Wenn wir dann semantische Ausflüchte wie am heutigen Vormittag hören – es tut mir leid, aber da fällt mir wirklich nur der Begriff „Eiertanz“ ein –, es gebe keinen strukturellen Unterrichtsausfall: Herr Minister, darüber haben wir hier doch gar nicht debattiert, darüber redet kein Mensch. Wir haben in der Tat eine gute Lehrerversorgung. Bezogen auf die Schülerzahl haben wir mehr Lehrer als je zuvor. Das ändert aber doch nichts an dem Faktum, dass Unterricht in diesem Land ausfällt.
Nein, das kann er anschließend machen. Ich bin auch knapp mit der Zeit, und Sie haben Ihre ja schon ausreichend überzogen.
Herr Kollege Wagner, ich muss Ihnen zugestehen, wenigstens eingeräumt zu haben, dass im Lande Hessen nicht alles Gold ist, was glänzt. Herr Kollege Schwarz hat das mit seinen ausführlichen Worten natürlich alles wieder weggeleugnet – genau wie sich der Kultusminister immer wieder vorsätzlich blind stellt.
Ich will einmal ein bisschen aufzeigen, wie das in der Vergangenheit lief; der Kollege Degen hat schon das eine oder andere zitiert. Ich hatte am 11. Mai 2017 eine Kleine Anfrage betreffend Unterrichtsausfall und Vertretung gestellt. Die Antwort des Kultusministers lautet kurz zusammengefasst – sie war in der Tat sehr kurz, aber ich nehme nur den entscheidenden Satz –:
Daten zum Unterrichtsausfall und zur Unterrichtsvertretung werden nicht zentral erfasst … Eine Beantwortung der Fragestellungen der vorliegenden Kleinen Anfrage würde dementsprechend eine Abfrage der benötigten Informationen bei den … einzelnen Schulen erforderlich machen. Der erforderliche Verwaltungsaufwand übersteigt in hohem Maße die Vorgaben für eine Kleine Anfrage …
Okay, dann muss man eben eine Große Anfrage stellen, haben wir uns gedacht. Wir haben sie eingereicht; die Antwort, die wir demnächst besprechen wollen, liegt auch vor. Aber am heutigen Tage muss man schon einmal zitieren, was in dieser Antwort in Einzelteilen drinsteht: Die gängigen Stundenplanprogramme würden keine entsprechenden, nach Fächern und Schulformen differenzierten Auswertungen anbieten. – Herr Minister, das ist schlicht falsch. Es liegt am Bediener, was man damit machen kann, es geht auch anders. Offenkundig sind Sie selbst nicht in der Lage, die Möglichkeiten zu nutzen, die Ihnen die vorhandenen Programme bieten. Wenn tatsächlich auch einzelne Schulen das nicht leisten könnten, lassen Sie offenkundig auch den Lehrerinnen und Lehrern, die vor Ort die Programme nutzen, nicht die notwendigen Schulungen zuteilwerden, die zur optimalen Nutzung erforderlich wären.
Ein weiterer schöner Satz aus Ihrer Antwort auf die Große Anfrage: Zentral gespeicherte Daten zu den Abwesenheitszeiten und Abwesenheitsgründen lägen nicht vor. – Herr Minister, auch das ist schlicht falsch, der Herr Staatssekretär wird Ihnen das bestätigen. Wie Sie wissen sollten, werden die Abwesenheitszeiten von jeder Schule gegliedert gemeldet – natürlich im Zeitalter der Digitalisierung, das Sie vorsätzlich verschlafen, in Papierform.
Da liegt das Problem, Herr Minister: Wegen altertümlicher Methoden der Meldungen sind die Daten nicht elektronisch auswertbar. Sie belasten die Schulen mit Bürokratie und Berichtspflichten, aber dann nutzen Sie die Ergebnisse nicht, sondern verfahren nach dem überholten Verwal
In Ihrer Antwort schreiben Sie, es erfolge keine statistische Auswertung der Daten – ja, genau: Es erfolgt keine statistische Auswertung der vorhandenen Daten, das hätten Sie richtigerweise sagen sollen. Dann wäre der Offenbarungseid deutlich geworden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in aller Kürze zu den beiden vorliegenden Anträgen. Der Antrag der Fraktion der SPD hätte auch von uns kommen können: Alles, was darin steht, ist richtig, da ist nichts falsch. Herr Kollege Schwarz, das gefällt Ihnen nicht, das verstehe ich gut – aber Sie werden verstehen, man kann der Wahrheit nicht entfleuchen, zumindest nicht auf Dauer.
