Das Unterlaufen des Mindestlohns findet sich besonders häufig im Hotel- und Gaststättengewerbe – 38 % – und im Einzelhandel: 20 %. Ich will nur darauf hinweisen, dass das genau die Branchen sind, die die größten Probleme haben, Auszubildende zu finden. Das ist angesichts dieser Zahlen auch nicht verwunderlich.
Deswegen sind gesetzliche Regelungen auch immer nur so gut wie die Kontrollen zu ihrer Einhaltung. Sie nutzen nämlich nichts, wenn man den Mindestlohn unterlaufen kann. Das gilt selbstverständlich auch für den Arbeitsschutz. Die Einhaltung des Arbeitsschutzes ist wichtig, um die Gesundheit der Menschen zu schützen, also um Arbeitsbedingungen zu garantieren, die die Menschen nicht krank machen.
Aber wenn man überhaupt keine Gefahr läuft, kontrolliert zu werden, und wenn keine Betriebsräte vorhanden sind, die sich darum kümmern – es gibt etliche Unternehmen, die keine haben –, ist das ein Recht, das zwar auf dem Papier steht, aber an vielen Stellen nicht verwirklicht wird. Deswegen ist es entscheidend, dass wir darüber reden: Wie können wir dafür sorgen, dass die Regelungen zum Mindestlohn, aber auch die zum Arbeitsschutz eingehalten werden?
Ich finde, gerade beim Mindestlohn muss man auch darüber reden, Schlupflöcher zu stopfen, auch weil es die Kontrolle viel einfacher macht. Auch das ist ein Grund, warum wir die Ausnahmetatbestände immer wieder kritisiert haben: weil es dann viel schwieriger ist, zu kontrollieren, ob der Mindestlohn eingehalten wird.
Deswegen ist das eine der entscheidenden Fragen. Wenn es einen Personalmangel gibt, sodass ausreichende und flächendeckende Kontrollen faktisch überhaupt nicht möglich sind, liegt genau da das Problem. Es ist gut, dass der gesetzliche Mindestlohn eingeführt worden ist.
Herr Reif, wenn ich mir das anschaue, was Sie da auf dem Tisch haben, muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen: Sie sind im Landtag. Was haben Sie da? Ist es ein Hähnchen, was Sie vor sich auf dem Tisch haben? Es macht Ihren Zwischenruf nicht seriöser, dass Sie sozusagen hinter einem gebratenen halben Hähnchen sitzen.
Entschuldigung, ich bin eine totale Spaßbremse. Ja, bitte, soll er doch hinter seinem Hähnchen sitzen.
Dass ich aber niemanden ganz ernst nehmen kann, der hinter einem Kuscheltierhähnchen Zwischenrufe macht, kann mir jetzt auch keiner vorwerfen.
Wir haben heute erfahren, dass der Innenminister gar nicht als Minister, sondern als „Gockel“ gesprochen hat, denn so heißt der Karnevalsverein; von daher sei Ihnen auch Ihr Gickel gegönnt. – In diesem Sinne vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und der SPD – Clemens Reif (CDU): „Helau“, kann ich dazu nur sagen!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch Hähnchenbratereien werden entsprechend den Arbeitsschutzbestimmungen untersucht und besucht; und auf die Einhaltung der entsprechenden Vorschriften wird Wert gelegt. – Ich will drei kurze Bemerkungen machen:
Erstens zum Mindestlohn, weil es eben noch einmal ausgeführt wurde. Das Mindestlohngesetz ist 2015 in Kraft getreten. Es ist erst einmal zu bemerken, dass die Anzahl der Minijobs und der befristeten Arbeitsverhältnisse seit dieser Zeit zurückgegangen ist. Ich denke, das ist eine gute Nachricht.
Zweitens. Für die Kontrolle der Einhaltung des Mindestlohngesetzes ist das Land Hessen nicht zuständig. Deswegen haben Sie den Antworten auch entnommen, dass wir das Bundesministerium der Finanzen im Wege der Amtshilfe um Beantwortung der Fragen zum Mindestlohngesetz gebeten haben. Das gilt im Übrigen auch für die Kontrolle der Einhaltung des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes.
Nach dieser Auskunft haben die Hauptzollämter in Hessen im Hinblick auf das Mindestlohngesetz im Jahr 2015 2.661 und im Jahr 2016 2.458 Arbeitgeberprüfungen durchgeführt.
Drittens. Wegen der Nichtzahlung des Mindestlohns wurden durch die Hauptzollämter in Hessen im Jahr 2015 58 Verfahren gegen Arbeitgeber eingeleitet, und im Jahr 2016 wurden 105 Verfahren eingeleitet. Festzustellen ist: Das Verhältnis der Anzahl der Prüfungen und der danach eingeleiteten Verfahren gegenüber Arbeitgebern zeigt, dass das Mindestlohngesetz von der überwiegenden Anzahl der Arbeitgeber korrekt angewendet wird. Leider können schwarze Schafe auch in diesem Bereich nicht ausgeschlossen werden. Ich sage es noch einmal: Die Verantwortung für die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften trägt nicht das Land Hessen, sondern der Bund durch die Hauptzollämter.
