Protokoll der Sitzung vom 22.05.2014

Worüber wir heute hier diskutieren, ist eine ganz normale verwaltungsinterne Maßnahme, nämlich einen Teil der Polizisten mit Bodycams auszustatten. Dass dieses normale Verwaltungshandeln von Ihnen zum Gegenstand einer Aktuellen Stunde gemacht wurde, verwundert uns ein wenig.

Ich hätte gerne genauso fundiert wie die Vertreter der Koalitionsfraktionen inhaltlich mitdiskutiert, aber mir fehlen die Informationen. Wir haben im Innenausschuss zwar den ständigen Tagesordnungspunkt „Besondere Vorkommnisse im Bereich des Innern“ – da hätten ein solcher Bericht und eine solche Diskussion durchaus Platz und Raum gehabt –, aber mir als Vertreter der Opposition liegen lediglich Presseerklärungen des Innenministeriums vor.

Wenn Sie diese Maßnahme zu einem so zentralen Punkt der Diskussion machen, will ich das insofern kritisieren, dass es dann, wie ich finde, sowohl dem vergangenen Innenminister als auch dem amtierenden Innenminister gut angestanden hätte, laufend zu berichten. Es handelt sich ja um einen bundesweit einmaligen Versuchs- und Probefall, über den, wenn Sie das so stark bewerten, natürlich auch

der Landtag hätte informiert werden können und, wie ich finde, auch hätte informiert werden sollen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle, weil ich keine anderen Quellen habe, auf die beiden letzten Pressemitteilungen des Innenministeriums zu diesem Thema eingehen. In der Presserklärung vom 31. Oktober 2013, vom damaligen Innenminister Boris Rhein herausgegeben, wird gesagt – ich darf zitieren –:

Besonders positiv herauszuheben ist, dass es seit Einführung der „Bodycam“ keine verletzten Polizistinnen und Polizisten gab; im Vergleichszeitraum des Vorjahres gab es zwei verletzte Polizisten.

Mir ist aufgefallen, dass in der Presseerklärung vom 2. Mai dieses Jahres von Herrn Innenminister Beuth dazu Folgendes gesagt wird:

Im Gegensatz zu vier verletzten Polizeibeamtinnen und -beamten im vergleichbaren Vorjahres-Zeitraum wurden 2013 keine Beamtinnen und Beamten verletzt.

Wir sind uns einig: Die Daten stimmen überein, es gibt seit Einführung der Bodycam keine verletzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, aber in der einen Mitteilung war die Rede von zwei und in der anderen von vier Verletzten. Das ist mir aufgefallen, und das hätte man klären können.

Noch viel interessanter finde ich im Übrigen folgende Zahlen aus den beiden Presseerklärungen, in denen aus meiner Sicht ein Widerspruch steckt. In der Presseerklärung vom 31. Oktober des Innenministers heißt es:

2012 registrierte die Polizei mit insgesamt 3.300 Angriffen eine Zunahme von rund 270 (+ 8,9 %) im Vergleich zu 2011.

In der Presseerklärung vom 2. Mai 2014 schreibt Herr Innenminister Beuth zum gleichen Sachverhalt:

Insgesamt kam es im letzten Jahr

damit ist wohl 2013 gemeint –

in Hessen zu insgesamt 1.710 Strafanzeigen aus Anlass von Angriffen gegen Polizeibeamtinnen und -beamte...

Ist das so? Es gab 3.300 Angriffe, aber nur 1.710 führten zu Strafanzeigen?

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Richtig!)

Da würde ich gerne wissen: Wieso ist da eine so große Differenz? Herr Innenminister, darüber hätte ich gerne diskutiert, wenn Sie uns die Gelegenheit dazu im Ausschuss gegeben hätten.

