Protokoll der Sitzung vom 21.05.2014

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich will Sie noch einmal daran erinnern: Das sind Schülerinnen und Schüler, denen man in der 7. Klasse attestiert hat, dass sie unter den normalen Rahmenbedingungen keinerlei Chance haben, einen Hauptschulabschluss zu erreichen. Dann haben wir ein Erfolgserlebnis wie selten, dass über 90 % dieser Schüler, denen man schlechteste Aussichten attestiert hat, ein solches Erfolgserlebnis haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn man jetzt auch noch berücksichtigt, dass bereits im Verlauf der Maßnahme deutlich mehr als ein Drittel der Schülerinnen und Schüler eine verbindliche Zusage für einen Ausbildungsplatz erhält, dann belegt dies noch einmal eindrucksvoll den hohen Stellenwert und das außergewöhnliche Erfolgsmodell von SchuB.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn in Hessen in der Vergangenheit auch schon mehrfach Leuchttürme geleuchtet haben,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Bitte keine Leuchttürme!)

dann ist SchuB ein Leuchtturm, der alle Weltmeere dieser Erde gleichzeitig ausleuchtet, Frau Wissler.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei Abge- ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Janine Wissler (DIE LINKE): Das ist ja eine Sonne!)

Aus diesen Gründen begrüßen wir ausdrücklich, dass die Landesregierung nach dem Auslaufen der Fördermittel aus dem Europäischen Sozialfonds für das Schuljahr 2014/ 2015 das Programm aus eigenen Mitteln weiterfinanzieren und damit einen lückenlosen Übergang zwischen den beiden Förderperioden schaffen wird. Die Kernbotschaft lautet – man muss manche Dinge entsprechend den SchuBSchülern auf eine einfache Formel bringen –: SchuB geht weiter.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Lehrerstellenzuweisung über die 8. Hauptschulklasse wird bei 35 Lehrerstunden pro Woche belassen. Die Klassenhöchstgrenze bleibt bei maximal 15 Schülern, und die erfolgreiche Schulsozialarbeit, die eine ganz entscheidende Rolle spielt, wird vollumfänglich fortgesetzt.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehr gut!)

Ich will mich ausdrücklich bei der Hausspitze des Kultusministeriums bedanken, bei Herrn Prof. Lorz, unserem Kultusminister, und bei Herrn Staatssekretär Dr. Lösel, dass sie die im Koalitionsvertrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN benannten Vorhaben zur Förderung von benachteiligten und abschlussgefährdeten Jugendlichen vollumfänglich mittragen und unterstützen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In der praxisnahen Berufsorientierung und der erfolgreichen Vermittlung junger Menschen in Ausbildungsverhältnisse als Folge der SchuB-Initiative sehen wir einen wir

kungsvollen und wichtigen Ansatz zu einem weiteren Abbau der derzeit im europäischen Vergleich bereits geringen Jugendarbeitslosigkeit in unserem Land. Die Initiative Lernen und Arbeiten in Schule und Betrieb hilft uns letztlich auch bei der Behebung des Fachkräftemangels und stärkt vor allem – das ist ganz entscheidend – die Chancengerechtigkeit für junge Menschen in Hessen. Wir wollen Schülerinnen und Schülern eine Perspektive für ihr weiteres Leben bieten. Wir wollen ihnen die Selbstgestaltung ihrer Zukunft ermöglichen, und wir wollen ihr Selbstwertgefühl steigern.

Werte Kolleginnen und Kollegen, zum Erreichen dieser Ziele tragen alle an der SchuB-Initiative beteiligten Kräfte bei: Das sind die Schulleitungen, die in diesen Klassen eingesetzten Kolleginnen und Kollegen, die Sozialpädagogen, vor allem aber auch die Arbeitgeber und die Mitarbeiter in den zahlreichen Praxisbetrieben, ohne deren Bereitschaft zur Mitarbeit SchuB nicht funktionieren könnte.

