Protokoll der Sitzung vom 22.08.2018

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Ja, aber nur die Ressourcen!)

Die wahren Gründe liegen doch woanders, warum es bei den gebundenen Ganztagsschulen nicht so schnell geht, wie auch wir GRÜNE uns das wünschen würden. Das liegt ganz stark an der baulichen Situation der Schulen und an der pädagogischen Konzeption. Daher reden wir doch besser darüber, wie wir die Schulen in Bezug auf ihre pädagogische Konzeption unterstützen können.

Herr Kollege Wagner, tut mir leid, ich musste Sie einmal kurz unterbrechen. Herr Kollege Degen wollte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Wie sieht es aus?

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nach diesem Gedanken gern!)

Nach dem Gedanken gern. – Also merke es dir.

Reden wir daher doch über das, was unseren Schulen wirklich weiterhelfen würde, und nicht über alte, abgestandene und ritualisierte Debatten, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben. – Jetzt antworte ich gern auf die Zwischenfrage vom Kollegen Degen.

Vielen Dank, Herr Kollege Wagner, für diese Möglichkeit. – Ist Ihnen bekannt, dass die Schulträger nur im Rahmen des ihnen von der Landesregierung zugestandenen Ressourcenkontingents Stellen für den Ganztag beantragen?

Herr Kollege Wagner.

Herr Kollege Degen, das ist mir selbstverständlich bekannt. Das ist bei jeder Landesregierung so, egal, wie man sie sich vorstellen oder wünschen mag. Es wird immer ein Kontingent von Stellen geben, das die Landesregierung zur Verfügung stellt und die Schulträger anschließend nutzen. Die Frage ist nur: Wie groß ist dieses Kontingent? Deshalb sind wir wahnsinnig stolz darauf, dass wir das Kontingent in dieser Legislaturperiode verdoppelt und 1.500 neue Stellen geschaffen haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wenn wir also nicht in den Kategorien von schwarz und weiß diskutieren, dann können wir vielleicht einmal darüber reden, dass neben dem Bildungsauftrag auch der Erziehungsauftrag von Schule immer wichtiger wird. Unsere Schulen stehen vor der Herausforderung, den Schülerinnen und Schülern teilweise elementare Sozialkompetenzen zu vermitteln. Es lohnt sich, eine gesellschaftliche Debatte darüber zu führen, warum Schülerinnen und Schüler diese Kompetenzen teilweise nicht mitbringen. Es ist aber so, dass wir unsere Schulen darin unterstützen müssen, auch dieser Herausforderung gerecht zu werden.

Daher ist es der richtige Ansatz, dass wir die Lehrerinnen und Lehrer bei dieser Aufgabe durch andere Professionen unterstützen und sie nicht alleinlassen. Deshalb ist es auch ein Meilenstein, dass es in Hessen, in Verantwortung des Landes, erstmals gelungen ist, nunmehr 700 Stellen für Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen zu schaffen, die die Lehrerinnen und Lehrer in ihrer Aufgabe unterstützen, damit die Schulen sowohl ihrem Bildungs- als auch ihrem Erziehungsauftrag besser gerecht werden können. Das ist doch die richtige Richtung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, daher ist es doch richtig, dass wir heute 900 Stellen mehr im Bereich Inklusion haben als noch vor fünf Jahren. Das heißt nicht, dass wir damit alle Probleme gelöst hätten. – Nein, wir müssen auf dem eingeschlagenen Weg weitergehen, nicht an allen Schulen ein bisschen zu machen und es damit nirgendwo richtig zu machen, sondern wir müssen den Ansatz weiterhin konsequent verfolgen, dass die Schulen, die inklusiv arbeiten, auch die dafür notwendige Ausstattung erhalten. Ich bin noch nicht damit zufrieden, was wir bislang erreicht haben; aber die Richtung stimmt, und auf diesem Weg können wir weitergehen.

