Wo war denn Ihr Mut, Verantwortung zu übernehmen? Die ganze Geschichte ist dann an etwas anderem gescheitert, aber wir halten fest: Sie hatten nicht den Mut, Verantwortung zu übernehmen.
Wo war denn 2013 Ihr Mut – ich glaube, da bin ich mir mit den Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratie einig –, als wir in Hessen über die Regierungsbildung verhandelt haben? Wo war denn damals Ihr Mut, in die Regierungsverantwortung zu gehen? Immer, wenn wir in diesen Sondierungen gefragt haben: „Ist DIE LINKE bereit, Verantwortung zu übernehmen, steht sie auch dann noch zu einer Vereinbarung, wenn die Sonne einmal nicht scheint, wenn es einmal regnet, wenn die Steuereinnahmen zurückgehen und die Haushaltslage schwierig ist, gemeinsam in die Verantwortung zu gehen?“, dann haben Sie gesagt: „Nein, dazu sind wir nicht bereit“. Von solchen Kräften brauchen wir keine, aber auch gar keine Ratschläge, wenn wir uns auf den Weg machen, dieses Land immer ein bisschen besser und gerechter zu machen. Wenn Sie sich so verhalten, dann brauchen wir von Ihnen überhaupt keine Ratschläge.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Manfred Pentz (CDU): Das haben wir immer gewusst!)
Allen anderen immer nur zu erklären, dass sie doof seien, ist genau das Falsche, liebe Kollegin Wissler. Ja, die klassischen politischen Lager haben in unserem Land keine
Mehrheit mehr. Das kann man beklagen, das kann man richtig oder falsch finden, aber das ist so. Was ist daraus jetzt die Konsequenz? Reden wir uns weiter in die Polarisierung? Sagen wir weiterhin, damit sich niemand bewegen muss, damit alle in ihren alten Gewissheiten verbleiben können: „Es bewegt sich niemand; wir gehen keine Kompromisse ein; wir polarisieren diese Gesellschaft weiterhin; wir gehen wie in Amerika in eine Spaltung“? Oder ist es nicht an der Zeit, tatsächlich zu schauen, wie man zusammenkommen kann, wie politische Parteien zusammenkommen können, die sich das bislang noch nicht vorgestellt haben? Wollen wir der Polarisierung das Wort reden oder dem Zusammenhalt der Gesellschaft? Das ist der Kern der Debatte. Darum geht es, meine Damen und Herren. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Wagner. – Als Nächste hat sich noch einmal Frau Abg. Wissler für die Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Sie haben noch 19 Minuten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wollte mich nicht mehr zu Wort melden; ich werde die 19 Minuten auch nicht ausschöpfen. Aber das kann man so nicht stehen lassen, was Herr Wagner gerade gesagt hat. Ich muss sagen: Ich bin aufgrund Ihres Beitrags echt etwas fassungslos, weil Sie sich größtenteils in Ihrem Redebeitrag ausgerechnet an der LINKEN abgearbeitet haben. Also, bitte, ich habe das Gefühl, Sie wollen hier wirklich übertünchen, welche Situation Sie hier haben, und von Ihren Problemen ablenken.
Uns zum Problem zu machen, ist doch geradezu absurd. Ich habe nicht mitbekommen, dass die GRÜNEN einen Wahlkampf gemacht hätten, wo sie gesagt hätten: Rot-RotGrün, das ist unser Projekt. Wir wollen eine Mitte-LinksRegierung. – Das habe ich nicht ein einziges Mal mitbekommen.
darf ich? –, dass wir bereit sind, Regierungsverantwortung zu übernehmen, wenn die Inhalte stimmen. Das haben wir immer und an jeder Stelle gesagt.
