Vielen Dank, Herr Lenders. – Als Nächste hat sich Frau Abg. Karin Müller für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gemeldet. Bitte schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir stimmen in einem Punkt mit der FDP überein: Wir halten es für falsch, dass es, so, wie es jetzt aussieht, in Hessen keine Niederlassung der neu zu gründenden Infrastrukturgesellschaft geben wird. Das war dann auch schon alles an Übereinstimmung. Schon die Überschrift Ihres Antrags ist nämlich eine Frechheit; denn, erstens, die Landesregierung schläft nie und, zweitens, der Verkehrsminister schon gar nicht.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Janine Wissler DIE LINKE: Das würde auch einiges erklären! Über- nächtigt ist der Tarek! – Zuruf des Ministers Tarek Al-Wazir)
Genau. – Nur weil Sie für sich beschlossen haben, dass Sie ihn von seinem Amt befreien wollen, verdrehen Sie hier die Tatsachen, wie es Ihnen in den Kram passt.
Das ist unterste Schublade, würde ich einmal sagen. All die Verschwörungstheorien, die Sie eben hier verbreitet haben, möchte ich doch, bitte, belegt haben.
Wenn es Ihnen um die Sache ginge, würden Sie nicht solche Anträge schreiben, sondern mit daran arbeiten, dass eine Niederlassung – es wäre die elfte insgesamt – nach Hessen kommt.
Dann hätten Sie vorher einen Antrag im Bundestag stellen sollen. Sie haben Ihre beste Frau aus Hessen nach Berlin geschickt. Wo war der Antrag, dass in Hessen eine elfte Niederlassung entsteht? – Ich habe nichts gesehen; mir liegt nichts vor.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Es sind immer die anderen schuld!)
Ich habe doch nicht gesagt, dass die anderen schuld sind. Aber wenn man sich hier so aufbläst, muss man auch einmal etwas machen.
Jetzt kommen wir einmal zu den Fakten, die Sie schon in der letzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses – im öffentlichen Teil – gehört haben. Sie selbst haben beantragt, sie zu erfahren. Aber anscheinend haben Sie sie nicht zur Kenntnis genommen. Das Bundesverkehrsministerium hat das Standortkonzept nicht vorgestellt. Das haben Sie in Ihrer Rede zwar gesagt, aber in Ihrem Antrag noch anders beschrieben.
Das Konzept wurde in einem geschlossenen Umschlag überreicht, und bilaterale Gespräche hatten bis dato nicht stattgefunden. Das kann man, wenn man gutwillig ist, mit der schwierigen Regierungsbildung erklären: dass Herr Scheuer keine Zeit gefunden und daher einfach ein fertiges Konzept präsentiert hat, dessen Erarbeitung er bei vier Wirtschaftsunternehmen in Auftrag gegeben hatte, anstatt es in Gesprächen mit den Personalvertretungen erstellen zu lassen. Das kann man ihm, wenn man gutwillig ist, unterstellen. Aber das heißt auch, dass jetzt nachverhandelt werden kann. Das macht die Landesregierung. Sie ist keineswegs untätig.
Aber auch im Vorfeld war die Landesregierung nicht untätig. Das wissen Sie auch. Wir haben hier bereits vor einem Jahr über dieses Thema geredet. Allen war der Zeitplan bekannt. Die Landesregierung hat die verabredeten Schritte eingehalten. Es wurden bei den Stellen, die mit dem Bereich Autobahnen beschäftigt sind, die Vollzeitäquivalente gemeldet – ohne Namen zu nennen; so war es verabredet. Das ist auch eingehalten worden. Aber dann wurde man vor vollendete Tatsachen gestellt.
Auch wir halten es für fachlich geboten, dass das Autobahnnetz in Hessen von Hessen aus verwaltet wird, anstatt dass die Verwaltung auf viele Niederlassungen aufgeteilt wird. Das halten wir auch im Interesse der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für geboten. Es wurde versprochen, dass die Länder und deren Personalvertretungen in den Prozess einbezogen werden. Das ist nicht passiert. Bilaterale Gespräche haben nicht stattgefunden.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben eine Arbeitsplatzgarantie. Sie müssen nicht in Montabaur oder in Hannover sitzen; das ist so. Sie können an ihren Standorten bleiben, und können sich auch entscheiden, ob sie beim Land oder beim Bund beschäftigt werden. Trotzdem ist es eine Behörde an einem anderen Standort, was immer zu Reibungsverlusten führt und damit auch die Qualität der Arbeit und die Motivation mindert. Wenn man nämlich nicht vor Ort in ein Team eingebunden ist, werden Abspra
chen schwieriger; und die Aufstiegschancen werden schlechter, wenn man nicht bereit ist, zu wechseln. Das hat also nur Nachteile. Wir reden hier über 1.100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bei Hessen Mobil arbeiten oder mit Aufgaben der Verwaltung des Autobahnnetzes befasst sind.