Lassen Sie mich – –

Kollege Schaus, wenn Sie mir die Gelegenheit geben, darauf hinzuweisen – –

Vielen Dank, Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Von daher muss ich Herrn Greilich recht geben – ich gestehe, es fällt mir schwer –, denn er hat in der Tat in der

von ihm angesprochenen Kleinen Anfrage genau die richtigen Fragen gestellt, nämlich die Fragen, die wir auch im Innenausschuss hätten diskutieren könne. So müssen sie jetzt als Kleine Anfrage nachgeschoben werden. Wenn Sie das also schon so aufbauen, dann tun Sie es doch so, dass Sie den Landtag und die zuständigen Gremien zur rechten Zeit informieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Kollege Schaus. – Das Wort hat der Abg. Tobias Eckert, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! So ist es nun einmal, wenn man anstatt inhaltlicher Aufklärung und Mitteilung tatsächlicher Fakten und Daten solche Themen für Aktuelle Stunden, Pressekonferenz und für die eigene PR nutzt. Herr Schaus, Sie haben das völlig richtig beschrieben.

Ich will am Anfang – auch für die SPD-Fraktion – sagen und deutlich machen: Die SPD-Fraktion war und ist dafür, dass wir unsere Polizistinnen und Polizisten bei der Erfüllung ihrer wichtigen und wertvollen Aufgabe für unser Gemeinwesen unterstützen und dafür sorgen, dass sie geschützt werden.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen begrüßen wir den Einsatz solcher Mittel, wie z. B. der sogenannten Bodycam in Hessen – genauer gesagt in Frankfurt und nunmehr auch in Wiesbaden und Offenbach. Wir sind davon überzeugt, dass wir mit diesem Instrument unter den Rahmenbedingungen, die das HSOG und andere Gesetze vorgeben – gerade auch in Sachen Datenschutz –, einen wichtigen und wertvollen Beitrag für die Unterstützung unserer Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten leisten können.

Gerade in den Details liegt aber der Hase im Pfeffer. Um die Details geht es. Da kann ich an den Ausführungen des Kollegen Schaus nahtlos anschließen: Wir hätten erhofft und erwartet, dass der Innenausschuss nach einem Jahr Laufzeit dieses Modellprojekts informiert wird, damit wir uns mit dem Thema befassen können.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Dann hätten wir uns über die inhaltlichen Rahmenbedingungen auseinandersetzen können. Denn eines ist für uns klar: Eine Dauervideoüberwachung oder Ähnliches ist für uns absolut indiskutabel. Das würden wir ablehnen. Wichtig sind – Kollege Bauer und andere haben es schon erwähnt – die Pflicht zur Information darüber, ob die Kamera an ist oder nicht, der Hinweis auf den Westen der Beamten, dass eine Videoüberwachung stattfindet, und das Löschen des Videomaterials nach klar definierten Fristen, wenn nicht der Verdacht im Raum steht, dass eine Straftat begangen wurde. All das sind richtige und wichtige Standards, die wir in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Datenschutzbeauftragten gesetzt haben und die nicht unterschritten werden dürfen.

(Beifall bei der SPD)

Damit komme ich zum Thema: Leider hat der hessische Innenminister das Thema lieber für Pressekonferenzen und Pressemitteilungen genutzt, anstatt nach einem Jahr dem Landtag sachlich und umfassend über den Modellversuch in Frankfurt – erst in Alt-Sachsenhausen, in der zweiten Stufe an der Zeil – zu berichten und über die Weiterentwicklung in Offenbach und Wiesbaden zu diskutieren.

Dann hätten wir im Innenausschuss nämlich auch darüber diskutieren können, wie sich die konkreten Fallzahlen entwickelt haben. Wir haben eben ein paar muntere Zahlenspiele gehört. Wenn man sich nur auf Pressemitteilungen berufen muss, dann wird es manchmal schwierig.

Sehr wichtige Fragen, die uns beschäftigen, sind: Wie bewerten die betroffenen Beamtinnen und Beamten den Einsatz dieser Technik im Alltag? Wie lange soll denn ein solches Modellprojekt noch laufen? Wie soll denn hinterher die Evaluation aussehen, sodass wir die Schlüsse für unseren Regelbetrieb ziehen können? Wie sieht es beim Einsatz von sogenannten Bodycams aus unter den tatsächlichen Rahmenbedingungen der hessischen Polizei in der Fläche bei einer Doppelstreife, statt wie im Versuch mit drei Beamtinnen und Beamten zu arbeiten? Das sind Fragen, zu denen wir bisher wenig bis gar nichts gehört haben – außer bei den Pressekonferenzen.

