Protokoll der Sitzung vom 01.02.2018

Diese Förderung, die eine herausragende gemeinsame Leistung der Lehrkräfte der allgemeinen Schulen auf der einen Seite und der Beratungs- und Förderzentren auf der anderen Seite ist, wird seit Jahren von der Landesregierung auch mit einem großen Ressourceneinsatz unterstützt. Wir können das Ergebnis besichtigen. Es spiegelt sich nämlich beispielsweise in den KMK-Zahlen der Förderquote. Sie gibt darüber Auskunft, bei wie vielen Schülerinnen und Schülern in einem Bundesland ein Anspruch auf sonderpädagogische Förderung festgestellt wurde. Hier liegt Hessen auf einem sehr guten Platz. Das zeigt, unsere enormen Anstrengungen tragen Früchte, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schon jetzt werden in unserem Bundesland in der Sonderpädagogik mehr Stellen eingesetzt als je zuvor. Ich will ausdrücklich betonen, auch unsere Förderschulen leisten großartige Arbeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir versuchen, überall Inklusion möglich zu machen, wo dies möglich und sinnvoll ist. Wir halten deswegen auch am Ziel 1 des hessischen Aktionsplans fest und streben eine Förderschulbesuchsquote von 4 % an. Wir sind auf einem guten Weg, diese zu erreichen. Trotzdem haben unsere Förderschulangebote Bestand. Sie ermöglichen Eltern nämlich die Wahl, wie es in § 54 Abs. 1 Satz 2 des Schulgesetzes vorgesehen ist.

Die sonderpädagogische Expertise, die als Gesamtressource ausgebracht wird, umfasst mittlerweile 4.471,2 Stellen, also rund 4.500 Stellen. Darin sind die zweite Tranche für die inklusiven Schulbündnisse, die Nachsteuerung aufgrund gestiegener Schülerzahlen und die zusätzlichen Stellen enthalten, die aufgrund der neuen Arbeitszeitregelung in der Pflichtstundenverordnung nötig geworden sind.

Meine Damen und Herren, es gilt auch hier: Noch niemals hatten wir so viele Sonderpädagogen in unserem Schulsystem im Einsatz. Allein im Bereich der allgemeinen Schulen, in denen sich die Inklusion dann abspielt, haben wir die Zahl der eingesetzten Lehrkräfte innerhalb von fünf Jahren um über 50 % gesteigert. Dafür muss man zuerst einmal einen vergleichbaren Fall in Deutschland finden.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für das Schuljahr 2018/2019 sind 86 zusätzliche Stellen für die dritte Tranche der inklusiven Schulbündnisse vorgesehen. Mindestens 60 Stellen aufgrund des Anstiegs der Schülerzahlen vor allem in der Grundschule und im städtischen Raum sind fest eingeplant.

Ja, man kann sagen, wir haben so viele Stellen neu geschaffen, dass wir inzwischen – wie alle Bundesländer – tatsächlich Schwierigkeiten haben, sie komplett mit voll ausgebildeten Förderschullehrkräften zu besetzen. Aber auch darauf haben wir längst reagiert.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Genau!)

Seit Anfang 2015 werden von der Hessischen Lehrkräfteakademie Lehrerinnen und Lehrer anderer Bildungsgänge

zu Lehrkräften mit der Befähigung zum Lehramt an Förderschulen weitergebildet.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Genau!)

Wir stocken die Kapazitäten gerade noch einmal erheblich auf.

Als langfristige Maßnahme erhöhen wir außerdem die Ausbildungskapazitäten an unseren Hochschulen und rüsten uns damit auch für die Bedarfe der Zukunft. Das haben wir schon in der vorherigen Debatte angesprochen.

Meine Damen und Herren, die Vorbereitung auf inklusive Bildung an Schulen gehört in Hessen inzwischen zum Standard für alle drei Phasen der Lehrerbildung. Die Verankerung des Inklusionsbezugs in allen Lehrämtern wird weiter ausgebaut. Ja, auch da sind wir noch lange nicht am Ende des Weges. Da werden wir noch weitere Anstrengungen unternehmen müssen.

Schließlich stärken auch die 700 Sozialpädagogen, die wir nach der Verabschiedung des Haushalts dieses Jahr an die Schulen bringen werden, das allgemeine Unterstützungssystem für unsere Lehrkräfte.

Aber um die bestmögliche Förderung, die bestmögliche Unterstützung für eine betroffene Schülerin oder einen betroffenen Schüler zu erreichen, ist es von großer Wichtigkeit, den geeigneten Förderort für jedes einzelne Kind zu bestimmen. Diese Entscheidungen werden jetzt in den neu entstandenen und ab dem nächsten Schuljahr flächendeckend in Hessen eingeführten inklusiven Schulbündnissen getroffen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an diesen inklusiven Schulbündnissen werden in den Konferenzen jährlich entsprechend der Bedarfslage die Standorte für den inklusiven Unterricht festlegen. Dabei gilt es, die möglicherweise unterschiedlichen Interessenlagen der Eltern, der Schule und des Schulträgers im Sinne und zum Wohle des Kindes zu berücksichtigen.

(Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vor- sitz.)

Das Konzept der inklusiven Schulbündnisse ermöglicht den Akteuren vor Ort, die naturgemäß mit Wissen bezüglich der lokalen Gegebenheiten ausgestattet sind, Handlungsspielraum, und es verlangt gleichzeitig Eigenverantwortung. Dabei kommt es auf folgende Merkmale an, die ich dann doch noch einmal abschließend zusammenfassen möchte:

Erstens. Alle Schulen befinden sich in Kooperation mit anderen Schulen, mit sonderpädagogischen Beratungs-, Unterstützungs- und Bildungseinrichtungen, um die Aufgaben zu klären, die Anforderungen zu bewältigen und inklusive Bildung gemeinsam mit allen weiteren Partnern umzusetzen.

Zweitens. Die Eltern können darauf vertrauen, dass die Bildungsbeteiligung ihrer Kinder von der Schulanmeldung bis zum bestmöglichen Schulabschluss und anschließenden Übergang in das Studium oder in die Berufs- und Arbeitswelt verlässlich im Blick ist. Denn in dem inklusiven Schulbündnis haben sie die Gewissheit darüber, an welcher Schule ihr Kind die beste individuelle Beschulung, Förderung, Begleitung und Unterstützung auf dem Weg zu einer möglichst selbstständigen Teilhabe an der Gesellschaft erfährt.

Drittens. Die Flexibilisierung der Ressourcen bei der Stellenverwendung eröffnet den inklusiven Schulbündnissen

unter Kenntnis und Nutzung der regionalen Gegebenheiten prinzipiell die Möglichkeit, den bestmöglichen Förderort für die betreffenden Schülerinnen und Schüler unter Berücksichtigung des Wahlrechts der Eltern zu finden und die Lehrkräfte optimal einzusetzen. Damit vermeiden wir zugleich, Anreize für eine unnötige Etikettierung von Kindern zu geben.

Das mündet schließlich in den vierten Punkt, nämlich dass innerhalb des inklusiven Schulbündnisses verlässliche Vereinbarungen getroffen werden, wie Schülerinnen und Schüler mit vorbeugenden Maßnahmen unterstützt werden können und wie Schülerinnen und Schüler, die einer sonderpädagogischen Förderung bedürfen, von der 1. Klasse bis zum Erreichen des bestmöglichen Schulabschlusses beschult werden können. Dazu gehört ausdrücklich auch die Zuweisung von Förderschullehrern an möglichst nur eine Schule – um die Frage des Abg. Degen zu beantworten. Aber wir sind ja noch mitten im Prozess, die inklusiven Schulbündnisse zu implementieren. Deswegen ist dieses Ziel natürlich im Moment noch nicht überall erreicht; aber wir verfolgen es weiter. Die inklusiven Schulbündnisse sind unser Mittel dafür. Das ist die Leitlinie, nach der die Kooperationsvereinbarungen und die Absprachen in den inklusiven Schulbündnissen erfolgen. Meine Damen und Herren, Sie werden sehen: Es wird auch dazu kommen.

Die Neustrukturierung der Arbeit der Beratungs- und Förderzentren findet ihren Abschluss im nächsten Schuljahr mit der landesweiten Implementierung der inklusiven Schulbündnisse, weil die letzten natürlich noch ein bis zwei Jahre brauchen, damit die Konferenzstrukturen auch wirklich arbeitsfähig sind. Aber bereits jetzt sind alle allgemeinbildenden Schulen einem regionalen Beratungs- und Förderzentrum zugeordnet. Damit tragen wir dem Auftrag der UN-Behindertenrechtskonvention Rechnung, alle am Umsetzungsprozess zu beteiligen.

Meine Damen und Herren, ich will zum Abschluss noch einmal betonen: Inklusion ist eine gesamtgesellschaftliche und – ich würde auch sagen – generationenübergreifende Aufgabe, die uns alle vor große Herausforderungen stellt, die niemand alleine bewältigen kann und bei der niemand alleine gelassen werden darf: nicht die Kinder, nicht die Eltern, nicht die Schulen und auch nicht die Städte, Gemeinden und Landkreise. Wir als Landesregierung stellen uns diesem auf Jahre angelegten kooperativen Prozess. Wir gehen mit Augenmaß, viel Kraft, Zeit und Ressourcen hinein und haben zudem die Geduld, ihn langfristig zu begleiten. Unser Ziel ist es, die Inklusion schrittweise mit Qualität voranzubringen und dabei stets am einzelnen Kind anzusetzen. Das heißt deshalb auch, Förderschulen zu erhalten und die Wahlmöglichkeit zwischen inklusiver Beschulung und dem Besuch einer Förderschule zu bewahren.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bis zum Schuljahr 2019/2020 werden durch die Implementierung der inklusiven Schulbündnisse flächendeckend in Hessen für alle Schulen die verbindlichen Rahmenbedingungen für die inklusive Arbeit geschaffen sein. Dann können auch die notwendigen Anpassungen und Veränderungen von Organisationsformen, Konzepten und Strukturen an den einzelnen Schulen erfolgen.

