Protokoll der Sitzung vom 01.02.2018

Auch die Sicherstellungsrichtlinie der KV geht darauf ein. Es gibt große strukturelle Unterschiede innerhalb Hessens. Deswegen ist der Strukturfonds der KV gut, um Rahmenbedingungen zu verbessern und die Attraktivität zu steigern. Aber auch hier vermisse ich Ihren originären und proaktiven Einsatz.

Wie sieht die Situation nicht nur in den Praxen, sondern auch in den Krankenhäusern aus? Meine Damen und Herren, da sieht es genauso aus: Bedarf an allen Ecken und Kanten. Wenn man dann schaut, dass viele Krankenhäuser rote Zahlen schreiben, müssen wir uns doch fragen, wie wir das stabilisieren können. Was ist mit Schwerpunktbildung, was ist mit Verbundbildung? – Da sind wir in Hessen noch nicht weit vorangekommen.

(Beifall bei der SPD)

Sicherlich hören wir gleich wieder, dass das nicht in Ihrer Verantwortung liegt. Warum können wir die Krankenhäuser gerade in ländlichen Regionen nicht besser unterstützen? – Natürlich gibt es den Sicherstellungszuschlag, aber auch hier ist noch weiterer Handlungsbedarf gegeben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Sie überprüfen derzeit die Angebotsstruktur im Rahmen der Fortschreibung des Krankenhausplans, so die Beantwortung. Haben Sie schon Ergebnisse? Wenn nicht, wann sind sie fertiggestellt? Was wollen Sie mit den Ergebnissen tun, auch beispielsweise mit den Erkenntnissen der Konferenzen zu regionalen Versorgungsstrukturen?

Viele Fragen wurden gestellt. Sie wurden teilweise unzureichend, man könnte sagen: ideenlos oder auch restriktiv, beantwortet. Aus der Beantwortung selbst ergeben sich neue Fragen. Ein Plan und ein Gesamtkonzept sind leider für uns als SPD-Landtagsfraktion nicht zu erkennen, meine Damen und Herren. Herr Minister, vielleicht können Sie Ihre Linien und das Gesamtkonzept aufzeigen.

Wissenschaftliche Expertisen lassen den Schluss zu, dass ein hoher Bedarf an einem sektoren- und berufsübergreifenden systematischen und evidenzbasiertem Versorgungsmix besteht. Meine Damen und Herren, in einem solchen Versorgungsmix müssen die Akteure aus verschiedenen Sektoren lokale sowie indikations- und populationsbezogene Netzwerke zur Sicherstellung als Intervention bzw. Adaption neuer sozialer Praktiken und Innovationen entwickeln. Nur so kann künftig eine hohe Versorgungsqualität gewährleistet werden. In Hessen haben wir Nachholbedarf – auch wenn es schon MVZs gibt. Aber wir müssen jetzt für morgen und übermorgen vorsorgen und brauchen einen Plan.

Lassen Sie uns also keine Zeit mehr verlieren und endlich anfangen, zu handeln. Wir brauchen ein ganzheitliches Versorgungskonzept – multiprofessionell, interdisziplinär, flächendeckend, mit gut ausgestatteten Einrichtungen und gut ausgestatteten Fachkräften. In der Praxis, das hat die Große Anfrage gezeigt, wird schon viel getan. Herzlichen Dank an alle Akteure, die dort unterwegs sind. Dort erwachsen viele Ideen. Lassen Sie uns diese besser unterstützen, fördern und vor allen Dingen in der Fläche ausbreiten. Wir brauchen validierte Versorgungsatlanten. Sie haben diese versprochen. Setzen Sie also Ihre Versprechen um. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Nächste Wortmeldung, Herr Abg. Rock, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Große Anfrage der SPD wirft ein Licht auf die Situation der Gesundheitsversorgung in unserem Land, speziell in der ländlichen Region. Sie zeigt noch einmal auf, welche Maßnahmen von der Landesregierung ergriffen worden sind. Diese Maßnahmen sind auch noch einmal dargestellt. Wir wissen, was die KV Hessen in diesem Bereich auf den Weg gebracht hat.

Diese Große Anfrage macht aber auch noch einmal deutlich, wie problematisch es ist und wie eingeschränkt die Instrumente sind, eine Ärzteverteilung in einem Land zu organisieren – eine Ärzteverteilung, die grundlegend erst einmal darauf basiert, dass man Menschen finden muss, die diese hoch qualifizierte Ausbildung absolviert haben und bereit sind, diese Tätigkeit in gewissen Regionen auszuüben.

