Es zeugt schon von einer großen Chuzpe, hier zu fragen: Was will eigentlich die Opposition? – Sie haben versucht zu erklären, was Sie getan haben. Obwohl Sie Ihre Redezeit überzogen haben und ich Ihnen gut zugehört habe, habe ich keinen roten Faden erkennen können, was denn Ihre Strategie ist, was Sie denn jetzt wollen.
Herr Boddenberg, Sie schütteln den Kopf. Ich muss ehrlich sagen, wenn hier vorne ein Frankfurter steht und über den ländlichen Raum redet und anschließend grinst, wenn Frau Knell hier steht, die dort mit ihrer Familie lebt, die aus der Emotionalität heraus erklärt, wie man sich im ländlichen Raum fühlt,
wenn Sie hier regieren und die GRÜNEN mitregieren, dass man sich als Naherholungsgebiet für grüne Wohlstandswähler fühlt,
wenn Sie das hier vortragen und als Frankfurter darüber lachen, dann sage ich Ihnen, dass Sie das Thema nicht erfasst haben.
Frau Knell hat hier deutlich gemacht, dass es doch nicht sein kann, dass wir über die U-Bahn-Taktung in Frankfurt reden, während wir für den ländlichen Raum fordern, dass dort eine Bank hingestellt und der ÖPNV mit Vereinen ehrenamtlich organisiert werden soll. Das kann doch nicht Ihre Strategie sein.
(Michael Boddenberg (CDU): Wollen Sie da eine U-Bahn bauen? – Weitere Zurufe – Glockenzeichen der Präsidentin)
Was muss im ländlichen Raum passieren? Ich nenne Ihnen einmal die Handlungsfelder. Das betrifft erstens die Frage der Gesundheitsversorgung. Auf Landesebene sind wir natürlich nicht in der Lage, diese nachhaltig zu verbessern. Dafür muss man seinen Einfluss in Berlin geltend machen. Das CDU-geführte Gesundheitsministerium gibt als Strategie aus, Arztsitze in Hessen abzubauen. Wo wird es aber am ehesten zum Abbau von Arztsitzen kommen? Das wird doch den ländlichen Raum treffen. Ihre Strategie in Berlin schlägt doch hier durch.
Wenn ich im ländlichen Raum lebe und im Ballungsgebiet arbeiten muss, dann stehe ich jeden Tag eineinhalb Stunden lang im Stau, wenn ich hineinfahre und wenn ich hinausfahre. Wenn mir Lebenszeit wichtig ist, dann zahle ich die überhöhten Mieten. Insofern erkennen Sie doch, dass die Probleme im ländlichen Raum und im Ballungsraum eng zusammenhängen. Mobilität ist hierbei eine entscheidende Frage.
Wenn der Verkehrsminister des Landes Hessen nur 60 % des Geldes verplanen will, das der Bund als Minimum ansieht, dann ist doch klar, wo Sie die Mobilitätsanforderungen sehen. Es ist wunderbar, dass der Kollege SchäferGümbel vorhin das Beispiel Odenwald angeführt hat. Dabei geht es um eine Bundesstraße, die der Minister nicht plant.
Diese Bundesstraße ist zwingend notwendig für die Mobilitätserschließung im Odenwald. Die Bürgervertreter und die Wirtschaftsvertreter müssen doch bei Ihnen gewesen sein und Ihnen gesagt haben, dass dort Zehntausende Leute jeden Tag im Stau stehen, weil Sie sich aus ideologischen Gründen weigern, eine vom Bund finanzierte Straße zu planen. Das ist doch die Realität.
Sie sagen dann auch noch: Es ist doch toll, wie sich der Odenwald versorgt hat, wie er sich digitalisiert hat. – Das ist doch der Initiative der Wirtschaft, der Bürger vor Ort und der Kommunalpolitik zu verdanken, aber das ist doch nicht Ihr Verdienst.
