Protokoll der Sitzung vom 22.03.2018

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das will ich auch sagen, weil ich glaube, dass es zur Debatte hinzugehört, zu zeigen, mit welchem Optimismus wir nach vorne schauen.

Das Drei-Säulen-Modell ist sicherlich an vielen Stellen weiterzuentwickeln. Wir haben festzustellen, dass wir eine Beitragsstabilität haben. Das ist wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit. Da von mancher Seite immer auf Österreich verwiesen wird, will ich mit einem Nebensatz sagen: Ja, die Rentenbezüge sind dort im Schnitt höher. Aber die Beiträge in Österreich sind auch sehr viel höher, was zu erheblichen Problemen bei der Wettbewerbsfähigkeit führt.

Wir haben einen staatlichen Zuschuss von über 90 Milliarden € aus dem Bundeshaushalt in die gesetzliche Rentenversicherung. Auch diese Zahl muss immer wieder bewusst gemacht werden. Das ist fast ein Drittel des Bundes

haushalts. Aber wir haben viele Instrumente in der betrieblichen Altersversorgung, die sehr unterschiedlich in Anspruch genommen werden. Leider werden sie in kleinen Unternehmen in relativ geringem Umfang in Anspruch genommen, weshalb wir die betriebliche Altersvorsorge als zweite Säule und die private Altersvorsorge als dritte Säule deutlich stärken müssen.

Das ist versucht worden mit der Riester-Rente. Man kann sich allerdings anschauen, wohin das aktuell geht. Viele Menschen misstrauen den Produkten. Sie finden sie zu intransparent, zu teuer, weshalb ich glaube, dass wir uns völlig neu aufstellen müssen, was die Versorgungssicherheit anbelangt, die wir durch den zweiten und den dritten Teil der Altersvorsorge, also betriebliche Maßnahmen wie auch private Vorsorge, treffen müssen.

Heute haben wir ein Verhältnis von drei Werktätigen auf einen Rentner. Im Jahr 2030 ein Verhältnis von zwei Werktätigen auf einen Rentenbezieher und 2050/2055 ein prognostiziertes Verhältnis von 1 : 1 zeigen sehr deutlich, dass Handlungsbedarf besteht.

Im Koalitionsvertrag des Bundes gibt es einige sehr klare Regelungen bis zum Jahr 2025. Ich halte es für notwendig, damit Menschen wissen, woran sie in den nächsten Jahren sind, dort festzuschreiben, dass wir bei mindestens 48 % Rentenversorgung im Vergleich zu den Durchschnittslöhnen bleiben wollen. Das ist ein wichtiges Signal an diejenigen, die es betrifft, genauso wie es ein wichtiges Signal an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Arbeitgeberseite ist, dass wir eine Haltelinie von 20 % bei den Beiträgen eingezogen haben. All das ist zunächst einmal mittelfristig notwendig gewesen, und wir unterstützen das ausdrücklich.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir unterstützen auch, dass der Koalitionsvertrag eine Grundrente von 10 % über der Grundsicherung für diejenigen vorsieht, die 35 Jahre und mehr werktätig waren. Wir unterstützen auch, dass es eine Rentenkommission geben soll, die sich mit der Zeit nach 2025 beschäftigt. Das ist kein Verschieben auf die lange Bank, sondern es ist vernünftig und notwendig, dass alle Beteiligten – die politischen Parteien, die Landesregierungen, die Bundesregierung, die Tarifpartner und alle, die mit der Frage zu tun haben, was mit Menschen nach ihrer Berufstätigkeit passiert – an einen Tisch kommen und gemeinsam nach Lösungen suchen, die am Ende zwei oder drei Dinge gleichzeitig gewährleisten: Stabilität und Vertrauen in die Verlässlichkeit der gesetzlichen Rente einerseits, Stärkung weiterer Instrumente andererseits und zum Dritten – das dürfen wir nicht außer Acht lassen – auch die weiter bestehende Wettbewerbsfähigkeit von Arbeitsplätzen in der Bundesrepublik Deutschland. Ich sage ausdrücklich: nicht nur für die Unternehmen, sondern für die Menschen, die dort als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeiten.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Antwort, die die Hessische Landesregierung in diesem Zusammenhang mit der Deutschland-Rente hat – ich gehe davon aus, dass der Finanzminister das nachher noch in einigen Details etwas präziser ausführen kann –, besteht darin, dass wir einen Deutschlandfonds wollen, der – das ist neu und wichtig – von der heutigen Opt-in-Lösung zu einer Opt-out-Lösung gelangt. Auf Deutsch übersetzt heißt das:

Zukünftig soll automatisch jeder Arbeitgeber für die Beschäftigten im Unternehmen einen bestimmten Prozentsatz des Jahresgehaltes in Altersvorsorgeprodukte investieren

Kollege Boddenberg, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

ich bin fast fertig –, dort einerseits in schon bestehende Produkte und andererseits in einen neu aufzulegenden Fonds, in dem gewährleistet wird, dass Stabilität auch für diesen Teil von privater und betrieblicher Altersvorsorge, was die Verlässlichkeit der Bezüge eines Tages anbelangt, sichergestellt ist.

Ich halte das für einen wichtigen Schritt. Ich halte das – Frau Präsidentin, letzter Satz – auch für ein gutes Signal, was den Föderalismus anbelangt; denn der Föderalismus bedeutet nicht nur Kompetenzhuberei, wie manchmal kritisiert wird, sondern dass wir in 16 Landesparlamenten, in 16 Landesregierungen sehr viel Kreativität und kluge Ideen entwickeln.

Es ist immer erstaunlich, wie lang Sätze sein können.

