Protokoll der Sitzung vom 01.03.2018

(Holger Bellino (CDU): Was ist das denn für ein Esoterikvortrag?)

Herr Bellino, wenn Sie ausnahmsweise einmal den Mund halten könnten, wäre es schön.

(Holger Bellino (CDU): Was für ein Esoterikvortrag! Das werden die Frauen doch überhaupt nicht verstehen, was Sie hier von sich geben! Fragen Sie einmal die Margot Honecker, die kann Ihnen das erzählen! – Anhaltende Unruhe bei der CDU)

Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Herr Bellino, genau das beschreibt, was ich meine. Sie sind das Paradebeispiel für einen Mann, der Frauen abschreckt, sich an Politik zu beteiligen, weil dazwischenzubrüllen, zu diskriminieren und zu diskreditieren Ihre Stärke ist. Das ist aber leider Ihre einzige Stärke.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Toleranz, Akzeptanz, annehmend zu sein, fördernd zu sein, all das geht Ihnen komplett ab. Das meine ich, wenn ich sage: Es ist eine männliche Art, Politik zu machen, und diese führt dazu, dass wir einen Frauenanteil haben, der eben keine 50 % beträgt, dass wir draußen einen Anteil von Frauen haben, die sagen, dass sie darauf keine Lust haben, und dass wir Kommunen haben, in denen wir kaum oder manchmal sogar gar keine Frauen mehr sitzen haben, weil auch dort Männer wie Sie sitzen, die Frauen niederbrüllen. Genau das ist das Gegenteil von emanzipatorischer Politik.

(Beifall bei der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Jetzt seien Sie doch einmal weiblich entspannt!)

Solange wir hier das Gegenteil leben und es dulden, so lange wird es auch so bleiben, dass wir in den Parlamenten einen Schnitt von round about 20, 25 oder 30 % Frauen haben. Wir haben eine Art, damit umzugehen, die eben nicht dafür förderlich ist, dass sich Frauen beteiligen.

(Holger Bellino (CDU): Gott sei Dank sind nicht alle Frauen so wie Sie!)

Wir haben es außerdem – es ist heute schon mehrfach darauf hingewiesen worden – mit einer Partei am rechten Rand zu tun, die eine echte Männerwirtschaft betreibt. Ich finde, das ist ganz schlimm und sehr erschreckend. Das drückt den Schnitt im Bundestag noch einmal deutlich runter. Wir müssen schauen, dass wir das immer wieder entlarven und deutlich machen, welches Frauenbild und welches reaktionäre Familienbild dort herrscht, und dass dies niemals das Frauen- und Familienbild dieser Gesellschaft sein kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir müssen selbst darauf achten, dass wir uns überlegen: Wie schaffen wir Beteiligungsformen? Warum ist Politik so, dass sie insgesamt so wenige Beteiligungsformen schafft? Warum sind die Hürden, dass sich Menschen einbringen können und dauerhaft einbringen wollen, so hoch? – Es ist immer mehr so, dass sich Menschen an punktuellen und zeitlich begrenzten Dingen beteiligen, die sie interessieren, dass sie aber nicht mehr auf lange Sicht in die Politik gehen. Wir müssen schauen, warum das so ist und wie wir unsere Veranstaltungen gestalten, die wir allesamt machen, damit sie auch für Frauen attraktiv sind.

Warum finden Versammlungen von Parteien regelmäßig am frühen Abend statt, also zu einer klassischen Zeit, in der Frauen mit Familienarbeit gebunden sind? Warum ist es am Samstagnachmittag, also zu einer klassischen Familienzeit, die den Familien dann entfällt? Das ist nun mal bei ehrenamtlicher Arbeit so; wenn dann aber die Abwägung getroffen werden muss: „Wie schaffe ich es, die Familie, Berufstätigkeit und mein Hobby unter einen Hut zu bringen?“, dann fällt das häufig hinten runter. Das schafft dann ein Klima, in dem Frauen eben nicht in Positionen kommen, um tatsächlich einflussreich tätig zu sein. Da sind wir alle gleichermaßen gefordert.

