Protokoll der Sitzung vom 28.02.2018

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Die Situation von Frauen im Alter ist noch gravierender und noch prekärer als bei Männern. Eine aktuelle Auswertung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts hat für das Jahr 2015 ein Gender Pension Gap von 53 % errechnet. Das heißt, Männer verfügen im Schnitt über mehr als das doppelt so hohe Alterseinkommen wie Frauen. Die wichtigste Einnahme ist die gesetzliche Rente, deren Höhe in Hessen 1.136 € im Monat für Männer und 316 € für Frauen betrug. Bei den Betriebsrenten in der Privatwirtschaft ist der Unterschied noch höher. Bundesweit erreichen Frauen mit 240 € nur 40 % der Einnahmen der Männer. Allerdings haben überhaupt nur 7 % der Rentnerinnen einen Anspruch auf Betriebsrente, während es bei Männern immerhin 26 % sind.

Auch die private Altersvorsorge rettet nicht vor Armut. Nur 5 % der Männer und 2 % der Frauen haben aus dieser Quelle überhaupt Einnahmen. Auch hier erreichen Frauen nur zwei Drittel des Betrags der Männer. – Der Fortschritt ist an dieser Stelle eine Schnecke. Bis die Frauen aufholen, dauert es ewig.

Die Gründe für dieses Gender Pension Gap sind zugleich die Hebel, an denen man ziehen muss, um Altersarmut bei Frauen zu verhindern. Gute Arbeit braucht eine gute Entlohnung, und wir erleben eine deutliche Zunahme von Niedriglohnjobs. Das sind Arbeitsverhältnisse mit einem Verdienst unterhalb von zwei Dritteln des medianen Bruttostundenlohns. Mitte der Neunzigerjahre traf das in Deutschland auf etwa 14 % der Arbeitsverhältnisse zu. Aktuell sind es 22 %.

(Clemens Reif (CDU): Damit kennen Sie sich ja aus!)

Arbeitnehmerinnen sind deutlich öfter betroffen als Arbeitnehmer. Die Landesregierung hat mit ihrem Lohnatlas die Lohnlücke bei Frauen und Männern aufgezeigt, also das, was Frauen beim Equal Pay Day bereits seit zehn Jahren deutlich machen.

Was fordern wir von der Landesregierung? – Sie muss im Landesdienst beginnen. Ein Beispiel sind die Grundschullehrkräfte, die weiterhin schlechter bezahlt werden als alle anderen Lehrkräfte. Warum eigentlich? Sind Sie der Meinung, dass Grundschullehrerinnen eine weniger gute Arbeit leisten als die anderen? Oder ist es, weil hier überwiegend Frauen tätig sind? Oder sind hier überwiegend Frauen tätig, weil es nicht so gut bezahlt ist wie in dem anderen Bereich?

Oder haben Sie Angst davor, dass, wenn Sie die Grundschullehrerinnen ordentlich bezahlen, die Erzieherinnen dann mit ihren Forderungen nachrücken, weil sie sagen: „Auch unsere Arbeit ist so gut und so wichtig, dass wir endlich ein vernünftiges Entgelt dafür brauchen“?

(Beifall bei der LINKEN)

Für Letzteres sind allerdings die Träger vor Ort zuständig. Die Bezahlung ist vom Tarifvertrag und dieser wiederum von den finanziellen Verhältnissen der Kommunen abhängig. Also können Sie sich nicht so einfach wegducken. Solange die Kommunen nicht endlich ausreichend finanziert sind und die notwendigen Mittel für frühkindliche Bildung

erhalten, so lange müssen die Erzieherinnen oft genug die belastende Arbeit in Teilzeit ausüben und weiter auf Altersarmut hinausschauen.

Es liegt schon bei Ihnen, wie Sie an dieser Stelle die Kommunen ausstatten und wie Sie dafür Gelder zur Verfügung stellen. Also sagen Sie nicht, es sei nur eine Frage von Tarifverhandlungen. Es ist auch nicht so, dass die Kommunen sie nicht besser würden bezahlen wollen, wenn sie könnten. Wenn sie könnten, täten sie es natürlich. Also sitzen Sie an dem Hebel, der es ermöglicht, hier etwas ganz konkret gegen die Altersarmut von Frauen zu tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Stattdessen gibt es die große Rentenlücke als Geschenk für die Versicherungswirtschaft, die mit privaten Produkten ihren Reibach macht. Die Profite dieser Unternehmen sind trotz Niedrigzinsphase enorm. Allein die Allianz erwirtschaftete in Deutschland 2016 einen Umsatz von über 32 Milliarden €.