Was in dieser Anfrage auch eine Rolle spielt oder was man wissen muss, ist, dass sich dieser einmal festgestellte Bedarf an dem Istzustand orientiert. Das muss einem klar sein, wenn man sich solche Anfragen anschaut und sich über die Verteilung von Ärzten Gedanken macht.

Ein wichtiger Aspekt ist die Veränderung der Ärzteschaft an sich. Der klassische Landarzt, den man aus der einen oder anderen Fernsehserie kennt, wird in Zukunft so überhaupt nicht mehr existieren, weil sich die Berufsausübung verändert hat. Wir wissen, dass der Beruf deutlich stärker von Frauen ausgeübt wird – es gibt das Gerücht, weil sie die besseren Voraussetzungen für den Numerus clausus erfüllen. Das ist statistisch festzustellen. Auf jeden Fall spielen auch die Fragen, wie dieser Beruf ausgeübt werden soll und wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist, eine Rolle. Wie in allen Berufsbildern wird auch dem Stellenwert der Freizeit eine größere Rechnung getragen.

Das ist nicht nur im Arztberuf so. Dort ist es, weil dieser Beruf stärker Berufung als Beruf ist, deutlicher. Auch ein Arzt will heute sagen, dass er auch eine Privatheit und eine geregelte Arbeitszeit haben will. Gerade als Hausarzt im ländlichen Bereich ist das etwas, was man früher in dieser Form vielleicht nicht ausgeprägt gesehen hat.

Darum sind Bedarfszahlen noch einmal ganz besonders mit Vorsicht zu genießen. Denn ein Arzt auf dem Land macht im Gegensatz zu früher heute bei der Bereitstellung von Arztstunden vielleicht einen Unterschied. Das wollte ich noch einmal in Erinnerung rufen. Der Ansatz, den die Hessische Landesregierung hier zugrunde legt, zu sagen, dass es vor allem auch um das Umfeld und die Bereitstellung von mehr als nur ökonomischen Ressourcen geht, spielt auch eine große Rolle.

Ich habe allerdings auch noch nicht die Wundertüte gesehen, mit der man das Problem einfach aus der Welt schaffen kann. Wir werden dauerhaft an dem Thema arbeiten müssen. Ich finde auch diese Überlegung, ein Stipendium für Medizinstudenten einzuführen, um auch noch einmal einen Anreiz für diese Tätigkeit zu setzen, einen guten Ansatz.

Aber es wird auch eine große Rolle spielen, wie künftig die Handlungen vergütet werden und wie die medizinische Ar

beit vergütet wird. Das liegt nicht in unserer Hand. Das ist ein Problem. Wir müssen einfach feststellen, dass wir als Land wichtige Stellschrauben nicht selbst steuern können. Ich glaube, dass dieser Frage, ob man diese Tätigkeit besonders honoriert, auch eine besondere Rolle zukommt.

(Beifall bei der FDP)

Ärzte sind oft auch auf einen Anteil an Privatpatienten angewiesen. Sie sind auf Gemeinschaftspraxen angewiesen. Sie sind auf eine medizinische Infrastruktur um ihre Praxis angewiesen. Wir stellen immer wieder fest, dass es zu Konzentrationen von ärztlichen und medizinischen Dienstleistungen kommt: Krankenhaus, Apotheke, Ärztehaus und Pflegeeinrichtungen. Das alles spielt eine Rolle dabei, wie hier Strukturen entstehen. Darum bedarf auch die Netzwerkbildung im ländlichen Raum einer besonderen Aufmerksamkeit. Da könnte man auch noch einmal viel konkreter hinschauen.

Die Fragen, die Sie zum Bereich Demenz gestellt haben, würden auch noch ein genaueres Hinschauen erfordern, vielleicht auch noch einmal mit einer Anfrage. Oder vielleicht könnte man auch noch eine andere Überlegung bringen. Vielleicht können wir noch eine Anhörung zu diesem Thema machen. Da stellt sich ganz speziell auch die Frage, wie man im Bereich Krankenhaus mit diesem Thema umgeht. Ich glaube, man hat jetzt gute Ansätze in der Pflegeversicherung gefunden. Dieses Thema wird uns allerdings immer stärker in Anspruch nehmen. Das war noch eine Lücke – nein, „Lücke“ ist übertrieben. Aber das ist ein Thema, das man aus unserer Sicht noch einmal vertiefen sollte.

