Protokoll der Sitzung vom 28.02.2018

Die Kolleginnen und Kollegen der SPD haben in ihrem Antrag niedergeschrieben, was wir schon seit Jahren anprangern: Der Hessische Kultusminister fühlt sich anscheinend für seine annähernd 60.000 Lehrkräfte nicht wirklich verantwortlich. Herr Lorz, wenn Sie sich verantwortlich fühlen würden, wüssten Sie, wie viel Unterricht ausfällt und wie der Krankenstand ist. Die Schätzungen der GEW hierzu sind seit Jahren alarmierend. Hier wurde auch schon mehrmals über die niedersächsische Studie zur Lehrkräftebelastung gesprochen. Damals wurde deutlich, dass die wenigsten Lehrerinnen und Lehrer glauben, ihr Rentenalter ohne ernsthafte berufsbedingte Erkrankungen zu erreichen.

Bei jedem Arbeitgeber, der auch nur ein klein wenig verantwortungsbewusst ist, müssten jetzt die Alarmglocken läuten. Diese Verantwortungslosigkeit gegenüber seinem Personal kennt man eigentlich nur von ausbeuterischen und profitorientierten Arbeitgebern. Wirtschaftsbetriebe, die gut ausgebildete Arbeitskräfte beschäftigen und auf Nachhaltigkeit und hohe Qualität setzen, würden ein Qualifizierungsprogramm starten, und ein gesundes Betriebsklima würde auf der Tagesordnung stehen, statt auf gesundheitlichen Verschleiß zu fahren.

(Beifall bei der LINKEN)

Verantwortungsbewusste Betriebe wissen, dass die wertvollste Produktivkraft die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind. Nicht so das Kultusministerium; dort wird sogar geleugnet, dass eine große Zahl von Überlastungsanzeigen eingegangen ist. Leider betrifft die Überlastung nicht nur die Lehrkräfte, sondern auch die Schulleitungen. Diese arbeiten weitaus mehr als offiziell vorgesehen; denn der Laden muss laufen. Diese fühlen sich verantwortlich; diese wollen pädagogisch arbeiten, aber dann müssen sie sich auch noch mit Verwaltung, Budgetierung und der Kontrollitis der Kultusverwaltung beschäftigen. Aber auch davon wollen Sie nichts wissen. Das haben Sie eindrucksvoll durch Ihre Weigerung bewiesen, eine Anhörung zur Belastung an den Schulen durchzuführen.

Jetzt sage ich Ihnen noch eines. Von der CDU kennen wir dieses Verhalten schon; aber dass sich die GRÜNEN so an die Leine nehmen lassen und nicht einmal bereit sind, die Leute anzuhören, für die sie durch ihre Regierungsbeteiligung auch verantwortlich sind, ist schon ein starkes Stück. Warum behalten Sie diese unerträglichen Lobeshymnen weiter bei? Warum beschäftigen Sie sich nicht einmal wissenschaftlich mit den angezeigten Belastungen?

Zweitens. Meine Damen und Herren, einen Bildungsbericht, den die SPD vorschlägt, finde auch ich sehr sinnvoll. Das unterstütze ich; denn auch das gehört zu den Basics eines Arbeitgebers.

Herr Wagner, Sie reden immer von Konzepten. Jetzt habe ich mir einmal das Strategiepapier der GRÜNEN zur Bildungspolitik angeschaut. Dort wird deutlich, wer in dieser Koalition die Zügel in der Hand hält. Dort liest man von Zweifeln am mehrgliedrigen Schulsystem, von dem Wunsch nach wirklich flächendeckendem Ganztagsschulausbau, nach Abschaffung von Ziffernoten und das Bekenntnis – ich zitiere –: „Mit uns wird es weder CDUnoch SPD-Zwangsbeglückungen geben.“ Die GRÜNEN sind vor fünf Jahren in die Regierungsverantwortung gegangen; und von den im Strategiepapier hinterlegten „neuen“ Ideen haben sie bislang keine einzige auch nur thematisiert. Das brauchen sie auch nicht; denn sie wissen ganz genau, dass keine dieser Ideen mit der CDU jemals umgesetzt werden könnte. Und neu sind die Ideen nicht. Das ausufernde und sozial ungerechte Schulsystem prangern Expertinnen und Experten seit Jahren an. Selbst die Bertelsmann Stiftung fordert einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz – Schulplatz, nicht Betreuungsplatz, wohlgemerkt.