Darüber haben wir ebenfalls schon vor einem Jahr geredet. Wir haben festgestellt, dass Bau, Betrieb und Planung von Autobahnen nicht isoliert betrachtet werden können, sondern dass es einen Abstimmungsbedarf in Bezug auf das weitere Straßennetz und auch auf die anderen Verkehrsträger gibt. Deswegen ist die Expertise der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter äußerst wichtig: Aus fachlichen Gründen, aber auch im Interesse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist es wichtig, dass das Autobahnnetz in Hessen von Hessen aus betreut wird.
Da die Landesregierung das auch so sieht und keineswegs untätig war, wurde bereits im Juli letzten Jahres ein Brief an alle Bundestagsabgeordneten aus Hessen geschickt, in dem um Unterstützung für Hessen als Standort einer regionalen Tochtergesellschaft geworben wurde. Daher kann man auch sagen: Warum schreibt die FDP jetzt erst Briefe und hat sich nicht schon damals engagiert?
Herr Lenders, ich wollte Sie nur aufwecken. Sie waren kurz vor dem Einschlafen. – Nachdem das Standortkonzept bekannt geworden war, hat Tarek Al Wazir einen Brief an Herrn Scheuer geschrieben, und der Ministerpräsident hat sich an die Kanzlerin und Herrn Minister Scheuer gewandt. All das wissen Sie, aber Sie haben es, wie gesagt, anscheinend nicht zur Kenntnis genommen; denn all die Informationen haben wir vom Minister zur Verfügung gestellt bekommen.
Anstatt hier also Anträge zu schreiben, die falsche Tatsachen suggerieren und allein dadurch motiviert sind, dass man den Verkehrsminister von seinem Amt befreien will, sollten wir mit vereinten Kräften dafür werben, dass an Hessen kein Weg und keine Niederlassung vorbeigeht.
Die hessischen Autobahnen müssen von Hessen aus geplant werden. Alles andere führt zu Reibungs- und Qualitätsverlusten. Ein elfter Standort für die Bundesfernstraßengesellschaft ist auch jetzt noch möglich. Kein anderes Bundesland hat einen weiteren Standort gefordert. Bayern und Baden-Württemberg unterstützen das Anliegen sogar ausdrücklich. Das sollte unser aller Ziel sein, um den Standort Hessen zu stärken, aber auch um den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Entwicklungs- und Aufstiegschancen in Hessen zu gewähren, und nicht nur, um hier Klamauk zu machen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im letzten Sommer, kurz vor der Bundestagswahl, hatte die alte Große Koalition eine Grundgesetzänderung durch Bundestag und Bundesrat gepeitscht. Es ging um die Gründung einer privatrechtlichen Autobahninfrastrukturgesellschaft, kurz IGA.
Wir haben dieses Vorhaben abgelehnt – ebenso wie das andere CSU-Lieblingsprojekt, nämlich die sogenannte „Ausländermaut“. Denn es geht bei der Autobahngesellschaft darum, Profitmöglichkeiten in ÖPP-Projekten zu schaffen. Eine Kommission unter Beteiligung von Banken und Versicherungen hatte dieses Konstrukt vorbereitet.
Wir haben diese Umwandlung abgelehnt, weil wir es falsch finden, eine Privatisierung voranzutreiben, und ÖPP-Projekte in diesem Bereich vollkommen ablehnen.
Mit den Auswirkungen und den Problemen bei der Umsetzung dieser Fehlentscheidung beschäftigen wir uns heute. Die bisher vom Land verwalteten Bundesautobahnen sollen zukünftig von Niederlassungen der Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen verwaltet werden. Diese Gesellschaft soll zehn Niederlassungen erhalten. Hessen bekommt keine. Die hessischen Autobahnen sollen zukünftig von Hannover, Montabaur und Hamm aus verwaltet werden. Das erschwert die Verwaltung für die hessischen Behörden. Es bedeutet auch einen Verlust von Expertise, den die Landesbehörde Hessen Mobil in den vergangenen Jahren aufgebaut hat.
