Protokoll der Sitzung vom 14.12.2017

gnose konzentriert und den Schulen keinerlei Hilfsmittel gibt, wie sie hier entsprechend auch weiter fördern können.

Was nicht hilft, ist ein Festhalten am Kooperationsverbot, das den Bund hindert und ihm sogar verbietet, die Länder hierbei zu unterstützen.

(Beifall bei der SPD)

In unserem Antrag haben wir einen Schwerpunkt auf die echte Ganztagsschulentwicklung gelegt. Das haben wir deshalb gemacht, weil sich eine zentrale Forderung der Studie darauf bezieht, dass auch ausreichend Zeit für das Lesen in der Schule vorhanden sein muss. Zwar gebe es mehr ganztägig arbeitende Schulen, allerdings seien das oft reine Betreuungseinrichtungen, so der Autor der Studie.

Schülerinnen und Schüler des 4. Schuljahres verbringen in Deutschland laut Lehrerangabe 87 Stunden pro Jahr speziell mit Leseunterricht und Leseaktivitäten. Der internationale Mittelwert liegt bei 156.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Da in anderen Staaten Ganztagsschulsysteme bestehen, gibt es dort vermutlich eben auch mehr Zeit für Leseunterricht, meine Damen und Herren.

Die Daten zeigen: 43 % der Viertklässlerinnen und Viertklässler in Deutschland besuchen eine ganztägig arbeitende Schule. Davon besuchen nur 6 % eine Ganztagsschule mit rhythmisiertem Angebot, also mit dem Schultyp, von dem besonders günstige Wirkungen auf die Lese- und Persönlichkeitsentwicklung zu erwarten sind, so die IGLU-Studie. Kleine Randnotiz: In Hessen sind es gerade einmal 1 % der Grundschulen, die so rhythmisiert arbeiten.

Immerhin wünschen sich laut JAKO-O-Bildungsstudie und Elternbefragung 70 % der Eltern eine Ganztagsschule und eben nur 28 % eine Halbtagsschule für ihr Kind. Die Ganztagsschule muss also die Regel sein, die Halbtagsschule die Ausnahme.

Ich sage das ausdrücklich, weil wir durchaus anerkennen, dass gar nicht alle Eltern wollen, dass ihr Kind ganztägig in der Schule ist. Deswegen respektieren wir das und wollen es Eltern und Schulen ermöglichen, ihre Schule zur echten Ganztagsschule weiterzuentwickeln.

In Hessen gibt es gerade einmal zehn echte Ganztagsgrundschulen von insgesamt rund 1.100 Grundschulen. In den vergangenen vier Jahren kamen fünf hinzu. Meine Damen und Herren, wenn wir in diesem Entwicklungstempo weiter vorangehen, werden wir weitere 1.000 Jahre brauchen, bis alle Grundschulen in Hessen echte Ganztagsschulen sind.

Wir können auch nicht alle Schulen von heute auf morgen weiterentwickeln. Das wissen wir. Wir brauchen aber ein klares Ziel und deutlich mehr Tempo.

An dieser Stelle sollten wir endlich einmal damit aufhören, zu behaupten, allen Anträgen von Schulen auf Ganztagsschulentwicklung würde stattgegeben. Die Gespräche mit den Schulträgern zeigen ausdrücklich, dass die Schulträger, weil ihnen nur ein beschränktes Budget vom Land zur Verfügung steht, auch nur eine beschränkte Anzahl von Schulen für die Entwicklung anmelden können. Schulträger brauchen mehr Stellen, mehr Möglichkeiten, um ihren Schulen das entsprechende Budget zu geben.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen die Schulträger unterstützen, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Gespräche mit den Schulen und Schulträgern zeigen auch, dass es unter anderem daran scheitert, dass nicht die notwendigen Mensen, die notwendigen Lehrerarbeitsplätze oder Differenzierungsräume vorhanden sind, damit sich die Schulen auf den Weg machen können. Auch da muss das Land mit unterstützen.

Wir müssen das Profil 3 der echten gebundenen Ganztagsschulen so flexibilisieren, dass mindestens sieben Zeitstunden umfasst sind, damit die Hürden sinken, sodass sich die Schulen auf den Weg machen können zum gebundenen oder teilgebundenen Unterricht.

