Protokoll der Sitzung vom 21.06.2018

Das ist doch klar, Herr Greilich. Wir haben eine gesetzliche Regelung; und die heißt Religionsfreiheit. Das steht im Grundgesetz. Das meinte doch Herr Ronellenfitsch.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Prof. Dr. Wißmann von der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster hält die hessische Regelung ebenfalls für ausreichend, um bei Bedarf ein Verbot der Vollverschleierung auszusprechen; denn die Regelung enthalte, so schreibt er, „eine allgemeine Mitwirkungspflicht für Schülerinnen und Schüler, die sich auf die Erfüllung des verfassungsrechtlich geschützten staatlichen Erziehungsauftrags ausrichtet“.

Persönlich anwesend waren bei dieser Anhörung vor allem die Befürworter Ihres Gesetzentwurfs. Ich finde es gut, dass diese Sie nicht alleingelassen haben. Die anderen haben sich aber auch geäußert, und zwar schriftlich. Man hätte es auch lesen können. Dann hätte man auch gelesen, dass das eigentlich kein Problem ist und keiner Lösung bedarf.

Meine Damen und Herren, der FDP müsste das rechtliche Regelwerk Hessens für den fiktiven Fall einer vollverschleierten Schülerin im Unterricht eigentlich bekannt sein; denn es war Ihre Staatsministerin Nicola Beer, darauf hat Herr Schwarz schon hingewiesen, die sich bereits 2012 mit dem Thema befasste und mit einem Erlass reagierte.

Jetzt hat die FDP also entweder ein Informationsdefizit und kann sich an den Erlass ihrer Ministerin nicht mehr erinnern,

(Heiterkeit der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

oder aber die aktuelle FDP-Landtagsfraktion hält die Wertung ihrer eigenen Ministerin für falsch und will daher jetzt das Schulgesetz ändern. So oder so, die Initiative der FDP ist so erstaunlich, wie sie überflüssig ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber angenommen, es gäbe Schülerinnen, die vollverschleiert den Unterricht besuchen. Für den Ablauf des Unterrichts könnte das ja tatsächlich problematisch sein. Aber brauchen wir dann wirklich ein Gesetz? Können Pädagogen, kann Schule nicht anders oder besser reagieren? Können nicht erzieherische Maßnahmen ergriffen werden, kann nicht mit den Familien gearbeitet werden? – Was ich übrigens für viel wirkungsvoller halte, als mit einer starren Verbotsregelung zu reagieren.

Meine Damen und Herren, allen ist klar, dass es der FDP in Wirklichkeit nicht darum geht, eine ungehinderte Kommunikation im Schulalltag zu gewährleisten, wie sie hier vordergründig vorgibt. Wir erleben aktuell eine Diskursverschiebung nach rechts, und die FDP möchte auf dieser Welle mitschwimmen.

(Jan Schalauske (DIE LINKE): So ist es!)

Sie übernimmt Forderungen der Rechten, knüpft an antimuslimische Stimmungen an und tritt dabei nur nicht so krawallliebend auf wie die Zyanblauen.

Individuelle Freiheit, Selbstbestimmung, Vorrang der Person vor der Institution: Das waren einmal Leitsätze der Liberalen. Liebe FDP, da könnten Sie ja einfach einmal Frau Leutheusser-Schnarrenberger zuhören.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ja! – Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Ihr hören sie schon lange nicht mehr zu!)

Sie hat kürzlich diese offene rechte Flanke der FDP als falsch gebrandmarkt und ihre Partei dazu aufgerufen, sich an die liberalen Wurzeln zu erinnern.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn eines ist klar: Eine wie auch immer geartete „AfD light“ braucht in diesem Land wirklich überhaupt niemand. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD – Hermann Schaus (DIE LINKE): Weder light noch schwer!)

Vielen Dank, Frau Kollegin Faulhaber. – Das Wort hat Herr Abg. Wagner, Fraktionsvorsitzender des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN.

(Der Redner fährt das Rednerpult hoch. – Zuruf von der LINKEN: Einigt euch doch mal auf eine Reihen- folge! – Weitere Zurufe – Heiterkeit)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ein bisschen Bewegung im Landtag ist ja auch nicht schlecht,

(Heiterkeit)

und wenn es das Rednerpult ist, das sich bewegt. Ein bisschen Bewegung tut ganz gut.