Vor allem aber stellt es 3.500 Beschäftigte von Hessen Mobil vor eine ungewisse Zukunft. Von ihnen wird ein Drittel zukünftig für die neue Gesellschaft tätig sein. Der Rest bleibt in einer Behörde, die mächtig umgekrempelt und neu aufgestellt werden wird. Das sind 3.500 Menschen, die sich Sorgen machen, zu welchen Bedingungen sie zukünftig arbeiten müssen, ob ihr Job langfristig sicher ist, ob alle Standorte erhalten bleiben oder ob sie womöglich umziehen müssen.
Der Personalrat von Hessen Mobil ist heute auch auf der Tribüne zu Gast. Der Vorsitzende, Herr Donath, und weitere Mitglieder des Personalrats sind heute hier. Meine Bitte lautet: Richten Sie den Kolleginnen und Kollegen unsere Grüße, unseren Dank und unsere Anerkennung aus für ihre tagtägliche Arbeit, die sie hier tun.
Die Bundesautobahnen werden zukünftig von der privatrechtlichen Autobahngesellschaft betrieben, beaufsichtigt von einem neuen Fernstraßen-Bundesamt. Es ist also ein ähnliches Modell wie die Privatisierung der Bundesbahn zur Deutschen Bahn AG mit dem Eisenbahn-Bundesamt. Ich glaube, das war nicht gerade eine Erfolgsgeschichte. Von den zehn Niederlassungen, die vorgesehen sind, bekommt übrigens Bayern zwei Niederlassungen. Ein Schelm, wer angesichts des CSU-geführten Bundesverkehrsministeriums dabei etwas denkt. Hessen bekommt eben keine.
Das Standortkonzept – das wurde schon angesprochen – wurde den Bundesländern bei der Verkehrsministerkonferenz in einem geschlossenen Umschlag vom Bundesverkehrsminister überreicht. Ich will nur einmal anmerken, dass von den sieben Bundesländern, die Niederlassungen
bekommen, drei einen Ministerpräsidenten der CDU oder CSU haben, drei einen Ministerpräsidenten der SPD, und ein grüner Ministerpräsident darunter ist. Das klingt für mich ein bisschen danach, dass die Struktur offenbar politisch innerhalb der Großen Koalition ausgekungelt wurde – mit Hessen offenbar nicht – und dass fachliche Fragen und vor allem die Beschäftigten dabei überhaupt keine Rolle gespielt haben, weil das ein politisches Geschacher um die Niederlassungen ist und es nicht um die Inhalte und die Menschen geht, die dort arbeiten.
Seit diese konkreten Pläne der Ausgestaltung der Reform auf dem Tisch liegen, ist die Aufregung in Hessen groß. Aber das ist alles nicht vom Himmel gefallen. Das ist das dicke Ende einer langen Vorgeschichte, in der es die Hessische Landesregierung versäumt hat, sich sinnvoll einzubringen.
Seit mindestens zwei Jahren mahnen und warnen wir davor, dass in Berlin heimlich an der Autobahnprivatisierung gearbeitet wird und dass Hessen sich hier einmischen muss. Wir haben das mehrfach zum Thema gemacht, beispielsweise nach dem Bericht der Fratzscher-Kommission, der das Ganze inhaltlich vorbereitet hat, und auch vor der entscheidenden Bundesratsabstimmung.
Dann ging es ganz schnell: Vor der Bundestagswahl im letzten Jahr hat die Große Koalition die Grundgesetzänderungen noch im Rekordtempo durch Bundestag und Bundesrat gejagt. Die SPD hat damals erklärt, sie habe die Privatisierung verhindert. Der Bund mag ja Besitzer der Grundstücke unter den Autobahnen bleiben, aber das ändert nichts daran, dass die Betreibergesellschaft zukünftig nach der Logik eines Privatunternehmens arbeiten wird; und das ist ein Problem.
Aus Bürgern, die selbstverständlich ihre durch Steuern bezahlten Straßen nutzen, werden mit der Pkw- und LkwMaut plötzlich Kunden, die ein Produkt kaufen. Die IGA hat sogar ein wirtschaftliches Interesse daran, möglichst viel Verkehr auf die Straßen zu ziehen. Das ist umweltpolitisch und verkehrspolitisch absurd und genau das Gegenteil von dem, was wir brauchen.