Es gibt auch noch andere kleine Beispiele, wo die Landesregierung etwas tun könnte, um die Altersarmut von Frauen zu verhindern. Wir hatten hier die Debatte um die Ausstattung von Schwangerenkonfliktberatungsstellen. Da ging es darum, dass man ihnen so viel Geld zur Verfügung stellt, dass sie für die Mitarbeiterinnen eine zusätzliche Altersversorgung abschließen können. Dieses Geld, wahrhaftig kein großer Topf im Haushalt, war es der Landesregierung nicht wert. Ich finde, das ist ausgesprochen traurig.

Sorgearbeit ist immer noch ein Riesenthema, und dafür werden Frauen auch allenthalben und immer wieder gelobt. Aber die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist und bleibt nun einmal mehrheitlich das besondere Problem von Frauen. Ob es die fehlenden Kinderbetreuungsplätze sind oder die nicht passenden Öffnungszeiten oder die fehlenden Ganztagsschulplätze – das Problem wird Ihnen Jahr für Jahr wieder zugetragen, wenn die Kids aus den Kitas kommen und dann in die Grundschule gehen und Ihr lustiger Pakt für den Nachmittag vielleicht greift, vielleicht aber auch nicht, es aber keine flächendeckenden, vernünftigen Regelungen gibt, die es Frauen ermöglichen, so berufstätig zu sein, dass sie nicht zielsicher in die Altersarmut gehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nicht jeder Arbeitgeber reagiert mit großer Gelassenheit, wenn die Kinder der Mutter oder auch einmal des Vaters krank sind. Die Karrierechancen sind ziemlich begrenzt, wenn man pünktlich den Arbeitsplatz verlässt, weil das Kind aus der Kita abgeholt werden muss. Wissenschaftlerinnen, die für ein Jahr nicht publizieren, haben natürlich ein riesiges Problem.

Der prozentuale Anteil der Frauen in der Justiz, in den Hochschulen und in den Ministerien lässt gerade in den Leitungspositionen sehr zu wünschen übrig. Hier ist ein Umdenken unmittelbar notwendig und möglich.

(Beifall bei der LINKEN – Michael Boddenberg (CDU): Frau Kollegin, wie viel Geld haben Sie jetzt schon wieder ausgegeben?)

Ich habe überhaupt kein Geld ausgegeben. Wenn ich mich entscheide, ob ich eine Abteilungsleiterin oder einen Abteilungsleiter einsetze, ist das nur die Entscheidung darüber, ob ich Frauenförderung betreibe oder nicht. Dafür brauche ich keinen Cent mehr. Sie müssen das nur wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Boddenberg, Sie gehören zu denen, die das bestimmt nicht wollen. Den Beweis dafür haben Sie hier oft genug angetreten.

(Zuruf von der CDU: Warum schreien Sie denn so?)

Weil er geschrien hat.

(Clemens Reif (CDU): Sie sind Expertin für geringfügige Beschäftigung! – Glockenzeichen der Präsidentin)

Das gilt aber nicht nur für junge Frauen mit Kindern. Das gilt auch für die Generation, deren Kinder aus dem Haus sind und die sich jetzt um die Eltern kümmert. Nicht alle Seniorinnen und Senioren können ihren Lebensabend gesund genießen. Zunehmende Erkrankungen psychischer und physischer Art machen familiäre Hilfestellung erforderlich. Die Unterstützung finden diese Senioren häufig in der Familie.

Zehn Tage Pflegeausfallzeit ist doch unfassbar wenig. Der Minister lobt hier regelmäßig, dass der überwiegende Teil der alten Menschen in den Familien gepflegt wird. Wer leistet denn diese Pflegearbeit? – Das sind doch überwiegend die Frauen in den Familien.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu welchem Preis tun sie das? – Das geschieht zum Preis ihrer Armut und ihrer Altersarmut. Darüber muss man sich doch im Klaren sein.

Ich gehe davon aus, dass Sie alle unserem Antrag zustimmen werden, Herr Boddenberg, auch Sie.

