Frau Kollegin Wissler, auch DIE LINKE in Thüringen ist mit dem Lehrermangel konfrontiert, und auch DIE LINKE in Thüringen hat die Ausbildungskapazitäten nicht schnell genug erhöht. Lassen Sie doch dieses SchwarzWeiß-Denken, und lassen Sie uns die eigentlichen Probleme anschauen.
Ja, es wurden in den vergangenen Jahren bundesweit zu wenige Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet, deswegen haben wir heute Engpässe bei der Lehrerversorgung. Ganz konkret betrifft das in Hessen wie in anderen Ländern den Grundschulbereich, es betrifft die Förderschullehrkräfte, und es betrifft einzelne Fächerkombinationen. Wir brauchen überhaupt nicht drum herumzureden, das ist die Herausforderung, das ist die Schwierigkeit, dass tatsächlich alle Stellen besetzt werden können, die es gibt. Daran arbeiten alle Landesregierungen, nicht nur diese Landesregierung.
Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn man diese Herausforderung anerkennt, gibt es trotzdem keinen Grund, das schlechtzureden, das infrage zu stellen, was in Hessen bereits erreicht wurde.
Im Moment nicht. – Wenn wir uns anschauen, wie Hessen bei der Lehrerversorgung im Vergleich zu anderen Bundesländern dasteht, wie die Ressourcenausstattung in Hessen im Vergleich zu anderen Bundesländern aussieht, dann gilt eben auch, dass sie bundesweit beispielhaft ist und deutlich besser als in nahezu allen anderen Bundesländern.
Man braucht die Probleme nicht wegzureden, aber man darf auch wahrnehmen, was erreicht ist. In Hessen werden den Schulen 100 % Grundunterrichtsversorgung zugewiesen, im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern. Hessen ist das einzige Bundesland, das seinen Schulen 105 % Lehrerversorgung zuweist, damit Schulen mehr Flexibilität haben, auch auf kurzfristige Probleme reagieren zu können. Das gibt es in keinem anderen Bundesland. Ja, es gelingt nicht immer, jede Stelle sofort zu besetzen. In Hessen gibt es aber die Stellen, die besetzt werden könnten, im Gegensatz zu anderen Bundesländern.
Ja, unsere Schulen sind vielfältig herausgefordert. Wir müssen schauen, wie wir unsere Schulen über die Lehrerversorgung hinaus unterstützen können. Deshalb gibt es in Hessen den Sozialindex, deshalb gibt es in Hessen den Integrationsindex mit noch einmal 750 Stellen über die Grundunterrichtsversorgung und über die 105 % Lehrerversorgung hinaus. Auch das gibt es in nahezu keinem anderen Bundesland. Das muss man doch nicht ignorieren.
700 sozialpädagogische Fachkräfte bringen wir in diesem Jahr an die Schulen, weil wir eben nicht ignorant gegenüber den Herausforderungen an unseren Schulen sind, sondern weil wir unsere Lehrerinnen und Lehrer in der schwierigen Situation mit dem Lehrermangel bestmöglich unterstützen wollen. Auch darüber kann man einmal reden, ohne dass man andere Probleme, die wir noch haben, ignoriert.
Lassen Sie uns doch vor allen Dingen einmal über Antworten auf den Lehrermangel reden. Davon habe ich in den Redebeiträgen der Opposition noch nichts gehört. Was wollen Sie denn machen, um den Lehrermangel zu bekämpfen? – Ich höre, Sie wollen immer neue Statistiken. Meine Damen und Herren, wir haben kein Erkenntnisproblem.
Wir wissen, dass wir einen bundesweiten Lehrermangel haben. Wir brauchen nicht immer neue Statistiken für die Opposition, wir müssen etwas tun, um den Lehrermangel zu bekämpfen. Genau das machen diese Landesregierung und diese Koalition.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zurufe der Abg. Thorsten Schäfer-Güm- bel und Nancy Faeser (SPD))
Was hilft gegen den Lehrermangel? – Langfristig müssen wir die Ausbildungskapazitäten an den Universitäten erhöhen. – Das machen wir. Mittelfristig müssen wir die Ausbildungskapazitäten an den Studienseminaren erhöhen. – Das haben wir gemacht. Kurzfristig müssen wir dafür sorgen, dass der Quereinstieg in die Lehrämter, bei denen wir Bedarf haben, erleichtert wird und dass es Qualifizierungsprogramme gibt. – Das haben wir gemacht.
Ganz kurzfristig kann man Pensionärinnen und Pensionäre darum bitten, länger im Schuldienst zu bleiben, um die Unterrichtsabdeckung zu verbessern. – Das haben wir gemacht. Kurzfristig kann man Teilzeitkräfte bitten, sich zu überlegen, ob sie ihre Stunden nicht aufstocken können, um einen Beitrag zur Bekämpfung des Lehrermangels zu leisten. – Das haben wir gemacht.
Kurzfristig kann man dafür sorgen, dass Lehrerstellen, die nicht besetzt werden können, mit Personen besetzt werden, die in schulnahen Bereichen arbeiten oder die Qualifikationen haben, um im Unterricht eingesetzt werden zu können, damit dieser Unterricht eben nicht ausfällt. – Genau das haben wir gemacht.
Was sagt die Opposition? – Sie diskreditiert diese Personen, die wir gewinnen wollen, damit Unterricht gehalten werden kann.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Das ist doch Unsinn!)
Sie diskreditieren diese Ansätze und bezeichnen Quereinsteiger als unqualifizierte Personen. Ja, ich wünsche mir auch, dass wir jede Stelle, die wir haben, mit Lehrern besetzen können. Aber wenn wir einen Lehrermangel haben, dann ist auch der Ansatz richtig, Kräfte zu finden, die zwar nicht voll ausgebildete Lehrer sind, die aber trotzdem dafür sorgen können, dass der Unterricht zumindest teilweise abgedeckt wird. Das diskreditieren Sie. Sie haben keine Lösungen, Sie beschreiben nur Probleme.