Wenn wir aufhören, Schwarz-Weiß-Debatten und ritualisierte Debatten zu führen, dann kann man den Blick vielleicht einmal auf die nächsten fünf Jahre richten und fra

gen, wie es mit unseren Schulen weitergehen soll; denn wir sind eben noch lange nicht am Ziel. Dann können wir auch darüber reden, dass wir an den Orten mit den größten Herausforderungen die besten Schulen brauchen. Nein, die Bedingungen, unter denen unsere Schulen arbeiten, sind nicht überall gleich. Deshalb müssen wir die Schulen besonders unterstützen, die mit einer heterogenen Schülerschaft, mit sehr vielfältigen Schülerinnen und Schülern arbeiten.

Deshalb ist es unsere Zielsetzung, dass diese Schulen multiprofessionelle Teams haben, wo Lehrerinnen und Lehrer, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Förderschullehrkräfte und gegebenenfalls weitere Professionen gemeinsam an der individuellen Förderung aller Schülerinnen und Schüler arbeiten und damit wirklich alle die Chance haben, ihre Talente zu entfalten. Vielleicht können wir darüber einmal reden, statt hier diese alten abgestandenen Debatten zu führen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir können darüber reden, wie es mit der Entwicklung der Ganztagsschulen weitergeht. Ich bin sehr überrascht, dass in der landespolitischen Debatte von einigen Kräften überhaupt nicht wahrgenommen wird, was die Große Koalition im Bund beschlossen hat: Hessen wird in der nächsten Legislaturperiode des Hessischen Landtags den Rechtsanspruch auf Betreuung für Grundschulkinder zu erfüllen haben. – Wir GRÜNE finden das ausdrücklich richtig. Das haben wir sehr lange gefordert. Das ist eine richtige Maßnahme der Bundesregierung – wenn sie dann hoffentlich auch bald beschlossen ist und kommt.

Das wird doch die Art, wie wir über die Entwicklung der Ganztagsschule reden, entscheidend prägen. Das wird doch die Aufgabe sein, die diesen Hessischen Landtag beschäftigen wird. Unser Ehrgeiz ist, dass Hessen eines der ersten Länder in der Bundesrepublik ist, das diesen Rechtsanspruch erfüllen kann. Das sind doch spannende Debatten und spannende Ziele für unsere Schulen, und nicht der abgestandene Kaffee, der hier jedes Jahr wieder neu erzählt wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ja, wenn wir über multiprofessionelle Teams an unseren Schulen reden, dann reden wir auch über Verwaltungskräfte für die Schulen. Wir können noch über Jahre und Jahrzehnte so weitermachen, dass der eine auf den anderen zeigt: Das Land sagt, für die Sekretariate sind die Schulträger zuständig. – Die Schulträger sagen: Na ja, sie müssen auch viele Verwaltungsaufgaben des Landes erledigen, dafür sind sie nicht zuständig. – Am Ende müssen dann Lehrerinnen und Lehrer auch diese Aufgabe noch erledigen, für die sie nicht ausgebildet sind und auf die sie verständlicherweise keine Lust haben.

Nein, multiprofessionelles Team heißt, so wie wir in den nächsten Jahren Sozialpädagogen vom Land finanzieren, werden wir auch Verwaltungskräfte an den Schulen finanzieren. Das hilft unseren Schulen bei den Problemen weiter, und nicht die immer gleichen Debatten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir sollten weiter und stärker darüber reden, unseren Schulen mehr pädagogische Freiheiten zu geben. Unsere Lehrerinnen und Lehrer sind hervorragend ausgebildet.

Wir haben Standards zu erfüllen, was Schülerinnen und Schüler können sollen, können müssen. Deshalb können wir unseren Lehrerinnen und Lehrern in einem viel größeren Maß vertrauen und ihnen hinsichtlich der pädagogischen Konzepte viel mehr Freiheit geben. Wir werden sie dabei natürlich gut unterstützen.

Denn mehr von dem Bisherigen wird die Herausforderungen an unseren Schulen nicht lösen. Wir müssen ihnen die Freiheit geben, tatsächlich individuell auf alle Schülerinnen und Schüler eingehen zu können. Dafür lohnt es sich, weiter bildungspolitisch zu arbeiten. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Kollege Wagner. – Das Wort hat der Abg. Wolfgang Greilich, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Schwarz, Schönreden macht auch durch penetrantes Wiederholen nichts besser.

