Protokoll der Sitzung vom 31.01.2018

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wir reden hier über 45.000 registrierte Familien in Hessen, für die eine entsprechende Wohnung fehlt. Die bisherigen Förderprogramme haben nicht einmal ausgereicht, um die Sozialwohnungen auszugleichen, die aktuell aus der Sozialbindung fallen.

Ich will auch erwähnen, dass Hessen nach wie vor Schlusslicht beim Angebot von Wohnheimplätzen für Studierende ist. Gerade einmal für 6 % aller Studierenden steht ein Platz zur Verfügung.

Die Wohnungsnot ist also schon lange Realität an vielen Orten, während sich die Landesregierung dafür lobt, dass mehr gebaut wird. Ja, Sie bauen mehr – aber bei Weitem nicht so viel, wie nötig wäre. Man muss nur einmal in Frankfurt bei einem Wohnungsbesichtigungstermin dabei sein, um das zu erkennen.

Wir haben Ihnen in den Haushaltsberatungen immer wieder Vorschläge gemacht. Wir haben immer wieder gefordert, jährlich 10.000 neue Wohnungen zu schaffen. Das haben Sie immer alles abgelehnt.

Wir sind der Meinung, Wohnen ist ein Menschenrecht, und die Versorgung der Menschen mit Wohnraum ist zu wichtig, um sie dem Markt zu überlassen. In Städten wie Frankfurt sieht man auch, wohin das führt.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist richtig, dass viel gebaut wird; da haben Sie recht. Aber es wird jede Menge Unfug gebaut. Es entsteht immer mehr hochpreisiger Wohnraum, es entstehen immer neue Bürotürme, obwohl es in Frankfurt über 1,5 Millionen m² leer stehende Bürofläche gibt. Trotzdem werden immer weitere Büroräume gebaut. Eine der letzten freien Flächen im Europaviertel – das ist übrigens auch ein neuer Stadtteil – wird jetzt mit einem Büro- und Hotelturm bebaut.

In dem Frankfurter Stadtteil, in dem ich lebe, in Bockenheim, entsteht dort, wo bis vor Kurzem der AfE-Turm der Frankfurter Uni stand, ein Hochhaus mit Vier-Sterne-Hotel und mit Luxusapartments mit einem Mietpreis von bis zu 32 €/m², und in den oberen Etagen natürlich Eigentumswohnungen. In dem gesamten Areal des ehemaligen AfETurms entsteht keine einzige öffentlich geförderte Wohnung, aber dafür noch einige Bürogebäude. Für diejenigen, die es sich leisten können, gibt es dann auch noch einen Hundewaschplatz, damit die Hunde die teuren Apartments nicht verschmutzen – so sieht Bauen in Frankfurt in der Realität aus.

Zum Vergleich: Im Jahr 2016 hat die Stadt Frankfurt gerade einmal 88 neue Sozialwohnungen in der gesamten Stadt geplant. Allein in dem eben erwähnten Hochhausungetüm entstehen 187 hochpreisige Wohnungen, die sich kein Mensch leisten kann. 187 Wohnungen im Vergleich zu 88 Sozialwohnungen – und das, obwohl 47 % der Frankfurter Anspruch auf eine Sozialwohnung hätten.

Jetzt sage ich Ihnen einmal, was das Schlimmste an der ganzen Sache ist: Das Schlimmste ist, dass dies Grundstücke waren, die der öffentlichen Hand gehört haben, nämlich erst dem Land Hessen, dann wurden sie an die Stadt Frankfurt, an die ABG verkauft, die sie dann an In

vestoren verscherbelt hat. Das heißt also, es gab Grundstücke im Herzen der Stadt, und anstatt etwas Vernünftiges damit anzufangen, hat man sie für neue Bürotürme und hochpreisige Apartments verscherbelt.

(Beifall bei der LINKEN)

Klar, private Investoren wollen vor allem eines: möglichst viel verdienen. Und das tut man eben nicht, wenn man bezahlbare Wohnungen für Familien, Geringverdiener und Studierende schafft. Im Gegenteil haben wir die Situation, dass nicht selten diese Luxuswohnungen gar nicht als Wohnungen im eigentlichen Sinne – dass nämlich darin gewohnt wird – genutzt werden, sondern oftmals sind es Anlageobjekte, die auch noch leer stehen und nicht einmal genutzt werden.

