Protokoll der Sitzung vom 23.08.2018

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich mich dafür entschuldigen, dass ich zu spät kam. Sie wissen, dass ich ein stetiger Bewohner der Regierungsbank bin. Ich war von 8:50 Uhr bis etwa 13 Uhr ununterbrochen hier. Mir hat man allerdings gesagt, dass es um 14:30 Uhr weitergeht. Das ist bei mir falsch angekommen. Hierfür bitte ich um Entschuldigung.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Sei dir verziehen!)

Nun zum Antrag der FDP, Herr Lenders. Natürlich hat es auch mich verwundert, dass die FDP auf den ersten Blick staatliche Interventionen fordert. Im Prinzip fordert sie eine staatliche Ordnung für Anreize für Innovationen.

Ich will es einmal so sagen: Ich habe meine Aufgabe in den vergangenen Jahren in erster Linie so verstanden, dass wir Unternehmen auf dem Weg hin zu Innovationen durch eine vernunftbasierte Gestaltung von politischen Rahmenbedingungen unterstützen sowie durch Förderungen Risiken minimieren. Deswegen will ich an dieser Stelle sagen, dass ich glaube, dass die Landesregierung in den vergangenen Jahren einiges dazu beigetragen hat, dass Hessen innovativer wird und sich ständig ändernden Rahmenbedingungen gerecht werden kann.

Wir haben die Strategie Digitales Hessen erarbeitet, vorgestellt und sind nun dabei, sie umzusetzen. Im Juni habe ich die Gigabitstrategie vorgestellt. Denken Sie einmal an die Hessenstrategie „Mobilität 2035“. Darin enthalten ist auch viel Digitales, weil Mobilität ohne digitale Anwendungen in den nächsten Jahren so nicht mehr funktionieren wird. Seit Montag dieser Woche können Sie sich auf der Homepage des Wirtschaftsministeriums den Fortschrittsbericht

zur Strategie Digitales Hessen genauer ansehen. Dort können Sie auch sehen, dass wir im Jahr 2017 die bisherigen zersplitterten Förderlinien, die es gab – Hessen-Biotech, Hessen-IT, Hessen-Nanotech und andere –, zusammengeführt haben zum Technologieland Hessen. Es werden Ansprechpartner genannt, sodass man sich konkret informieren kann.

Im Dezember 2017 haben wir den ersten Hessischen Innovationskongress durchgeführt. Wer weiß, wie lange es dauert, bis sich solche Formate etablieren: Es gab schon 16 Mobilitätskongresse und erst einen Hessischen Innovationskongress. Siehe da, gleich am Anfang waren schon 650 Teilnehmer dabei.

Das zeigt, dass es einen Bedarf gibt, über Innovationen zu reden, dass wir aber auch viel dafür getan haben, dass dieser Bedarf gedeckt wird. Ich bin mir sicher, dass der zweite Hessische Innovationskongress, der im November dieses Jahres unter dem Motto „Alles bleibt neu“ stattfinden wird, wieder sehr viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben wird.

Ich bin bei Ihnen, wenn Sie eine „Agentur für radikale Innovationen“ fordern. Ich habe nichts gegen Radikalität im Sinne von „Sachen bei Veränderungen neu denken“.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ich auch nicht!)

Ich verstehe „Radikalität“ ein bisschen anders als die Linkspartei. – Ich glaube allerdings, dass Sie von der FDP sich an dieser Stelle das falsche Vorbild gesucht haben. Die angesprochene DARPA in den USA ist an das dortige Verteidigungsministerium angegliedert. Sie gibt pro Jahr über 3 Milliarden Dollar für Sachen aus, von denen ich Ihnen sagen muss, das ist nicht wirklich das, was ich mir unter radikaler Innovation vorstelle. Die DARPA hat z. B. ein Programm gefördert, bei dem man mit biotechnologischen Mitteln, Implantaten, Manipulationen des Stoffwechsels und Ähnlichem erreichen will, dass Soldaten bis zu sieben Tage lang wach bleiben können, ohne dabei den Verstand zu verlieren. Das ist zwar ein Beispiel für eine Innovation, aber keines, an dem wir uns orientieren sollten.

(Beifall der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Wie gesagt: Die DARPA gibt über 3 Milliarden Dollar aus. Ich bin zwar immer dankbar, wenn mir der Haushaltsgesetzgeber zusätzlich Geld gibt, aber das ist dann doch ein wenig zu viel.

Ich darf die Kollegen der FDP-Fraktion daran erinnern, dass Sie in der letzten Legislaturperiode, als Sie im Wirtschaftsministerium die politische Verantwortung trugen, die HTAI aus der Hessen Agentur ausgegründet haben, als Hessen Trade & Invest GmbH, als Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft mit dem Hauptzweck Innovations- und Außenwirtschaftsförderung. Wir haben diese Agentur also schon und brauchen keine zweite.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Bei den digitalen Freiheitszonen, deren Einrichtung Sie fordern, habe ich mich ein bisschen an die Sonderwirtschaftszone Shenzhen und andere erinnert gefühlt. Ich glaube, dass wir ein gemeinsames Interesse daran haben müssten, Innovation insgesamt, auch in der Breite, zu fördern. Das bedeutet, dass man, wenn man in bestimmten Bereichen die Dinge zu kompliziert gemacht hat, es insgesamt unkomplizierter machen sollte, also keinesfalls Son

derwirtschaftszonen oder Ähnliches gründen sollte, auch wenn man sie dann „digitale Freiheitszonen“ nennt.