Das Thema „Arbeitsschutz und Gesundheit“ ist für die Hessische Landesregierung ein ausgesprochen wichtiges Thema. Ich hoffe, Sie hatten alle die Chance, die Gelegenheit, die wir Ihnen während des Hessentags in Rüsselsheim geboten haben, zu nutzen, das Zelt „Arbeitswelt Hessen“ zu besuchen, in dem wir Ihnen zehn Tage lang die Arbeitsschutz- und Gesundheitsschutzmaßnahmen des Landes Hessen dargestellt haben. Wir haben verdeutlicht, dass wir gerade vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung, der zunehmenden Digitalisierung und aufgrund des Fachkräftemangels und der Notwendigkeit, Beschäftigte länger im Betrieb zu halten, den Schwerpunkt auf den Gesundheitsschutz in Form von präventiver Arbeit setzen.
Daher wird es in knapp 300.000 Betriebsstätten in Hessen schon immer so gehandhabt, dass die Wahrnehmung der gesetzlichen Überwachungspflicht im Arbeitsschutz durch eine risikogesteuerte Stichprobenüberwachung durch die Arbeitsschutzbehörden stattfindet. Um eine wirksame und nachhaltige Überwachung zu erreichen, legt das Hessische Ministerium für Soziales und Integration, dem die Fachaufsicht über die Arbeitsschutzbehörden obliegt, Zielvorgaben fest. Diese Feststellungen sind so zu treffen, dass sie einerseits dem fachlich Notwendigen entsprechen und andererseits den von Prioritäten geleiteten Einsatz der vorhandenen Mittel im Blick behalten. Das ist vor dem Hintergrund zunehmender Komplexität in der Überwachung eine ausgesprochen anspruchsvolle Aufgabe. Eine Volluntersuchung ist nicht möglich, deswegen erfolgt eine risikogesteuerte Stichprobenuntersuchung.
Eines der wesentlichen Themen ist der Gesundheitsschutz und damit die Aktion „Kampf dem Krebs am Arbeitsplatz“. Dies wird intensiv betrieben, vor allen Dingen mit der Beratung von kleinen und mittleren Unternehmen wie Handwerksbetrieben im Hinblick auf Präventionsmaßnahmen in Bezug auf die Arbeitsplatzgestaltung, um dem Gesundheitsschutz entsprechend Rechnung zu tragen. Wir sind in einem intensiven Austausch mit allen Beteiligten, angefangen bei den Handwerkskammern bis hin zu den Unternehmerverbänden. Das Thema wird an Wichtigkeit nicht verlieren.
Alle weiteren Einzelheiten können Sie den Antworten auf die Große Anfrage entnehmen, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammengestellt haben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Große Anfrage der Abg. Dr. Sommer, Alex, Decker, Di Benedetto, Gnadl, Merz, Roth (SPD) und Fraktion betreffend Gesundheitsversorgung in Hessen – Drucks. 19/5119 zu Drucks. 19/3929 –
Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Das Wort hat Frau Dr. Sommer für die Fraktion der SPD.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die gesellschafts- und berufsstrukturellen Veränderungen, die steigende Lebenserwartung, medizinische Innovationen und Veränderungen im Krankheitsspektrum stellen große Herausforderungen an eine bedarfsgerechte, an die Menschen angepasste sowie flächendeckende Gesundheitsversorgung in Hessen.
Es wäre schön, wenn Herr Grüttner dem Thema auch Aufmerksamkeit schenken würde; denn, ich denke, die Gesundheitsversorgung ist ganz wichtig.
Erforderlich ist, die Gesundheitsversorgung mit angemessenen, wirksamen und wirtschaftsvertretbaren Maßnahmen weiterzuentwickeln und neue Handlungsmöglichkeiten zu identifizieren. Aber die Beantwortung zeigt weder innovative Maßnahmen noch neue Gestaltungsansätze der Landesregierung, bezogen auf die gesundheitliche Versorgung. Darüber können auch die Besucher von tollen Projekten wie „Landpartie 2.0“ der Goetheuniversität nicht hinwegtäuschen, die, keine Frage, lobenswert und ausbaufähig sind.
Wir wollen, dass die Landesregierung Verantwortung übernimmt und sich nicht wieder darauf bezieht, dass Akteure und Bürgerinnen und Bürger Eigenverantwortung übernehmen sollen. Auf die Frage, welche Kenntnisse und Ideen zur sektorenübergreifenden Versorgung bestünden, wird geantwortet, dass die Sektorentrennung reduziert werden müsse. – Das ist richtig. Es wird auch auf das Landesgremium, § 90a, hingewiesen, wo wir uns mehr Transparenz wünschen. Aber eine konkrete Vorstellung der wichtigen Synthese scheint die Landesregierung nicht zu haben, nicht zu wollen oder uns vorenthalten zu wollen. Wir wissen es nicht. Aber, Herr Minister, vielleicht können Sie noch einmal etwas dazu sagen, wie Ihre konkreten Vorstellungen aussehen.