(Beifall bei der SPD)

Dazu hätten wir gern mehr Antworten gehört, statt das Thema jetzt nur in einer Aktuellen Stunde zu behandeln. Lassen Sie uns darüber in Ruhe, gern auch im Ausschuss, diskutieren.

Herr Innenminister, diskutieren wir z. B. die Testphasenausweitung in Wiesbaden und Offenbach. Da wird deutlich entlarvt, dass es Ihnen mehr um die PR als um die Sache geht: wenn einerseits am Tage Ihrer Bekanntmachung der Ausweitung des Modellprojekts das Polizeipräsidium Südosthessen noch gar nicht sagen kann, wo in Offenbach eigentlich die Bodycams einbezogen werden können, und auf der anderen Seite klar ist, dass dahinter nur klar umrissene Gebietsbeschreibungen stehen. Das finden wir schade. Dafür ist das Thema zu wichtig.

(Beifall bei der SPD)

Ich will mich an dieser Stelle bei den Vertreterinnen und Vertretern der Gewerkschaften bedanken, die das Thema auf die Tagesordnung gesetzt haben, es im Jahr des Modellprojektes mit begleitet und wichtige Hinweise gegeben haben, damit wir uns mit der Frage beschäftigen können, wie es denn nach diesem Modellprojekt weitergeht.

Anhand dieser Fragen hätte man das Thema besprechen können – gerade im Spannungsfeld des Schutzes der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten einerseits und der Fragen des Datenschutzes und Ähnlichem andererseits. Das ist leider versäumt worden.

Deswegen habe ich abschließend eine herzliche Bitte, auch an die Koalition: Wenn wir uns doch alle darin einig sind – und das habe ich heute in bisher allen Redebeiträgen gehört –, dass Bodycams richtig und sinnvoll sein und Unterstützung leisten können, kann es nicht sein, dass der SPDInnenminister in Nordrhein-Westfalen, Ralf Jäger, diese zwar auch gern einführen würde, aber das dort mitregierende BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das wegen datenschutzrechtlicher Probleme bisher auf die lange Bank geschoben hat. Wenn wir einer Meinung sind, könnten wir doch auch

missionierend hinausgehen und sagen: Wir finden es gut, macht es doch auch.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Eckert, Sie müssen zum Schluss kommen.

Herr Präsident, ich komme gern zum Schluss. – Ich glaube, wir hätten bei dieser Angelegenheit viele Themen, die es wert wären, genauer betrachtet zu werden. Da sollten wir etwas mehr sachorientierte Politik betreiben, anstatt nur Pressekonferenzen abzuhalten. Damit wäre nämlich den Beamtinnen und Beamten eher geholfen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Eckert. – Das Wort hat der Innenminister, Herr Staatsminister Beuth.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Eckert, ja was denn jetzt? Sind Sie jetzt dafür oder dagegen? Ich finde, diese gekünstelte Krittelei ist hier völlig unangemessen. Am Ende geht es darum, dass wir einen Weg gefunden haben, wie wir den Schutz von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten wirksamer herstellen können. Ich finde, da braucht man nichts herumzukritisieren. Das ist doch gut. Darüber freuen wir uns.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Seien Sie mir nicht böse, aber ich will zumindest die Krokodilstränen von Herrn Kollegen Schaus kurz entlarven. Wenn Sie hier beklagen, dass bei bestimmten Bevölkerungsgruppen der Respekt und die Anerkennung gegenüber Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten vermisst werden, will ich Ihnen sagen: Durch die Redebeiträge, die Sie heute Morgen und gestern Nachmittag hier geleistet haben, tragen Sie dazu bei – mit Ihren Unterstellungen und Mutmaßungen –, dass Misstrauen gesät wird. Herr Kollege, das ist nämlich das Problem, das Sie mit Ihren Beiträgen an den Tag legen.