(Beifall bei der LINKEN – Janine Wissler (DIE LINKE): Ja, das ist ein Unterschied!)

Die Abschaffung der Ziffernoten ist schon lange ein pädagogisch sinnvoller Gedankengang, und an den staatlichen Modellschulen, für die die Landesregierung sich so gern selbst lobt, wird das längstens gemacht. Also, liebe GRÜNE: Nichts davon ist neu, und nichts davon werden Sie mit der CDU jemals durchsetzen. Zwangsbeglückt werden aber all diejenigen, die darauf hoffen, dass auch in die hessische Bildungspolitik einmal ein Hauch moderner Pädagogik einzieht.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Schluss möchte ich nur noch einmal an Sie appellieren: Nehmen Sie die Sorgen, die Überlastungen, die Gesundheit Ihrer Beschäftigten endlich einmal ernst. Hören Sie die Schulen zur Belastung an. Erheben Sie überhaupt erst einmal den Bedarf an Personal. Erstellen Sie eine Bedarfsanalyse. Beenden Sie vor allem Ihre Schönrederei. Dadurch geht wertvolle Zeit verloren, die für Änderungen notwendig wäre.

(Beifall bei der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Das ist wahre Selbstreflexion! Was ist mit Selbstkritik?)

Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, das Wort hat Herr Kollege Armin Schwarz, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Herr Kollege Degen, der Antrag, den Sie mit einem etwas problematischen Titel beschreiben – diesen will ich jetzt nicht rezitieren –, ist eine Kombination aus böswilligen Behauptungen. Deswegen will ich mich lieber mit den Einzelpunkten Ihres Antrags beschäftigen. In Punkt 1 werfen Sie der Landesregierung vor, sie würde es versäumen, die wesentlichen Zahlen, Fakten und Daten zu erheben. Das ist schlicht falsch.

Deswegen noch einmal die wesentlichen Daten und Fakten für Sie zum Mitschreiben. Damit wird es für Sie noch einmal dargelegt: Fakt ist, die Personalausstattung an den hes

sischen Schulen ist heute so gut wie noch nie. Fakt ist, die Bildungsausgaben pro Kopf sind so hoch wie in keinem anderen Flächenland.

(Beifall bei der CDU)

Fakt ist, am Ende Ihrer Amtszeit vor 19 Jahren waren für 840.000 Schüler 43.000 Stellen geschaffen worden. Heute, das ist auch ein Fakt, stehen für 80.000 Schüler weniger, nämlich für 760.000 Schüler, über 53.000 Stellen zur Verfügung. Fakt ist auch, das Lehrer-Schüler-Verhältnis hat sich von 1 : 21 auf 1 : 15 verbessert. Fakt ist, für die Abdeckung des Stundenplans, also für die Grundunterrichtsversorgung, müssten wir 38.000 Stellen vorhalten; wir halten aber 53.400 vor. Das sind 15.400 Stellen über dem tatsächlichen Bedarf.