(Michael Boddenberg (CDU): Ach du liebe Zeit!)

Denn schließlich basiert er in wesentlichen Passagen auf dem Beschluss der Gleichstellungs- und Familienministerinnen, die am 15. Juni des letzten Jahres in Weimar getagt haben. Dort haben sie das beschlossen, was Grundlage dieses Papiers ist. Der Minister war leider nicht dabei. Aber immerhin war es sein Staatssekretär. Er wird uns sicherlich mitteilen können, wie er sich bei diesem Thema verhalten hat.

Das haben sie mehrheitlich so entschieden. Also waren auch Ihre Minister dabei. Von daher kann es eigentlich gar nicht anders ausgehen, als dass Sie diesem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf: Schauen wir ein- mal!)

Frau Kollegin Schott, kommen Sie bitte zum Schluss Ihrer Rede.

Ich komme zum Schluss meiner Rede. – Allerdings kommt es mehr auf die Taten als auf die Worte an. Dass wir Frauen uns die Taten erkämpfen müssen, ist uns bewusst. Deswegen freut mich besonders, dass sich das Frauenbündnis gegen Altersarmut Südhessen vorgenommen hat, ordentlich auf den Putz zu hauen. Sie wollen für eine bessere Absicherung der Frauen sorgen. Dort sind Frauen aus allen

möglichen gesellschaftlichen Organisationen vereinigt. Sie machen deutlich: Mit uns ist zu rechnen.

Meine Herren, nehmen Sie sich da etwas Gutes vor. Sorgen Sie dafür, dass die Altersarmut, insbesondere bei den Frauen, ein Ende hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Als Nächste spricht Frau Kollegin Klaff-Isselmann für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Armut ist hart. Sie bereitet vielen Menschen Sorge. Armut ist für jene, die betroffen sind, ein schwerer Schlag.

Wir nehmen Armut nicht einfach hin, bei niemandem, weder bei Frauen noch bei Männern. Wir kämpfen ständig dafür, dass jeder Mensch einen geregelten Mindeststandard zum Leben hat und weitgehend am gesellschaftlichen Alltag teilhaben kann. Gerade wir Christdemokraten schreiben Verantwortung für den Menschen groß.

(Beifall bei der CDU)

Nicht nur unsere Sozialethik verpflichtet uns zum Handeln, zum Mitgefühl und zur Solidarität. Vielmehr tut dies auch der in unserem Grundgesetz und in der Hessischen Verfassung verankerte Sozialstaatsgedanke.

Ich freue mich, dass das Thema Altersarmut der Frauen heute zur Debatte steht. Armut, und vor allem Altersarmut, hat in der Regel ein weibliches Gesicht.

DIE LINKE wirft der Landesregierung vor, sie täte zu wenig gegen die Altersarmut der Frauen. Ich werfe allerdings der LINKEN Ignoranz vor. Anders kann ich mir Ihre Meinungsbildung zu diesem wichtigen Thema nicht vorstellen. Denn wir sind hinsichtlich der Bekämpfung der Armut durchaus aktiv. Es wird gelingen, die Altersarmut weiter zu reduzieren.

Ich darf Ihnen eines direkt sagen: Es ist nicht sinnvoll, damit zu kommen, dass am Ende des Berufslebens eingegriffen werden muss. Denn da starten Sie wieder mit Ihren Umverteilungsfantasien. Die haben noch nie ein Problem gelöst.

Fangen wir einmal damit an, dass es zur Bekämpfung der Armut grundlegend wichtig ist, dass jeder Arbeit hat. Es geht um die Integration der Frauen in den Arbeitsmarkt nach der Familienphase. Es geht um Menschen mit Migrationshintergrund und um ältere Erwerbstätige. Wer arbeitet, kann sein Leben selbstbestimmt gestalten und macht sich nicht von der Gnade linker Umverteilungstaktiken abhängig. In Hessen gab es noch nie so viele sozialversicherungspflichtig Beschäftigte wie derzeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist die beste Vorsorge gegen Armut. Wer jedoch keine Arbeit hat oder nur schwer welche findet, dem helfen wir. Wir wissen, dass gerade Frauen durch verschiedene Lebensumstände für längere Zeit nicht aktiv am Erwerbsleben teilnehmen. Sie weisen Unterbrechungen in der Erwerbsbiografie auf, oder sie sind erwerbslos. Das geschieht