Sie sagen, die hessische Neonaziszene sei nur lose organisiert und agiere nur anlassbezogen im engen regionalen Umfeld. Meine Erfahrung sagt mir – und das haben wir bei der Anfrage gesehen, als es um die Vernetzungsstrukturen in den Gefängnissen ging –, dass Sie erst durch eine Anfrage auf dieses Netzwerk gestoßen werden mussten. Ich sage Ihnen: Auch in Hessen gibt es eine Neonaziszene, es gibt Personen in dieser Szene, die sehr wohl auch überregional vernetzt sind und agieren.
Wir wissen, dass es in Hessen vor einigen Jahren ein rechtsextremes Schulungszentrum in Butzbach Hoch-Weisel gegeben hat, dass der Kopf dieses Schulungszentrums aus der Kameradschaftsszene im Rhein-Main-Gebiet gekommen ist und dass dieser Mensch auch überregional aktiv war. Wir wissen, dass in genau diesem Schulungszentrum der Neonazi geschult wurde, der später die Freie Kameradschaft im Schwalm-Eder-Kreis gegründet und dann 2008 diesen Überfall, den brutalen Angriff auf das Zeltlager der Solid begangen hat. Wir wissen, dass er dort geschult wurde.
Aus meinem eigenen Landkreis kenne ich Aussagen von Leuten, die aus der rechtsextremen Szene ausgestiegen sind, dass sie z. B. auch mit der militanten Szene in Dortmund vernetzt waren, dem Nationalen Widerstand Dortmund, der 2012 zum Glück vom dortigen Innenminister verboten wurde.
Wir wissen, dass es auch in Hessen einen regen Austausch der rechtsextremen Szene gibt, dass es einen Austausch zwischen der NPD und der militanten kameradschaftlichen Szene gibt. Dies alles wissen wir. Wir wissen auch, dass sie sich gegenseitig über die lokalen Grenzen hinweg mobilisieren. Deswegen kann ich Ihre Aussage in der Antwort auf den Berichtsantrag eben nicht verstehen, wonach dies nur lose organisierte Gruppierungen seien, die nicht überregional vernetzt sind.
Ich sage Ihnen: Zum Untertauchen muss es ein neofaschistisches Netzwerk geben. Anders kann es nicht sein: Diese Menschen brauchen ein Netzwerk, damit sie auch über Jahre hinweg untertauchen können. Anders kann ich mir das in einem Rechtsstaat wie Deutschland nicht vorstellen, wenn man dabei keinen Unterstützerkreis hat.
Deshalb fordern wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, dass wir endlich ein landesweites Monitoring über die rechtsextreme Szene bekommen, so wie wir es schon in unserem Landesprogramm gegen Rechtsextremismus gefordert haben. Wir brauchen ein schärferes Bild über diese Szene. Wir brauchen einen klaren differenzierten Blick, damit die gesamte Tragweite des Problems auch richtig erkannt wird.
Dafür bedarf es eben auch stärkerer Unterstützung mit originären Landesmitteln und nicht nur Bundesprogramme. Aus unserer Sicht – das haben wir in der vergangenen Legislaturperiode mit einem Gesetzentwurf deutlich gemacht – brauchen wir eine umfassende Reform des Verfassungsschutzes mit mehr parlamentarischer Kontrolle und mehr Transparenz.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Neonazis, die im Untergrund agieren, offensichtlich gewaltbereit sind und über die Ressourcen verfügen, sich über Jahre zu verstecken, sind eine akute Gefahr. Belassen Sie es nicht bei Lippenbekenntnissen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die hessischen Sicherheitsbehörden verdienen es nicht, in diesem Landtag von den LINKEN – so habe ich mir zumindest zunächst einmal aufgeschrieben –, aber auch – nach diesem Vortrag, trotz Ihres Geburtstages, Frau Kollegin Gnadl – von der SPD mit böswilligen Unterstellungen und Mutmaßungen überzogen zu werden.
