Protokoll der Sitzung vom 13.12.2017

(Günter Rudolph (SPD): Es ist arrogant!)

welche Wertschätzung hier dem Parlament gegenüber zum Ausdruck gebracht wird.

(Beifall bei der SPD)

Ich will zu Beginn meine Haushaltsrede unter zwei Überschriften stellen. Die eine betrifft das Thema Mehrarbeit. Sie muss eigentlich auf allen Ebenen durch Bordmittel geleistet werden, außer im Kultusministerium. Die zweite Überschrift wird sein: lauter leere Versprechungen, die am Ende nicht gehalten werden können und die vor allem der PR dienen.

Zum Ersten. Ich will auf die letzte Bildungsdebatte zurückkommen, die wir hier im November-Plenum hatten. Da ging es um die Große Anfrage der SPD-Fraktion zu Belastungen und Befristungen und die Frage, wie die Landesregierung mit der vielen Mehrarbeit der Lehrkräfte, der Schulleitungen umgeht und was man dort als Entlastungen erwarten könne. Damals antwortete der Minister – ich will einfach einmal diese drei Sätze vorlesen, weil ich sie so bezeichnend, eigentlich sogar traurig finde –, es sei eine Begleiterscheinung der Postmoderne und betreffe alle Berufszweige, dass sich in einer immer weiter entwickelnden Gesellschaft Aufgabenfelder veränderten und an den Einzelnen teilweise höhere Anforderungen gestellt würden, als es noch vor zehn oder 20 Jahren der Fall war. Im schulischen Bereich schlage sich das sowohl im pädagogischen Bereich nieder – bei der Inklusion, der individuellen Förderung, den didaktisch-methodischen Innovationen – als auch im strukturellen Bereich – z. B. durch jahrgangsübergreifende Strukturen, ganztägigen Unterricht, Kooperationen mit außerschulischen Institutionen. – Letzter Satz des Ministers:

Gleichwohl bleibt festzustellen, dass der Großteil der dargestellten Tätigkeiten durchaus zu den Regelaufgaben von Lehrkräften gehört, die sich aus dem

Lehr-, Erziehungs-, Betreuungs- und Beratungsauftrag gemäß der „Dienstordnung für Lehrkräfte, Schulleiterinnen und Schulleiter und sozialpädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ … ableiten.

Ich lese Ihnen das vor, weil dort, wo der Bereich in den letzten Jahren ohnehin schon gewachsen ist, ein besonderer Stellenaufwuchs zu verzeichnen ist – sechs Stellen im Kultusministerium. Das ist nicht stimmig im Vergleich zu dem, was wir hier den Schulen sagen. Herr Minister, das ist frech, das ist doppelzüngig und arrogant den Lehrkräften gegenüber,

(Beifall bei der SPD)

die Tag für Tag die Mehrarbeit, die Sie ihnen aufbürden, aus Bordmitteln leisten müssen. Herr Minister, wenn Sie sagen, die Mehrarbeit sei eine Begleiterscheinung der Postmoderne, und sie gehöre zu den Regelaufgaben, dann gilt das genauso für das Kultusministerium. Meine Damen und Herren, deshalb werden wir beantragen, diese zusätzlichen Stellen zu streichen.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme zur zweiten Überschrift: leere Versprechungen. Wo sind die vielen Mehreinnahmen der Landesregierung geblieben? Das war gestern hier in der Generaldebatte ein Thema. Es wurde viel erzählt, wofür das alles draufgehe und warum es eigentlich gar nicht mehr so viel Spielraum gebe. Kollege Schmitt hatte in der ersten Lesung den Begriff des Dagobert Duck geprägt, der ja im Grunde genommen in seinem Geldspeicher schwimmen könne. Einen dieser Geldspeicher haben wir im Einzelplan 04 gefunden.

Ich will das an einem Beispiel deutlich machen. In der kursorischen Lesung ist doch herausgekommen, wie viel Geld, das eigentlich für das Haushaltsjahr 2017 veranschlagt wurde, in dem Jahr gar nicht ausgegeben wurde. Das macht das wunderbare Beispiel der Förderung von Migrantinnen und Migranten deutlich. Hier haben sich im letzten Jahr zwei Fraktionen sehr dafür gefeiert, dass über 1.000 Stellen für Flüchtlinge geschaffen wurden. Aber interessanterweise haben wir jetzt festgestellt, dass die Mittel für 460 Stellen, die im Einzelplan für 2017 standen, überhaupt nicht verausgabt wurden.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hört, hört!)