Wir müssen endlich auch die Mittel erhöhen, die Schulen bekommen, wenn sie Stellen in Geld umwandeln. Die 46.000 €, die seit über zehn Jahren gewährt werden, sind längst nicht mehr zeitgemäß. Wir fordern mindestens 52.000 €. Wie ich es schon in den Haushaltsberatungen sagte, ist dieses Geld auch schon im Haushaltsplan vorhanden.

Wir müssen die Lehrkräfteaus- und -fortbildung anpassen auf ganztägiges Lernen. Ferner müssen wir für Schulleitungen die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen zum Leiten ganztägiger Schulen.

Ganztagsschulen sind ein wesentlicher Baustein zum Abbau von Bildungsungerechtigkeit, aber nicht der einzige. Wir brauchen gut ausgebildete Lehrkräfte anstatt 6.000 Laien, die als Lehrer eingesetzt werden. Wir brauchen eine bessere Aus- und Fortbildung, eine längere Studiendauer, gerade auch für das Grundschullehramt, eine Wertschätzung für diese Kärrnerarbeit der Grundschullehrkräfte. Das ist in Hessen längst überfällig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen echte Schulsozialarbeit anstatt Leihlehrkräfte als Unterrichtsunterstützung für die Schulen. Wir brauchen einen viel schulschärferen Sozialindex, der wirklich die Schulen ausstattet, an denen es Bedarf gibt und bei denen es Probleme gibt, anstatt nach dem Gießkannenprinzip gemäß der Anzahl der Einfamilienhäuser die Stellen zu verteilen. Wir brauchen mehr Durchlässigkeit, mehr individuelle Förderung und mehr Förderung von längerem gemeinsamem Lernen in Hessen. Außerdem muss das Kooperationsverbot fallen.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme zum Schluss. Wenn wir nicht endlich die Arbeit der Grundschulen aufwerten, mehr echte Ganztagsschulen schaffen und die Gebühren für den Unterricht am Nachmittag abschaffen, die Lehrkräfte entsprechend ausund fortbilden, dann ist es kein Wunder, wenn am Ende ein nicht unerheblicher Teil unserer jungen Leute weder die Beipackzettel von Medikamenten lesen kann noch unsere Wahlprogramme. Unsere Haushaltsanträge werden kommen. Es hat sich gezeigt, dass es richtig war, zu warten; denn erst durch die Antworten, die wir gestern erhalten haben, haben wir gesehen, dass allein in diesem Haushaltsjahr 30 Millionen € übrig geblieben sind, die gar nicht ausgegeben wurden. Diese Mittel kann man gut investieren in echte Ganztagsschulen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Kollege Christoph Degen. – Das Wort hat der Abg. Armin Schwarz, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Ich bin der SPD dankbar für diesen Antrag. Dieser Antrag ist entlarvend; denn er zeigt, für die Sozialdemokraten bedeutet Bildungsgerechtigkeit ganztägige Unterrichtung verpflichtend für alle und überall. Außerdem soll das ganze Bildungssystem gebührenfrei gestellt werden. Die 720 Millionen € für die Kitabetreuung lassen an dieser Stelle grüßen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, der Antrag beginnt mit einer Binsenweisheit. Da heißt es sinngemäß: Kinder aus Familien mit vielen Büchern und guter Qualifikation der Eltern können besser lesen. – Ja, Herr Kollege Degen.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Frage: Wollen Sie denn eine Bücherobergrenze für Familien einführen, die gerne lesen?

(Heike Hofmann (SPD): Was für ein Unfug!)

Wenn ja, wie viele Bücher dürfen es denn sein? Wollen Sie abstreiten, dass es unterschiedliche Interessen und Talente gibt? Wollen Sie sagen, dass alle Menschen gleich sind und alle Leistungsunterschiede nur an der Schule festzumachen sind?

(Manfred Pentz (CDU): Ja! Einheitsschule!)

Meine Damen und Herren, dieser Antrag zeigt das Menschenbild der SPD: Einheitsschule – Frau Ypsilanti lässt grüßen –, Abitur. Kollege Boddenberg hat das auch in dieser Plenarrunde bereits zitiert: Führt der Weg nicht zum Abitur, führt er nach unten.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Was soll das denn jetzt?)

Dann komme ich direkt zu Punkt 2 in Ihrem Antrag.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Würden Sie das bitte noch einmal wiederholen?)

Sie kennen das Zitat von der Kollegin Ypsilanti; sonst können Sie sie einmal persönlich ansprechen. – Antrag, Punkt 2: Jedes Kind soll zu einem Abschluss geführt werden. – Ja, das machen wir, und zwar sehr erfolgreich. Mit höchster Intensität führen wir die Jugendlichen zum Abschluss.