Man sieht natürlich, dass Parteien, die eine Quote haben, einen deutlich höheren Frauenanteil haben. Wenn die Quote wie im Bund auch dazu führt, dass die Listen überwiegend von Frauen angeführt werden, dann kommen mehr Frauen in den Bundestag. Nur die GRÜNEN und DIE LINKE haben mehr Frauen als Männer im Bundestag, weil ihre Listen von den Frauen angeführt werden. Da es sich natürlich über Listen generiert, ist es deutlich so, dass es eben mehr Frauen als Männer gibt. Das ist eine wichtige Frage, die man sich stellen muss: Tut man das tatsächlich? – Zwei Parteien tun es und zeigen, dass sie damit den Frauenanteil deutlich erhöhen. Die anderen Parteien sind aufgefordert, dem zu folgen; denn dann schafft man tatsächlich eine Veränderung.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wenn wir für Frauen Räume schaffen, weil wir sie schaffen wollen, dann finden sich auch die Frauen dafür. Aber auch diese Aufgabe ist mühsam. Die Quote ist kein Selbstzweck; sie ist eine Aufforderung, zu handeln, und zwar im ganzen Jahr und im alltäglichen Umgang miteinander so

wie in den alltäglichen Arbeitsweisen, wie wir sie an den Tag legen.

In diesem Sinne denke ich: Wir müssen dringend an dem Umgang miteinander, am Finden und Ringen um die richtigen Lösungen arbeiten und uns überlegen, ob der Stil, der Hunderte Jahre lang politikprägend war, tatsächlich der Stil der Politik der Zukunft ist. Ich habe daran große Zweifel. Wenn wir mehr Frauen für Politik gewinnen wollen, dann müssen wir unseren Politikstil infrage stellen, unsere Beteiligungsformen auf den Prüfstand stellen und unseren demokratischen und korrekten Umgang miteinander überprüfen. In diesem Sinne haben wir alle eine Aufgabe, und es sollte länger als wiederum 100 Jahre lang dauern, bis wir zu deutlichen Fortschritten kommen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Kürzer!)

Kürzer, Entschuldigung, natürlich. – Denn in der Frauenfrage kann man eindeutig feststellen, dass der Fortschritt an vielen Stellen eine Schnecke ist. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schott. – Als nächste Rednerin spricht nun Frau Kollegin Ravensburg von der Fraktion der CDU. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass uns der Setzpunkt unserer Kollegen vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN heute die Gelegenheit gibt, noch rechtzeitig vor dem Weltfrauentag am 8. März über unseren gemeinsamen Antrag zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Landtag zu debattieren. Liebe Frau Kollegin Gnadl, ich freue mich, dass Sie so gespannt auf meine Rede sind, dass Sie lange mit der Abgabe Ihres Wortmeldezettels gewartet haben und erst meiner Rede lauschen. Das freut mich sehr.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frauensolidarität!)

Ich möchte in meiner Rede besonders darauf aufmerksam machen, dass 2018 ein ganz besonderes Jahr für die Frauen ist, nämlich ein Jubiläumsjahr, wo wir auf 100 Jahre Frauenwahlrecht aufmerksam machen wollen. Es ist eben erst 100 Jahre her, dass das aktive und passive Frauenwahlrecht in Deutschland beschlossen wurde. Vorausgegangen war – das haben die Vorredner schon erwähnt – ein langer Kampf mutiger Frauen, um bereits vor dem Ersten Weltkrieg hierfür den Weg zu ebnen. Damit war Deutschland aber immer noch eines der ersten Länder, die das Frauenwahlrecht beschlossen haben. Fast unglaublich war, daran will ich einmal erinnern, dass die Schweizer Männer auf Landesebene erst 1971 das Frauenwahlrecht beschlossen haben. Liechtenstein war gar noch später dran, dort wurde es nämlich erst 1984 beschlossen.

(Holger Bellino (CDU): Ja!)

Als das Wahlrecht nach dem Ersten Weltkrieg, im Jahr 1918, kam, war das ein ganz unglaublicher Schritt zur gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Leben von Frauen.

(Michael Boddenberg (CDU): In Appenzell war es noch später!)

Es war ein entscheidender, aber kein abschließender Schritt. Viele Fortschritte, aber eindeutig auch Rückschritte wie im Dritten Reich sind in den letzten 100 Jahren erfolgt; und wir haben immer noch weitere Schritte zu gehen. Aber 2018 ist nicht nur das Jubiläumsjahr für das Frauenwahlrecht, sondern in diesem Jahr soll auch die Reform der Hessischen Verfassung erfolgen. Ich begrüße ausdrücklich, dass die Verfassungsenquetekommission – ich schaue einmal Herrn Kollegen Banzer an – jetzt analog zum Grundgesetz den Gleichheitsgrundsatz von Frauen und Männern vorschlägt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei will ich nicht verschweigen, dass es auch Kritiker gibt, die die geplante Verfassungsänderung kleinreden wollen. Aber diese Kritik weise ich ganz scharf zurück.

(Christian Heinz (CDU): Sehr richtig!)

