Vielen Dank, Herr Kollege Lenders. – Als nächste Rednerin spricht nun Frau Kollegin Dr. Sommer von der SPDFraktion. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Antrag der LINKEN ist ein Rundumschlag zur Gesundheitsversorgung, passend zu unserer Großen Anfrage aus dem Januar-Plenum. Das ist gut, weil es erneut thematisiert, dass wir eine dringende Zukunftsaufgabe zu bewältigen haben und dass es ganz viel Handlungsbedarf gibt.
Deswegen fordern wir den Zugang zur Versorgung, und dass jede und jeder vom medizinischen Fortschritt profitiert, egal, ob jemand in der Stadt oder auf dem Land lebt.
Wir wollen gleichwertige Lebensverhältnisse. Dazu gehört eine öffentliche Daseinsvorsorge, für die auch das Land zuständig ist. Die öffentliche Daseinsvorsorge ist die tragende Säule des Sozialstaates. Ziel und Sinn ist dabei, Dienste – so auch im Gesundheitswesen –, die für ein menschenwürdiges Leben erforderlich sind, flächendeckend anzubieten, damit sie jeder erreichen kann.
Deswegen fordern wir erneut einen Gesamtplan, einen Masterplan. Wir müssen die Angebote und Bedarfe ermitteln, schauen, wo etwas fehlt und wo es noch Nachholbedarf gibt. Die Landesregierung sagt immer, hier in Hessen ist alles gut. Man könnte denken, wir haben gar keine Probleme. Aber das Gegenteil ist der Fall, meine Damen und Herren.
Die Sektorenübergreifung der stationären und ambulanten Versorgung steckt noch in den Kinderschuhen. Auch Apotheken und andere Gesundheitsangebote haben Probleme. MVZs gibt es noch nicht allerorts. Last, but not least brauchen wir dringend eine bedarfsorientierte Krankenhausplanung. Diese fehlt.
In diesem Zusammenhang fordern wir: keine Pauschalen nach dem Gießkannenprinzip, sondern eine verlässliche Investitionsförderung. Bundesländer – so auch Hessen – kommen ihrer Pflicht zur Finanzierung der Krankenhäuser seit Jahren unzureichend nach. Krankenhäuser decken ihre Investitionskosten zum Teil aus den Erlösen der DRGs. Das Resultat sind oftmals verschuldete Kliniken, fehlendes Personal und ein Anstieg unnötiger OPs. Darunter leidet nicht nur die Qualität des Krankenhauses, sondern das gefährdet auch die Patienten. Die Landesregierung sollte deswegen ihr Finanzierungskonzept überdenken.
Ich möchte kurz auf die Schließung der Helios-Klinik in Bad Schwalbach eingehen. Wir wollen auch, dass die Helios-Klinik ihre öffentliche Verantwortung übernimmt und die Klinik nicht schließt. Wir wollen aber nicht, dass die Verantwortung auf die kommunale Ebene verschoben wird. Wir respektieren die Hoheit der Kreisgremien. Es gibt eine Resolution des Kreistages. Alle Fraktionen haben gemeinsam so abgestimmt. Sie sollen selbst entscheiden, was mit dem Krankenhaus passiert.
Deswegen werden wir uns auch bei den LINKEN enthalten und bei der CDU nicht mitstimmen. Vielleicht sollten die CDU-Abgeordneten, die teilweise auch im Kreistag sitzen, noch einmal ihre Resolution selbst durchlesen.
Auch die Kritik an der Landesregierung bleibt. Das Sozialministerium hat den Kreis zu spät informiert. Hätte man das früher gemacht, hätte der Kreis vielleicht anders reagieren können und noch mehr Einfluss nehmen können.
CDU und GRÜNE postulieren, sie wollen den ländlichen Raum stärken, und dann wird ein Krankenhaus geschlossen, wo bei schlechter Witterung das nächste Krankenhaus gar nicht in 30 Minuten erreichbar ist. Vom Ministerium wird dann geäußert, dass sie das anders sehen. Das nächste Krankenhaus mit Notfallversorgung sei in 30 Minuten erreichbar.
Das sehen die Bürgerinnen und Bürger anders. Mit den Kollegen waren wir am Montag beim Marburger Bund. Selbst da hat man gehört: Es fehlen dann Betten. Die Notfallversorgung wird zum Problem werden. – Reden Sie sich deswegen nicht raus. Das gehört zur Daseinsvorsorge. Übernehmen Sie Verantwortung.