Völlig richtig ist aber: Wir müssen Start-ups, Gründungen und Gründer durch Förderangebote besser und sinnvoll unterstützen. Das tun wir – es ist schon erwähnt worden – von Mikrodarlehen bis zum Innovationskredit von 3.000 € bis zu 7,5 Millionen €. All das hat die WIBank im Portfolio, und zwar ohne irgendwelche Lücken. Da sind wir schon sehr gut aufgestellt.

Wir beschäftigen uns auch mit der Frage, wie wir für technologiegetriebene Start-ups zusätzliche Mittel für die Phase danach organisieren. Ich erinnere an die diversen Kapitalfonds, die es gibt, aber auch an den Futury Venture Fonds, bei denen wir gesagt haben: Das ist einer der Punkte, wo es eine Lücke gibt. – Aber wir haben schon viel dafür getan, dass diese Lücke kleiner wird.

Ich bin sehr dankbar, dass der Kollege Möller das Programm LOEWE angesprochen hat. Es ist nämlich ein Teil der Innovationsförderung, dass man den Hochschulen, teilweise in Verbindung mit einer praktischen Anwendung, Geld gibt, um an dieser Stelle ihre Kapazitäten zu nutzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wenn Sie sich die LOEWE Förderlinie 3 anschauen: Damit werden innovative Produkte und Verfahren made in Hessen anteilig gefördert.

Wir sind bei der digitalen Infrastruktur sehr gut aufgestellt. Wir gehören zu den Top-3-Flächenländern, was die 50MBit/s-Versorgung angeht. Die Gigabitstrategie habe ich schon angesprochen. Die Gigabitstrategie besagt, dass wir bis 2025 überall in Hessen Glasfasernetze haben wollen. Selbstverständlich haben dabei Schulen, Krankenhäuser, aber auch Gewerbegebiete Priorität; denn es ist klar, dass man an diesen Stellen mit 50 MBit/s schon lange nicht mehr auskommen. Was für das private Netflix-Abo reicht, ist für große Anwendungen nicht mehr ausreichend. Dementsprechend sind wir dabei, das umzusetzen.

Auch bei den frei zugänglichen öffentlichen WLAN-Infrastrukturen sind wir schon vorangekommen, beispielsweise mit unserem Projekt „Digitale Dorflinde“. Insofern bin ich an dieser Stelle über Ihre Ausführungen etwas verwundert. Wir müssen wohl die Öffentlichkeitsarbeit ein bisschen verstärken, damit das auch bei der FDP-Landtagsfraktion ankommt.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Herr Al-Wazir, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Rock zu?

Nein. Ich will in der Zeit bleiben.

Ich will noch zwei Punkte ansprechen, zum einen die Mobilfunkinfrastruktur. Wir haben am Montag im Kabinett beschlossen, dass wir auch hierzu ein Förderprogramm auflegen. Wir befinden uns gerade in Verhandlungen mit den Netzbetreibern, um zu erreichen, dass die Mobilfun

kinfrastruktur besser wird. Sie ist vergleichsweise gut, aber es gibt eben noch die berühmten weißen Flecken. Wir wollen dafür sorgen, dass diese weißen Flecken in Hessen der Vergangenheit angehören, damit man nicht nur überall telefonieren kann, sondern auch völlig klar ist: Die 5G-Technologie wird ein wesentlicher Teil unserer Dateninfrastruktur sein. Wir haben an der Stelle zwar schon viel gemacht, aber wir wollen die letzten weißen Löcher schließen und dort investieren, wo es für die Mobilfunkbetreiber unrentabel ist. Man muss zwar immer aufpassen, dass man keine Mitnahmeeffekte produziert, aber ich glaube, das ist im Kern etwas, bei dem das ganze Haus die Landesregierung unterstützt.

