen CETA mit Kanada so realisiert werden, wie es sich die Konzerne in Europa, den USA und Kanada wünschen, können sie den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen einklagen oder Schadenersatz für entgangene Profite in Millionenhöhe kassieren, ohne dass sie dafür überhaupt die Saat ausbringen. Das ist das, womit wir tatsächlich zu kämpfen haben.
Wenn sich GRÜNE und CDU ernsthaft für eine gentechnikfreie Landwirtschaft in Hessen einsetzen wollten und das nicht nur auf dem eher bescheidenen Anteil landeseigener Ackerflächen, die wir hier in Hessen haben, dann hätten Sie dem Antrag der LINKEN zum Stopp der Verhandlungen zu TTIP zustimmen müssen. Meine Herrschaften von der CDU, wenn Ihnen dabei das Blut in den Adern gefriert, dann hätten Sie ihn abschreiben und selbst wieder einbringen können. Das haben Sie an anderer Stelle auch schon gemacht.
Aber GRÜNE und CDU sind sich an diesem Punkt alles andere als einig. Das ist der zweite Punkt, von dem Sie mit Ihrem nichtssagenden Antrag ablenken wollen. Als Kompromiss brachten GRÜNE und CDU einen Antrag ein, in dem sie das Handelsabkommen TTIP grundsätzlich begrüßen. Da hilft es auch nichts, wenn GRÜNE und CDU in ihrem Hessen-pro-TTIP-Antrag die Europäische Kommission dazu auffordern, „für größtmögliche Transparenz über den Verhandlungsprozess zu sorgen“. Das ist dann nämlich eine Lachnummer.
Sich im Europawahlkampf mit der deutlichen Mehrheit der Menschen in Deutschland gegen das Handelsabkommen zu stellen, auf Landesebene aber, um den Koalitionsfrieden mit der CDU nicht zu gefährden, die eigene Programmatik auf den Kopf zu stellen, das ist mehr als falsch. Das ist Betrug am Wähler, Betrug gegenüber den Wählerinnen und Wählern, die die GRÜNEN aufgrund ihrer ökologischen Programmatik gewählt haben, und Betrug an den Wählerinnen und Wählern, die sie für den Einsatz für Mitbestimmung und mehr Demokratie gewählt haben. Beides fällt nämlich hinten runter.
Sven Giegold, einer der Spitzenkandidaten der GRÜNEN für die Europawahl, wirbt mit Stopp für die Verhandlungen. Auf der Wahlkampfseite gruene.de ist als Topmeldung zu lesen: „SPD stimmt für Freihandelsabkommen“. – Im Anschluss wird zu Recht das Doppelspiel des SPDSpitzenkandidaten Martin Scholz kritisiert.
Schulz, Entschuldigung. – Ich zitiere: „Öffentlich gibt sich Martin Schulz als kritischer Beobachter der Verhandlungen zwischen EU und USA. Dabei verschweigt er, dass die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament bereits den Weg für das Handelsabkommen … freigemacht haben.“ – Das von den GRÜNEN zu dem, was die SPD tut.
Also müssen sich alle erst einmal einig werden, ob sie auf allen Ebenen wirklich einer Meinung sind und nicht je nachdem, wo sie gerade Koalitionen haben, ihr Fähnchen in den Wind hängen und dann in der Öffentlichkeit etwas anderes behaupten. Da ist mir doch die CDU lieber.
Die sagen an der Stelle wenigstens die Wahrheit. Die sagen, wofür sie sind, und das ziehen sie dann auch durch. Dann kann sich der Mensch überlegen, ob er es gut oder richtig findet. Aber wenigstens wird er nicht für dumm verkauft.