Protokoll der Sitzung vom 21.03.2018

Herr Boddenberg, dass Sie anerkannt haben, dass wir schon sehr lange von der Gleichberechtigung von akademischer und beruflicher Bildung reden, das ist auch gut. Jetzt lobe ich noch einmal. Das war aber natürlich ein Ablenkungsmanöver. Es tut mir leid, aber das war ein Ablenkungsmanöver.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Michael Bod- denberg (CDU))

Sie haben konsequent über einen Punkt geredet, um den es bei diesem Antrag nicht ging. Natürlich ist es richtig, dass die demografische Entwicklung auf dem Ausbildungsmarkt eine entscheidende Rolle spielt. Zudem ist der Fachkräftemangel für die wirtschaftliche Entwicklung eine ernsthafte Herausforderung, wenn nicht gar eine Bedrohung. Darum ging es hier aber nicht in erster Linie. Hier geht es um die Jugendlichen, die trotz der Situation, dass händeringend nach qualifizierten Fachkräften sowohl mit als auch ohne akademische Ausbildung gesucht wird, auf diesem Ausbildungsmarkt keine Chance haben, außer durch besonders nachhaltige Unterstützung. Um diese Ju

gendlichen ging es hier in allererster Linie. Deswegen ist es alles richtig, was Sie gesagt haben, war aber an unserem Thema vorbei.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt möchte ich einen Punkt ansprechen, den Kollege Greilich angesprochen hat und auf den der Kultusminister repliziert hat. Ich nehme die Debatte einmal so, dass es in der Tat lohnt, über die Reorganisation des Programms InteA en détail zu reden.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

Es lohnt sich nicht nur, sondern es ist vielmehr dringend erforderlich. Das mag alles so sein, wie Sie sagen, Herr Minister, aber die Realität ist nicht erst am Montag bei dem Termin widergespiegelt worden, bei dem wir beide waren.

(René Rock (FDP): Das hängt auch an Ressourcen!)

Vor nicht allzu langer Zeit hatten wir ein ausführliches Fachgespräch mit den InteA-Fachleuten geführt. Es ist noch kein Jahr her, als die Lage noch viel dramatischer geschildert worden ist. Die Antwort der Landesregierung auf einen Berichtsantrag der SPD-Fraktion war sehr ausführlich. An vielen Stellen ist auf sehr konkrete Probleme hingewiesen worden. Die Flüchtlinge stellen eine der großen Gruppen dar, um die es hier geht, Herr Boddenberg. Es ist natürlich richtig, dass es auf der anderen Seite sehr viele gibt, die ohne Weiteres in einer Ausbildung münden können. Bei vielen ist das aber nicht der Fall. Deswegen ist dies einer der zentralen Punkte.

Darüber hinaus ist es notwendig, über die Struktur von Fördermaßnahmen noch einmal nachzudenken. Ich sage seit vielen Jahren, dass die Maßnahmenlogik, die wir seit 20, 30, 40 Jahren kennen,

(René Rock (FDP): Enquetekommission!)

im Kern verfehlt ist, weil immer wieder versucht wird, Jugendliche unter einer Maßnahmenlogik zu subsumieren, obwohl es doch eigentlich darauf ankommt, eine maßgeschneiderte Maßnahme für einen Jugendlichen, dessen Problem klar erkannt worden ist, zu schneidern. Darauf kommt es an. Das ist der Punkt.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Jetzt noch ein paar Bemerkungen zum Kollegen Wagner. Es ist schon gesagt worden, dass man von der Opposition keine Vorschläge verlangen kann, um sie anschließend abzuqualifizieren. Das haben Sie natürlich wieder getan mit dem Vorschlag, das Recht auf den Besuch einer Berufsschule auf 27 Jahre hochzusetzen. Wir hätten diese Grenze auch auf 25 Jahre hochsetzen können. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass 27 Jahre richtig sind, weil das die Reichweite des Kinder- und Jugendhilferechts ist.

Erinnern Sie sich doch bitte eine Sekunde lang an die Anhörung zu unserem Gesetzesvorschlag – ich glaube, Sie waren damals dabei –, in der deutlich geworden ist, dass aus der Praxis von Menschen, die mit der Zielgruppe, über die ich hier rede, umgehen, und zwar jeden Tag, sehr viel Zustimmung zu diesem Vorschlag zu hören war. Außerdem geht es überhaupt nicht darum, diese jungen Menschen in ein Übergangssystem zu zwängen oder es auszuweiten.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Es ging einzig und allein darum, jungen Menschen eine Möglichkeit mehr zu bieten, als sie derzeit haben. Andererseits sollte ihnen nicht künstlich eine Möglichkeit genommen werden. Darum ging es, um nicht mehr und nicht weniger.

Wenn Sie weitere Vorschläge wollen: Hier sind neun Kapitel mit teilweise bis zu zehn Vorschlägen. Lesen bildet – selbst den Vorsitzenden der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hessischen Landtag.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Greilich, FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mich nur ganz kurz zu drei Punkten äußern, zumal ich mich in vielem auf den Kollegen Merz beziehen kann.

