Protokoll der Sitzung vom 25.04.2018

Wenn wir uns zumindest darüber einig sind, dass wir hier nur vom Vertretungsfall reden und dass wir die grundsätzliche Notwendigkeit von Vertretungen anerkennen, dann können wir gerne weiter darüber reden, wie diese Vertretung im Einzelfall gestaltet wird. Jetzt muss ich aber schon sagen: Dass ausgerechnet die SPD daraus ein Thema zu machen versucht, ist mehr als pharisäerhaft. Wie war das

denn zu den Zeiten, als hier noch SPD-Kultusminister regierten?

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist mehr als 20 Jahre her!)

Da reichte es schon regulär nicht zur Abdeckung der Stundentafel. Von substanziellen Vertretungslösungen konnte man nicht einmal im Ansatz sprechen. Ich bin hier doch zu dieser Zeit zur Schule gegangen. Da war der Stundenausfall programmiert.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von der CDU – Ge- genrufe von der SPD – Glockenzeichen der Präsi- dentin)

Kolleginnen und Kollegen, bitte in der ersten Bank keine Zwiegespräche.

Wir haben den Schulen überhaupt erst die Möglichkeit gegeben, sinnvolle Vertretungskonzepte zu entwickeln, weil wir ihnen überhaupt erst die Ressourcen gegeben haben, mit denen man solche Konzepte erstellen kann. Wir haben überhaupt erst die verlässliche Schulzeit eingeführt. Wir halten eine mobile Vertretungsreserve vor, wie es sie in diesem Umfang noch nicht gab.

Aber eines muss man auch ins Reich der Illusionen verweisen: Man kann nicht für jede Lehrkraft eine zweite im Hintergrund bereithalten, sozusagen als Schattenkollegium, und sie nach Bedarf und Belieben einwechseln. Nein, das kriegen auch wir nicht hin, meine Damen und Herren. Das müssen wir zugeben.

Deswegen geht es ausschließlich darum, wie man im Falle des punktuellen Ausfalls einer Lehrkraft die Unterrichtszeit pädagogisch sinnvoll ausfüllt. Dafür sind nicht irgendwelche Statistiken entscheidend, auch wenn die Opposition das im Moment zum zentralen Thema der Kultuspolitik zu erklären versucht. Vielmehr ist entscheidend, was vor Ort in den Schulen geschieht; denn nur dort können Vertretungen sinnvoll organisiert werden.

Jetzt komme ich zurück auf die Diskussion, die wir eben schon ansatzweise bei der mündlichen Frage hatten. Natürlich findet eine pädagogisch sinnvolle Ausfüllung von Unterrichtszeit statt, auch wenn eine andere Lehrkraft die Klasse übernimmt, idealerweise natürlich eine, die die Klasse sowieso schon hat und in ihrem Fach weiter unterrichtet. Aber das kann man auch nicht immer gewährleisten.

Bei planbaren Abwesenheiten, Exkursionen etc. geschieht es, indem die Lehrkraft Material und Aufgaben zur Verfügung stellt, mit deren Hilfe man die Unterrichtsinhalte weiter bearbeiten kann. Das funktioniert auch zu einem gewissen Grad bei Erkrankungen, in der gymnasialen Oberstufe sowieso. Wenn es länger dauert, kommt die mobile Vertretungsreserve zum Einsatz. Wenn das nicht hilft, stellen wir TV-H-Kräfte ein. Das ist ein abgestimmtes System von Reaktionsmöglichkeiten, mit denen man auf die Vertretungsnotwendigkeiten reagiert, die – ich hoffe, dass das hier niemand bestreiten wird – zur Schulorganisation zwangsläufig und unvermeidbar dazugehören.

Meine Damen und Herren, jetzt muss ich noch etwas sagen: Das ist absolut nichts Neues. Das weiß jeder, der mit schulischer Organisation zu tun hat. Das ist auch absolut transparent. Wir haben die beste Vertretungsausstattung, die es je in Hessen gab. Wir geben 225 Millionen € im Jahr dafür aus, dass Vertretung gewährleistet wird. Speziell an die Adresse der FDP darf ich außerdem sagen: Wir spielen genau nach denselben Regeln wie in der vergangenen Legislaturperiode unter zwei FDP-Ministerinnen. Da hat sich nichts verändert.

Jetzt können wir gerne über diese Regeln und ihre Einhaltung diskutieren. Ich habe gestern in der Debatte zur Enquetekommission gesagt: Es gibt nichts im Bildungssystem, was man nicht noch besser machen könnte. Ich bin dankbar für alle Ideen und Anregungen, und ich bin auch gesprächsbereit für alles, was man in dieser Hinsicht unternehmen kann. – Ich habe auch der Landesschülervertretung gestern im Gespräch angeboten, dass wir uns die Vertretungspläne, die sie abfotografiert haben, gemeinsam mit unseren Fachleuten anschauen, dass wir sie analysieren auf mögliche Schwachstellen, auf mögliche Optimierungspotenziale. Das können wir alles machen.