(Beifall bei der CDU)

Fakt ist, heute unterrichten wir 250.000 Unterrichtsstunden mehr pro Woche als zu Ihrer Zeit. Fakt ist, Hessen hat die niedrigste Schulabbrecherquote unter allen Bundesländern. Fakt ist, zu den 105 %, die es nur in Hessen gibt, kommen für alle besonderen Aufgaben besondere Stellenzuweisungen hinzu: allein 800 Stellen für die sozial indizierte Lehrerzuweisung und für die Integration, 2.500 Stellen für die Sprachförderung, 2.600 Stellen für den Ganztag. Jetzt haben wir auch noch sozialpädagogische Fachkräfte; es sind 700 an der Zahl. Daher macht es Spaß, wirklich einmal über Zahlen, Daten und Fakten zu reden.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Degen, machen wir weiter, Stichwort: Bedarfsplanung. Wir machen eine perspektivische Bedarfsplanung mit kontinuierlicher Einstellung von Jahr zu Jahr, von Legislaturperiode zu Legislaturperiode. Das ist die Maxime unseres Handelns.

Ich weiß schon, Herr Kollege Greilich wird gleich in die Bresche springen und versuchen, die Welt anders zu erklären. In der letzten Legislaturperiode haben wir 2.500 Stellen on top geschaffen. In dieser Legislaturperiode schaffen wir 4.350 Stellen zusätzlich. Das hat es noch nie gegeben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da sage ich Ihnen klipp und klar: Wir haben nicht auf Sie gewartet, um das Thema Bedarfsplanung zu besprechen. Wir haben auch nicht auf Gütersloh gewartet, um das Thema Bedarfsplanung zu besprechen. Gütersloh und Bertelsmann, aus dem Jahr 2009 gibt es eine Prognose: Stellt weniger Lehrer ein, bildet weniger Lehrer aus, die Schülerzahlen gehen zurück. – Dieselbe Mannschaft aus Gütersloh sagt heute etwas anderes. Schön, so viel zur Grundlage tatsächlicher Entwicklung und zu den sogenannten Profis, die wissen, wie die Welt eigentlich zu funktionieren hat.

Unser Prinzip lautet: kontinuierliche Lehrerausbildung, kontinuierliche Einstellungen. Das ist planvoll, das ist wirkungsvoll. Das ist genau die Art und Weise, wie wir erfolgreiche Politik in den Schulen und für die Schulen, für die Eltern und für die Kinder machen.

Kein einziges Bundesland, das von der SPD geführt wird, kommt auch nur an 100 % Lehrerversorgung heran. Ich will Ihnen eines sagen, das machen wir gleich unter dem Kapitel Verwaltung, und was Sie so alles einfordern: Ihr Beispiel von Rheinland-Pfalz. Die sollten weniger Berichte schreiben und lieber mehr Lehrer einstellen. Die Lehrer

versorgung liegt dort bei 98 %. Wir liegen deutlich darüber. Insofern brauchen wir keine Ratschläge von Ihnen. Wir gestalten bestmögliche Bildung. Die SPD will verwalten, noch schlimmer: Sie wollen zusätzliche zentrale Datenerfassung. – Ich will Ihnen eines sagen: Zusätzliche Bürokratie wollen wir nicht. Wir wollen Lehrer, und wir bringen sie an die Schulen. Das merken die Schulen sehr genau.

Die SPD bringt zusätzliche Verwaltung, die SPD bringt zusätzliche statistische Erhebungen. Damit bringt sie zusätzliche Belastungen für die Schulleitungen und für die Schulämter. Abgesehen davon sind die Daten, die Sie einfordern, aus meiner Perspektive unter datenschutzrechtlichen Aspekten höchst fragwürdig. Insofern würde ich gerne noch einmal mit Ihnen darüber reden.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Für uns ist es zunächst einmal nicht entscheidend, ob der Kollege oder die Kollegin wegen Grippe oder wegen Schwangerschaft den Unterricht nicht geben kann. Damit das auch klar ist: Bei uns wird mit der verlässlichen Schule der Unterricht ordentlich vertreten. Er wird qualifiziert vertreten. Deswegen brauchen wir keinerlei abschreckende Beispiele aus Rheinland-Pfalz.