(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lebhafter Wi- derspruch bei der SPD)
Ich bedanke mich für die sehr sachliche und fundierte Auseinandersetzung der Kollegen Bellino, Frömmrich und Greilich mit dieser Frage. Aber, Frau Kollegin Gnadl, das hat mich jetzt schon ein bisschen betroffen gemacht.
Frau Kollegin Faeser hat hier gestern bei der Kennzeichnungspflicht die Polizeibeamten-Versteherin gemimt,
und Sie, Frau Kollegin Gnadl, unterstellen und fragen hier laut, ob die Sicherheitsbehörden – wörtlich – nichts wissen oder nichts wissen wollen. Das weise ich mit Nachdruck zurück.
Entschuldigen Sie bitte, aber es ist so empörend gewesen, das von den Sozialdemokraten hier zu hören, dass ich das in der Form zurückweisen muss.
Wir alle im Plenarsaal sind uns darüber einig, dass zur Bekämpfung des Rechtsextremismus in Deutschland alles getan werden muss.
Vergleichbare Tathandlungen und Handlungen wie des Nationalsozialistischen Untergrunds müssen wir im Keim ersticken.
Das beinhaltet naturgemäß auch, dass wir uns die mit Haftbefehl gesuchten Straftäter genauestens anschauen und die Fahndungsmaßnahmen zielgerichtet priorisieren und durchführen.
Ich versichere Ihnen, dass die polizeiliche Bearbeitung der offenen Haftbefehle in Hessen mit hohem Nachdruck erfolgt. Nach Bekanntwerden des sogenannten NSU-Komplexes unterliegen sowohl die Prüfung der offenen Haftbefehle rechts motivierter Straftäter als auch die allgemeine Fahndung gegen diesen Personenkreis einer besonderen Aufmerksamkeit.
Die aktuell in der Medienöffentlichkeit und auch im Antrag der Fraktion DIE LINKE plakativ verwendeten Begriffe wie „abgetaucht“ oder „untergetaucht“ vermitteln ein völlig falsches Bild von der Arbeit und von den Bemühungen der Sicherheitsbehörden. Ich bin den Kollegen, die das hier korrekt dargestellt haben, sehr dankbar, dass sie es korrekt und auch im Sinne der Sicherheitsbehörden vorgetragen haben.
Bereits in den Jahren 2011 und 2012 führte das BKA in Zusammenarbeit mit den Ländern Erhebungen zu Personen aus dem Bereich der politisch motivierten Kriminalität rechts durch, die per Haftbefehl zur Fahndung ausgeschrieben waren. Im Zuge der Weiterentwicklung wurde sehr bald erkannt, eine entsprechende Erhebung offener Haftbefehle nicht nur auf den Bereich der politisch motivierten Kriminalität rechts zu beschränken, sondern auf alle Phänomenbereiche auszuweiten. Einheitliche Kriterien zur Erfassung des betreffenden Personenpotenzials wurden, wie wir das in der Beantwortung des Berichtsantrags bereits dargelegt haben, bundesweit festgelegt.
Die Fahndungspriorisierung der mit Haftbefehl gesuchten PMK-Straftäter basiert auf der dem Haftbefehl zugrunde liegenden Tat. Ich will Ihnen kurz erläutern, wie wir das priorisiert haben. Wir haben die Priorität 1, wo es um Terrorismusdelikte geht. Die Priorität 2 umfasst Gewaltdelikte mit und ohne PMK-Bezug. Die Priorität 3 umfasst sogenannte sonstige Delikte mit und ohne PMK-Bezug.
Wie sieht es nun mit den Zahlen der Priorisierung in Hessen aus? Ich beziehe mich dabei auf die aktualisierte Erhebung, die wir zu der Sitzung des Innenausschusses am 08.05. gemacht haben. Ich möchte allerdings vorab noch betonen, dass dieser gesamte Prozess nicht statisch ist, sondern durch Haftbefehlsvollstreckung und neu erwirkte Haftbefehle natürlich ständigen Änderungen unterliegt.