Aber eines will ich abschließend klarstellen: Wenn ein Regelwerk wie das, was wir für Vertretungsfälle haben, seit vielen Jahren existiert, allgemein bekannt ist, von allen Beteiligten an Schule im Kern unbeanstandet bleibt und auch die Opposition in diesem Hause das nicht wirklich angegriffen hat – Sie hätten ja z. B. bei der Schulgesetznovelle im letzten Jahr einen Antrag stellen können, dass Sie die Regelungen zur verlässlichen Schulzeit anders fassen wollen; ich kann mich aber nicht daran erinnern, dass Sie das getan hätten – und wenn die Opposition sechs Monate vor der Landtagswahl plötzlich entdeckt, dass das alles eigentlich ein Skandal ist, dann, glaube ich, kann sich jeder, der ein bisschen die Mosaiksteine zusammenfügt, zusammenreimen, dass das nichts weiter als der Versuch ist, aus nichts ein Wahlkampfthema zu machen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Günter Rudolph (SPD): Aus nichts?)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Degen, SPDFraktion.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Jetzt kommen wir zur Sache zurück! – Günter Rudolph (SPD): Aus nichts etwas machen? Herr Kultusminister!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will mich zum Anfang meines zweiten Beitrags ausdrücklich bei der Landesschülervertretung für ihr Engagement bedanken, weil sie eben nicht einfach sagen: Juhu, es fällt Unterricht aus.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Vielmehr nehmen sie durchaus ernst, dass es um die Zukunft der jungen Leute geht, um die Interessen der jungen Leute, die einen Anspruch auf diesen Unterricht haben. Auch wenn diese jungen Leute parteipolitisch in unterschiedlichen Parteien organisiert sind, dann ist es toll, dass sich junge Leute einbringen.

(Beifall bei der SPD – Manfred Pentz (CDU): Aha! Fake News!)

Herr Kultusminister, ich schätze es sehr, dass Sie gestern gesagt haben, Sie gehen noch einmal auf diese jungen Leute zu, schauen sich diese Abfrage der Vertretungspläne an. Ich denke, das gebietet der Respekt. Leider hat der Kollege Schwarz das offenbar nicht mitbekommen, weil er gerade explizit den Sprecher der Landesschülervertretung beschimpft hat nach dem Motto, er würde parteipolitisch agieren. Meine Damen und Herren, das ist unterirdisch. Das geht so nicht. Das muss man hier ausdrücklich zurückweisen.

(Beifall bei der SPD)

Ich will mit Blick auf die Meldung der Landesschülervertretung noch einmal darauf hinweisen, dass es an dem Tag im April keine Grippewelle gab, sondern es ging um 1.605 Stunden an 97 Schulen, die ausfielen und dokumentiert wurden; und es ging noch einmal um fast die gleiche Summe an Stunden – darüber haben wir noch gar nicht gesprochen –, die vertreten wurden. Herr Kultusminister, natürlich muss man auch über Vertretungskonzepte reden; denn die Schülerbefragung hat ergeben, dass ein Großteil der jungen Leute der Ansicht ist, dass dieser Vertretungsunterrichtung nicht wirklich effektiv ist. Auch darüber muss man reden. Ich stelle einmal fest: Die CDU ist nach wie vor in den Neunzigerjahren stecken geblieben.

(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU)

Ich will mich keineswegs irgendwie in den Vordergrund drängen, aber ich habe 1999 Abitur gemacht und glaube, dass ich die Grundrechenarten trotzdem noch so gut beherrsche, um zu bemerken, dass hier Unterrichtsausfall vorliegt und dass man hier nichts wegdebattieren kann.

(Armin Schwarz (CDU): Wollen Sie wieder 83 % Unterricht haben?)

Sie zeigen nach wie vor, dass Sie offenbar keine eigenen Ideen haben, als uns mit Zahlen zu beschimpfen, die schon 20 Jahre und mehr alt sind.

(Beifall bei der SPD)

Ich will mich ausdrücklich beim Kollegen Wagner bedanken.

