Protokoll der Sitzung vom 22.05.2014

Antrag der Fraktion der CDU betreffend eine Aktuelle Stunde (Bodycams: sinnvolle Ergänzung der guten Ausrüstung – Hessen europaweiter Vorreiter beim Schutz seiner Polizeibeamten) – Drucks. 19/426 –

Das Wort hat der Kollege Alexander Bauer.

Hoch verehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten werden in einem nicht hinnehmbaren Ausmaß immer wieder Opfer von Angriffen. Allein im letzten Jahr kam es deshalb zu 1.710 Strafanzeigen. Das sind nicht nur alkoholisierte Personen, die die ohnehin schwere Arbeit der Polizeibeamten noch weiter erschweren. Wir sind grundsätzlich der Überzeugung, dass wir auch die schützen müssen, die uns schützen. Deshalb haben wir diese Aktuelle Stunde beantragt.

Die hessische Polizei hat daher selbst vorgeschlagen, eine kleine, tragbare, taschenlampengroße Kamera zu entwickeln, die sogenannte Bodycam, also eine Körperkamera. Sie kann über eine Fernbedienung am Handgelenk bedient und ausgelöst werden und in brenzligen Situationen mögliche Angriffe filmen. Die Rechtsgrundlage für den Einsatz findet sich im Hessischen Sicherheits- und Ordnungsgesetz, und der Einsatz folgt auch strengen Regeln, die in enger Abstimmung mit unserem hessischen Datenschutzbeauftragten festgelegt worden sind.

Wichtig ist, dass die Kamera nicht permanent läuft, sondern nur in speziellen Situationen zum Einsatz kommt, in denen aggressives Verhalten spürbar ist, etwa bei problematischen Personenkontrollen oder bei einer Streitschlichtung. Der Einsatz ist nicht nur auf ein notwendiges Maß beschränkt, sondern es wird auch vorgewarnt. Denn die mit dieser Technik ausgestatteten Beamten tragen eine Signalweste mit der Aufschrift „Videoüberwachung“. Die Beamten müssen zudem ausdrücklich auf den Einsatz der Körperkamera hinweisen. Die Bodykamera zeichnet zudem nur Bilder, aber keinen Ton auf, und die gewonnenen Daten werden, wenn sie nicht mehr zur Strafverfolgung benötigt werden, unmittelbar gelöscht.

Vor gut einem Jahr wurde das bundesweit einzigartige Projekt in Frankfurt-Sachsenhausen gestartet, und die Erfahrungen sind durchweg positiv. Seit Beginn dieses Pilotprojektes sind die Angriffe auf Polizeibeamten binnen eines halben Jahres deutlich zurück gegangen. Verglichen mit dem Vergleichszeitraum vorher hat es nicht nur weniger Angriffe gegeben, sondern die Angriffe waren auch mit geringeren Verletzungen für die Polizeibeamten weniger folgenschwer.

Mir ist bewusst, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass eine Körperkamera sicherlich kein Allheilmittel ist. Aber in Konfliktsituationen ist die Kooperationsbereitschaft deutlich gestiegen. Aggressives Verhalten geht bei Erkennen der Videoüberwachung spürbar zurück. Selbst auf die Gesprächskultur wirkt sich die Kamera positiv aus. Es fehlt auch nicht an erfolgreichen Rückmeldungen durch die Bevölkerung. Ich darf für uns feststellen: Das ist eine gute Entwicklung und ein wichtiges Instrument, das wir ausdrücklich unterstützen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN )

Wer wie unsere hessischen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten Tag für Tag zum Schutz unserer Bevölkerung im Einsatz ist, der hat auch unseren Schutz verdient und darf dabei selbst nicht zu Schaden kommen. Die etwa 1.500 € für die Kameraausrüstung der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten sind deshalb bestens investiertes Geld.

Bei aller Freude über dieses für die hessische Polizei wegweisendes polizeiliches Instrumentarium sage ich: Die Notwendigkeit einer solchen Körperkamera zum Schutz unserer Polizeibeamten stimmt uns aber auch nachdenklich.