Seit dem 7. Mai werden noch 17 Personen der PMK-rechts per Haftbefehl gesucht, wobei zu diesen 17 Personen insgesamt 22 Haftbefehle vorliegen. In der zuvor erläuterten Priorisierung stellt sich die Verteilung wie folgt dar. In der Priorität 1: kein einziger offener Haftbefehl. In der Priorität 2: fünf offene Haftbefehle, davon einer mit einem Tatbezug zur politisch motivierten Kriminalität. In der Priorität 3 liegen 17 offene Haftbefehle vor. Hier wurde zu zwei Taten ein PMK-Bezug festgestellt.
Bei den sonst zugrunde liegenden Straftaten handelt es sich um Fälle der allgemeinen Kriminalität, begangen durch Täter, die in der Vergangenheit durch rechts motiviertes Verhalten auffällig wurden. Festzuhalten ist, dass ein Großteil der 17 mit Haftbefehl gesuchten Personen überwiegend in Hessen nicht ordentlich gemeldet ist bzw. ein
Durch die Art und Weise der Befassung, insbesondere durch die regelmäßig vorgenommene Erhebung und Priorisierung der erforderlichen Daten wird jedoch ein stetiger Verfolgungsdruck sichergestellt.
Zur qualitätsorientierten Begleitung sowie zur Abstimmung von gegebenenfalls bestehenden Optimierungserfordernissen wurde im gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet, an der sich auch Hessen beteiligt. Darüber hinaus sind wir seit Jahren bemüht, die strategische Ausrichtung sicherheitsbehördlicher Maßnahmen an den festgestellten Wandel der Phänomene anzupassen und dadurch die Aufklärungsquote weiter zu erhöhen. Dies ist bisher auch gelungen.
Meine Damen und Herren, wir lassen nicht zu, dass DIE LINKE sich hier gegen unsere Sicherheitsbehörden wendet und sie am Ende auch noch verunglimpft. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. – Damit sind wir am Ende der Aussprache und auch am Ende dieses Tagesordnungspunktes.
Der Kollege Hermann Schaus hat sich nach § 81 unserer Geschäftsordnung gemeldet. Ich werde ihm auch gleich das Wort dazu erteilen. Ich will Sie nur noch einmal in Kenntnis setzen:
(1) Persönliche Bemerkungen sind erst nach Schluss der Beratung eines Gegenstandes oder im Falle der Vertagung am Schluss der Sitzung, jedoch vor der Abstimmung, zulässig; findet eine Abstimmung nicht statt, wird das Wort vor dem Aufruf des nächsten Tagesordnungspunktes erteilt. Die persönlichen Bemerkungen dürfen die Dauer von fünf Minuten nicht überschreiten. Hermann Schaus, zuhören. (2) Das Mitglied des Landtags darf nur Angriffe auf die eigene Person zurückweisen oder eigene Ausführungen berichtigen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie eben vorgetragen, habe ich im Rahmen dieser Wortmeldung nur die Möglichkeit, auf persönliche Angriffe zu reagieren – ich kann nicht mehr inhaltlich dazu Stellung nehmen –, und das will ich an zwei Punkten tun.
Der Abgeordnete der GRÜNEN, Herr Jürgen Frömmrich, hat mir aus der geschlossenen Sitzung des Innenausschusses unterstellt, ich hätte im Innenausschuss die Polizei absichtlich verunglimpft – sinngemäß haben Sie das gesagt – und behauptet, dass sie die Ermittlungen unterlaufen würde. Das weise ich mit Entschiedenheit zurück. Das ist unwahr. Das trifft nicht den Sachverhalt. Ich möchte Sie bit
Zweiter Punkt. Der Abgeordnete der FDP, Herr Greilich, hat mir unterstellt, ich hätte die Absicht, die Polizei in ein schlechtes Licht zu stellen, und ich würde hier verfälschende Darstellungen vortragen, mit anderen Worten: ich würde fälschen.
Ich weise darauf hin, dass alle Daten und Zahlen, auf die ich mich in meinem Beitrag bezogen habe, aus dem Bericht der Landesregierung stammen und von mir natürlich interpretiert wurden, wie von Ihnen auch. Aber es sind diese Daten und Fakten, die ich hier vorgetragen habe, Herr Kollege Greilich, und sonst nichts.