Protokoll der Sitzung vom 24.04.2018

(Zuruf von der CDU)

Das ist nicht die Wahrheit, was Sie sagen. Das ist reiner Wahlkampf und Populismus, was Sie hier vortragen.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Es wird Ihnen nicht einmal etwas nutzen, das ist ja das Ärgerliche. Das ist die klassische Angela-Merkel-Strategie: asymmetrische Demobilisierung. Was heißt das? – Das heißt, Sie nehmen die Idee der SPD, machen sie selbst und glauben, dann wählt keiner mehr SPD. Warum und wieso, was das kostet und ob es sinnvoll ist, das ist Ihnen völlig egal. Es geht Ihnen nur darum, den 28. Oktober dieses Jahres zu überstehen. Das ist der einzige Hintergrund Ihres Sinneswandels.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Also sagen Sie hier ehrlich: „Wir versuchen jetzt einmal, uns mit 310 Millionen € Wählerstimmen zu kaufen, damit wir im Amt bleiben“; denn ich glaube, es wird ziemlich eng.

(Zurufe von der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

Ja, das ist so. Es ist Wahlkampf, und Sie nutzen das. – Wir waren alle hier, als Sie, Herr Grüttner, oder andere Vertreter hier vorne die Gesetzentwürfe von Linkspartei und SPD, die im Endeffekt inhaltlich das Gleiche wollen wie Sie, verdammt haben. Sie haben doch diese Gesetzentwürfe hier verdammt.

(Lebhafter Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN)

Dann seien Sie so aufrecht und sagen: Eigentlich halten wir es nicht für richtig, wir machen es trotzdem, weil wir glauben, wir werden dadurch die Wahl gewinnen.

(Beifall der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Seien Sie so ehrlich, kommen Sie hierher und sagen einen geraden Satz.

(Zuruf des Ministers Stefan Grüttner)

Das wäre schön von Ihnen, wenn Sie es machen würden.

Das Interessante an Ihrem Gesetzentwurf ist – das ist das, was mich so wütend macht, und deshalb sage ich das so –: Von diesen 310 Millionen €, die Sie ausgeben, kommt den Kindern in unserem Land kein Cent zugute, keine Erzieherstunde mehr, keine Öffnungsminute mehr, kein Spielzeug, kein Buch, nichts. 310 Millionen €, die keinem Kind in unserem Land zugutekommen. Das ist ihre Politik.

(Beifall bei der FDP)

Da Sie wissen, dass die Kritik kommt, haben Sie, auf drei Jahre gesplittet, noch einmal 80 oder 90 Millionen € ins Schaufenster gestellt. Sie weigern sich aber, sicherzustellen, dass dieses Geld per Gesetz als Qualität in den Kitas ankommt.

Was ist die Realität? Jede Kommune, jeder Träger kann sagen: Na ja, ich mache doch schon Fortbildung. Ich mache doch schon so viel für die Qualität. Ich verrechne das einfach mit meinen bisherigen Ausgaben. – Das kann er machen, wenn er das will. Sie kontrollieren es nicht, Sie prüfen es nicht nach.

Das machen Träger aber. Wenn Sie draußen in den Kitas wären und mit den Trägern reden würden, dann würden die Ihnen sagen: 100 € Qualitätspauschale, es wäre schön, wenn wir in der Kita entscheiden könnten, was wir damit machen würden. – Sie wissen doch ganz genau, dass Sie dieses Geld den Kommunen zur Substituierung ihrer bisherigen Ausgaben zur Verfügung stellen, weil diese Ausgaben für die Kommunen sehr hoch sind. Darum ist das keine wirkliche Qualitätsverbesserung, weil Sie weder Vorbereitungszeit noch Freistellung, weder Gruppengröße noch Betreueranzahl, noch irgendetwas sicherstellen und auch nicht sicherstellen, dass die Qualitätspauschale zusätzlich in der Kita ausgegeben wird. Auch hier tun Sie nichts für die Qualität.

(Beifall bei der FDP)

Eigentlich könnte man es fast dabei belassen. Aber das geht nicht, weil Sie überlegen müssen, wie Sie mit diesem sehr wichtigen Thema weiterhin umgehen. Ich möchte Ihnen noch einmal in Ihr Stammbuch schreiben: Alle wissenschaftlichen Studien, die Sie, oder zumindest Ihre Fachabteilung, sicherlich kennen, ergeben, dass 20 % unserer Kinder Migranten sind. Wir wissen, es gibt eine dreifach so hohe Häufigkeit, dass Migrantenkinder in Einrichtungen mit über 50 % Migrantenanteil gehen. Das wissen wir. Wir wissen, dass parallele Bildungswege entstehen. Wir wissen, dass alle die Kinder, von denen wir heute einkalkuliert haben, dass sie in zwölf Jahren Fachkräfte werden, in unserem Bildungssystem vielleicht nie eine Chance bekommen,

(Beifall bei der FDP)

weil Sie nicht bereit sind, das Geld, das Sie mobilisieren, tatsächlich für die Kinder auszugeben. Das ist extrem schade. Sie kennen doch die Evaluation der qualifizierten Schulvorbereitung. Sie kennen alle Berichte, die sagen,

dass die Investitionen in die Qualität von Kindertagesstätten genau den schwächsten Kindern zugutekommen. Das wissen Sie doch ganz genau.