(Beifall bei der FDP und der LINKEN sowie bei Ab- geordneten der SPD)

Ich hatte zunächst die Hoffnung, als Kollege Wagner ansetzte und etwas formulierte, was nach Problembewusstsein klang, aber die Rede hat es dann nicht gehalten. Auch Sie sind wieder der Versuchung erlegen, so zu handeln, wie das schon die ganze Zeit läuft. Der Kultusminister und die schwarz-grüne Koalition versuchen es immer wieder mit dem zentralen pädagogischen Grundsatz: Lernen durch Wiederholung. Dabei darf man aber nicht vergessen, durch penetrantes Wiederholen hilft Schönreden nicht weiter. Genauso wenig führt stures Auswendiglernen und Rezitieren nicht zum Lernerfolg, sondern erzeugt auf Dauer nur Frust. So sorgt auch das leierkastenartige Herunterbeten statistischer Daten nicht dafür, dass ausreichend Lehrerinnen und Lehrer an unseren Schulen unterrichten, und auch nicht dafür, dass kein Unterricht ausfällt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was Sie uns zeigen, ist die Institution gewordene Realitätsverweigerung. Da wir von der Opposition das angeblich immer so einseitig darstellen, will ich einmal Beobachter von draußen zitieren. Ich nehme den Wochenkommentar von Burkhard Bräuning aus der „Gießener Allgemeinen“ in der Woche des Schuljahresanfangs:

Am Montagmorgen wird Minister Lorz im Radio zitiert: „Unsere Schulen starten so gut versorgt wie nie zuvor in das neue Schuljahr“.

Das haben wir auch heute wieder gehört.

(Zuruf von der CDU: Das stimmt auch!)

Dann geht es weiter:

Am Montagabend erzählt ein Vater in kleiner Runde vom Start seines Sohnes ins neue Schuljahr. Der Junge hatte sechs Stunden Unterricht, alle bei Vertretungslehrern. Das ist sicher eine Ausnahme, aber dass der Lehrermangel ein Thema ist, darüber sind sich vielerorts Lehrer und Eltern einig, aber die Poli

tiker feiern sich. Minister Lorz lobte beispielsweise pauschal die gute Ausstattung der hessischen Schulen. Man muss ihm zugutehalten,

schreibt Herr Bräuning –

dass er bislang nur wenige hessische Schulen besichtigt hat, sonst müsste er sich eigentlich schämen für diesen Satz.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, das gilt aber nicht nur für den Minister, es gilt insgesamt für das, was Sie hier vorführen. In Punkt 1 Ihres Antrags steht, Kollege Schwarz hatte auch darauf hingewiesen:

Der Bildungsfinanzbericht 2017 des Statistischen Bundesamtes konstatiert für Hessen Pro-Kopf-Ausgaben für Bildung in Höhe von 1.495 €.

Das ist richtig, aber Zahlen sollte man nie aus dem Zusammenhang reißen. Im „Bildungsmonitor 2018“ steht auf Seite 154, in der Ausgabenpriorisierung nehme das Land Hessen den 14. Platz ein. Weiter heißt es:

Hessen weist Bildung im öffentlichen Ausgabenverhalten die drittniedrigste Priorität aller Bundesländer zu. Die Relation der Bildungsausgaben pro Teilnehmer zu den Gesamtausgaben der öffentlichen Haushalte pro Einwohner fällt bei den Grundschulen, den allgemeinbildenden Schulen und den Hochschulen unterdurchschnittlich aus.

(Zuruf des Abg. Armin Schwarz (CDU))

Herr Kollege Schwarz, was wir festhalten müssen, das knüpft an die Debatte zum letzten Tagesordnungspunkt an: Hessen ist längst nicht mehr vorne. Sie haben unsere Schulen an das Ende der Skala gebracht. Sie lassen Schüler, Eltern und Lehrer im Regen stehen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Es bleibt dabei: Gesundbeten hilft dabei keinen Millimeter weiter. Der Kultusminister muss sein Motto „Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen“ aufgeben und sich endlich den Realitäten stellen.

(Zuruf des Abg. Armin Schwarz (CDU))