Ich komme zum letzten Punkt, den ich ansprechen möchte, Stichwort: Tech Quartier und Internet. Das Fintech-Zentrum Tech Quartier war sehr erfolgreich. Das war übrigens eine radikale Innovation, von der ersten Idee bis zur Eröffnung innerhalb nur eines Jahres. Wenn man weiß, wie lange so etwas normalerweise dauert, dann weiß man auch: Das ist geradezu in Lichtgeschwindigkeit vonstattengegangen. Dass das dringend nötig war, sieht man daran, dass es vom ersten Tag an wirklich gelaufen ist, dass die erste Etage schnell belegt war, dass wir inzwischen schon eine zweite Etage aufgemacht haben, dass an anderen Orten in der Stadt Satellitenstandorte gegründet werden. Das heißt, wir haben ein technikbasiertes Innovationszentrum in Frankfurt geschaffen, das auf die ganze Region ausstrahlen wird. Was mir ganz wichtig ist: Die Technische Universität in Darmstadt und die Goethe-Universität in Frankfurt waren von Anfang an dabei; denn die Frage von Cyber Security, der Datensicherheit, ist an der Stelle das A und O.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir arbeiten derzeit an einer Strategie für künstliche Intelligenz und an der Etablierung eines KI-Zentrums für den Finanzplatz Frankfurt. Auch das wird in den nächsten Jahren ein sehr wichtiges Thema werden. Wir wollen, dass Hessen und die Region Frankfurt/Rhein-Main ganz vorne mit dabei sind. Frankfurt ist der richtige Ort dafür, weil dort mit dem DE-CIX der weltgrößte Internetknoten beheimatet ist. Ich glaube, dass man auch daran sehen kann, dass wir in Hessen sehr weit vorne sind.

Wir haben zwar viel gemacht, aber es gibt immer noch viel zu tun. Es ist das Wesen der Innovation, dass man nie fertig ist. Ich glaube aber, dass sich Hessen diesbezüglich nicht verstecken muss.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Danke, Herr Minister.

Bevor wir in der Debatte fortfahren, begrüße ich auf der Besuchertribüne den litauischen Minister für Energiewirtschaft, S. E. Herrn Zygimantas Vaiciunas, und seine Delegation sowie den litauischen Botschafter, S. E. Herrn Darius Semaska. Seien Sie uns herzlich willkommen.

(Allgemeiner Beifall)

Die nächste Rede hören wir von Herrn Lenders, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatsminister, dass Sie zu spät gekommen sind, sei Ihnen nachgesehen. Ich hatte Ihnen aber über den Kollegen Staatssekretär Dr. Dippel extra meine Rede zukommen lassen, damit Sie wissen, worauf Sie antworten sollen. Ich habe auch gesehen, dass Sie die Rede überflogen haben. Deshalb möchte ich jetzt zwar nicht alle Punkte aufgreifen, aber etwas zum Thema Hessen Agentur sagen.

Ich hatte es in meiner Rede gesagt: Wir können es uns durchaus vorstellen, die Agentur dort anzusiedeln. Natürlich haben wir das Dreisäulenmodell in unserer Verantwortung gemacht, um gerade die nicht monetäre Wirtschaftsförderung besser aufzustellen. Es ergibt Sinn, gerade dort weiterzudenken und nicht stehen zu bleiben. Das schließt sich an das an, was Kollege Eckert gesagt hat: die nicht monetäre und die monetäre Wirtschaftsförderung immer wieder auf den Prüfstand zu stellen und zu fragen, ob das, was wir machen, noch zielgerichtet ist.

Es war eine sehr gute Debatte; das wollten wir auch erreichen. Vor allem Kollege Wagner sagt immer, die Opposition solle sagen, was sie will. Jetzt haben wir das sehr ausführlich gemacht. Das hat auch zu einer Debatte geführt, aber mit dem Erfolg, dass Kollege Möller und Kollegin Kinkel am Ende nur aufgezählt haben, was die Landesregierung aufgeschrieben hat, und zusammengetragen haben, was man zum Status quo sagen kann. Das ist deutlich zu wenig, wenn man dieses Land nach vorne bringen will.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD – Klaus Peter Möller (CDU): Da müssen Sie besser recherchieren!)

Herr Möller, Sie haben am Ende nur heruntergebetet, was Sie schon haben, und gesagt: Das alles, was die FDP will, gibt es eigentlich schon.

(Klaus Peter Möller (CDU): Genau! – Zuruf des Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Genau. Wenn Sie sich Ihre Reden einmal selbst anhören, sollten sie den Widerspruch darin entdecken.

Herr Möller, dass es nicht so bleiben kann, wie es ist, oder dass zumindest all das, was sie aufgezählt haben, nicht erfolgreich ist, hat Ihnen die VhU mit dem IW-Gutachten bescheinigt. Das ist doch das Kernproblem: dass deutlich wird, dass dieses Land in der Wirtschaftsdynamik stetig zurückfällt, was die Zukunftstechnologien und die Herausforderungen anbelangt. Wie wollen Sie z. B. für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Transformation gestalten? Bei alldem sagen Sie: „Es ist alles gut, wie es ist“, und Sie ignorieren hartnäckig, dass Hessen im Ranking permanent zurückfällt.

(Beifall bei der FDP)

Wir sind nur noch im Mittelfeld, haben nur noch Mittelmaß. Mit dieser Mittelmäßigkeit geben Sie sich absolut zufrieden. Das zeigen auch Ihre Reden. Sie glauben, die Welt wird schon in Ordnung sein, wenn alles so bleibt, wie es ist. Das ist deutlich zu wenig, wenn wir dieses Land für die kommenden Generationen modern gestalten wollen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Danke, Herr Lenders. – Wir sind am Ende der Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt.

Wir haben einen Antrag, den wir an den Wirtschaftsausschuss überweisen. Was machen wir mit dem anderen?