Etwas anders gilt für den Antrag der Fraktion DIE LINKE. Darin wird wieder gefordert: umfassende Bedarfsanalysen, Anschluss an die Studie, ein Aktionsplan usw.; dann wollen Sie auch noch die Gesundheitsstände der einzelnen Lehrer erfassen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist mit uns nicht zu machen, wir glauben nicht, dass man die Gesundheitsstände der einzelnen Lehrer erfassen muss. Wir wollen, dass der Unterrichtsausfall erfasst wird, damit wir uns dann mit diesen Daten beschäftigen können.
Ich will das zum Abschluss zusammenfassend sagen: Ich bin zum Glück nicht Andrea Nahles. Deswegen verschone ich Sie vor einer missglückten Gesangseinlage. Aber der von ihr vor einigen Jahren im Bundestag gezogene Vergleich zu Pippi Langstrumpfs Motto passt jedenfalls auf das, was diese Koalition hier bietet, was der Kultusminister in einem langwierigen Pressefrühstück den erstaunten Journalisten weismachen wollte – man kann es zusammenfassen wie Pippi Langstrumpf:
Nein, Herr Minister, Widdewiddewitt ist nicht gleich sechs, und objektiv vorhandener Unterrichtsausfall wird auch durch noch so wortreiche Zahlenspiele nicht beseitigt.
(Beifall bei der FDP und der SPD sowie der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE) – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bätschi!)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Abgesehen von den unerwarteten Gesangseinlagen des Abg. Greilich
bin ich für diese Debatte insofern dankbar, als sie mir Gelegenheit gibt, ein paar Dinge klar- und auch richtigzustellen, die in der Diskussion der vergangenen Tage und Wochen durcheinandergeraten sind.
Wovon reden wir denn zunächst einmal, wenn wir von Unterrichtsausfall reden? Wovon haben wir denn hier zuletzt geredet, als wir über die Frage der Existenz von Statistiken gestritten haben? Wir haben über Unterrichtsabdeckung geredet, also von der Frage der strukturellen Gewährleistung von Unterricht. Wir reden von der Abdeckung der Stundentafel und davon, dass dafür die Lehrkräfte zur Verfügung stehen müssen.
Da gebe ich dem Abg. Degen sogar recht: Das ist die Kernaufgabe des Kultusministeriums und letztlich der gesamten Bildungsverwaltung. Dafür unternehmen wir alle Anstrengungen, gerade auch im Bereich der Lehrkräftegewinnung in nicht einfachen Zeiten, was die Lehrkräfteversorgung anbelangt; darüber haben wir schon mehrfach debattiert. Wir haben auch Erfolg damit, meine Damen und Herren; denn es gibt in Hessen keinen strukturellen Unterrichtsausfall, und um nichts anderes ging es in der letzten Debatte. Darauf lege ich auch weiterhin Wert.
Die Schulen haben deutlich mehr Lehrkräfte zur Verfügung – Stellen sowieso und Geld sowieso, aber auch deutlich mehr Lehrkräfte, als erforderlich wären, um alle Unterrichtsstunden nach der Stundentafel zu halten.
Das hat natürlich etwas mit unseren Stellenzuweisungen zu tun. Das hat natürlich etwas damit zu tun, dass wir weit über das hinausgehen, was für die bloße Grundunterrichtsversorgung, also für den Pflichtunterricht nach Stundentafel, benötigt würde. Das sind nicht nur die 105 % im Landesschnitt, die es sonst nirgendwo in Deutschland gibt. Das sind auch unsere ganzen Extrazuweisungen für den Ganztag, für Integration und Sprachförderung, für Inklusion, für die sozial indizierte Lehrerzuweisung, für die sozialpädagogische Unterstützung usw. Herr Abg. Wagner hat das völlig zu Recht als beispielhaft und als einzigartig in Deutschland bezeichnet.
Meine Damen und Herren, wenn Sie das alles zusammenrechnen, dann kommen Sie im Schnitt der hessischen Schulen sogar auf eine Lehrerzuweisung von 128 %.