Erklären Sie uns doch bitte einmal, was Sie in den vergangenen vier Jahren gemacht haben. Dann kommt hier nämlich eine Leerstelle an. Viele Bürgermeister haben Ihnen
doch ins Stammbuch geschrieben, dass es bei der Weiterentwicklung im ländlichen Raum zentral um die Frage geht, welche Entwicklungspotenziale Sie im Landesentwicklungsplan für den ländlichen Raum schaffen, damit sich dieser weiterentwickeln und damit dieser wachsen kann, damit er attraktiv bleibt.
Gehen Sie doch einmal die großen Fragen an. Diese Fragen sind schwierig zu beantworten. Gehen Sie diese Fragen einmal an, und versuchen Sie, Lösungen zu finden. Erklären Sie aber bitte nicht, mit 20, 30 oder 40 Stellen würde sich strukturell etwas verändern; denn die Aufgaben sind wirklich zu komplex.
Sie sollten aufhören, mit ein paar zusätzlichen Stellen ein strukturelles Problem lösen zu wollen. Gehen Sie die Strukturen wirklich an. Dann machen Sie etwas Richtiges, am besten mit uns zusammen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, bei der IHK in Frankfurt haben Sie vor zwei oder drei Wochen wieder einmal gesagt, Sie wollten die Starken stärken.
Bei der IHK in Frankfurt haben Sie auch gar nicht so viel über den ländlichen Raum gesprochen, wie Sie das heute hier gemacht haben.
Ich finde, dieser Satz, „die Starken stärken“, wirft Fragen auf: Erstens. Wer sind denn eigentlich die Starken?
Zweitens. Was passiert denn eigentlich mit den Schwachen, wenn es die Starken sind, die immer weiter gestärkt werden?
Statt die Starken zu stärken – wie Sie es immer sagen – und immer weiter zu zentralisieren, brauchen wir eine vernünftige Regionalentwicklung.
Die Probleme von Stadt und Land gehören doch zusammen, und die müssen doch zusammen diskutiert werden. Denn die Probleme des ländlichen Raumes schwappen doch in die Städte zurück in Form von steigenden Mieten und immer mehr Verkehr, weil viele Menschen im ländlichen Raum überhaupt keine Perspektive mehr sehen, weil sie gezwungen sind, jeden Tag zwei Stunden im Stau zu stehen, weil es bei ihnen zu Hause keine Arbeitsplätze gibt
oder weil es kaum noch eine Infrastruktur gibt. Ihre Politik hat doch genau diese Probleme verschärft.
Jetzt, kurz vor der Landtagswahl, stellen Sie sich hin und sagen: Oh, offensichtlich gibt es hier ein Problem, machen wir einmal drei Symbolmaßnahmen. – Dabei haben Sie das Problem erst geschaffen und verschärft.
29 Standorte haben Sie geschlossen. Das waren 1.250 Arbeitsplätze, die Sie zentralisiert haben. Und jetzt feiern Sie sich dafür, dass Sie ein paar wenige Stellen im ländlichen Raum wieder schaffen wollen. Das ist doch lächerlich.
Aber wir müssen ja nicht nur über die Gerichtsstandorte reden. Reden wir über Hessen-Forst. Wie viele Stellen haben Sie dort abgebaut?
Es gibt so viele Bereiche, wo wirklich in direkter Verantwortung dieser Landesregierung – ich nenne auch noch die Straßen- und Verkehrsverwaltung – Arbeitsplätze im ländlichen Raum verloren gegangen sind.
Jetzt Ihre Initiative. Sie haben zwar angekündigt, 2018 und 2019 1,8 Milliarden € zu investieren, aber Sie sagen nicht dazu, dass 1,3 Milliarden € aus dem KFA kommen. Das heißt, das sind Gelder der Kommunen. Sie machen jetzt kurz vor der Landtagswahl irgendeine Symbolaktion, dass Sie da irgendwas mit „Heimat“ benennen, und tun so, als würde Ihnen der ländliche Raum am Herzen liegen.
Sie regieren hier seit fast 20 Jahren. Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten vorher einmal Maßnahmen in diese Richtung ergriffen, statt das Gegenteil zu bewirken und dafür zu sorgen, dass Stadt und Land immer weiter auseinanderdriften, Herr Ministerpräsident.