Denn der erstrebenswerte Normalzustand – nicht nur aus der Perspektive der Polizei – ist es, dass die Bürgerinnen und Bürger rechtmäßige Maßnahmen ohne Widerstandshandlungen akzeptieren und gewalttätiges Verhalten gegenüber der Polizei tabu ist. Ich hoffe, wir sind uns da einig.

(Manfred Pentz (CDU): Jawohl!)

Daher ist es eine im Grunde besorgniserregende Entwicklung, wenn wir mit technischen Hilfsmitteln versuchen, eine im wahrsten Sinne des Wortes verrückte gesamtgesellschaftliche Entwicklung einzudämmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen es nicht zulassen, dass wir an dieser Stelle ein Stück weit kapitulieren,

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehr richtig!)

weil die üblichen Instrumentarien des Rechtsstaats nicht mehr greifen. Die Anerkennung des staatlichen Gewaltmo

nopols muss selbstverständlich sein. Gewalt gegen Polizeibeamte darf keinesfalls geduldet werden.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb haben wir mit unserem Koalitionspartner vereinbart, uns für eine Änderung des Strafgesetzbuchs starkzumachen und den Schutz von Polizeibeamtinnen und -beamten sowie anderen Einsatzkräften bei gewalttätigen Übergriffen zu verbessern. Was durch Prävention wie die Bodycam oder durch Einsicht nicht verhindert werden kann, das muss wenigstens abschreckend und konsequent geahndet werden. Das sind wir unseren Polizeibeamtinnen und -beamten schuldig. – Besten Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bauer. – Das Wort hat der Abg. Greilich, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vorweg will ich sagen: Nach meinem Eindruck überbewertet das Thema dieser Aktuellen Stunde den Gegenstand ein bisschen. Es geht hier um eine relativ einfache polizeiliche Maßnahme. Ich sage gleich deutlich hinzu: Wir halten sie für gut.

Der Anlass, den wir jetzt hier haben, ist: Das hessische Innenministerium erweitert den Einsatz von Bodycams auf das Gebiet von Wiesbaden und Offenbach. Das setzt eine Maßnahme fort, die wir schon im Mai 2013 unter der schwarz-gelben Koalition in Sachsenhausen begonnen haben, in der Sachsenhäuser Kneipenszene. Das ist einleuchtend und nachvollziehbar. Die Motive, die damals richtig waren, sind auch heute noch richtig. Die Erfahrungen, über die der Kollege Bauer berichtet hat, unterstreichen, dass es in der Tat sinnvoll ist, zu erproben, ob diese Maßnahmen sinnvoll sind, um dabei zu helfen, tätliche Angriffe auf Polizeibeamtinnen und -beamte zu verhindern, zu verringern.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die in den letzten Jahren massiv zugenommen haben. Nach der Kriminalstatistik sind es mehr als 3.000 im Jahr. Das ist nicht hinnehmbar, zumal diese Übergriffe auf Polizisten nicht nur der Zahl nach zugenommen haben, sondern auch hinsichtlich ihrer Intensität. Das ist das grundsätzliche Problem, bei dessen Bewältigung uns die Bodycams helfen können. Insoweit kann ich mich auf das beziehen, was der Kollege Bauer vorgetragen hat.

Für uns ist etwas ganz anderes wichtig. Das sollte man auch hier deutlich betonen. Der Einsatz von Bodycams ist nur unter den ganz strengen Voraussetzungen unseres hessischen, unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Bürgerrechte ausgestalteten Polizeirechts zulässig. § 14 Abs. 6 des Hessischen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes definiert die Kriterien. Ich möchte sie hier zusammenfassend nennen.

Der Einsatz ist nur zulässig, wenn er an öffentlich zugänglichen Orten erfolgt. Das ist eine wesentliche Einschränkung.

Er muss offen und klar erkennbar erfolgen. Es muss darauf hingewiesen werden, dass Bodycams im Einsatz sind. Auch muss der Einsatz zum Schutz von Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten oder Dritten erforderlich sein, und zwar nicht einfach nur so, sondern zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib oder Leben.