Gerade in ländlichen Regionen, aber nicht nur, ist eine nachhaltige gesundheitliche Versorgung ganz wichtig, angesichts des Apotheken- und Kliniksterbens sowie des Ärzte- und Fachkräftemangels durch die demografische Entwicklung. Hier wären neue Entwicklungen von vernetzten Versorgungsformen dringend notwendig, weil wir in einem stark frequentierten Gesundheitswesen die Überwindung der zahlreichen Schnittstellenprobleme brauchen. Das Thema der Geriatrie – und das bei einer älter werdenden Gesellschaft – wird nur ganz marginal gestreift. Die
Große Anfrage spricht von dem „hessischen Geriatriekonzept“. Das ist sicher ein gutes Instrument, aber die letzte Veröffentlichung, die ich gefunden habe, ist von 2011. Wird es fortgeschrieben, und wann kommt es, Herr Minister?
In der letzten Debatte haben wir uns ausführlich mit dem Fachkräftemangel in der Pflege auseinandergesetzt. Dieses Mal möchte ich das mit den Ärzten tun. Wir haben so viele Mediziner wie niemals zuvor, aber sie sind schlecht verteilt. Wir brauchen eine neue Bedarfsplanung. Die Versorgung ist nicht detailgetreu. Die KV mit ihrem Fokus auf die Gesundheit gibt einen guten Datenüberblick.
Ich möchte das am Beispiel Wiesbadens festmachen. Hier haben wir einen hausärztlichen Versorgungsgrad von 119 %, also eine Überversorgung. Schaut man aber genauer hin, ergibt sich ein differenziertes Bild. Sonnenberg hat einen Versorgungsgrad von 171 %, Dotzheim von 35 % und Klarenthal von 48 %. Es gibt auch Stadtteile, in denen es überhaupt keinen Hausarzt gibt. Die Versorgungszuschnitte müssen also geändert werden, um engmaschiger planen zu können, sodass alle Bürgerinnen und Bürger Zugang zur Versorgung haben.
Ich wüsste gerne, wie die Landesregierung diese Daten in ihre Vorhaben, aber auch in den Hessischen Gesundheitspakt einbindet. In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch einmal fragen, warum Hessen bisher keine regionalen Gesundheitsreporte und Versorgungsatlanten veröffentlicht hat. Herr Minister, Sie haben sie im Hessischen Gesundheitspakt versprochen und angekündigt. Vielleicht können Sie heute berichten, ob die noch kommen werden. Die Zahlen der KV zeigen auf jeden Fall, dass wir auf dem Land, aber auch in der Stadt bereits heute und zukünftig Probleme bei der Wiederbesetzung haben werden.
Auf den vielen Seiten der Großen Anfrage findet man leider nichts Eigenes dazu, aber es gibt viele Modellprojekte, die nach der Evaluierung sicher auch in die Fläche können. So begrüßen wir beispielsweise die Idee der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister für Stipendien für Medizinstudenten, die später als Landärzte aktiv werden wollen. Schön, dass Sie dieser Forderung nachkommen.
Auch die Projekte „Sei Arzt. In Praxis. Leb‘ Hessen!“ der KV, „Landarztpartie“, Weiterbildungsverbünde, Niederlassungsförderung etc. sind gute Projekte, aber weder die Idee noch die alleinige Verantwortung der Landesregierung.
Neben dem Hausärztemangel ist es derzeit in Hessen praktisch unmöglich, gerade Fachärzte aufs Land zu bekommen. Egal ob HNO-, Nervenärzte, Augenchirurgen, Kinder- und Jugendpsychiater, die Liste lässt sich lang erweitern. Das zeigt auch der 100-seitige Anhang der Auflistung der KV-Daten in der Großen Anfrage. Hier gibt es viel Diskussionspotenzial. Die zehn Minuten Redezeit reichen eigentlich auch nicht aus, um die vielen wichtigen Themen anzusprechen.
Fakt ist aber, der Nachbesetzungsbedarf in diesen Arztgruppen ist für 2020 gewaltig. Dazu ein Beispiel: Die KV sucht gerade in Wolfhagen und in weiteren Praxen HNOÄrzte. Die Suche gestaltet sich aber äußerst schwierig. Neben dem Honorar und den finanziellen Anreizen sind z. B. die Rahmenbedingungen, die Infrastruktur und duale Modelle für Ehepaare ganz wichtig, um sich niederzulassen.
Auch die Sicherstellungsrichtlinie der KV geht darauf ein. Es gibt große strukturelle Unterschiede innerhalb Hessens. Deswegen ist der Strukturfonds der KV gut, um Rahmenbedingungen zu verbessern und die Attraktivität zu steigern. Aber auch hier vermisse ich Ihren originären und proaktiven Einsatz.