Ich habe zahlreiche SchuB-Standorte besucht und Gespräche mit den Betroffenen geführt. Ich bin nach 24 Jahren Berufsschullehrertätigkeit und dem zwölften Jahr im Schulausschuss hier im Landtag wohl in der Lage, dies beurteilen zu können und zu dürfen: Selten habe ich erlebt, mit welch großartigem Engagement sich die Lehrerinnen und Lehrer gemeinsam mit den sozialpädagogischen Fachkräften für diese Schülerinnen und Schüler in den SchuBKlassen einsetzen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Lothar Quanz (SPD))

Der Erfolg von SchuB ist, neben dem Konzept, vor allem auch diesen Pädagogen zu verdanken, die sich weit über das übliche Maß hinaus dieser Aufgabe mit Herzblut widmen. Daher heute auch einmal von dieser Stelle aus – es kommt leider viel zu oft zu kurz – ein ganz herzliches Dankeschön für diese vorbildliche Berufsauffassung und dieses vorbildliche Engagement zum Wohle unserer Schülerinnen und Schüler in der SchuB-Initiative.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Lothar Quanz (SPD))

In der neuen Förderperiode 2014 bis 2020 sollen die ESFMittel wiederum für Schülerinnen und Schüler mit besonderen Leistungs- und Lernschwächen verwendet werden. Damit wollen wir, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, gemeinsam erreichen, dass abschlussgefährdeten Jugendlichen auch weiterhin der Erwerb des Hauptschulabschlusses ermöglicht wird und eine intensive Berufsorientierung und Praxiserfahrung ihre Ausbildungsreife stärken, damit sie übergangslos und ohne unnötige Warteschleife direkt in ein duales Ausbildungssystem einsteigen können.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Lothar Quanz (SPD))

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden alle Anstrengungen unternehmen, damit keine Schülerin und kein Schüler zurückbleibt und ohne Abschluss eine unserer Schulen in Hessen verlässt. Wir stehen für mehr Chancengerechtigkeit. Wir haben das Ziel, allen jungen Menschen eine erfolgreiche Zukunftsperspektive zu eröffnen – das sind wir diesen jungen Menschen auch schuldig.

Ich lade Sie alle, alle Fraktionen, ganz herzlich ein: Begleiten Sie uns auf diesem Weg, helfen Sie mit, dass denjeni

gen, denen es schwerer fällt, diese Möglichkeit geboten wird. Ich habe eindrucksvolle Zahlen genannt.

Ich sehe gerade, dass ich das Ende meiner zehn Minuten Redezeit erreicht habe, sonst hätte ich Ihnen noch ein bisschen aus meinem Leben berichtet – hoch spannend.

(Zuruf von der CDU: Weitermachen!)

Frau Präsidentin, Sie sind gerade abgelenkt – das gibt mir noch ein paar Sekunden Zeit. Warum ich das gesagt habe: Ich habe 1997 selbst ein solches Modell ins Leben gerufen.

Herr Klein, Sie haben leider keine paar Sekunden mehr Zeit. Kommen Sie bitte zum Schluss.

Dort habe ich eine solche Maßnahme im Berufsvorbereitungsjahr ins Leben gerufen und erlebt, wie es ist, Schüler drei Tage in Betrieben zu haben. Da gibt es junge Menschen, die ihr Leben lang bisher immer nur aufgrund von schlechten Noten und schlechten Klassenarbeiten Negatives zu hören bekommen und immer nur in der Kritik gestanden haben. Die gehen in einen Betrieb und zeigen dort zum ersten Mal praktische Fähigkeiten, weil man erkennt, jeder ist intellektuell so zu nehmen, wie er sein sollte. Sie können sich nicht vorstellen, wie es sich auf solche Schüler auswirkt, wenn ein Ausbildungsmeister zu denen sagt: Junge, das hast du toll gemacht, du kannst etwas. – Das haben die jahrelang nicht gehört. Aus dem Grund ist alles, was in der Schule mit Praxisorientierung zu tun hat, sinnvoll und positiv. Ich kann Sie alle nur darin unterstützten, das weiterhin so zu tragen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Torsten Warnecke (SPD))

Vielen Dank, Herr Klein. Ich nehme an, Sie haben zur Kenntnis genommen, dass ich sehr großzügig mit Ihrer Redezeit verfahren bin.

Als Nächste hat Frau Kollegin Cárdenas das Wort, DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich gebe Herrn Klein gern etwas von meiner Redezeit ab; ich werde sie wohl nicht ganz ausnutzen.