Dass Herr Schulz Nein sagt, können Sie mir nicht vorwerfen. Ich bin nicht die Pressesprecherin der SPD. Das kön
nen Sie gern mit der SPD diskutieren, aber Herr Wagner hat sich ja an meiner Partei abgearbeitet. Mir ist nicht bekannt, dass die GRÜNEN einen Wahlkampf gemacht hätten, wo sie gesagt haben: Wir würden gern mit den LINKEN und der SPD; wir könnten uns das vorstellen. – Ich habe mitbekommen, dass die ziemlich viel in Richtung der CDU geblickt und die ganze Zeit von Schwarz-Grün geredet haben.
Wie gesagt, wir haben es auch nicht ausgeschlossen. – Im letzten Bundestag gab es ja eine rot-rot-grüne Mehrheit, aber mir ist nicht bekannt, dass es damals seitens der SPD und GRÜNEN Angebote an DIE LINKE gegeben hätte, dass man sich einmal zusammensetzt und die Mehrheit nutzt.
(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben den Mechanismus, dass die anderen immer etwas bringen müssen!)
An einer Stelle haben wir die Mehrheit genutzt, das war bei der Ehe für alle. Das ist ein wichtiger Punkt. Herr Wagner, daher finde ich es auch nicht in Ordnung, uns vorzuwerfen, wir wollten nichts verändern. Wann immer wir die Möglichkeit hatten, parlamentarisch so abzustimmen, dass es Veränderungen bringt, haben wir die genutzt – übrigens auch im Hessischen Landtag. Wir haben im Hessischen Landtag Anträgen und Gesetzentwürfen von SchwarzGrün zugestimmt, wenn sie Verbesserungen für die Menschen im Land bedeutet haben, weil für uns entscheidend ist, was in einem Antrag steht, und nicht, wer ihn einbringt. Wenn Sie auch so verfahren würden, hätten wir bessere Beschlüsse.
Wenn man aber eine Verweigerungshaltung hat, dann sagt man: Alles, was von der Opposition kommt, lehnen wir ab. – Nicht einmal damals, als SPD, FDP und LINKE zusammen gefordert haben, dass sich der Landtag für die Freilassung von Deniz Yücel einsetzen muss, konnten Sie über Ihren Schatten springen und dem zustimmen. Sie finden es inhaltlich richtig, aber Sie können nicht zustimmen.
(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie reden immer über die anderen! Merken Sie den Mechanismus?)
Nein, ich rede davon, dass, wenn wir Inhalte einbringen, weil wir etwas verändern wollen, Sie dies ablehnen, obwohl Sie inhaltlich zustimmen. Das ist natürlich eine Schwierigkeit, wo man anderen nicht vorwerfen kann, sie wollten nichts verändern.
Warum ich jetzt aber überhaupt nicht weiß, warum Sie diese Debatte führen, ist: Wir haben im neuen Deutschen Bundestag keine Mehrheit von SPD, GRÜNEN und LINKEN. Deswegen ist mir gar nicht klar, warum Sie sich an uns abarbeiten; der Schlüssel zur Lösung dieser Situation liegt nicht bei der LINKEN. Es gibt keine rechnerische Möglichkeit. Was mich wirklich ärgert, und das kann so nicht stehen bleiben, weil es einfach die Unwahrheit ist – das wissen Sie –, ist: Der LINKEN vorzuwerfen, wir hätten uns 2008 verweigert, entbehrt wirklich jeglicher Grundlage, Herr Wagner.
Nein, das war damals eine andere Situation. – Sie wissen ganz genau, dass im Vorfeld Dinge ausgeschlossen worden waren und man versucht hat, einen Weg zu finden, damit man es trotzdem hinbekommen sollte, Roland Koch abzuwählen.