Das ist ein Thomas-Mann’scher Satz, Frau Präsidentin. – Ich bin dankbar, dass die Hessische Landesregierung an diesem Beispiel der Deutschland-Rente wieder einmal zeigt, wie handlungsfähig und wie kraftvoll die Länder auch auf Bundesebene mitwirken. – Herzlichen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Decker, SPDFraktion.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Er holt die Zeit wieder rein!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hole in der Tat die Zeit vom Kollegen Boddenberg wieder herein.

„Die Deutschlands-Rente, das überzeugende Altersvorsorge-Modell aus Hessen“ – so die Überschrift der Aktuellen Stunde. Aber irgendwie scheint das Modell in Deutschland keiner so richtig zu wollen. Zumindest ist die Skepsis größer als die Überzeugung.

Schon im April, als unsere drei hessischen Minister auf die Public-Relations-Tour gegangen sind, um für dieses Modell zu werben, hieß es unter anderem in der Presse – ich darf das zitieren, Frau Präsidentin –:

Die GRÜNEN im Bundestag wendeten sich gegen den Vorstoß. „Der Aktienmarkt ist keine Alternative zur Rentenversicherung“, kritisierte ihr Rentenexperte Markus Kurth. „Die Deutschland-Rente hat daher keine Zukunft.“

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Weiter heißt es:

Alle Fraktionen des Bundestages seien sich im Grundsatz einig, dass das Niveau der gesetzlichen Rente nicht im freien Fall absinken dürfe. „Dieser Konsens wird von den drei hessischen Ministern ganz offensichtlich nicht geteilt.“

So Markus Kurth abschließend.

Meine Damen und Herren, ich habe mir noch einmal den Koalitionsvertrag angeschaut. Ich habe ihn regelrecht durchforstet von vorne nach hinten, von hinten nach vorne. Ich habe darin eine Menge Gutes gefunden. Es ist richtig, was Sie zitiert haben, Kollege Boddenberg.

(René Rock (FDP): Die einen sagen so, die anderen sagen so!)

Ja, es ist viel Gutes auch auf Druck der SPD hereingekommen, nämlich den freien Fall des Rentenniveaus zu verhindern. Es steht auch noch etwas darin, was das DreiSäulen-Modell anbelangt. Ich muss es nicht zitieren; Sie kennen es auswendig. Von der Deutschland-Rente steht davon jedenfalls Nullkommanichts drin.

(Beifall bei der SPD – Norbert Schmitt (SPD): Aus guten Gründen!)

Was wir aber gefunden haben, ist ein Presseartikel der „FAZ“ vom 20. Januar. Darin wird über die Rede von Finanzminister Dr. Schäfer beim Neujahrsempfang der Darmstädter CDU berichtet. Darin steht, dass er unter anderem Folgendes gesagt habe:

Die Vorstellung, dass man auch in Zukunft nur bis 63 oder 65 Jahre arbeiten müsse, sei „sozialromantisch“. Statistisch gesehen werde jedes zweite heute geborene Mädchen über 100 Jahre alt. Selbstverständlich müsse diese Generation bis 70 arbeiten.

Jetzt frage ich mich: Ist das das Kleingedruckte in Ihrem Deutschland-Renten-Modell? Was sagen Sie dazu? Ich habe hier nur festzustellen, dass heute Morgen bei der CDU irgendwie nicht alles zusammenpasst und wahrscheinlich in dieser Frage gar nichts zusammenpasst. Wir wissen nicht genau, wohin Sie damit wollen. Es wird morgen im Bundesrat diskutiert. Wir schauen einmal: Ist das Ganze ein Rohrkrepierer, oder ist es ein Ladenhüter? Wir wissen es nicht. Wir sind gespannt.

Auf jeden Fall danke ich recht herzlich, dass ich heute Morgen dazu reden durfte. Mehr gibt es aus unserer Sicht dazu im Moment nicht zu sagen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Kollege Rock, FDPFraktion.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema Deutschland-Rente ist von den Freien Demokraten öffentlich schon öfter bearbeitet worden. Jetzt habe ich die Möglichkeit, im Plenum noch einmal direkt etwas dazu zu sagen. Das Innovativste oder Attraktivste an der Deutschland-Rente ist wahrscheinlich der Titel: Deutschland und Rente zusammengefügt. Das war wahrscheinlich die Marketingabteilung, die ihr Geld verdient hat.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der SPD)

Aber sobald man den Deckel aufmacht, kann man sich nur mit Grausen abwenden.

(Beifall des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Was ist das Problem? – Das Problem ist: Im Gegensatz zu anderen Ideen, die staatlich gefördert wurden, gibt es keine Bestandsgarantie für die eingezahlten Summen. Sie geben sich also voll dem Risiko hin.

(Beifall des Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP) – Norbert Schmitt (SPD): Hört, hört!)

Das Zweite ist: Wie kommen Sie eigentlich dazu, zu glauben, dass Sie das mit einer Landesverwaltung oder einer Bundesverwaltung günstiger machen können als ein Privater? Wenn ich mich daran erinnere, wie die Landesverwaltung mit Vermögen umgeht, sei es in Stiftungen oder beim Forst: Da wird ein teurer Berater eingekauft. Sie können das doch gar nicht.

(Beifall bei der FDP – Michael Boddenberg (CDU): Es geht um Vertrauen, Herr Kollege!)

Sie schützen ein Vertrauen vor, indem Sie sagen, es macht der Staat. Aber am Ende holen Sie jemanden von Goldman Sachs, der das dann für Sie anlegt. Das ist doch das Gleiche, nur teurer.

(Zurufe von der SPD)

Oh, die SPD hat den kleinen Hinweis bemerkt.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wir hören zu!)