Der erste Punkt betrifft zwei Jahre InteA. Herr Minister, wir sind uns einig: Sie haben in der Tat den sturen Regelfall mit einem ganz engen Ausnahmeportfolio verkündet. Das stellt kein Mensch in Abrede. Aber das Entscheidende ist, dass Sie hoffentlich – wenn ich ernst nehmen soll, was Sie hier gesagt haben – den Schulen in Zukunft eine ausreichende Lehrerzuweisung für die Beschulung über die zwei Jahre hinaus geben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Wenn Sie diese Änderung vorhaben, werden Sie dafür sicherlich unsere Unterstützung finden, Herr Minister. Die Schulen werden sich freuen.

Der zweite Punkt hängt ganz eng damit zusammen. Kollege Merz hat eben schon einmal die Frage der Schulpflicht und der Anhebung der Altersgrenze angesprochen. Kollege Wagner versucht immer, der Schimäre nachzujagen, sie wollten die jungen Leute alle bis 25 Jahre oder 27 Jahre in die Schule schicken.

(Norbert Schmitt (SPD): Unsinn!)

Sie wissen genau, dass das Unsinn ist.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Das ist schlichter Unsinn. Dann sind wir wieder bei der Frage der Begrenzung auf zwei Jahre und der Altersbegrenzung bei der Schulpflicht. Es geht um die Berechtigung zum Schulbesuch, bis eine Ausbildungsfähigkeit gegeben ist. Herr Kollege Wagner, darum geht es: um die Ausbildungsfähigkeit. Wenn ich erst mit 25 Jahren anfange, ist diese eben im Zweifelsfall erst mit 27 Jahren gegeben. Nur darum geht es. Es geht nicht um Schule statt dualer Ausbildung,

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das wäre aber die Konsequenz!)

sondern um Schule, damit duale Ausbildung überhaupt möglich wird, Herr Kollege Wagner. Das ist der entscheidende Punkt.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Als dritten und letzten Punkt will ich an dieser Stelle noch einmal das Thema Praktika erwähnen. Kollege Bodden

berg hat versprochen, er ruft nachher Herrn Ehinger und andere an, um zu klären, wie es mit Ausbildungsplätzen aussieht. Da brauchen Sie nicht viel zu klären, glaube ich. Aber den Anruf sollten Sie trotzdem machen, und zwar nicht etwa wegen der Ausbildungsplätze. Wir wissen, dass es diese gibt und man sie nicht besetzen kann. Das entscheidende Problem ist, dass nicht die geeigneten Bewerber für diese Ausbildungsplätze da sind.

(Beifall bei der FDP)

Was Ihr Kultusminister von den Schulen abfordert, sind, über den Daumen gerechnet, zwischen 2.000 und 3.000 Plätze für Langfristpraktika schon für die Monate Mai und Juni. Fragen Sie einmal nach, ob irgendjemand bereit und in der Lage ist, diese Plätze zur Verfügung zu stellen. Wenn Sie vor Ort mit den Betrieben reden, hören Sie: Es tut uns leid, aber sechs bis acht Wochen machen erstens keinen Sinn, und zweitens haben wir die Plätze nicht. Wir brauchen Leute, die es so organisieren, dass ein Praktikum letztlich auch Sinn macht. Nur dann können wir Praktikumsplätze zur Verfügung stellen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich fasse zusammen: Ihr Problem ist die Realitätsverweigerung in diesem Bereich.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Das kennen wir insbesondere aus dem Bildungsbereich schon seit Längerem. Darüber werden wir heute Nachmittag noch einmal diskutieren.

Sie sollten etwas anderes machen. Ich habe die Signale dafür aufgenommen. Gehen Sie auf unseren Vorschlag ein. Machen Sie gemeinsam mit uns eine öffentliche Anhörung. Machen Sie diese bald, damit wir sehr schnell Konsequenzen daraus ziehen können.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Kollege Bocklet von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei und von der SPD! Die FDP hat in vielen Punkten eine andere Richtung. Sie können im Wortprotokoll nachlesen, ich habe zu Beginn und zum Ende meiner Rede eindeutig festgestellt, dass wir eine durchaus gute Situation, aber auch viele Probleme haben. Es ist eine Dauerbaustelle und Daueraufgabe. Das ist keine Schönrednerei.

Wenn man über Reflexe redet, sollte man vielleicht eher darüber nachdenken, dass es nicht immer gleich eine Schönrednerei ist, wenn man Ihnen nicht zu 100 % recht gibt.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Lassen wir einfach einmal die Reflexe. Herr Kollege Rock, Sie haben es auch gesagt. Keiner hat hier schöngeredet. Wir haben die Probleme benannt.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Aber es steht im Antrag! Das steht im Antrag!)

Jetzt komme ich zu Ihnen, Frau Wissler. Warum zitieren Sie eigentlich unseren eigenen Berufsbildungsbericht,

wenn Sie der Meinung sind, wir würden alles schönreden? Warum zitieren Sie ihn eigentlich, wenn Sie glauben, dass darin so viel Kritisches steht?

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Weil ihr ihn bestreitet! – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LIN- KE))