Weil im Vorfeld Dinge kategorisch ausgeschlossen waren, sind wir den Weg einer Tolerierung gegangen. Sie und ich waren dabei, als wir stundenlang zusammensaßen. Herr Wagner, wir hatten eine Tolerierungsvereinbarung verhandelt. Diese hatten wir unseren Mitgliedern zur Urabstimmung vorgelegt. Unsere Mitglieder hatten mit ganz großer Mehrheit entschieden, dass wir das wollen. Das ist der objektive Ablauf. Dieser Tolerierungsvereinbarung haben Sie doch auch zugestimmt. Sie hatten einen Koalitionsvertrag mit SPD und GRÜNEN geschlossen; wir hatten eine Tolerierungsvereinbarung gemacht. Wir befanden uns einen Tag vor der Wahl des Ministerpräsidenten; und, Herr Wagner, das ist nicht an uns gescheitert.
Sie haben wörtlich gesagt, DIE LINKE hätte sich 2008 verweigert. Das halte ich für eine bodenlose Frechheit, weil es einfach nicht stimmt.
Das ist einfach nicht wahr, und jeder, der sich in diesem Land ein bisschen mit Politik auskennt, weiß, dass das so nicht stimmt. Sie wissen, dass das so nicht stimmt.
(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Na ja! – Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Da gibt es sogar ein Buch dazu!)
Noch einmal dazu, dass wir nichts verändern wollten. Wir haben 2008 im Landtag viele Dinge beschlossen. Wir haben Gesetzentwürfe gemacht; wir haben eine ganze Menge getan. Ich bin politisch aktiv geworden, weil ich etwas verändern will, und nicht, weil ich irgendwelche parteipolitischen Spielchen machen will. Ich finde, anderen Leuten abzusprechen, dass sie etwas verändern wollen, kann man machen, klar, aber das müssen Sie dann mit sich klären. In diesem Falle bleiben Sie aber bitte einfach bei der Wahrheit.
Im Jahr 2013 war es so – Sie werden sich daran erinnern –, dass wir 20 Stunden lang sondiert haben. Damals gab es große Differenzen zwischen SPD und GRÜNEN. Auch gab es damals Differenzen zwischen GRÜNEN und LINKEN auf der einen und der SPD auf der anderen Seite sowie zwischen SPD und GRÜNEN auf der einen und uns auf der anderen Seite. Wir haben 20 Stunden lang sondiert; und danach hatten wir ein Ergebnis. Wir hatten festgehalten, was wir gemeinsam hatten, das war, fand ich, eine ganze Menge, und wir hatten Differenzen festgehalten.
Die Differenzen bestanden insbesondere in der Frage, ob es Stellenabbau geben soll und wie man die Schuldenbremse umsetzt. Wir waren bereit, auf dieser Grundlage weiter zu verhandeln. Das Problem war, dass die GRÜ
NEN entschieden haben, dass die Differenzen zur LINKEN offensichtlich weniger gut zu überbrücken sind.
(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt doch gar nicht! Merken Sie das eigentlich gar nicht? Schuld sind immer die anderen!)
Nicht wir sind gerade in einer Koalition mit der CDU, sondern die GRÜNEN, von daher ist doch klar, wer eine Entscheidung getroffen hat.
Wir haben damals gesagt, dass wir bereit sind, das zu machen. Es gab einen Vorrat an Gemeinsamkeiten. Am Ende ist es nicht zum Tragen gekommen.
Herr Wagner, bei aller politischen Auseinandersetzung, so etwas hier zu behaupten, das finde ich ein starkes Stück. 2008 hätte sich DIE LINKE verweigert, und 2013 hätte es an uns gelegen, das ist doch einfach nicht die Wahrheit, das wissen Sie doch auch.
Ich verstehe, dass das für die GRÜNEN ein harter Vormittag ist, erst die Debatte um die Wilhelm-Leuschner-Medaille und dann diese Debatte. Ich verstehe, dass es für Sie nach Ihrem hessischen Landesparteitag, bei dem die Basis gegen den Vorstand entschieden hat, schwierig ist. Sie haben jetzt einen Bundesparteitag vor sich. Ich verstehe, dass es schwierig ist.