Meine Damen und Herren, das sind 30 Millionen €, die nach wie vor zur Verfügung stehen. Allein davon kann die SPD ihre Haushaltsanträge für 2018 finanzieren.

(Beifall bei der SPD)

So viel zum Vorwurf der unsoliden Haushaltsforderungen.

Das setzt sich auch im neuen Jahr weiter fort. Es ist ausdrücklich im Protokoll der kursorischen Lesung vermerkt: Auch für die Jahre 2018/19 wird aufgrund rückläufiger Flüchtlingszahlen eine deutliche Budgetunterschreitung angenommen – so das Protokoll der kursorischen Lesung.

Es finden sich weitere Beispiele im Haushaltsentwurf. Nehmen wir die 400 Stellen für Sozialpädagogen, die zum 1. Februar eingestellt werden sollen, die zu dem Termin etatisiert sind. Wir haben gestern in der Fragestunde darüber gesprochen. Wenn ich mir den Plan des Landtags für das nächste Jahr anschaue, dann stelle ich fest, dass wir wohl frühestens am 1. Februar überhaupt erst den Haushalt beschließen werden. Ich wette, vor dem 1. April werden

Sie niemanden einstellen können, zumal noch nicht einmal klar ist, welche Schulen überhaupt in den Genuss dieser gar nicht mal falschen Unterstützungsmaßnahmen kommen werden. Sie haben hier locker 4 Millionen € als Spielgeld eingeplant, die Sie eigentlich gar nicht ausgeben werden. Das ist keine solide Haushaltspolitik, und das muss sich ändern.

(Beifall bei der SPD)

Weiter geht es mit Ihren Zuschlägen zur Grundunterrichtsversorgung. Wir haben mehr Schülerinnen und Schüler, vor allem an Grundschulen. Dementsprechend steigt die Grundunterrichtsversorgung. Konsequenterweise muss auch der Zuschlag zur Grundunterrichtsversorgung steigen. Die 500 Stellen, die Sie hier eingeplant haben, sind zu großen Teilen für die Grundschulen gedacht. Jetzt wissen wir aber, dass der Lehrermarkt für Grundschulen absolut leer gefegt ist. Es finden sich nicht einmal genug Lehrkräfte aus anderen Lehrämtern, die bereit sind, sich zur Grundschullehrkraft weiterzuqualifizieren. Das heißt, wir wissen heute schon, dass Sie diese Stellen gar nicht besetzen können. Auch diesbezüglich ist viel heiße Luft, sind viele leere Versprechungen im Einzelplan 04.

(Beifall bei der SPD)

Damit komme ich zu dem angeblichen Vorzeigeprojekt der Landesregierung, dem Pakt für den Nachmittag. Die meisten Schulen, die sich daran beteiligen, sind schon längst in einem Landesprogramm zum Ganztag. Auch dieser Pakt richtet sich vor allem an Grundschulen. Auch hier kann Ihr Aufwuchs für den Ganztag nicht funktionieren, weil Sie zu wenige Lehrkräfte ausgebildet haben.

Jetzt könnte man sagen: Qualität spielt ohnehin keine Rolle für Schwarz-Grün, weil es Ihnen nur um Betreuung geht. Dann nehmen Sie eben externe Kräfte. Trotzdem ist das schade. Das bringt nicht mehr Qualität für unsere Grundschulen.

(Beifall bei der SPD)

Der Ganztag ist im Übrigen noch so ein Posten, bei dem es offensichtlich deutlich Luft gibt. Ich habe in der kursorischen Lesung die Frage gestellt: Was ist denn, wenn endlich – das fordern wir schon lange – Stellen in Geld umgewandelt werden können? Welchen Antrag muss ich stellen, damit das endlich mal nach oben geht? Die Antwort war: Da ist so viel drin, das können wir im Vollzug machen; dafür muss man gar keinen Antrag stellen. – Das ist alles drin, meine Damen und Herren. Da sehen Sie, wie viel Spielraum im Kultusetat eingeplant ist.

Wir freuen uns darüber. Wir werden diese Möglichkeiten, den Spielraum, den Sie eingeplant haben – es ist ja ein Doppelhaushalt –, ab 2019 gerne für die sozialdemokratischen Projekte nutzen.

