Zweitens. In dem Gutachten wird ein Punkt erwähnt, den wir hier mehrfach vorgetragen haben, nämlich dass beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Einwohner eine schwierige Entwicklung festzustellen ist. Unter Rot-Grün war Hessen, was das Wachstum beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Einwohner betrifft, immer unter den ersten drei Bundesländern. In den letzten Jahren liegt Hessen bestenfalls im Bundesdurchschnitt. Auch das könnte man als einen Hinweis darauf verstehen, dass man Hausaufgaben zu erledigen hat.
Bei dem dritten Punkt geht es – ich kann es Ihnen nicht ersparen – um das Thema Investitionen. Dass die Investitionsquote nach unten gegangen ist, kann man an Statistiken ablesen, die nicht von uns gemacht werden, sondern unter anderem vom Statistischen Landesamt. Auch das ist ein Hinweis darauf, dass man die Hausaufgaben vielleicht nicht hinreichend gemacht hat. Auf nicht mehr und nicht weniger habe ich hingewiesen.
Damit es einmal ausgesprochen ist: Ja, auch ich fühle mich, wie 98 % aller Hessinnen und Hessen, in Hessen total wohl.
Herr Kollege Schäfer-Gümbel, es wäre schlimm, wenn Sie sich wohlfühlen würden, nur weil es diese Landesregierung gibt. Aber die erste Bemerkung nehme ich für bare Münze. Ich freue mich, dass Sie sich wohlfühlen.
Da Sie es angesprochen haben, will ich auf zwei Punkte dieses Gutachtens eingehen. Erstens sage ich Ihnen sehr deutlich: Ja, Investitionen sind ein Thema; das ist gar keine Frage. Das Kommunalinvestitionsprogramm und vieles andere will ich jetzt gar nicht im Detail erörtern; dafür reichen zwei Minuten Redezeit nicht. Aber ich glaube, dass wir dort ordentlich aufgestellt sind. Nichts ist jedoch so gut, dass man es nicht noch besser machen könnte.
Zweitens. Investitionen haben – wenn ich das richtig sehe – etwas mit Geld zu tun. Da eben Zwischenrufe dazu kamen, will ich die Zahlen noch einmal nennen. Herr Rudolph hat nämlich schon wieder dazwischengerufen, wir hätten die Schulden des Landes verdoppelt.
(Nancy Faeser (SPD): Das stimmt doch! – Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD) – Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)
Sie wissen doch, dass Sie es eigentlich nicht schaffen, mich aufzuhalten, auch nicht durch Zwischenrufe. Aber ich lasse ihn gewähren.
Fürs Publikum – Sie wissen das alles, deswegen sage ich es für das Publikum –: Das Land Hessen hatte in den Neunzigerjahren, nämlich in den acht Jahren unter rot-grüner-Verantwortung – ich muss euch da noch einmal mit ins Boot nehmen; es tut mir schrecklich leid –, eine Neuverschuldung von 8,5 Milliarden € zu verzeichnen.
In den nahezu 20 Jahren von 1999 bis 2018 hatte das Land Hessen eine Neuverschuldung von 20 Milliarden € zu verzeichnen. Das ist im Verhältnis ungefähr genauso viel – ein bisschen mehr. Wir hatten übrigens eine Weltwirtschaftskrise zwischendurch. Manche werden sich daran erinnern.
Herr Schäfer-Gümbel, ich wäre dankbar, wenn Sie sich diese Zahl wirklich noch einmal bewusst machten: In den Neunzigerjahren hat das Land Hessen 9,7 Milliarden € – also 1,5 Milliarden € mehr, als es neue Schulden aufgenommen hat – in den Länderfinanzausgleich gesteckt. Das war in Ihrer Zeit. Seitdem wir das Land regieren, hat das Land Hessen sage und schreibe fast 44 Milliarden € – das sind 23 Milliarden € mehr, als wir neue Schulden gemacht haben – in den Länderfinanzausgleich gesteckt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, da sagen Sie – oder das Gutachten, das diesen Umstand völlig außer Acht lässt –, wir seien zurückgefallen. Wir finanzieren die Nachbarn mit und demnächst wahrscheinlich auch noch Bayern und Baden-Württemberg. – Vielen Dank.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Kollege Boddenberg, es ist erstaunlich, dass Sie Ihre Rede damit begonnen haben – den größten Teil Ihrer Redezeit haben Sie darauf verwendet –, der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände zu sagen, dass sie eigentlich komplett überzogene Forderungen stelle, dass ihre Vorstellungen nicht realistisch seien und dass sie ein Gutachten kurz vor der Landtagswahl bestellt habe, um Sie ein bisschen zu ärgern.
Herr Boddenberg, bis dato habe ich die CDU-Fraktion eigentlich immer verstanden. Sie haben das weiter ausgeführt und gesagt, aus Ihrer Sicht sei die Konsequenz daraus, dass das ein bestelltes Gutachten ist, festzustellen: Alles ist gut. Es möge alles so bleiben, dann wird es schon seinen richtigen Weg gehen. – Herr Boddenberg, ich glaube, Sie haben dieses Gutachten nicht verstanden oder nicht gelesen. Sie ziehen nicht die richtigen Schlüsse daraus.