Kollege Degen, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich habe jetzt nur noch zweieinhalb Minuten; jetzt möchte ich auch gern einmal zu Ende reden. – Meine Damen und Herren, ich will mich ausdrücklich beim Kollegen Wagner dafür bedanken, dass er zumindest in der ersten Hälfte seines Beitrags sehr viel differenzierter auf die Sachlage eingegangen ist und anerkennt, dass nicht alles so rosarot ist, wie es manche darstellen. Herr Kollege Wagner, ich kann verstehen, dass die GRÜNEN beim Bildungsgipfel wahrscheinlich nicht wirklich amused waren, als der Landesgroßvater

(Zurufe von der CDU: Oh!)

am Ende gesagt hat, dass er sich keinen Millimeter auf die Sozialdemokraten zubewegen werde, und damit jede mögliche Einigung verhindert hat.

(Beifall bei der SPD – Manfred Pentz (CDU): Das ist das Einzige, was ihr könnt: beschimpfen! – Anhaltende Zurufe von der CDU – Glockenzeichen der Präsidentin)

Herr Kollege Wagner, ich muss im Rahmen einer konstruktiven Debatte aber noch zwei Dinge richtigstellen:

Erstens. Die Abfrage der Landesschülervertretung bezog sich auf weiterführende Schulen. Diese haben sich beteiligt. Es waren keine Grund- und Förderschulen dabei. Es ging nicht um den akuten Lehrermangel an Grund- und Förderschulen. Es ging um weiterführende Schulen, an welchen durchaus Lehrkräfte in ausreichender Zahl vorhanden sein sollten. Zumindest sollte man diese, wenn man Stellen schafft, auch einstellen können. Dementsprechend weise ich ausdrücklich zurück, dass wir hier zwei Debatten miteinander vermischten.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Wir haben noch einmal darauf hingewiesen, dass es, wenn es um den Lehrermangel geht, bei den Teilzeitlehrkräften durchaus noch Potenzial gibt. Ich will aber daran erinnern, dass es die Sozialdemokraten waren, die diesen Brief, den der Kultusminister geschrieben hat, mit einer Kleinen Anfrage initiiert haben. Dementsprechend bedanke ich mich für Ihr Lob für unsere Kreativität, wobei ich weiß, dass die meisten Menschen durchaus Gründe haben, warum sie in Teilzeit arbeiten. Trotzdem gibt es hier Potenzial, das man mit guten Arbeitsbedingungen und guter Bezahlung möglicherweise ein Stück weit heben könnte.

Ich will zum Schluss noch einmal deutlich machen, dass wir diejenigen sind, die die Interessen der Schülerinnen und Schüler vertreten, weil derjenige, der einen Abschluss, einen Hauptschulabschluss, die mittlere Reife oder das Abitur, erreichen oder eine Ausbildung absolvieren möchte – ich habe vieles zum Thema Ausbildung gesagt –, ein Anrecht darauf hat, dass er die Stunden bekommt, die er verdient, ob als Regelunterricht oder qualifizierten Vertretungsunterricht.

Herr Minister, natürlich sollen alle außerunterrichtlichen Angebote stattfinden; aber man kann Schule auch so organisieren, dass Unterricht ordentlich und qualifiziert vertreten wird. Das haben wir in dem Antrag deutlich gesagt, und deswegen wünschen wir uns „echte“ Daten, damit wir berechnen können, wie wir wirklich mögliche Vertretungsreserven, die an Schulen angebunden sind, schaffen können. Das können wir aber nur, wenn Sie Ihrem Auftrag gerecht werden und uns mit Daten assistieren. Wir freuen uns darauf, dass Sie künftig hoffentlich einlenken, sich erst einmal die Zahlen der Landesschülervertretung anschauen, möglicherweise den anderen Bundesländern folgen und endlich qualifizierte Daten zum Unterrichtsausfall vorlegen werden. Darauf baue ich. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium hat die Verdunklung nicht angeordnet. Wir werden es hier

vorne in Kürze wieder etwas erleuchten. – Als Nächster spricht Kollege Boddenberg für die CDU-Fraktion.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Präsidium strahlt auch ohne Licht! – Zurufe von der CDU: Oh!)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Die Verdunklung wird beseitigt.)

(Heiterkeit bei der CDU)

Herr Degen, das macht den Unterschied aus.

Aber ich möchte ernsthaft beginnen und zunächst einmal sagen: Herr Degen, eigentlich schätze ich Sie. Das meine ich jetzt nicht als Floskel, sondern ich schätze Sie als kompetenten Debattenredner, weil Sie angesichts Ihrer Vita und Ausbildung in bildungspolitischen Fragen sicherlich sehr viel Expertise haben. Ihre heutige Rede war jedoch ein wenig durchschaubar. Ich lasse jetzt einmal den kleinen Ausreißer weg, dass Sie vom „Landesgroßvater“ sprachen; das sei geschenkt. Das lässt ein bisschen erahnen, welche Wahlkampfstrategie Sie in der SPD besprochen haben.