Diese Einschränkungen haben eine erhebliche Bedeutung, um nicht Unbeteiligte in erheblichem Maße zu beeinträchtigen. Wichtig ist auch noch: Es ist vorgeschrieben, die Aufzeichnungen unverzüglich zu löschen, wenn sie für ihren Zweck nicht mehr benötigt werden. Deswegen sind wir sehr froh, dass der Hessische Datenschutzbeauftragte bestätigt hat, dass der Einsatz unter diesen Voraussetzungen zulässig ist und sinnvoll sein kann.

Meine Damen und Herren, wir werden genau prüfen, ob diese Voraussetzungen bei den weiteren Einsätzen immer eingehalten werden. Nach den bisherigen Erfahrungen bin ich recht zuversichtlich. Wir werden auch prüfen, ob das Ganze wirklich dauerhaft sinnvoll ist.

Deswegen haben wir in dieser Woche eine Kleine Anfrage eingereicht. Darin wollen wir von der Landesregierung unter anderem wissen, nach welchen genauen Kriterien über den Einsatz dieser Cams entschieden wird, in welchen Gebieten das passiert, wie sichergestellt werden soll, dass die Videoaufzeichnungen umgehend nach dem Einsatz gelöscht werden, sofern sie nicht noch zur Strafverfolgung benötigt werden. Schließlich wollen wir auch wissen, wie die Hessische Landesregierung gewährleistet, dass die Persönlichkeitsrechte, insbesondere das Recht am eigenen Bild, unbeteiligter Dritter, die bei einem Polizeieinsatz zwangsläufig mit gefilmt werden, gewahrt bleiben.

Das alles wollen wir wissen. Wir warten auf die hoffentlich baldige Beantwortung durch den Innenminister. Ich betone nochmals: Unter Einhaltung dieser restriktiven, im Gesetz festgelegten Voraussetzungen gehen wir davon aus, dass der Einsatz von Bodycams eine sinnvolle Ergänzung des polizeilichen Instrumentariums sein kann. Wir werden sehr genau darauf achten, dass die Voraussetzungen auch eingehalten werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Peter Stephan (CDU))

Vielen Dank, Kollege Greilich. – Das Wort hat der Abg. Jürgen Frömmrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Prinzip schließen wir hier an die gestrige Diskussion an. Gestern Abend haben wir hier im Plenum über die Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamtinnen und -beamte diskutiert, heute diskutieren wir darüber, wie wir Polizeibeamtinnen und -beamte gegen Übergriffe schützen. Das macht deutlich: Für uns sind das zwei Seiten der gleichen Medaille.

Auf der einen Seite machen wir gegenüber dem Bürger transparent, wer ihm gegenübersteht. Auf der anderen Seite aber sagen wir auch: Es ist vollkommen inakzeptabel, gegen Polizeibeamte Gewalt anzuwenden oder Polizeibeamte zu beschimpfen und zu verunglimpfen. Das kommt immer

wieder vor. Deswegen finde ich das, was hier gemacht wird, richtig und sinnvoll.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir schicken Polizeibeamtinnen und -beamte auf die Straße, damit sie das Gewaltmonopol des Staates wahrnehmen. Das ist eine wichtige Aufgabe. Es ist wichtig, dass die Polizeibeamtinnen und -beamten sich darauf verlassen können, dass wir, die wir sie auf die Straße schicken, damit sie das Gewaltmonopol durchsetzen, alles unternehmen, damit wir sie bei der Durchführung ihres Dienstes schützen. Bodycam ist da eine Maßnahme, die durchaus sinnvoll ist. Deswegen wird dieses Projekt fortgeführt, und deswegen finden wir auch gut, dass es ausgeweitet wird.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Testphase in Frankfurt hat gezeigt, dass diese Maßnahme gut gelaufen ist. Die Erfahrungen, die dort gemacht worden sind, haben wir aufgegriffen. Jetzt wird vorgeschlagen, das Projekt auszuweiten, und zwar auf das Polizeipräsidium Westhessen und auf das Polizeipräsidium in Offenbach. Es ist sinnvoll und richtig, dass – wenn man gute Erfahrungen mit gewissen Maßnahmen macht – man versucht, das auszuweiten, um weiterhin Erfahrungen zu sammeln, damit man dann sagen kann, ob es unter Umständen sinnvoll ist, solche Maßnahmen landesweit durchzuführen.