Im Jahr 1999 haben 20 % der ausländischen Schülerinnen und Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen. Heute sind dies nur noch 8 %. Wir erkennen, wie erfolgreich wir sind. In diesem Bereich sind wir besser als jedes andere Bundesland. Der Grund dafür ist unser bewährtes gegliedertes Schulsystem mit flexiblen und bedarfsgerechten Ganztagsangeboten.

Sie fordern einen Abschluss für alle. Ich bin dabei, wenn Sie fordern, dass wir möglichst viele zum Abschluss führen.

Sie sagen aber nichts zur Qualität. Wollen Sie Abschlüsse ohne Leistung? Wollen Sie Abschlüsse ohne Qualitätsbegründung, ohne Sitzenbleiben und ein Abitur für alle?

(Zuruf: Ja!)

Ich weiß. – Unter Punkt 4 Ihres Antrags sprechen Sie von einem „Flickenteppich“ beim Ganztagsangebot. Ich kann Ihnen nur sagen: Der Pakt für den Nachmittag ist das größte und erfolgreichste Ganztagsprogramm, das es in Hessen jemals gab. Andere Bundesländer schauen sich das genau an.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir vermessen nicht das ganze Land mit einer Elle, sondern wir machen beides. Beim Pakt für den Nachmittag sind 600 Schulen dabei. Außerdem sorgen wir dafür, dass rhythmisierte teilgebundene Angebote vorgehalten werden.

Auch wenn Sie es noch 300-mal sagen, aber es ist schlicht nicht wahr, wie Sie es behaupten, dass Anträge nicht genehmigt würden. Das Kultusministerium hat keinen einzigen Antrag abgelehnt, der auf eine Erhöhung auf Profil 3 abzielt.

Wir stehen zum Prinzip der Freiwilligkeit und zum Prinzip der Auswahlmöglichkeiten für die Eltern, je nach ihren individuellen Bedürfnissen. Das erreichen wir durch eine stetige Verbesserung individueller Bildungschancen. Gleichzeitig gewährleisten wir damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Schauen wir uns einmal an, wie sich das Ganze entwickelt hat: Vor neun Jahren hatten wir ca. 1.000 Lehrer, die dem Bereich Ganztagsangebote zugewiesen waren, heute sind es etwa 3.000 Lehrer. Das ist eine knappe Verdreifachung innerhalb von neun Jahren. Das zeigt unsere Prioritätensetzung.

Die Zahl der Schulen, die derzeit Ganztagsangebote vorhalten, liegt mittlerweile bei 1.100. Damit hat sich die Zahl der Schulen, die Ganztagsangebote machen, innerhalb von neun Jahren verdoppelt. Ich habe es eben schon gesagt: Zwei Drittel aller Schulträger sind beim Pakt für den Nachmittag dabei. Das zeigt, wie attraktiv dieses Angebot ist.

Kommen wir zur IGLU-Studie, Herr Kollege Degen. In dieser Studie steht unter anderem: Der Prozentsatz der lesestarken Schüler ist von 8,6 % auf 11,1 % gestiegen. Wir sind stolz darauf, dass die Zahl der lesestarken Schülerinnen und Schüler zunimmt. Das ist hervorragend. Das schließt aber nicht aus und ist überhaupt kein Widerspruch dazu, dass wir individuell und sehr erfolgreich fördern, und zwar mit Vorlaufkursen, mit Deutsch-Intensivkursen, mit einer sozial indizierten Lehrerzuweisung und auch mit quop. Damit gewährleisten wir beste Bildungschancen in Hessen.

Herr Kollege Degen, ich muss Sie einmal enttäuschen: Von den 28 Ländern in der Europäischen Union hat Deutschland historisch gesehen und seit ganz, ganz vielen Jahren die niedrigste Jugendarbeitslosenquote, die in diesem Jahr auf einen Tiefstand von 6,6 % gesunken ist. Das heißt, unser Bildungssystem führt in keine Sackgasse. Unser Bildungssystem gewährleistet alles, bereits in der Kita beginnend, von der Grundschule über die weiterführenden Schulen – zum Teil in einem dualen Ausbildungssystem – bis hin zum Abitur und auf direktem Wege an die Universitäten, selbst für diejenigen, die nicht den direkten Weg über das Gymnasium genommen haben. Darauf sind wir sehr stolz.