Wir sind uns in diesem Hause alle einig: Wir wollen, dass man sich an unseren Schulen ins Gesicht schauen kann. Lernen setzt Kommunikation, setzt Interaktion voraus. Dafür muss man einander ins Gesicht schauen können. Das ist in diesem Landtag überhaupt nicht strittig; darin sind sich alle einig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Der Kern der Debatte liegt in der Frage, ob man das Verbot der Vollverschleierung ins Schulgesetz aufnehmen muss oder ob nicht die Regelung, die die frühere Kultusministerin Nicola Beer von der FDP in einem Erlass getroffen hat, ausreichend ist. Vier Fraktionen dieses Hauses sind der Meinung, das sei ausreichend. Eine Fraktion ist der Meinung, das sei nicht ausreichend. Das ist eigentlich der Kern der ganzen Debatte.

In der Anhörung war noch nicht einmal die Mehrheit der durch die FDP benannten Angehörten der Meinung, dass es eine gesetzliche Regelung brauche. Auch meine Fraktion ist nicht dieser Meinung. Das Vollverschleierungsverbot und die Grundlage für den guten Erlass der FDP-Kultusministerin Nicola Beer

(Heiterkeit des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

sind unmittelbar im Schulgesetz gegeben. Das bedarf keiner weiteren Klarstellung.

Deshalb wundere auch ich mich ein bisschen, dass die FDP diese Initiative ergriffen hat; denn oftmals stehen Redne

rinnen und Redner der FDP an diesem Rednerpult und zitieren den Staatstheoretiker Montesquieu.

(Heiterkeit des Abg. Gerhard Merz (SPD))

„Wenn es nicht nötig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es nötig, kein Gesetz zu machen“,

(Gerhard Merz (SPD): Das habe ich hier schon mal gehört!)

das ist normalerweise das vorgetragene Mantra der FDP. Dazu, warum Sie diesmal davon abweichen, ist in dieser Debatte bereits vieles gesagt worden; das muss ich nicht alles wiederholen.

Ich kann es eigentlich ziemlich kurz zusammenfassen: Es gibt keinen inhaltlichen Streit. Es gibt keinen Fall. Es gibt kein Problem. Also braucht es auch kein Gesetz. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kultusminister, Staatsminister Prof. Lorz. Bitte.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will zunächst wiederholen, was ich schon zu Beginn der Debatte in der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs gesagt habe und was für mich die wichtigste Feststellung in der Kommunikation dieser Debatte nach außen ist, nämlich worüber hier in der Sache Einigkeit besteht.

Eine Vollverschleierung mit Gesichtsverhüllung im Unterricht, egal von wem, ist mit unserem Verständnis einer offenen, auf Diskurs angelegten Schule, die unsere Kinder und Jugendlichen auf ihre Rolle als Bürgerinnen und Bürger eines freien und demokratischen Gemeinwesens vorbereiten soll, nicht vereinbar, schlicht nicht vereinbar. Daher dulden wir so etwas nicht – Punkt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn es doch irgendwo, an irgendeiner unserer Schulen vorkommen sollte, d. h. falls jemand den Versuch dazu unternehmen sollte, dann bekommen unsere Schulleiterinnen und Schulleiter volle Rückendeckung für alles, was sie unternehmen müssen, um das zu unterbinden. Das stelle ich hier jetzt einfach in den Raum, und daran werde ich auch in Zukunft jederzeit festhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir das geklärt haben, dann lassen Sie mich noch eine andere Feststellung treffen, auch wenn ich damit andere Debattenbeiträge wiederhole: Auch Dinge, die man für klar und richtig hält, müssen deswegen nicht alle in einem Gesetz festgehalten werden, vor allem dann nicht, wenn man – wie hier – eine Gesetzesänderung diskutiert, die isoliert und herausgehoben nur diesen einen Zweck verfolgt. Ich muss den Satz von Montesquieu jetzt nicht auch noch wiederholen,

(Heiterkeit des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LIN- KE))

aber ich finde schon: Wenn dieses Haus allein schon im Plenum eindreiviertel Stunden mit einer einzigen punktuellen Gesetzesänderung beschäftigt wird, dann müsste diese wirklich wichtig und notwendig sein, und das ist diese hier nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD)

Es hätte im Rahmen der letzten Schulgesetznovelle die Möglichkeit bestanden – das ist noch gar nicht so lange her –, eine entsprechende Anregung einzubringen. Das gilt übrigens nicht nur für die FDP-Fraktion in diesem Hause, sondern das schreibe ich auch den Lehrerverbänden ins Stammbuch, die in der Anhörung Sympathie für diesen Vorschlag geäußert haben. Nur fürs Protokoll: Der Landeselternbeirat und die Landesschülervertretung waren dagegen.

Wir haben bei der Schulgesetznovelle sogar eine Änderung zu Bekleidungsvorschriften diskutiert, nämlich die Kopftuchfrage für Lehrerinnen in Befolgung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Da hätte man diese Diskussion problemlos anhängen können. Aber damals hat offensichtlich niemand einen Bedarf dafür gesehen.