Hinzu kommt das Problem – das kann man in letzter Zeit oft in der Presse lesen –, dass stationäre Notaufnahmen klagen, sie seien unterfinanziert. Die Zahl der Notaufnahmen steigt. Zwischen 2005 und 2015 ist die Patientenzahl von 13 auf 25 Millionen gestiegen. Das sind also fast doppelt so viele. Das Personal aber hält nicht mit. Wichtig wären hier Modellprojekte, wo gemeinsame Leitstellen von Rettungsdienst, Notruf und ärztlichem Bereitschaftsdienst funktionieren. Das müsste man etablieren oder auch die
In diesem Zusammenhang möchte ich den Kreisbrandinspektor Biederbick aus Waldeck-Frankenberg aus der „HNA“ zitieren. Er sagt nämlich: „Politiker reden immer davon, wir hätten zu viele Krankenhäuser und zu viele Krankenhausbetten. Das kann ich nicht verstehen.“
Das sagt er, weil kürzlich ein Patient von der Bergstraße auf die Intensivstation nach Korbach gebracht werden musste, weil im südlichen Teil Hessens keine Intensivbetten mehr frei waren.
Was will ich damit sagen? – Die Notfallversorgung muss reformiert werden. Wir brauchen eine integrierte Notfallversorgung. Das sagen auch die Experten. Setzen Sie sich mit diesen zusammen, Herr Minister, und handeln Sie.
Schließlich möchte ich auf das Personal eingehen. Es fehlt an allen Ecken und Kanten – in der Pflege, bei den Ärzten, bei den Hebammen und bei den Apothekern, um nur einige zu nennen. Das begründet vor allen Dingen die Arbeitsbelastung und die Arbeitsverdichtung. Wir wollen Personalmindeststandards. Wir wollen, dass die in der Pflege Tätigen wieder mehr Zeit für ihre Patienten haben. Auch Ärzte wünschen sich zu drei Vierteln mehr Zeit für ärztliche Tätigkeiten und sagen, sie hätten zu wenig Zeit im Patientenkontakt.
Die Beschäftigten müssen immer in einem Hamsterrad arbeiten. Sie beschweren sich über die kontinuierliche Überlastungssituation. Wir wollen, dass Arbeitsschutz eingehalten wird, dass Gefährdungsanalysen umgesetzt werden und dass man sie überhaupt erst macht. Denn sie finden kaum oder gar nicht in Krankenhäusern statt. Aber so könnte man Missstände aufdecken und Arbeitsverhältnisse verbessern.
Wir brauchen die Entbürokratisierung. Wir brauchen mehr Medizinstudienplätze. Wir wollen ein Sozialpraktikum, so dass Jugendliche, potenzielle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sich frühzeitig für einen solchen Beruf entscheiden können. Das sind nur wenige Maßnahmen, die ich nennen möchte, damit Sie nachher nicht auf die Idee kommen, zu sagen, wir hätten keine Ideen und Vorschläge.
Um noch einmal auf die Überlastungssituation zu sprechen zu kommen: Es gibt entsprechende Anzeigen. Allerdings streitet die Landesregierung ab, dass es solche gebe, bzw. sie sagt, sie wisse davon nichts. Eine Landesregierung, die sich für Beschäftigte und damit für Patienten interessiert, würde dies nicht abstreiten sondern Missstände aufklären und handeln.
Für die Hebammen trifft übrigens selbiges zu. Ich bin froh, dass nach unserem Druck hier im Parlament, aber auch durch die Sozialpartner, endlich etwas passiert und man
Man könnte so weitere Gesundheitsthemen anführen, die wir diskutieren und optimieren müssen. Aber das würde die Redezeit sprengen.
Ich will aber zum Schluss noch einmal auf Ihre Roadshow zu sprechen kommen, Herr Minister. Ob Gemeindeschwestern in Lich, Medi-Center Falkeneck, Landpartie 2.0 – das alles sind tolle Ideen und Projekte. Das stimmt. Aber sie sind weder die Idee der Landesregierung noch die alleinige Verantwortung von ihr.
Im Rahmen der Roadshow sagten Sie: „Eine … Gesundheitsversorgung ist eine der großen Zukunftsaufgaben.“
Deswegen meine Frage heute: Was macht die Landesregierung originär? Was machen Sie? – Wir sind sehr gespannt und freuen uns deswegen auf Ihren Redebeitrag.
Auch Ministerpräsident Bouffier sprach in Dillenburg davon. Ich zitiere aus der „Wetzlarer Neuen Zeitung“: „Am Ende sollten wir uns nicht fragen, wer zuständig ist, sondern wer die Aufgabe löst.“ – Sie als Landesregierung haben Verantwortung, Gesundheitsversorgung als Daseinsversorge umzusetzen und vorzuhalten.
Alan Kay hat gesagt: „Die beste Möglichkeit, die Zukunft vorauszusagen, ist es, diese selbst zu erfinden.“ – Es gibt viel Handlungsbedarf, um die Zukunft zu gestalten. Wir brauchen einen Masterplan, der alle gesundheitlichen Angebote umfasst und die Gesundheitsversorgung zukunftsfest macht. Reden Sie nicht um die Probleme herum. Packen Sie diese an.
Ich komme zum Schluss. – Viele Ideen und Möglichkeiten habe ich aufgezeigt. Seien Sie sich sicher: Wir werden es im nächsten Jahr anpacken. – Herzlichen Dank.