Das heißt, wir liegen mit den Stellen und dem Geld, die wir zuweisen, weit über dem, was zur Abdeckung des Pflichtunterrichts erforderlich wäre. Deswegen ist trotz aller Engpässe in der Lehrerversorgung die Abdeckung des Pflichtunterrichts auch kein Problem in Hessen.
(Günter Rudolph (SPD): Ach so! Es gibt gar keinen Unterrichtsausfall! – Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)
Herr Rudolph, hören Sie mir doch einfach weiter zu. – Es geht im Moment nur darum, das Problem abzuschichten und die Fragestellung da zu verorten, wo sie hingehört. Denn wovon hier in Wirklichkeit geredet wird, ist ausschließlich der Vertretungsfall. Wir diskutieren gerade ausschließlich über den Vertretungsfall.
Das heißt, wir diskutieren darüber, was passiert, wenn der real existierende Lehrer, der im Regelfall die Stunde hält, sie ausnahmsweise einmal nicht halten kann. Deswegen stimmt auch der Satz: In Hessen fällt im Regelfall kein Unterricht aus. – Das belegt interessanterweise gerade die Aktion der Landesschülervertretung dazu. Denn was haben sie gemacht? Sie haben Vertretungspläne abfotografiert. Vertreten werden kann aber sach- und sprachlogisch nur etwas, was im Regelfall stattfindet. Denn wenn es nicht stattfinden würde, könnte man auch keine Vertretung dafür einrichten.
Also, der Unterricht ist abgedeckt, und wir reden vom Ausnahmefall der Vertretung. Dazu will ich zunächst eines klarstellen, weil ich den im Antrag der SPD geäußerten Vorwurf der Täuschung mit aller Entschiedenheit zurückweise: Selbstverständlich werden auch in Hessen Lehrer krank und Lehrerinnen schwanger. Dadurch entstehen täglich Vertretungsnotwendigkeiten. Ich müsste von Sinnen sein, das zu bestreiten.
Ich füge noch einen Satz hinzu, den Herr Abg. Merz gestern in der Diskussion über die Enquetekommission gesagt hat: Schule ist mehr als Unterricht. – Deshalb gehören Studienfahrten, Exkursionen zu außerschulischen Lernorten, Prüfungen, Projektwochen und gemeinsame pädagogische Arbeiten dazu. Das will auch niemand abschaffen. Deswegen muss ich schon einmal den plakativen Satz des Abg. Degen hinterfragen. Er klingt ja wunderschön: Die Stunden, die wir zuweisen, müssen auch ankommen. – Aber die Stunde, die ich einem kranken Lehrer zugewiesen habe, kann in dem Moment, in dem er krank ist, nicht ankommen. Ich kann ihn doch nicht in die Schule prügeln. Was ist denn das für eine Vorstellung?
Aber mit solchen Sätzen wird hier Stimmung zu machen versucht. – Was ist denn mit den Exkursionen, den Klassenfahrten usw.?
Jede Lehrkraft, die das mit einer Klasse macht, fehlt natürlich an den entsprechenden Tagen in ihren anderen Klassen. Das ist völlig unvermeidlich, und dann muss vertreten werden. Wenn ich sage, die Stunde, die ich zugewiesen habe, muss auch genau so im Unterricht ankommen, dafür darf es keine Ausnahmen geben, weil es keine Vertretungsnotwendigkeiten mehr geben darf, dann muss ich im Prinzip all diese Aktionen sein lassen. Dann muss ich im Prinzip sagen – vielleicht vom Fall der Krankheit abgesehen –, dass die Lehrkraft den Unterricht im Klassenraum zu halten hat. Das ist dann das alles Entscheidende, und alles andere, was zum Schulprogramm gehört, das streichen wir einfach. Nur so könnte ich es vermeiden, dass, vom Sonderfall Krankheit abgesehen, Vertretungsnotwendigkeiten entstehen.
Wenn wir uns zumindest darüber einig sind, dass wir hier nur vom Vertretungsfall reden und dass wir die grundsätzliche Notwendigkeit von Vertretungen anerkennen, dann können wir gerne weiter darüber reden, wie diese Vertretung im Einzelfall gestaltet wird. Jetzt muss ich aber schon sagen: Dass ausgerechnet die SPD daraus ein Thema zu machen versucht, ist mehr als pharisäerhaft. Wie war das