Ich will das am Beispiel des Gleichheitsgrundsatzes begründen. Die Verankerung des Gleichheitsgrundsatzes von Frau und Mann ist doch viel mehr als nur ein Nachvollziehen eines bereits selbstverständlichen Rechts in der Hessischen Verfassung. – Nein, diese Verfassungsänderung ist ein ganz wichtiges Zeichen, ein Signal für die Frauen in unserem Bundesland.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will das ausdrücklich so sagen, auch als Zeichen für diejenigen Frauen und Männer, die als Flüchtlinge in unser Bundesland gekommen sind, und auch als Zeichen für diejenigen Parteien, die ein rückwärtsgewandtes Frauenbild propagieren und damit den Frauen einen Bärendienst erweisen.

Lassen Sie mich deshalb an dieser Stelle an die Anfänge der Hessischen Verfassung vom 29. Oktober 1946 erinnern. Kollege Heinz hat mich noch darauf aufmerksam gemacht, am 1. Dezember 1946 wurde die Verfassung in Kraft gesetzt. Die Verankerung der Gleichberechtigung war damals in der Umbruchphase im Nachkriegsdeutschland noch gar nicht denkbar.

Erst die Hessin Elisabeth Selbert und ihre Mitstreiterinnen haben es durchgesetzt, den Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz zu verankern. „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, steht in Art. 3 Abs. 2. Das wurde drei Jahre später, nachdem die Hessische Verfassung in Kraft getreten ist, im Grundgesetz verankert.

(Beifall bei der CDU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, Herr Schäfer-Gümbel, ich sage ausdrücklich: Es war eine Sozialdemokratin. Es war auch eine Frau, die an der Spitze der Frauenbewegung stand. Die Frauen haben mit Wäschekörben voller Postkarten den Protest friedlich unterstützt. Sie fanden auch Mitstreiterinnen im Parlament. Da darf ich mit Helene Weber auch eine Christdemokratin erwähnen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was zunächst gar nicht denkbar war, das geschah. Der Gleichheitsgrundsatz wurde anschließend einstimmig an

genommen. Viele weitere Schritte für die Gleichstellung der Frauen in der Politik mussten in der Folge erst errungen werden.

Da will ich noch ein weiteres Beispiel nennen. Es war eine weitere Hessin, die Vorreiterin war. Ich meine die Wiesbadener Bundestagsabgeordnete Elisabeth Schwarzhaupt, die 1961 – Herr Rock hat es erwähnt – als erste weibliche Bundesministerin die Männerriege in der Bundesregierung aufgebrochen hat. – Entschuldigung, das darf man als Frau heute sagen. – Es war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur ersten Bundeskanzlerin, nämlich zur Bundeskanzlerin Angela Merkel. Darauf sind wir alle stolz.

(Beifall bei der CDU – Janine Wissler (DIE LIN- KE): Die einen mehr, die anderen weniger!)

Dass Gleichberechtigung von Mann und Frau aber auch heute keineswegs selbstverständlich ist, zeigen uns leidvolle Entwicklungen in vielen Ländern dieser Erde. Aber auch in Deutschland ist es wichtig, immer wieder auf Gleichberechtigung und Freizügigkeit für Frauen aufmerksam zu machen. Deshalb wollen wir diese 100 Jahre Frauenwahlrecht auch in Veranstaltungen und Dokumentationen hierfür nutzen.

Deshalb möchte ich die Hessische Landeszentrale für politische Bildung und – das haben wir in unserem Antrag extra aufgeführt – das Archiv der deutschen Frauenbewegung in Kassel nennen,

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

die, auch unterstützt durch das hessische Sozialministerium, eine Dokumentation und auch eine Ausstellung vorbereiten. Ich lade Sie alle dazu ein, sich diese Ausstellung in diesem Jahr anzuschauen.

Der Weg war lang und ist noch nicht zu Ende. Jetzt erleben wir eine selbstbewusste Generation an jungen Frauen, die die Gleichberechtigung auf allen gesellschaftlichen und politischen Ebenen genauso wie in ihrer Partnerschaft ganz selbstverständlich einfordern. Das ist gut. Sie gehören zu einer Generation von Frauen, die gut ausgebildet sind, die Ja zu Beruf und Familie sagen und selbst bestimmen wollen, ob und zu welchem Zeitpunkt sie mehr Wert auf den Beruf oder mehr Wert auf die Familienzeit legen und wie sie die Kindererziehung gemeinschaftlich mit ihrem Partner organisieren können.

Die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf den Kindergarten- oder Krippenplatz, aber auch die Gleichberechtigung in der Arbeitswelt sind unabdingbare Forderungen. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit muss selbstverständlich werden.