Reden wir über das Kapitel Professionalisierung. Sie sprechen von Entprofessionalisierung. Das ist schlichtweg Unfug. In Berlin haben Sie Verantwortung. Dort sind im Jahr 2017 im Grundschulbereich über die Hälfte der Lehrer als Quereinsteiger eingestellt worden. So etwas gibt es bei uns nicht. In Hessen halten wir trotz der bundesweit hohen Nachfrage nach Lehrerinnen und Lehrern am Prinzip des qualifizierten Personals fest.

Die Anzahl der Studienplätze wird erhöht: Im Bereich der Grund- und Förderschulen stehen zusätzlich 315 Plätze zum Wintersemester 2017/2018 zur Verfügung. Wir bringen im Doppelhaushalt für den Bereich der Haupt- und Realschulen weitere 90 Studienplätze auf den Plan. Für den Bereich der Haupt- und Realschulen haben wir 400 zusätzliche Referendarstellen für die Jahre 2018 und 2019 eingeplant. An der Stelle brauchen wir Ihre Ratschläge definitiv nicht.

Guten Morgen, liebe SPD, dann fällt Ihnen irgendwann, nachdem Sie jetzt zum Glück 19 Jahre in der Opposition sind, ein, dass 6.000 Lehrerinnen und Lehrer ohne Lehramt oder ohne Lehrbefähigung an den Schulen tätig sind. Ja, schön. Darunter sind allein 1.445 Pfarrerinnen und Pfarrer. Das war schon immer so, dass wir mit der evangelischen und der katholischen Kirche zusammenarbeiten. Dazu kommen Lehrkräfte für den fachpraktischen Unterricht an beruflichen Schulen, Meister des Handwerks, Juristen, Ärzte, für die wir keine Ausbildung als Lehrkraft vorhalten. Dann gibt es Diplom-Sportlehrer an Grund- und Förderschulen. Dazu kommen Diplom-Physiker und DiplomChemiker an Gymnasien und an Haupt- und Realschulen.

Wer kann denn etwas dagegen haben, dass wir Menschen mit zusätzlicher Qualifikation und zusätzlicher Expertise so planvoll und zum Wohle guter Bildung an den Schulen einbringen?

(Beifall bei der CDU)

Im Übrigen, das will ich auch noch einmal sagen: Wir waren diejenigen, die im Jahr 2005 mit SAP überhaupt erst eine so übersichtliche Erhebung ermöglicht haben. Das gab es nämlich vorher nicht. Ihr Prinzip ist Verwalten, wir wol

len gestalten. Gute Bildung, das ist und bleibt die Maxime unseres Handelns.

Sie haben schlicht und ergreifend ein Wahlkampfthema gesucht. Da kommen Sie jetzt auf 6.000 Lehrkräfte, die ohne Lehramt oder ohne Lehrbefähigung unterwegs sind.

(Christoph Degen (SPD): Das steht gar nicht darin!)

Reden Sie ruhig darüber. Wir sagen klipp und klar: Pfarrer, Handwerker, Naturwissenschaftler, Juristen tun den Schulen gut und bereiten die Schülerinnen und Schüler gut auf den Beruf vor.

Was ist denn mit der einstigen Arbeiterpartei SPD, die nur noch Akademiker an den Schulen haben will? Will sie die berufliche Bildung damit schwächen?

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das sagen ausgerechnet Sie!)

Praxisnähe und die Ausstattung der Schulen, was Personal betrifft, sind noch nie besser gewesen als heute.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ich sage nur: Bildungsgipfel!)

Wir machen gute Schulen. Die SPD macht bürokratische Monster. Dafür brauchen wir Ihre Belehrungen nicht. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Kollege Schwarz. – Das Wort hat der Abg. Wagner, Fraktionsvorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Es gibt sogar Momente, in denen mir Mathias Wagner leidtut!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn es nur eines Beweises bedurft hätte, dass in der Bildungspolitik der SPD-Opposition vorne und hinten nichts zusammenpasst, dann ist es der heute vorliegende Antrag.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)