Das ist doch ein Hohn: Während Eigentümer Gebäude leer stehen und verfallen lassen, werden Hartz-IV-Bezieher zu Umzügen gezwungen, nur weil ihre Wohnungen ein paar Quadratmeter zu groß sind. Das ist eine Schieflage auf dem Wohnungsmarkt, die dringend behoben werden muss.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es kann doch nicht sein, dass die einen mit Wohnungen spekulieren, während andere kaum noch ihre Miete zahlen können oder kein Dach über dem Kopf haben. Wenn man Spekulationen mit Boden einschränken will, dann darf man als Allererstes selbst nicht agieren wie ein Spekulant. Da zeigt sich doch die ganze Doppelzüngigkeit dieser Landesregierung, die hier den Mangel an bezahlbarem Wohnraum beklagt; denn wenn die öffentliche Hand einmal ein Filetgrundstück zum Entwickeln hätte, dann betätigt sie sich selbst als Spekulant.

Ich finde, das sieht man sehr schön am Umgang mit dem alten Polizeipräsidium in Frankfurt. Seit 15 Jahren steht das Gebäude leer und verfällt. Die Landesregierung hat immer wieder Mondpreise in die Welt gesetzt, die mit dem Grundstück erzielt werden sollten.

Jetzt wurde im vergangenen Jahr plötzlich die Immobiliensparte einer Großbank beauftragt, Investoren für das Gelände zu finden. Im Exposé ist von den Wünschen der Stadt Frankfurt, z. B. nach einer Turnhalle für die benachbarte Schule, überhaupt keine Rede. Der Wunsch nach gefördertem Wohnraum wird nur am Rande erwähnt. Verkauft wird weiterhin ein Grundstück für ein Hochhaus, obwohl die in der Stadt wirklich nicht gebraucht werden.

Ich hatte vor Kurzem eine Kleine Anfrage an die Landesregierung gestellt, die der Finanzminister beantwortet hat. Da sagt der Finanzminister:

Erscheint eine Veräußerung der Liegenschaft hierbei als die wirtschaftlichste Option, wird die Liegenschaft regelmäßig ausgeboten und veräußert. Die weitere Entwicklung der Liegenschaft ist dann Sache des Erwerbers im Rahmen des geltenden Baurechts. Dieser kann – erscheint es ihm wirtschaftlich sinnvoll – die Liegenschaft für den Wohnungsbau bzw. den öffentlich geförderten Wohnungsbau entwickeln.

Toll, Sie überlassen es dem Markt. Sie haben Grundstücke mit Zehntausenden Quadratmetern allein in Frankfurt in den letzten Jahren an Private verkauft und sagen dazu: Wenn es sich wirtschaftlich lohnt, können sie auch sozialen Wohnungsbau machen. – Genau in dem Wissen, dass

es sich natürlich nicht wirtschaftlich lohnt, heißt das, dass Sie genau wissen, was mit den Grundstücken passiert, die Sie verscherbeln.

Deswegen ist die erste Forderung: kein Verkauf von öffentlichen Grundstücken. Es kann doch nicht sein, dass öffentliche Grundstücke immer weiter ausverkauft werden, die nicht mehr sinnvoll genutzt werden können.

(Beifall bei der LINKEN)

Natürlich brauchen wir mehr Wohnungen in der öffentlichen Hand, weil sie eine mietpreisdämpfende Wirkung für den gesamten Wohnungsmarkt haben. Deshalb ist das Entscheidende die Zahl der Sozialwohnungen und nicht das, was Sie gerne anführen, dass wir Wohngeld hätten. Wohngeld heißt, dass bundesweit 17 Milliarden € im Jahr ausgegeben werden, und zwar als Umverteilung aus den öffentlichen Kassen zu privaten Eigentümern.

(Ulrich Caspar (CDU): Nein, zu den Mietern!)