(Beifall bei der SPD)

Bei der schulischen Inklusion ist es ja genauso. Auch hier sind – das will ich gar nicht in Abrede stellen –

(Zuruf des Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

einige Stellen mehr drin. Aber auch hier wissen wir schon heute, dass Sie diese gar nicht werden besetzen können, weil Sie in den letzten Jahren geschlafen haben. So ist es.

(Manfred Pentz (CDU): Ach?)

Herr Pentz, sind Sie heute wach?

(Manfred Pentz (CDU): Herr Degen, Sie sind doch auch Lehrer! – Gegenruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD): Was heißt denn „auch“? – Günter Rudolph (SPD): Nicht alle, die da sind, sind auch wach!)

Nehmen wir einmal die inklusiven Schulbündnisse, die jetzt auch langsam vorankommen sollen. Ich erinnere mich an die Pressemeldung – wieder eine dieser Lobpressemeldungen von CDU und GRÜNEN –, dass mit den inklusiven Schulbündnissen endlich die Trennung zwischen Lehrkräften für Förderschulen und für Inklusion aufgehoben wird, dass das jetzt ein Pool wird. Meine Damen und Herren, wenn das so ist, warum sind es dann immer noch verschiedene Produkte im Haushaltsplan, obwohl Sie sonst an jeder Stelle, wo es nur geht, alles hin und her wurschteln? Hier handeln Sie nicht konsequent. Das zeigt, dass Ihre Ansprüche nicht in der Realität angekommen sind.

Zur Schulsozialarbeit. Es gibt 400 neue Stellen, wie gesagt, vermutlich nicht zum 1. Februar.

(Norbert Schmitt (SPD): Aber keine Leute für die Stellen!)

Herr Schmitt, da haben Sie vollkommen recht. – Da ist der Mangel doch, obwohl es keine Lehrkräfte sind, sondern Sozialpädagogen, genauso hoch. Das Einzige, was passieren wird, ist, dass Sie auf dem ohnehin verschärften Markt der freien Träger die einen gegen die anderen ausspielen werden. Denn auch hier weigert sich der Wissenschaftsminister, mit den Hochschulen zu reden und für mehr Kapazitäten in der Ausbildung zu sorgen. Auch hier ist das Land Abnehmer. Auch hier müsste das Land viel mehr in die Ausbildung von Sozialpädagogen investieren.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Weil wir ein gutes Beispiel dafür haben, dass die Sozialdemokraten etwas anderes wollen, sage ich: Wir halten nichts davon, hier ein neues Programm nach dem anderen zu schaffen, verschiedene Parallelstrukturen aufzubauen. Ich nenne nur USF, UBUS, dann klassische Schulsozialarbeit in kommunaler Trägerschaft. Das macht für uns keinen Sinn. Das sind verschiedene Strukturen, die am Ende einfach durch den Koordinationsaufwand Mehrarbeit verursachen. Wir wünschen uns, dass die kommunale Schulsozialarbeit – so wie es in anderen Bundesländern der Fall ist – durch eine Förderpauschale, durch eine Drittelfinanzierung so unterstützt wird, dass wir ein Konzept aus einem Guss haben und am Ende Schulsozialarbeit an jeder Schule in Hessen verwirklichen können.

(Beifall bei der SPD)

Dann will ich noch zum Thema Lehrermangel kommen. Unser Fraktionsvorsitzender hat gestern schon gesagt, dass wir durchaus einsehen, weil Sie den Karren mit dem Lehrermangel in den Dreck gefahren haben – –

(Michael Boddenberg (CDU): Ach du liebe Zeit!)

Das war doch nun wirklich so, Herr Boddenberg. Würden Sie einmal ernst nehmen, was Sie sagen, hätten Sie schon längst in mehr Lehrkräfte investiert. Dann müssten Sie sich nicht immer von der Opposition drängen lassen, das zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Wir erkennen ja an, dass Sie den Karren in den Dreck gefahren haben, und werden unsere Forderungen nach mehr Lehrkräften im Vergleich zu den letzten Jahren etwas zurückschrauben.

(Lachen des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir wissen durchaus, dass es keinen Sinn macht, Lehrkräfte zu fordern, die gar nicht da sind,

(Michael Boddenberg (CDU): Was wollen Sie denn so ausgeben?)

sondern der Schwerpunkt der künftigen Politik im Land muss doch vor allem darin liegen,