Es ist schade, dass eines der Kabinettsmitglieder, nämlich Innenminister Peter Beuth, heute nicht anwesend ist. Ich möchte ihn nämlich zitieren. Innenminister Peter Beuth hat am 10. Juni 2013 gesagt:
Ein grüner Wirtschaftsminister wäre der Totengräber jeglicher wirtschaftlichen Entwicklung in Hessen: Er kostet Arbeitsplätze und bringt die Verkehrsdrehscheibe Hessen zum Stillstand.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU: Oh! – Michael Boddenberg (CDU): Er ist ja auch sofort als Generalsekretär abgelöst worden! – Heiterkeit bei der CDU)
Das hat die CDU erklärt, kurz bevor sie den GRÜNEN das Wirtschaftsministerium überlassen hat. Die GRÜNEN wiederum warfen der CDU und Ministerpräsident Volker Bouffier vor allen Dingen vor, verbraucht und ideenlos zu sein.
Das Gutachten des IW Köln bietet die Chance zu einer objektiven Bewertung der Arbeit der Landesregierung. Heute sehen wir: Beide hatten recht.
Das Gutachten kommt zu einer klaren Einschätzung. Das ist etwas, was wir als Opposition bis dato immer versucht haben, Ihnen zu sagen. Aber jetzt haben Sie es von einem neutralen Gutachter schwarz auf weiß: Hessen ist zurückgefallen; Hessen hat deutlich an Dynamik verloren. Dabei ist das die klassische Aufgabe.
Wachstumspolitik und Verkehrsinfrastrukturpolitik finden nicht mehr statt, weil sie eben nicht in die grünen Konzepte passen. Bei den Innovationen und der Digitalisierung fällt Hessen zurück, weil sich die Ideenlosigkeit der CDU durchsetzt. Der Herr Ministerpräsident ist stolz darauf,
dass er keinen Computer im Arbeitszimmer stehen hat. Diese Mentalität und diese Skepsis gegenüber der digitalen Transformation, die Sie nicht als Chance, sondern als Risiko wahrnehmen, prägen das Handeln dieser Landesregierung.
Die IW-Gutachter stellen fest, dass Hessen in den letzten Jahren beim Wirtschaftswachstum hinter den anderen Ländern zurückgeblieben ist. Die Wissenschaftler stellen außerdem fest, dass in Hessen die Steuerquote, also die Belastung der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmer durch Steuern, im Vergleich zu den anderen Flächenländern überproportional angestiegen ist und darüber hinaus seit 2015 einen massiven Sprung gemacht hat.
Wir haben bundesweit den zweithöchsten Anstieg der Grundsteuer B. Es ist zynisch, dass die Landesregierung angesichts dieser Entwicklungen die Wohnungsnot und die steigenden Mieten beklagt, obwohl sie durch Steueranhebungen selbst erheblich dazu beigetragen hat, dass die Baukosten steigen. Deshalb wollen und müssen wir eine Trendwende erreichen; und dazu gehört die Senkung der Grunderwerbsteuer, um Eigentum zu fördern und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Meine Damen und Herren, die Gutachter stellen auch ganz klar fest: Es wäre in Hessen richtig und notwendig, die Abschaffung der Mietpreisbegrenzungsverordnung anzugehen.
Wer beispielsweise eigentlich schon immer den Zusammenhang „Steuern hoch – Spielraum für Investitionen“ als gegeben erachtet hat, war das IW. Der IW-Gutachter rechnet der Landesregierung auf Seite 11 vor, dass die Investitionsausgaben trotz Rekordsteuereinnahmen von Land und Kommunen pro Kopf spürbar zurückgegangen seien.
Eines möchte ich auch noch kurz sagen: Anstatt wirklich Investitionen zu tätigen, haben Sie in letzter Zeit immer wieder konsumtive Ausgaben provoziert. Sie haben beispielsweise Programme für Ökobauern aufgelegt, eine Energieagentur geschaffen sowie den kostenlosen ÖPNV – das ist sozusagen Freibier für alle – eingeführt. Na ja, er ist nicht wirklich kostenlos; es zahlt halt nur jemand anders. Dass man das auch sagt, gehört zur Ehrlichkeit dazu.
(Michael Boddenberg (CDU): Wollen Sie das Schülerticket wieder abschaffen? Wollen Sie das Jobticket wieder abschaffen?)
Herr Kollege Boddenberg, Peter Beuth hatte recht: Die GRÜNEN haben einen grundlegenden Kurswechsel erreicht; Wirtschaftswachstum und Investitionen haben in Hessen nur noch eine untergeordnete Bedeutung. Herr Boddenberg, das Ding ist nur: Von den GRÜNEN haben wir das alles erwartet, aber die CDU hat sich dieser verfehlten Wirtschaftspolitik nur allzu bereitwillig angeschlossen. Sie haben den GRÜNEN das Wirtschaftsressort überlassen, obwohl Sie wussten, dass das falsch ist.
Es ist jetzt schon vieles gesagt worden; und das Gutachten geht darauf auch an einer Stelle ein. Nach meinem Dafürhalten – ich möchte das betonen – ist der Fachkräftebedarf das zentrale wirtschaftspolitische Thema der nächsten Jahre. Die fehlenden Fachkräfte werden in den nächsten Jahren die größte Bremse für die hessischen bzw. deutschen Unternehmen sein. Herr Boddenberg, von Ihnen fehlen hierzu aber jegliche Antworten. Unter unserer gemeinsamen Landesregierung hatten wir hierzu noch eine Initiative, beispielsweise Spanien. Darüber haben wir uns lange unterhalten. Es ist auch die Aufgabe des hessischen Wirtschaftsministeriums, für die berufliche Ausbildung zu sorgen. Aber zu dieser sehr zentralen Frage fehlen Ihrerseits jegliche Initiativen.