Lange Zeit haben wir gebangt, ob und wie das SchuB-Projekt fortgeführt werden kann. Zunächst einmal ist es löblich, dass sich die neue Landesregierung entschlossen hat, die SchuB-Klassen nicht auslaufen zu lassen. Wie Sie richtig bemerkt haben, ist es wichtig, jungen Menschen eine Perspektive zu geben. Tatsächlich hat das SchuB-Projekt vielen jungen Menschen, oftmals auch mit Migrationshintergrund, geholfen, einen Schulabschluss zu erlangen. Dieses Programm ersatzlos auslaufen zu lassen, wäre daher unverständlich und skandalös gewesen.

Aber – hier muss ich doch noch etwas Wasser in den Wein gießen –

(Zuruf von der CDU: Das war ja klar!)

in dieser Debatte wird leicht vergessen, warum wir diese SchuB-Klassen überhaupt benötigen, Herr Irmer.

(Beifall bei der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Ich habe überhaupt nichts gesagt!)

Es liegt nicht daran, dass wir von vornherein „gute“ und „schlechte“ Kinder und Jugendliche in unseren Schulen haben. Wäre dem so, würden diese Kinder auch durch Förderprogramme nicht an Schulabschlüsse kommen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Genau!)

Vielmehr müssen wir uns Gedanken darüber machen, warum wir ein Schulsystem haben, welches Kinder und Jugendliche aussondert und zurücklässt und welches die Notwendigkeit von SchuB-Klassen überhaupt erst hervorbringt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben ein Schulsystem, welches Kinder nach der 4. Klasse aufgrund ihres Notendurchschnitts in verschiedene Schulformen, die unterschiedliche Abschlüsse anbieten, separiert. Schon in der Grundschule werden Kinder zu Vergleichsarbeiten gezwungen, die pädagogisch schlichtweg abzulehnen sind und die über individuelle Entwicklungsmöglichkeiten nichts, aber auch gar nichts aussagen. Viele Grundschulen in Hessen wehren sich gegen die Durchführung dieser Vergleichsarbeiten, doch leider vergeblich.

Eine individuelle Förderung findet auch in den weiterführenden Schulen nicht statt. Das hessische Schulsystem ist unter anderem durch seine Undurchlässigkeit geprägt – Undurchlässigkeit nach oben, wohlgemerkt. Nach unten, also die Abschulung von einer höheren auf eine niedrigere Schulform, scheint es kein Problem zu sein. Auf einen sogenannten Aufstieg – Sie schütteln da den Kopf, Frau Wiesmann – kommen in Hessen 8,7 Abstiege. Auch bezüglich der Sitzenbleiberquote belegt Hessen einen Spitzenplatz im Bundesvergleich.

(Bettina Wiesmann (CDU): Das ist falsch!)

Wen wundert es da, dass Jugendliche, nachdem sie lange genug durchgereicht worden sind, plötzlich ein Förderprogramm benötigen, durch das sie zu einem Schulabschluss gelangen können?

Verstehen Sie mich nicht falsch, meine Damen und Herren: Unsere Fraktion begrüßt die Fortführung der SchuBKlassen. Aber wir müssen uns doch die Frage stellen, wo wir eigentlich ansetzen sollten und was die langfristigen Perspektiven für Kinder und Jugendliche sind, die Gefahr laufen, diese Bildungswege der SchuB-Kinder zu teilen.

Wie gesagt, diese Kinder sind nicht dümmer. Wäre dem so, so würden letztlich nicht 90 % einen Schulabschluss schaffen. Sie müssen nur anders gefördert werden – und zwar nicht erst dann, wenn es beinahe schon zu spät ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Erst dann schaffen Sie Lernbedingungen, die Förderung ermöglicht, und loben sich dafür auch noch in den Himmel. Das ist doch paradox. Diese Lernbedingungen müssen für alle Schülerinnen und Schüler von Anfang an geschaffen werden, und zwar nicht nur im Hinblick auf ihre Verwertbarkeit im Beruf; denn darum scheint es Ihnen doch hauptsächlich zu gehen. Begriffe wie Beschäftigungsfähigkeit stehen bei Ihnen im Vordergrund – und genau dies ist das