Inklusion ist ein Prozess, der nur langfristig angelegt werden und nur langfristig zum Erfolg führen kann. Aber, mei

ne Damen und Herren, wir haben ein Konzept dafür. Das bescheinigt uns erfreulicher- und angenehmerweise ausgerechnet die Friedrich-Ebert-Stiftung, der man ja nun nicht unbedingt nachsagen kann, dass sie ein besonderes Interesse daran hätte, schwarz-grüne Politik zu loben. Sie übt auch genug Kritik im Einzelnen; das ist völlig klar. Aber in ihrer Publikation zum „Ländervergleich Inklusive Bildung in Deutschland“ 2017 erklärt sie immerhin: Im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern hat Hessen ein Konzept zur Inklusion.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, da hat sie recht. Wir haben ein Konzept. Das ist auch die Grundlage dafür, dass wir zuversichtlich in die auch weiterhin nicht einfache und herausfordernde Zukunft auf diesem Sektor sehen können. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 14 ist damit durchgeführt.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 15 auf:

Große Anfrage der Abg. Decker, Alex, Di Benedetto, Gnadl, Merz, Dr. Sommer, Roth (SPD) und Fraktion betreffend Arbeitsschutz und Mindestlohn – Drucks. 19/5117 zu Drucks. 19/4731 –

Dazu erteile ich Herrn Abg. Decker für die SPD-Fraktion das Wort. Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten pro Fraktion. Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal vielen Dank an die Landesregierung für die Beantwortung der umfangreichen Großen Anfrage. Sie enthielt, wie Sie sehen, eine große Anzahl von Fragen, die auch Auskünfte bei anderen Behörden, unter anderem bei der FKS, erforderlich gemacht haben.

Ich will eingangs verdeutlichen, warum wir diese Anfrage zum Arbeitsschutz und zur Einhaltung des Mindestlohns gestellt haben und warum sie für uns so wichtig ist. Es ist Fakt, dass eine ungünstige Arbeitsplatzgestaltung und schlechte Arbeitsbedingungen die Gesundheit der Beschäftigten beeinträchtigen. Es ist auch Fakt, dass schlechte Arbeitsbedingungen auch zu schlechteren Arbeitsergebnissen führen. Meine Damen und Herren, das kann auch nicht im Interesse der Arbeitgeber liegen.

(Beifall bei der SPD)

Trotz alledem müssen wir immer wieder Verstöße gegen die einschlägigen Schutzvorschriften feststellen. Sicher geschieht dies in den verschiedenen Fällen in Unkenntnis der zugegebenermaßen nicht ganz unkomplizierten und vielfältigen Gesetzesmaterie. Aber in vielen Fällen haben wir es mit einer gezielten und bewussten Umgehung von Schutzvorschriften zu tun, und zwar in aller Regel zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Das gilt vor allem, wenn es um den Mindestlohn oder um die Schwarzarbeit geht. Auch hier muss allen klar sein, dass die Einhaltung der Vorschriften des Mindestlohns und zur Vermeidung von Schwarzarbeit ebenfalls den Interessen der Beschäftigten und der Arbeitgeber dient.

(Beifall bei der SPD)

Für Arbeitgeber, die sich an Mindest- bzw. Tariflöhne halten, ist dies ein Schutz vor Dumpinglohnkonkurrenz. Für Beschäftigte ist dies ein Schutz vor unakzeptablen und unzumutbaren Niedrigstlöhnen. Meine Damen und Herren, die Unterschreitung von Mindestlöhnen durch Schwarzarbeit können und dürfen wir nicht tolerieren.

(Beifall bei der SPD)

Das darf auch nicht durch eine mangelnde Durchsetzung der Gesetze oder mangelnde Kontrolle gefördert werden. Wie wichtig Kontrolle ist, zeigen uns aktuelle Erkenntnisse bzw. Anlässe, auf die ich später noch einmal kurz zurückkommen werde.

Zuvor will ich noch einige Anmerkungen zur Beantwortung unserer Großen Anfrage machen. Sie haben unter anderem dargelegt, wie Sie die Wahrnehmung der gesetzlichen Überwachungspflichten organisieren und versuchen, diese effizient und zielgerichtet auszuüben. Allerdings sind Sie nicht weiter auf unsere Frage eingegangen, ob Sie Verbesserungsbedarf in der Ausstattung der zuständigen Dienststellen sehen. Damit ist im Übrigen auch die Personalausstattung gemeint.

Auf unsere Frage, in welchen Abständen Kontrollen durchgeführt werden, haben Sie geantwortet:

Der Abstand der Kontrollen in den Jahren 2012 bis 2016 könnte nur aus Einzelauswertungen jeder einzelnen überwachten Betriebsstätte ermittelt werden. Dieser Aufwand ist nicht leistbar.