Protokoll der Sitzung vom 01.03.2018

Vielen Dank, Frau Kollegin Gnadl. – Für die Landesregierung spricht Herr Staatsminister Grüttner. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass das Jahr 1918 ein wesentliches Datum gewesen ist, ist uns wohl hinreichend deutlich geworden. Der Beschluss des Rates der Volksbeauftragten vom 12. November 1918 mit der Einführung des aktiven und passiven Wahlrechts für Frauen war ein Schritt, der letztendlich dazu führte, dass man schon auf ein solches Datum zurückschauen kann – meines Erachtens auch muss –, ohne die aktuellen Herausforderungen aus dem Blick zu verlieren und nicht darüber nachzudenken, wie weit der Weg gewesen ist, um letztendlich auch die Fragestellung der Gleichberechtigung immer wieder und neu zu diskutieren.

Insofern ist diese Debatte schon ein guter Anlass, all die Frauen zu würdigen, die unter schwierigen Bedingungen als Revolutionärinnen, als Politikerinnen der ersten Stunde, als erste Akademikerinnen oder als Inhaber eines sogenannten Männerberufs die Grundsteine für die Gleichberechtigung in Deutschland gelegt haben.

Sie wirkten letztendlich politisch und institutionell und im praktischen Leben für die gleichberechtigte Mitbestim

mung in allen Politikbereichen, für die Schaffung gleichberechtigter Zugänge zu Bildung, Arbeit und Kultur, für einen Wandel überkommener Geschlechterrollen, für eine neue Sexualmoral, für das Recht der Selbstentfaltung und Selbstbestimmung auch in der Ehe und in der Familie.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In Kassel befindet sich genau diejenige Institution, die die Erinnerung an viele mutige Pionierinnen der ersten deutschen Frauenbewegung im Zeitraum von 1848 bis 1933 wachhält und die überlieferten historischen Dokumente sammelt, systematisiert, erforscht und der Öffentlichkeit zugänglich macht: das Archiv der deutschen Frauenbewegung. Es ist eine einmalige Einrichtung, und wir können stolz darauf sein, dass sie in Hessen beheimatet ist und dass mutige Frauen wie beispielsweise Bertha Pappenheim, Maria Birnbaum, Else Hattemer, Else Alken, Lily Pringsheim, Anna Rauck, Julie Heraeus oder Cäcilie Schaefer – diese Auflistung ist weiß Gott nicht vollständig – dank des Archivs und seiner engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht in Vergessenheit geraten sind.

Insofern ist es gut, wenn im August die entsprechende Ausstellung in Frankfurt eröffnet wird. Sie wird bis zum Januar nächsten Jahres im Frankfurter Historischen Museum zu sehen sein. Diese Ausstellung ist bundesweit einmalig, und ich hoffe, dass viele der Einladung von Frau Ravensburg folgen, diese Ausstellung zu sehen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich – das ist auch deutlich gemacht worden – gehört zu diesen Pionierinnen Elisabeth Selbert. Ich habe die Ehre, den Elisabeth-Selbert-Preis, der mit 10.000 € dotiert ist, auszuhändigen und zu verleihen. Ich habe auch die Ehre, in Vorbereitung einer solchen Preisverleihung mehr oder weniger als einziger Mann unter Frauen in der Jury die Leistungen zu würdigen, die die Vorgeschlagenen erbracht haben, um letztlich Preisträgerinnen auszeichnen zu können.

An dieser Stelle sieht man, wie viele engagierte Mitbürgerinnen, aber in der Zwischenzeit auch Mitbürger, es heute gibt, die an der Verwirklichung der Gleichberechtigung – wir wissen, dass wir daran noch zu arbeiten haben – mitwirken, und welche Leistungen erbracht werden.

Ich finde immer wieder, dass bei einer solchen Preisverleihung ein Blick in das Leben von Elisabeth Selbert in der Tat zeigt, dass es ein beeindruckendes Leben ist. Man muss sich vorstellen, dass sie praktisch als einzige Frau als Rechtsanwältin zugelassen worden ist, als letzte Zulassung, bevor die Nationalsozialisten an dieser Stelle alles verändert haben, und dass in der Familie Selbert die Arbeitsteilung anscheinend auch das erste Mal so war, dass die Frau gearbeitet hat und der Mann sich um die Familie und die Kinder gekümmert hat.

Daran sieht man, dass das, was damals noch als außergewöhnlich dargestellt worden ist, sich in einer längeren Zeitabfolge bis zum heutigen Tag auch in den Einstellungen bei uns, bei allen, die wir heute aktiv sind, geändert hat. Wenn noch vor 20 Jahren der Mann belächelt worden ist, der Familienarbeit gemacht hat, dann ist das heute nicht mehr der Fall. Auch das ist ein Stück dessen, was Frauen erkämpft haben. Das ist ein Stück weit gelebte Gleichberechtigung.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

An diesen Stellen müssen wir weitermachen. Wir haben nach wie vor noch Ungerechtigkeiten.