Wenn Sie sich hierhin stellen und die Qualität nicht in den Fokus nehmen und weiter so agieren, dann versündigen Sie sich an der Zukunft unseres Landes.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Wir können über den Weg streiten, wir können auch über die Menge des Geldes streiten. Aber Sie müssen endlich akzeptieren, dass hier eine wichtige Aufgabe ist. Ich erinnere an die Evaluation des Kinderförderungsgesetz, an die Sitzung, die wir in einem Hotel oder in der Staatskanzlei – ich weiß nicht mehr, wo es war – hatten, wo Sie, Herr Minister gesagt haben, Sie hätten mit Absicht die vierte Stufe nicht mit Geld hinterlegt, weil Sie nicht wollen, dass Kinder so lange in Betreuungseinrichtungen sind.

(Zuruf des Ministers Stefan Grüttner)

Das wollen Sie politisch nicht. Sie versündigen sich aber an der Realität und den Bedürfnissen der Familien. Sie versündigen sich damit auch daran, dass Kommunen Qualität für diese Plätze zur Verfügung stellen. Denn das Wachstum dieser Plätze ist doch da. Es gehen trotzdem 35 % der Kinder so lange in die Einrichtungen. Indem Sie den Kommunen das Geld verweigern, weil Sie es ideologisch nicht wollen, steht weniger Geld für Qualität zur Verfügung.

(Beifall bei der FDP – Petra Müller-Klepper (CDU): Das stimmt doch gar nicht!)

Natürlich stimmt das. – Überlegen Sie noch einmal wirklich gut. Gehen Sie in sich und beenden Sie die Verweigerungshaltung bei der Frage: Was ist uns ein Kind in diesem Land wert? Was ist uns die Zukunft eines Kindes in diesem Land wert?

(Ismail Tipi (CDU): Alles!)

Auf den Zwischenruf habe ich gewartet. – Es gibt kein Bundesland in Deutschland, das pro Kopf so wenig für die frühkindliche Bildung ausgibt wie Hessen.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und der SPD)

Gut 70 € pro Kopf – das ist knapp die Hälfte dessen, was ein Bundesland durchschnittlich für frühkindliche Bildung ausgibt.

(Gerhard Merz (SPD): Hört, hört!)

Sie sind absolutes Schlusslicht, und das können Sie nicht bei mir, sondern in den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamts nachlesen. Dort steht, was wir als Land als absolutes Schlusslicht in ganz Deutschland pro Kopf für die Kinder ausgeben. Dazu kann ich nur sagen: Schämen Sie sich. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Das Wort hat Frau Abg. Schott für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich echt gefreut, als ich das erste Mal die Nachricht wahrgenommen habe, dass CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ

NEN jetzt erkannt haben, dass man die Elternbeiträge abschaffen muss. Ich habe gedacht: Es hat endlich einmal gefruchtet. Man kann hier etwas einbringen, man kann es sinnvoll begründen. Sie haben die eigenen Argumente, die Sie hatten, über Bord geworfen. Sie hatten hier lang und breit und immer wieder dargestellt, was das für verschwendetes Geld sei, weil man immer nur Reiche fördert und weil es niemandem etwas bringt.

Jetzt stellt sich Herr Dr. Bartelt hin und sagt: Familien mit einem Kind sparen 5.000 €. – Herr Dr. Bartelt, nicht einmal diese Zahl stimmt. Ich weiß gar nicht, wie Sie sie ausgerechnet haben. Wenn ich von 136 € ausgehe und das mit 24 multipliziere, komme ich auf 3.264 €.

(Zuruf von der CDU: 135,60 €!)

Da habe ich noch 40 Cent draufgegeben. – Ich verstehe Ihre ganze Argumentation nicht.

(Zuruf von der CDU: Drei Jahre!)

Drei Jahre ist überhaupt nicht wahr. Wir haben doch schon ein Jahr beitragsfrei. Also tun Sie doch nicht so, als ob Sie den Eltern etwas geben würden, was die Eltern nicht schon längst hätten.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU)

Ich schenke Ihnen dieses Jahr zu Weihnachten einen Ball, und nächstes Jahr erzähle ich Ihnen, ich schenke Ihnen zwei – –

(Zurufe von der CDU)

Es ist doch Quatsch, was Sie da machen. Das ist doch längst gebührenfrei. Also können Sie es doch nicht noch einmal obendrauf rechnen. Es ist wirklich unfassbar, was Sie hier veranstalten.

(Zurufe von der CDU – Glockenzeichen des Präsi- denten)