Ich will die Parameter nennen, mit denen wir es zu tun haben. Der Innenminister hat das in seiner Pressekonferenz getan. Im letzten Jahr hatten wir in Hessen 1.710 Strafanzeigen aus Anlass von Übergriffen auf Polizeibeamtinnen und -beamte. In Westhessen waren es 258, in Offenbach 117. Das macht schon deutlich, dass wir es mittlerweile damit zu tun haben, dass gegenüber Polizeibeamtinnen mit Respektlosigkeit, Verunglimpfungen und Übergriffen vorgegangen wird.

Das Modell zeigt: Dabei kann diese Maßnahme durchaus deeskalieren. Sie kann dazu führen, dass sich der Gegenüber zurückhält und in bestimmten Situationen von seinem Tun ablässt. Und der Polizeibeamte hat, wenn es zu Übergriffen kommt, die Möglichkeit, beweissichernde Maßnahmen zu ergreifen und gegen diese Personen strafrechtlich vorzugehen. – Das sind die beiden Aspekte, die wir hier bezwecken.

Der Kollege Greilich hat es gesagt: Diese Maßnahmen sind mit dem Hessischen Datenschutzbeauftragten abgestimmt. Das ist auch wichtig. Es wird keinen permanenten Einsatz dieser Kameras geben. Es wird anlassbezogene Einsätze geben, also bei Personenkontrollen oder bei Streitschlichtungen.

Dann wird die Maßnahme durchgeführt. Es ist klar erkennbar, dass eine Person eine Bodycam trägt. Der Mensch gegenüber weiß also genau, dass er bei einer kriminellen Handlung identifiziert werden kann.

Wir haben mit dem Datenschutzbeauftragten Löschungsfristen festgelegt. Das heißt, wenn die Aufzeichnungen nicht für die Strafverfolgung gebraucht werden, werden Sie nach Dienstende gelöscht. Von daher gesehen sind diese Bedenken aufgegriffen worden.

Der Datenschutzbeauftragte der Landes Hessen war von Anfang an in diese Maßnahmen einbezogen, und das, was der Datenschutzbeauftragte gesagt hat, ist aufgegriffen worden.

Wir sollten uns aber generell einmal Gedanken darüber machen, was die Tatsache von Übergriffen gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte angeht, nicht nur bezogen auf solche technischen Maßnahmen oder auf Strafparagrafen. Ich glaube, wir brauchen eine gesellschaftliche Debatte darüber, wie man mit diesem Phänomen und Problem umgeht. Wir haben es immer häufiger damit zu tun, dass sich Polizeibeamte darüber beschweren, dass ihnen respektlos gegenübergetreten wird.

Aber wir haben es mittlerweile auch damit zu tun, dass sich Sicherheitskräfte und Leute bei Rettungsdiensten und Feuerwehren – also Menschen, die zum Teil ehrenamtlich Dienst tun – beschweren und sagen, dass sie bei ihren Einsätzen belästigt werden, dass es zu Übergriffen kommt. Deshalb brauchen wir eine gesellschaftliche Debatte darüber, wie man dieses Phänomens Herr wird und wie man diesem Phänomen begegnen kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Hermann Schaus, DIE LINKE.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wir freuen uns über jeden Rückgang der Zahl von Angriffen auf Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, auf öffentlich Tätige, seien es im Ehrenamt oder im Hauptamt. Das ist ganz selbstverständlich, das kann gar nicht anders sein. Allerdings – da knüpfe ich an das an, was Kollege Frömmrich zum Schluss gesagt hat – sehen auch wir eine bedenkliche Entwicklung in einem Teil der Gesellschaft. Respekt und Anerkennung lassen in vielen Fällen teilweise schon Jugendliche vermissen. Dagegen kann man mit administrativen Maßnahmen, mit klassischen polizeilichen Maßnahmen leider nur sehr wenig ausrichten.

Worüber wir heute hier diskutieren, ist eine ganz normale verwaltungsinterne Maßnahme, nämlich einen Teil der Polizisten mit Bodycams auszustatten. Dass dieses normale Verwaltungshandeln von Ihnen zum Gegenstand einer Aktuellen Stunde gemacht wurde, verwundert uns ein wenig.