Ich versuche, noch einmal zu erklären, warum der Lohnatlas entsprechende Unterschiede aufzeigt und warum man sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse genommen hat und keine Teilzeitverhältnisse. Denn dann bekommt man einen tatsächlichen, einen ordentlichen Vergleich zwischen Männern und Frauen.

Wenn gefragt wird, was gemacht wird: In Regionalkonferenzen mit den Sozialpartnern, aber auch in den Gesprächen mit den Unternehmerverbänden, mit den Gewerkschaften ist schon sehr viel auf den Weg gebracht worden, auch in Veranstaltungen vor Ort: Warum ist hier der Unterschied größer? Was können wir vor Ort tun?

Wenn hier so nett gefragt wird, was die Landesregierung tut, verweise ich wiederum – Herr Decker würde jetzt wahrscheinlich applaudieren – auf die Tarifautonomie. Dort, wo eine Lohngleichheit besteht, das ist die öffentliche Verwaltung. Wir können uns über die Frage von Führungspositionen und anderes unterhalten, aber Lohngleichheit besteht im öffentlichen Dienst als einziger „Branche“, weil dort Männer und Frauen gleich bezahlt werden.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Ja!)

Dort haben wir eine eigene Möglichkeit zur Gestaltung. Bei den anderen können wir nur unterstützend tätig sein. Dieser Lohnatlas bietet das insofern.

Wir haben die Hessischen Unternehmerinnentage, bislang 16 an der Zahl – der letzte hat im Oktober in Frankfurt stattgefunden –, gefördert, genauso wie die Koordinierungsstelle Frauen und Wirtschaft. Das ist ein breites Netzwerk selbstständiger Frauen. Wir fördern den Verein Social Business Women, der den Wiedereinstieg oder die Existenzsicherung ermöglicht.

Zu den weiteren Maßnahmen in Hessen gehört die Förderung des Archivs Frauen und Musik. Wir fördern das mit 40.000 €, damit auch das musikalische Erbe von Frauen ein im wahrsten Sinne des Wortes besseres Gehör findet, damit es erforscht und gepflegt werden kann.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Wir stellen 300.000 € aus dem Landeshaushalt für die Förderung eines Frauenfilmfestivals zur Verfügung, damit das filmische Erbe von Frauen besser sichtbar wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Hessische Landesregierung hebt damit ausdrücklich auch die Gestaltungskraft von Frauen im Film- und Medienbereich hervor.

Insofern sehen Sie: Wir arbeiten täglich daran. Wir sind nicht fertig; das hat auch keiner behauptet. Aber wer das Ziel aus den Augen verliert, der wird auch die notwendigen Schritte nicht mehr gehen. Manchen gehen sie nicht schnell genug, manchen vielleicht zu schnell.

Ich denke, die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben die richtigen Schritte eingeleitet, damit Gleichberechtigung peu à peu und Schritt für Schritt vollständig umgesetzt wird.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Grüttner. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache beendet.

Mir ist mitgeteilt worden, dass der Entschließungsantrag nicht sofort abgestimmt werden soll, sondern dem Sozialpolitischen Ausschuss überwiesen wird. – Dann verfahren wir so.

Damit sind wir am Ende der Vormittagssitzung angekommen. Ich unterbreche die Plenarsitzung bis zum vereinbarten Ende der Mittagspause. Um 14:30 Uhr sehen wir uns hier wieder.

(Unterbrechung von 13:16 bis 14:32 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort. Es ist, wie vereinbart, 14:30 Uhr.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 43 auf:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend ÖPNV innovativ gestalten – Digitalisierung und WLAN vorantreiben – Drucks. 19/6077 –

Das geschieht zusammen mit Tagesordnungspunkt 64:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Weichen für den ÖPNV in Hessen in Richtung Zukunft gestellt – Drucks. 19/6108 –

Zu Wort gemeldet hat sich zunächst Herr Kollege Lenders. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

(Beifall bei der FDP)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das „Handelsblatt“ schreibt:

Das WLAN-Desaster im Nahverkehr

… nur 10 % der Züge mit WLAN …

Ich habe im Vorfeld so einiges nach dem Motto gehört: Ist das denn wirklich in Hessen ein Thema? Ist es denn grundsätzlich ein Thema?

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

In Hessen ist es das nicht so sehr. Aber das ist es in Ländern wie in Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz. Die Hamburger machen es bereits. Auch die Bayern sind mittlerweile ganz weit vorne. Für die ist das anscheinend ein deutlich größeres Thema als für uns.

Dass das alles bis auf Hamburg Flächenländer sind, ist sicherlich kein Zufall. Denn WLAN im ÖPNV ist natürlich vor allem für die Nutzer interessant, die sehr lange im Zug sitzen.

Auch Bundesverkehrsminister Dobrindt hatte sich dazu geäußert. Dobrindt sagte, wir würden im ÖPNV flächendeckend WLAN brauchen.

Hört mir einer zu?

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ja!)

Entschuldigung, vielleicht kann man einmal schauen, wer hinter der Balustrade so einen Krach macht. Ich bitte, die Gespräche draußen zu führen oder sich sinnvollerweise auf die Plätze zu setzen und zuzuhören.