Natürlich habe ich, als ich mir die Anfrage angeschaut habe, auch nicht erwartet, dass wir daraus schon die letztendliche Lösung ableiten können. Nichtsdestotrotz zeigt es, dass Handlungsbedarf da ist. Allerdings gibt es auch schon Versuche, entsprechend entgegenzuwirken. Mich würde besonders freuen, wenn da die Ärzteschaft und die Landesregierung vielleicht noch ein Stück enger zusammenarbeiten könnten, um ihre Modelle und Überlegungen besser abzustimmen. Das wäre vielleicht noch ein kleiner Hinweis, den ich am Ende hier geben möchte.

(Beifall bei der FDP)

Ansonsten bleibt uns hier, immer zu beobachten, wie die eingeleiteten Maßnahmen wirken, wie die Netzwerke aufgebaut werden können, wie wir auf die Herausforderungen der Veränderungen des Arztberufes bessere Antworten geben können. Da spielen auch die Kommunen eine Rolle – weniger als Chef des Arztes als vielmehr aufgrund der Frage, was sie an Infrastruktur dafür bieten können, um Ärzten auch dauerhaft eine Möglichkeit zu geben, dass sie sagen, dass sie dort arbeiten möchten.

Das ist die Erkenntnis, die wir aus dieser Anfrage ziehen. Sie hat uns nicht in vielen Bereichen überrascht, aber sie hat noch einmal Überlegungen detailliert unterlegt, die wir hatten. Von daher vielen Dank für die Anfrage und vielen Dank für die Beantwortung. Das Thema bleibt auf der politischen Agenda. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Nächste Wortmeldung, Herr Abg. Dr. Bartelt für die CDUFraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass nach langer Zeit diese Große Anfrage jetzt im Parlament Gegenstand der Beratungen wird, weil hier ein sehr wichtiges Thema zentral behandelt werden kann, nämlich die Versorgung im ländlichen Raum. Wir haben die Gelegenheit, die Leistungen der Landesregierung und der Regierungsfraktionen hier stichpunktartig darzulegen.

Ich stimme den Vorbemerkungen der Antragsteller völlig zu, die in ihrer Einleitung gesagt haben, dass es mehr niedergelassene Medizinerinnen und Mediziner als je zuvor gibt und dass dennoch im ländlichen Raum ein riesengroßer Bedarf besteht, ganz besonders im hausärztlichen Bereich.

Es ist schon einmal gut, dass man in der Beschreibung des Problems hier einer Meinung ist. Der Anteil der finanziellen Mittel für die hausärztliche Versorgung ist im Laufe der Jahrzehnte gleich geblieben bzw. hat sich auch entsprechend der Kostensteigerung angepasst. Das heißt, es ist nicht primär ein Problem der finanziellen Mittel, sondern es ist das Problem der massiven Fehlverteilung zugunsten der Ballungsgebiete und der wohlhabenden Stadtteile in den Großstädten und zulasten des ländlichen Raumes.

Hier möchte ich einige Punkte stichpunktartig nennen, wie wir die Probleme sehen und was Landesregierung und regierungstragende Fraktionen hier getan haben.

Verehrte Frau Dr. Sommer, ich kann Ihnen nicht ganz zustimmen, wenn Sie sagen, dass wir hier ideenlos sind und dass wir die Fragen restriktiv beantwortet hätten. Wir haben da doch schon auf eine Leistungsbilanz zurückblicken können. Ich möchte das jetzt in einigen Punkten benennen.

Erstens. Es ist ganz wichtig, junge Medizinerinnen und Mediziner für den ländlichen Raum überhaupt zu motivieren.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Da haben wir einiges getan, indem wir Anreize geben, dass die Pflichtpraktika, die sogenannten Famulaturen, entsprechend finanziell unterstützt werden.

Der zweite Punkt ist Folgender: Daran sind Sie auch auf Bundesebene beteiligt. In der Medizinerausbildung ist im Rahmen des Masterplans 2020 ein Pflichtmodul im praktischen Jahr eingeführt worden, das in den Praxen und besonders im ländlichen Raum stattfinden soll, sodass erste Kontakte zwischen den Studenten in der Endphase des Studiums und den niedergelassenen Ärzten geknüpft werden können. Das wird in der Praxis sehr viel bedeuten.