Natürlich können wir noch mehr tun. Ich wünsche mir sehr, dass der aktuelle bundesweite Lehrermangel dazu führt, dass wir endlich an den Schulen das machen, was schon immer richtig gewesen wäre, nämlich auf multiprofessionelle Teams zu setzen, Lehrerinnen und Lehrer durch weitere Professionen zu unterstützen und ihnen so eine Entlastung zu verschaffen, wenn wir es schon nicht schaffen, sofort alle Lehrerstellen mit den geeigneten Lehrern zu verbinden. Wenn das das Ergebnis wäre, dann macht man aus einer schwierigen Situation für die Schulen etwas Produktives, statt nur Probleme zu beschreiben.
Noch einen Blick darauf, wer uns hier Ratschläge über die Lehrerversorgung erteilen will. Das Ziel der Landesregierung in Rheinland-Pfalz – meine Partei ist daran beteiligt, aber auch die Kollegen der SPD und der FDP – ist, den Grundunterricht ganz abdecken zu können. Darüber redet in Hessen schon lange keiner mehr. Das zu dem Beispiel,
In Thüringen herrscht so extremer Lehrermangel, dass die Schüler in mehr als 600 Klassen in einzelnen Fächern in ihren Halbjahreszeugnissen keine Noten bekommen konnten.
Von Ihnen brauchen wir keine Ratschläge zur Verbesserung der Lehrerversorgung in Hessen, meine Damen und Herren.
(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der CDU – Anhaltende Zurufe der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die muntere Debatte des heutigen Vormittags zeigt, dass in den letzten Tagen offenkundig etwas in Bewegung gekommen ist. Selbst der Minister ist aktiv geworden. Manche sagen, er sei aufgewacht, wie man an der heutigen Rede zur Beantwortung der Frage des Kollegen Degen hören konnte. Ich bin gespannt, was von dem Minister noch kommen wird.
Ich will noch einige Themen ansprechen, über die wir uns dann unterhalten können. Ich schicke voraus, nachdem Sie sich absichtlich über geraume Zeit blind gestellt hatten, scheint Ihre Arbeitsverweigerung jetzt langsam zu Ende zu gehen. Angesichts der vorgestellten Zahlen ist das auch allerhöchste Zeit. Die angekündigte Prüfung, inwieweit der Ausbau der Datenbasis zu ausgefallenen Schulstunden erfolgen kann, ist mir allerdings etwas zu wenig. Das werde ich im Einzelnen noch ausführen. Wir machen das schön der Reihe nach.
Der Anlass nach dem jahrelangen Schweigen und der Auskunftsverweigerung des Ministeriums zur tatsächlichen Situation an unseren Schulen nahm dadurch ein Ende, dass die Landesschülervertretung gesagt hat: „Es reicht jetzt, wir müssen das einmal selbst in die Hand nehmen, was der Minister nicht fertigbringt.“ Das Ergebnis – Zitat: „Unsere
Umfrage entlarvt die Aussage des Kultusministers als falsch“ – ist in der Tag bemerkenswert, und es hat auch dazu geführt, dass Sie wach geworden sind, wie die heutige Debatte zeigt.
Die Landesschülervertretung hat einfach einmal eine Stichprobe gemacht, ganz unbürokratisch herumgefragt und festgestellt: An dem Tag der Umfrage gab es an 97 Schulen 1.605 Stunden Unterrichtsausfall. – Wenn man das einmal ganz grob hochrechnet, kommt man auf 16.480 ausfallende Schulstunden am Tag. Es ist völlig egal, ob das im Durchschnitt halb so viele oder doppelt so viele sind, sondern die Tatsache dieser großen Zahl ist das Bemerkenswerte. Herr Minister, ich muss schon sagen, es ist schlicht blamabel, dass die Landesschülervertretung in kürzester Frist schafft, was Sie mit Ihrer aufgeblähten Verwaltung über Monate und Jahre nicht fertigbringen.
Es kann nicht sein, dass einerseits tagtäglich Tausende Unterrichtsstunden ausfallen und andererseits die Landesregierung behauptet, die Schulen hätten eine 100-prozentige Unterrichtsabdeckung. Die Stichprobe der Landesschülervertretung zeigt nur eine Tendenz, ich hatte es schon gesagt, man muss sie nicht verallgemeinern. Aber ein erneutes Wegducken ist auf jeden Fall grob fahrlässig.
Die nunmehr angekündigte Prüfung zur Möglichkeit der Erfassung von Krankheitstagen und Unterrichtsausfall klingt nach einem Manöver, um sich über die Landtagswahl zu retten und Betriebsamkeit vorzutäuschen.
Kollege Degen hat schon darauf verwiesen, und da reden wir nicht über die Frage, wie die Unterrichtsabdeckung und Lehrerversorgung in anderen Ländern aussieht, sondern wie andere Länder sich den Problemen stellen und einfach einmal zur Kenntnis nehmen, was dort los ist. Ich will das nicht wiederholen. Warum diese Abfragen mit der viel gepriesenen LUSD in Hessen nicht möglich sein sollen, erschließt sich mir nicht und belegt vielmehr diesen Kurs der Landesregierung nach dem Motto „Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“.
Wir Freie Demokraten fordern Sie auf, die 105-prozentige Lehrerversorgung aufrechtzuerhalten und sich nicht hinter gewollter Ahnungslosigkeit zu verstecken; denn das geht zulasten der Schülerinnen und Schüler und der Lehrerinnen und Lehrer.