Nein, natürlich nicht. – Sie können sich einmal ausrechnen, wie viele Sozialwohnungen man mit den 17 Milliarden € bauen könnte. Hier ist das Wohngeld nicht das richtige Instrument, sondern wir brauchen mehr Sozialwohnungen in der öffentlichen Hand.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Präsidentin, ein Letztes. In der Tat ist es enttäuschend, was die Große Koalition auch in diesem Bereich in ihrem Sondierungspapier festgehalten hat. Im Sondierungspapier heißt es: eine geringe Förderung, 2 Milliarden €, für die Förderung von sozialem Wohnungsbau; gleichzeitig gehen 2 Milliarden € in die Förderung von Wohneigentum. – Man muss sich vergegenwärtigen, dass 40 % der Bevölkerung überhaupt kein Vermögen haben.

Kollegin Wissler, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. – Sie haben kein Vermögen, oder sie haben Schulden. Diese Menschen werden kein Wohneigentum bilden können, ob mit staatlicher Förderung oder ohne. Das erinnert mich ein bisschen an den FDP-Politiker, der im Wahlkampf sagte: Wenn Sie arm sind, kaufen Sie sich doch ein Haus. Dann können Sie sich vor Altersarmut schützen. – Wir brauchen die Präferenz auf den sozialen Wohnungsbau, nicht auf die Förderung von weiteren Eigentumswohnungen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Für eine Kurzintervention hat Kollege Caspar das Wort.

Frau Präsidentin! Frau Wissler, ich habe mich aufgrund Ihrer Rede noch einmal gemeldet, weil Sie auf das Areal des früheren Polizeipräsidiums in Frankfurt eingegangen sind. Auch Herr Schäfer-Gümbel hatte das Thema erwähnt, und vorhin war nicht genügend Zeit, um etwas dazu zu sagen.

Zunächst einmal muss man wissen, dass das Planungsrecht, das die Stadt Frankfurt für dieses Areal jetzt rechtskräftig gegeben hat, eine rein gewerbliche Nutzung vorsieht.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das kann man ändern!)

Für die Idee, dass das Land als Eigentümer dort Wohnungen bauen könnte, müsste zunächst einmal das Planungsrecht durch die Kommune geändert werden.

(Zuruf des Abg. Gernot Grumbach (SPD))

Es wird einen Grund haben, warum die Kommune gesagt hat: An dem Standort in Frankfurt, wo der höchste Verkehr ist, ist die Wohnqualität nicht so gut, dass wir dort primär Wohnungen bauen, sondern dort soll eine gewerbliche Nutzung stattfinden.

Nun diejenigen, die die Kaufkraftschwächsten sind, die nicht in der Lage sind, sich am Wohnungsmarkt irgendeine Wohnung auszusuchen, in Form von geförderten Wohnungen, von Sozialwohnungen ausgerechnet dort hinzusetzen, wo sie der höchsten Verkehrsbelastung ausgesetzt sind – das kann auch nicht Ziel einer vernünftigen Politik sein.

(Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, deswegen meine ich: Natürlich ist es der Stadt Frankfurt unbenommen, das Planungsrecht dort zu ändern und eine gemischte Nutzung vorzusehen. Aber all das kann dann durch einen neuen Eigentümer erfolgen, der das umsetzt.

Noch ein Letztes. Sie kritisieren auf der einen Seite immer, dass die Kaufkräftigen in die Wohngebiete gehen, Stichwort: Gentrifizierung, und die anderen verdrängen. Insoweit macht es Sinn, dass die Kaufkräftigen eigene Wohnungen haben, womit sie eben nicht zur Gentrifizierung beitragen.

(Lachen bei der LINKEN)

Kollege Caspar, die zwei Minuten sind zu Ende.

Dass Sie das kritisieren, zeigt, dass Sie den Zusammenhang nicht verstanden haben.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der LINKEN)

Zur Erwiderung, Kollegin Wissler.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Caspar, ich gebe Ihnen erst einmal in einem recht: Nicht nur die Landesregierung, sondern auch die Stadtregierung in Frankfurt macht eine schlechte Wohnungspolitik. Da haben Sie auf jeden Fall recht.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Oberbürgermeisterwahlkampf!)