Weiterhin haben wir die Lehrstühle an den Universitätskliniken in Frankfurt und Marburg gestärkt, die die Studentinnen und Studenten für die Allgemeinmedizin interessieren sollen und auch später bei ihrer Tätigkeit begleiten.

Dritter Punkt. Das liegt schon einige Jahre zurück. Aber ich möchte es gern erwähnen, weil sich jetzt die Wirkung dort zeigt. Wir haben die Zulassungsbezirke für die ärztliche Versorgung verkleinert. Wir haben die Zulassungsbezirke vermehrt und sie gleichzeitig verkleinert. Es gab früher in Hessen 27 Zulassungsbezirke. Es gibt heute 65 Zulassungsbezirke. Das heißt, dass bei dem Inhaberwechsel die Gefahr der Zentralisierung nicht mehr so groß ist. Das beginnt zu wirken.

Vierter Punkt. In Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Vereinigung und den gesetzlichen Krankenkassen wurde der Pakt zur Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung initiiert. Er wurde dann auch erneuert. Es ist sehr bedauerlich, dass sich die Kassenärztliche Vereinigung aus sachfremden Gründen derzeit etwas zurückgezogen hat. Aber wir sind optimistisch, dass wir sie dann auch wieder überzeugen können, sich daran zu beteiligen, dass in den mangelversorgten Gebieten finanzielle Anreize zu Neugründungen bzw. zur Übernahme einer Praxis gegeben werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Fünfter Punkt. Wir starten eine Initiative zur Digitalisierung in der ambulanten medizinischen Versorgung. Das kommt ganz besonders dem ländlichen Raum zugute, weil dann die Kommunikation zwischen Hausarzt, Fachärzten und medizinischem Assistenzpersonal gefördert wird. Das stärkt die Qualität der medizinischen Versorgung, besonders im ländlichen Raum.

Sechstens. Wir haben Haushaltsmittel eingestellt, um medizinisches Assistenzpersonal zu finanzieren, das in Delegation vom Hausarzt aus Hausbesuche durchführen kann, um den Krankheitsverlauf bei einem Patienten im Rahmen eines Hausbesuchs beobachten zu können und so die Versorgung zu verbessern.

Siebtens. Regionale Gesundheitsnetze werden auch vom Land gefördert, um damit die Zusammenarbeit zwischen der ärztlichen Tätigkeit, der pflegerischen Tätigkeit und der sozialpsychologischen Versorgung zu stärken, weil ja alles irgendwie miteinander zusammenhängt.

Achtens. Durch die entsprechende Bundesgesetzgebung, an der Sie auch beteiligt sind – die Gesetzgebung der letzten Großen Koalition auf diesem Gebiet war gar nicht so schlecht –, soll die Möglichkeit geschaffen werden – nicht nur die Möglichkeit, sondern die Verpflichtung –, im Bereich der überversorgten Gebiete bei Praxisaufgabe zu prüfen, ob gegen Entschädigung ein entsprechender Kassenarztsitz eingestellt werden kann.

Das ist ein sehr schwieriges Thema, die Diskussionen sind auch nicht unproblematisch – das sage ich durchaus als Stadtkind und Mediziner –, aber diese Diskussionen müssen aufgrund der Gesamtverantwortung besonders gegenüber den Patienten im ländlichen Raum geführt werden.

Ich glaube schon, dass wir auf Landesebene und durchaus auch auf Bundesebene hier sehr viele Dinge geschaffen haben, die mittel- und langfristig die Versorgung im ländlichen Raum verbessern werden. Insofern kann ich der Bewertung „ideenlos“ und „restriktiv beantwortet“ nicht ganz zustimmen.

Ich hoffe, Sie ein wenig überzeugt zu haben. Ich erkenne sehr wohl Ihre Rolle als Opposition an. Aber die Fakten sprechen doch dagegen. Wir haben einiges getan, das wird Wirkung zeigen, und die Versorgung mit der ambulanten Medizin wird sich im ländlichen Raum auch verbessern.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich stimme René Rock völlig zu: Es gibt keine Wundertüte, es gibt kein Patentrezept, und wir können auch nicht sagen, dass das Problem in einer kurzen Zeiteinheit gelöst wird. Aber wir sind hier wirklich auf einem guten Weg, und wir müssen die Sache im Sinne der Patientinnen und